Die Diskussion um die Schuldfrage des Ersten Weltkrieges ist, wenn auch
überlagert durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges, weiterhin eine
bedeutende Frage, der sich zahlreiche Literatur widmet. Dabei war es vor allem
Fritz Fischer mit seinem Buch „Griff nach der Weltmacht“, der in die bis in die
60er Jahre hinein wenig distanziert und weitgehend patriotisch geführte
Debatte neue Kontroversen einbrachte (Fischerkontroverse1). Er analysierte
nach Ansicht bis dato unveröffentlichter Aktenbestände erstmals, daß das
Deutsche Reich die Julikrise nutzen wollte, um sich der selbstverschuldeten
Auskreisung 2 gewaltsam zu entziehen und eine unangefochtene
Hegemonialstellung in Europa aufzubauen, um somit die von Öffentlichkeit
und Politik zunehmend geforderten Weltmachtambitionen durch politische und
wirtschaftliche Expansion verwirklichen zu können.3
Ihm folgten weitere Historiker wie Peter Graf Kielmannsegg 4 und Imanuel
Geiss5, die eigene Analysen vorlegten und mit dazu beitrugen, daß sich
inzwischen in Deutschland weitgehend die Ansicht durchgesetzt hat, daß sich
das Deutsche Reich mit seiner Politik für die Eskalation der Julikrise mit- oder
gar hauptverantwortlich gemacht hat, obwohl die Beweggründe und
Kriegsziele der Reichsleitung weiterhin umstritten sind.
Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, wird es mir nicht möglich
sein, sämtliche Ursachen- und Wirkungsstränge zu untersuchen, die in den
Weltkrieg führten. Ich werde deshalb den Schwerpunkt auf die folgenden
Themenbereiche legen: Erstens, welche Faktoren eine militärische
Auseinandersetzung absehbar und unvermeidlich erschienen ließen, zweitens,
die Vorgänge und ihre spätere Bewertung während der entscheidenden Julitage und drittens, ob die Schuldfrage eine berechtigte, aber falsch verstandene
Frage im Bezug auf den historischen Kontext ist.
1 Vgl. Schöllgen , Gregor: Griff nach der Weltmacht? 25 Jahre Fischerkontroverse, in:
Historisches Jahrbuch 106 (1986) S. 386-406.
2 Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges
1815-1914, München 1990, S. 217.
3 Vgl. Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen
Deutschland 1914/1918, Düsseldorf 1961, S. 11;12.
4 Kielmannsegg, Peter Graf: Deutschland und der Erste Weltkrieg, 2. Auflage, Stuttgart 1980.
5 Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges
1815-1914, München 1990. S. 205; 210.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Hauptteil
I. Wegbereiter der Julikrise
Einleitung
1. Innenpolitische Entscheidungen und Einflüsse
a) Weltmachtstreben und Flottenbau
b) Industrie und Verbände
c) Die deutsche Öffentlichkeit
2. Außenpolitische Entscheidungen und ihre Auswirkungen
a) Deutsche Kolonien
b) Krisen vor Juli 1914
II. Die Julikrise (Va-banque-Spiel)
1. Das Attentat und der Blankoscheck
2. Die Verhandlungen schlagen fehl (Langsamkeit der Österreicher)
3. Militärische Überlegungen erringen die Überhand
C. Schluß
A. Einleitung
Die Diskussion um die Schuldfrage des Ersten Weltkrieges ist, wenn auch überlagert durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges, weiterhin eine bedeutende Frage, der sich zahlreiche Literatur widmet. Dabei war es vor allem Fritz Fischer mit seinem Buch „Griff nach der Weltmacht“, der in die bis in die 60er Jahre hinein wenig distanziert und weitgehend patriotisch geführte Debatte neue Kontroversen einbrachte (Fischerkontroverse[1]). Er analysierte nach Ansicht bis dato unveröffentlichter Aktenbestände erstmals, daß das Deutsche Reich die Julikrise nutzen wollte, um sich der selbstverschuldeten Auskreisung[2] gewaltsam zu entziehen und eine unangefochtene Hegemonialstellung in Europa aufzubauen, um somit die von Öffentlichkeit und Politik zunehmend geforderten Weltmachtambitionen durch politische und wirtschaftliche Expansion verwirklichen zu können.[3]
Ihm folgten weitere Historiker wie Peter Graf Kielmannsegg[4] und Imanuel Geiss[5], die eigene Analysen vorlegten und mit dazu beitrugen, daß sich inzwischen in Deutschland weitgehend die Ansicht durchgesetzt hat, daß sich das Deutsche Reich mit seiner Politik für die Eskalation der Julikrise mit- oder gar hauptverantwortlich gemacht hat, obwohl die Beweggründe und Kriegsziele der Reichsleitung weiterhin umstritten sind.
Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, wird es mir nicht möglich sein, sämtliche Ursachen- und Wirkungsstränge zu untersuchen, die in den Weltkrieg führten. Ich werde deshalb den Schwerpunkt auf die folgenden Themenbereiche legen: Erstens, welche Faktoren eine militärische Auseinandersetzung absehbar und unvermeidlich erschienen ließen, zweitens, die Vorgänge und ihre spätere Bewertung während der entscheidenden Julitage und drittens, ob die Schuldfrage eine berechtigte, aber falsch verstandene Frage im Bezug auf den historischen Kontext ist.
B. Hauptteil
I. Wegbereiter der Julikrise
Einleitung
Die Julikrise von 1914, die schließlich in den ersten Weltkrieg mündete, sollte nicht isoliert betrachtet werden. Ohne eine zumindest kurze Anskizzierung der Ereignisse, die ihr vorausgingen, ist ihr Ausmaß nicht verständlich. Wie sollte eine derartige Krise so plötzlich erwachsen sein, zumal die Situation im Vergleich zu vorausgegangenen Krisen nur unwesentlich kritischer war.
Gewisse entscheidungsprägende Ereignisse müssen also bereits vor der Julikrise von 1914 vorgefallen sein, die die Entwicklungen am Vorabend des Krieges indirekt beeinflußt haben. Um die sich aufbauenden und zunehmenden Spannungsverhältnisse bis zum Juli 1914 zu verstehen, werde ich im Rahmen dieser begrenzten Arbeit einige Sachverhalte ansprechen, die von Bedeutung erscheinen. Eine intensive Bearbeitung der folgenden Unterkapitel ist aufgrund des Materialumfangs der einzelnen Themenbereiche nicht möglich und würde diese Arbeit inhaltlich sprengen. Die behandelten Kapitel sollen lediglich Verständnis für gewisse Problembereiche und die Vielzahl der unterschiedlichen Krisenfaktoren kurz anskizzieren.
1. Innenpolitische Entscheidungen und Einflüsse
a) Weltmachtstreben und Flottenbau
Mit dem Sieg über Frankreich und der Reichsgründung von 1871 befand sich Deutschland auf dem Weg von der kontinentalen Großmacht zur Weltmacht. Die Jahre 1896 – 1898 kennzeichnen Deutschlands endgültigen Übergang von der europäisch orientierten Politik Bismarcks zur wilhelminischen Weltpolitik und gehen damit auf den zunehmend gewachsenen Anspruch auf Weltmachtsstellung innerhalb der deutschen Gesellschaft ein.[6] In Anlehnung an das Musterbeispiel einer Weltmacht – England –, war Deutschland nun zunehmend bestrebt, ebenfalls überseeischen Besitz zu erlangen und seinen politischen Einfluß über die Grenzen Europas hinauszuschieben. Als wichtigstes Instrument dieser expansiven Überseepolitik galt die Flotte, deren Aufrüstung von Admiral Tirpitz 1898 in Angriff genommen wurde.[7]
Die Folgen der deutschen Kolonialbestrebungen[8] und des zunehmend gegen die englische Seeherrschaft gerichteten Flottenbaus,[9] waren eine zugunsten der politischen und wirtschaftlichen Autarkie Deutschlands vertane Bündnispolitik und das bis zum Ausbruch des Krieges schwer belastete Verhältnis zu England.[10] Deutschland stand zusehens im Abseits und sah sich von einer Übermacht an Gegnern eingekreist, zumal der österreichische Partner ein kränkelnder und von inneren ethnischen Unruhen geprägter Verbündeter war, von Italien ganz zu schweigen. Somit führte das innenpolitische Ziel, durch Einbindung der Arbeiter die erstarkende sozialistische Bewegung zurückzudrängen und durch Fördern des Flottenbaus, die Großindustrie zu unterstützen, in außenpolitischer Hinsicht zu Reibungen mit fast allen etablierten Kolonialmächten. Am folgenschwersten für die deutsche Politik aber wog der Verlust, der für einen Kontinentalkrieg so wichtige Neutralität Englands, die ständig in Konflikt mit dem deutschen Flottenbau stand.[11]
b) Industrie und Verbände
Mit der sich rasch entwickelnden Industrie ging ein zunehmender Einfluß der Wirtschaft auf die Politik einher, die das deutsche Weltmachtstreben politisch als positiv für eigene Interessen ansah. Die entstehenden Vereinigungen förderten zunächst die deutsche Regierungsspitze, wurden aber zunehmend radikaler in ihren Forderungen nach außenpolitischen Erfolgen und daher nicht ungefährlich für den Staat.
So befürwortete der Hansabund einen „gesunden - nicht chauvinistischen – Imperialismus“ und sprachen sich namentlich durch das Direktoriumsmitglied Stecke für eine „gesunde und notwendige Expansionspolitik“ aus.
[...]
[1] Vgl. Schöllgen , Gregor: Griff nach der Weltmacht? 25 Jahre Fischerkontroverse, in:
Historisches Jahrbuch 106 (1986) S. 386-406.
[2] Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges
1815-1914, München 1990, S. 217.
[3] Vgl. Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen
Deutschland 1914/1918, Düsseldorf 1961, S. 11;12.
[4] Kielmannsegg, Peter Graf: Deutschland und der Erste Weltkrieg, 2. Auflage, Stuttgart 1980.
[5] Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges
1815-1914, München 1990. S. 205; 210.
[6] Vgl. Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des ersten
Weltkrieges 1815-1914, München 1990. S. 205; 210.
[7] Vgl. Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des ersten
Weltkrieges 1815-1914, München 1990. S. 254 f.
[8] Vgl. dazu I.2.a).
[9] Vgl. Hölzle, Erwin: Die Selbstentmachtung Europas, Göttingen-Frankfurt-Zürich 1975,
S. 148.
[10] Vgl. Fischer, Fritz: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911-1914, Düsseldorf
1969, S. 94.
[11] Vgl. Hölzle, Erwin: Die Selbstentmachtung Europas, Göttingen-Frankfurt-Zürich, 1975,
S. 153.
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