Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Interkulturelle Kompetenz
3. Praxis der Jugendhilfe
3.1 Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
3.1.1 Fallbeispiel Inobhutnahme Deutschland
3.2 Child Care in England
3.2.1 Fallbeispiel Kindeswohlgefährdung England
3.3 Vergleich der Jugendhilfesysteme
3.3.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Jugendhilfe in Deutschland und England
3.3.2 Relevanz eines solchen Vergleichs (Global Social Work)
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen der Blockveranstaltung „Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und England (Child Care in Germany and the UK)“ habe ich mich im Folgenden mit der Fragestellung: „ Welche Schlussfolgerungen können für die Praxis der Jugendhilfe in Deutschland durch den Vergleich mit anderen Ländern gezogen werden?“ beschäftigt.
Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Globalisierungsprozesse speziell auf europäischer Ebene ist es nachvollziehbar, dass Ansätze und Grundlagen Sozialer Arbeit im Allgemeinen und das System der Jugendhilfe im Besonderen aus dem europäischen Ausland zur Kenntnis genommen werden muss und die Fachkräfte der Sozialen Arbeit diesbezüglich offen für neue Anregungen sein sollten. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass sich die theoretischen und praktischen Vorgehensweisen in jedem Land unterschiedlich darlegen und die Kenntnisse, die mithilfe eines Vergleichs daraus gewonnen werden sollen nicht immer sofort ersichtlich sind. Aus diesem Grund ist ein genauer Überblick und vertieftes Hintergrundwissen der zu vergleichenden Subjekte im internationalen Kontext wichtig.[1] Im Vorfeld einer solchen Herangehensweisen an Themen der Sozialen Arbeit sollte man sich jedoch neben der Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Relevanz einer interkulturellen Sichtweise und die damit verbundene Effektivität für die soziale Theorie und Praxis, verstärkt mit den Rahmenbedingungen der Jugendhilfesysteme befassen.
Aus diesem Grund werde ich im Folgenden zuerst auf die Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz der Fachkraft der Sozialen Arbeit eingehen und darlegen, aus welchen Gründen diese Fähigkeit für die Methodik des Vergleichs von Bedeutung ist. Im Anschluss daran sollen die Jugendhilfesysteme in Deutschland und in England vor allem bezüglich ihrer Organisationsstruktur behandelt und in der Folge miteinander auf Affinitäten und Differenzen hin untersucht werden. Dieser Vergleich soll abschließend auf seine Relevanz und seinen Nutzen hin geprüft und unter Einbeziehung der Begrifflichkeit ‚Global Social Work‘ kritisch betrachtet werden. Das zusammenfassende Fazit beschäftigt sich schließlich mit der Beantwortung der eingangs gestellten Frage, der Bedeutung einer solchen Veranstaltung im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit und einem Ausblick auf zukünftige themenbezogene Erkenntnisse.
2. Interkulturelle Kompetenz
Die Interkulturelle Kompetenz stellt eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen einer Fachkraft der Sozialer Arbeit dar, denn sie umfasst alle Fertigkeiten und Fähigkeiten, die es einer Person ermöglichen, an kulturellen Schnittstellen flexibel, angemessen und effektiv zu handeln.[2]
Es ist somit die berufliche Fähigkeit gemeint, interkulturelle Gegebenheiten wahrzunehmen und die damit verbundenen Möglichkeiten und Chancen zu erfassen, die eigenen Verhaltens- und Denkweisen kritisch reflektieren zu können, interkulturelle Prozesse zu bekräftigen, Konflikte in diesem Bereich zu bearbeiten und sich Hintergrundwissen über die jeweiligen Kulturen aneignen zu können. Dieser Teilaspekt der interkulturellen Kompetenz, das interkulturelle Lernen, stellt einen wichtigen Aspekt der Relevanz der Bearbeitung anderer Grundelemente der Sozialen Arbeit dar.
Interkulturelles Lernen kann dem Menschen dabei helfen, sich die eigenen kulturellen Hintergründe zu verdeutlichen, Verhaltensweisen oder Vorurteile offen zu legen, in andere Kultursysteme Einblick zu gewinnen, durch das Kennen lernen kultureller Unterschiede Verständnis und Anerkennung für das Fremde zu entwickeln und dadurch die Ausweitung der eigenen Grenzen und die Weiterentwicklung des eigenen Verständnisses hervorzurufen.[3]
Die Forderung nach Interkultureller Kompetenz vor allem in der Sozialen Arbeit wird mit der immer höher werdenden Multikulturalität einer jeden Gesellschaft und dem Wegfall vieler nationaler Grenzen und uneingeschränkten Reisemöglichkeiten im Zuge der Globalisierung begründet. Diese zunehmende Tendenz zur Globalisierung hat weiterhin Einfluss auf verschiedene soziale und politische Bereiche auf lokaler Ebene, wodurch wiederum auch die Fachkraft der Sozialen Arbeit vor Ort in diesen Prozess involviert wird und sich mit Aspekten der Interkulturalität beschäftigen muss.
Somit sollten sich Fachkräfte aus den oben genannten Gründen auf das Erlernen Interkultureller Kompetenzen einlassen und diese auch bewusst wahrnehmen, denn vor allem hinsichtlich der vergleichenden Methoden internationaler Sozialer Arbeit, welche Gegenstand dieser Ausarbeitung sind, ist ein gewisses Maß an Interkultureller Kompetenz die Voraussetzung für den Erwerb vertiefter Kenntnisse in dem Bereich.
3. Praxis der Jugendhilfe
Ein Vergleich der Jugendhilfesysteme zwischen zwei hoch entwickelten Industriestaaten wie Deutschland und England bietet sich an, da sich vor allem die rechtlichen Grundlagen sehr ähnlich sind, wodurch zumindest einheitliche Grundlagen vorhanden sind.[4]
Im Folgenden sollen zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Praxis der Jugendhilfe beider Länder einzeln dargestellt und am Anschluss daran miteinander verglichen werden. Auch sollen die Gründe und Vorteile eines solchen Vergleichs näher betrachtet werden.
3.1 Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
Die essenziellen rechtlichen Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland sind zum einen das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), welches am 1.1.1991 in Kraft getreten ist und dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), welches das Zivilrecht regelt. Im KJHG finden sich somit Regelungen für Eltern und Minderjährigen, wohingegen das BGB die gerichtlichen Interventionen in einer Familie regelt.[5] Weiterhin können einzelne Artikel des Grundgesetzes (GG), wie z. B. der Art. 6 GG, welcher auch das ‚staatliche Wächteramt‘ beinhaltet, benannt werden. Unter ‚staatlichem Wächteramt‘ wird die Pflicht des Staates verstanden, in das Erziehungsrecht von Eltern eingreifen zu dürfen, wenn diese trotz Unterstützung der Jugendhilfe selbst nicht in der Lage sind, ihre Erziehungspflicht zu erfüllen und somit eine Kindeswohlgefährdung die Folge ist.[6] In besonders schweren Fällen kann das Vormundschaftsgericht die Trennung der Eltern von ihrem Kind auch zwangsweise anordnen. Der Art. 6 stellt somit das Gleichgewicht zwischen dem Recht des Kindes auf Erziehung, dem der Eltern, ihr Kind zu erziehen, der gleichzeitigen Pflicht der Eltern dies zu gewährleisten und der Pflicht des Staates darüber zu wachen, her.[7]
Grundsätzlich kann folglich gesagt werden, dass die Hilfe für Familien bei der Erziehung ihrer Kinder durch das System der Jugendhilfe gewährleistet werden soll. Gesetzlich, im Besonderen gem. § 1 KJHG, ist die Jugendhilfe dazu verpflichtet, Leistungen bereitzustellen, die das Recht von Kindern und Jugendlichen auf die Förderung der Entwicklung und das Recht auf die Erziehung zu einer sozial integrierten Persönlichkeit gewährleisten. Hilfen zur Erziehung sind somit Leistungsangebote, welche dann gewährt werden, wenn eine Familie keine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung leisten kann.[8]
Gem. § 79 Abs. 1 KJHG haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in Deutschland also die Jugendämter jedes Kreises und jeder kreisfreien Stadt und die Landesjugendämter, die Pflicht, der Erfüllung dieser Aufgabe nachzukommen. Weiterhin haben sie durch die Übernahme der Planungsverantwortung und das in Deutschland bestehende Subsidiaritätsprinzip die Aufgabe, Angebote und Leistungen freier Träger bei der Ausführung von Jugendhilfeleistungen zu berücksichtigen und zu fördern, gem. § 4 KJHG. Das bedeutet, dass nur dann Angebote durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt werden sollen, wenn diese nicht durch freie Träger gewährleistet werden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der deutschen Jugendhilfe ist die Tatsache, dass der Anspruch auf Hilfen zur Erziehung ausschließlich den Personensorgeberechtigten zusteht. Das heißt, dass hier nicht die Kinder oder Jugendlichen die Anspruchsberechtigen sind und die Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht explizit aufgeführt werden, wodurch das KJHG als rückständig im Bereich der Kinderrechte angesehen werden kann.[9]
In den §§ 28-35 KJHG werden die Hilfen zur Erziehung konkret geregelt. Hierbei besteht allerdings zwischen den einzelnen Hilfsangeboten keine Rangfolge, es muss, gem. § 27 Abs. 2 KJHG nur die Eignung der jeweiligen Hilfe nachgewiesen werden.
Als ambulante Hilfsformen können gem. §§ 28-32 KJHG die Erziehungsberatung, die Soziale Gruppenarbeit, der Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer sowie die Sozialpädagogische Erziehungshilfe (SPFH) genannt werden. Bei diesen Hilfen zur Erziehung ist eine Fremdunterbringung der Kinder und/oder Jugendlichen und somit die Trennung von den Eltern nicht notwendig. Als Übergang zwischen ambulanter und stationärer Erziehungshilfe kann die Tagesgruppe gem. § 32 KJHG angesehen werden, in welcher Kinder und Jugendliche wochentags, zumeist bis zum Abend unter Beaufsichtigung von Fachpersonal ihren Alltag verbringen, die Nächte und Wochenende verbleiben sie jedoch zumeist bei den Eltern. Dies wird als letzte Möglichkeit durchgeführt, um die Kinder und Jugendlichen in der Herkunftsfamilie zu lassen und nicht fremdunterzubringen.
Wenn ambulante Maßnahmen das Wohl des Kindes oder Jugendlichen nicht mehr gewährleisten können oder dem Jugendamt unmittelbar ein Fall von Kindeswohlgefährdung dargelegt wird, greift der § 8 a KJHG, welcher die gesetzlichen Regelungen des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung beinhaltet. Das Jugendamt hat dann im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte das Gefährdungsrisiko abzuschätzen und falls notwendig das Familiengericht einzuschalten. Kann nicht anderweitig das Wohl des Kindes geschützt werden, kommt es zu einer Inobhutnahme durch das Jugendamt gem. § 42 KJHG.
[...]
[1] www.dji.de
[2] www.pop-consulting.de
[3] Zacharaki 2007, S. 19 ff
[4] Knuth 2008, S. 12
[5] Knuth 2008, S. 92 f
[6] Knuth 2008, S. 92
[7] Schmid 2004, S. 8
[8] Schmid 2004, S. 2
[9] Vgl. Knuth 2008, S. 93