Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das General Aggression Model
2.1 Das Basismodell
2.2 Langfristige Auswirkungen von gewalthaltigem Medienkonsum
3 Einsatzgebiete und Erkenntnisse des GAM
3.1 Untersuchungen zu Aggression bei Computerspielern
3.2 Wirkung von Mediengewalt und Lebenswelt
4 Grenzen des GAM
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: General Aggression Model: Episodic processes
Abbildung 2: General Aggression Model: Expanded Appraisal and Decision Processes
Abbildung 3: General Aggression Model: Personality Processes
1 Einleitung
Aggressivität von Kindern und Jugendlichen wird heutzutage häufig mit dem Konsum von neuen Medien in Verbindung gebracht. Dabei wurde bereits Mitte des letzten Jahrhun- derts die Auswirkung von Gewalt im Fernsehen auf Kinder und Jugendliche in ersten Stu- dien untersucht (Hopf, 2004). Allerdings haben Medien heutzutage neue Dimensionen erhalten, da sie zum einen deutlich leichter für Kinder und Jugendliche zugänglich sind, zum anderen neue Komponenten bei der Mediennutzung hinzu gekommen sind. Während beim Fernsehen der Rezipient ausschließlich konsumiert, ist er beim Computer - sei es beim Spielen oder beim Surfen im Internet - nicht ausschließlich Rezipient sondern auch Mitspieler und Mitgestalter. Damit ist er am Geschehen auf dem Bildschirm unmittelbar beteiligt. Beim Computerspiel ist es zum Beispiel die Entscheidung des Spielers wie er in das Geschehen der Geschichte, welche auf seinem Bildschirm abläuft, eingreifen möchte, mit wem er kooperiert und welche Strategie er verfolgt. Auch bei der Nutzung des Inter- nets hat der Nutzer deutlich mehr Einfluss auf die Inhaltsauswahl als bei einem Film, da das Angebot riesig und unmittelbar abrufbar ist. Die Erfahrung von Gewalt kann somit deutlich direkter ausfallen, als bei dem Konsum eines Gewalt verherrlichenden Filmes.
Diese Tatsache ist für die Bewertung des Einflusses der Medien auf die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen insofern ein Problem, dass die Dimension des Akteurs bei früheren Erklärungsmodellen zum Teil außer acht gelassen wurde. Um der Komplexität des Themas der Entstehung von Gewalt besser Rechnung tragen zu können entwickelten Anderson und Bushmann das so genannte General Aggression Model (im folgenden Text mit GAM abgekürzt) (Anderson & Bushman, 2002).
Diese Arbeit wird im folgenden Kapitel zunächst das GAM darstellen und erläutern.
Im Anschluss daran werden Untersuchungen zum Thema Aggression bei Computerspielern vorgestellt, welche auf das GAM zurückgreifen. Da das GAM für sich in Anspruch nimmt, ein universelles Modell zur Erklärung der Entstehung von Gewalt zu sein, wird dieser Aspekt ebenfalls mit aufgegriffen.
Zuletzt erfolgt die kritische Bewertung des Modells gefolgt von einem abschließenden Fazit.
2 Das General Aggression Model
Mit dem GAM nehmen die Autoren für sich in Anspruch, einen Rahmen für die Bearbei- tung des Themas Entstehung von Aggression zu geben. Dabei weisen sie explizit darauf hin, dass sie bereits bestehende Theorien, wie den kognitiv-physiologischen Ansatz, die Lerntheorie, die Skript-Theorie, die Theorie der sozialen Interaktion, das Priming-Konzept oder die Exitation-Transfer-Theorie im GAM mit verwertet zu haben (Anderson & Bush- man, 2002; Kunczik & Zipfel, 2006; Früh & Brosius, 2008, Hopf, 2004). So formulieren Anderson und Bushman: „This theoretical framework was designed to integrate existing mini-theories of aggression into a unified whole“ (Anderson & Bushman, 2002, S. 33).
Die Vorteile in der Zusammenführung der Theorien sehen die Autoren zum einen darin, dass die komplexe Betrachtungsweise insgesamt effektiver ist, als die Betrachtung immer nur einzelner kleiner Teilsegmente. Zudem erklärt das Modell die Entstehung von Gewalt, die auf mehreren Ursachen beruht, besser, als ein Modell, welches den Focus nur auf eine Ursache gerichtet hat (Anderson & Bushman, 2002). Auch Früh und Brosius verwei- sen darauf, dass „das General Aggression Model (GAM) … ein integratives Konzept dar[stellt], das versucht, die Entstehung von Aggression bzw. gewalttätigem Verhalten zu erklären“ (Früh & Brosius, 2008, S. 188). Daraus resultiert, dass das Zusammenspiel ver- schiedener Faktoren besser beurteilt werden kann und damit auch besser Strategien ent- wickelt werden können, wie man im Einzelfall gegen aggressives Verhalten vorgehen kann. Dies kann eine Hilfe für Lehrer, Erzieher und Eltern sein (Anderson & Bushman, 2002).
„Das General Aggression Model drückt die im Grund nicht neue Idee aus, das aggressive Medieninhalte Aggression steigern können, indem sie Rezipienten zeigen, wie man Ge- walt ausübt, indem sie aggressive Kognitionen prägen, indem sie die Erregung steigern oder indem sie einen aggressiven Gefühlszustand hervorrufen“ (Kunczik & Zipfel, 2006, S. 184).
2.1 Das Basismodell
Dem GAM liegt der Gedanke zugrunde, dass „die Ausübung von Gewalt v. a. auf dem Lernen, der Aktivierung und der Anwendung aggresionsbezogener, im Gedächtnis veran- kerter Wissensstrukturen basiert“ (Kunczik & Zipfe, 2006, S. 183). Diese Wissensstruktu- ren werden durch drei Hauptkomponenten entscheidend beeinflusst: Input, Routes und Outcomes.
Abbildung 1 zeigt das GAM in schematischer Darstellung. Aus der Abbildung werden die drei unterschiedliche Ebenen ersichtlich, welche bei der Entstehung von Aggression eine entscheidende Rolle spielen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: General Aggression Model: Episodic processes (Anderson & Bushman, 2002, S. 34)
Bei den Input-Variablen werden die Person und die Situation unterschieden. Dabei gehören zur Person die Einstellungen, Werte und das Selbstvertrauen ebenso wie das Geschlecht, charakteristische Wesenszüge und langfristig gesetzte Ziele (Anderson & Bushman, 2002; Anderson & Carnagey, 2004; Kunczik & Zipfel, 2006). Es sind somit Persönlichkeitsmerkmale, die relativ festgelegt sind.
Die Situationsvariablen lassen sich mit den Umweltfaktoren beschreiben, welche das Handeln einer Person bestimmen. Hierzu gehören aggressive Reize, Provokationen, Frustration, Schmerz und Unwohlsein ebenso wie Drogen und Belohnungen, welche für ein aggressives Verhalten gegeben werden (Anderson & Bushman, 2002; Anderson &Carnagey, 2004; Kunczik & Zipfel, 2006).
Diese Input-Variablen spielen in jeder einzelnen Situation zusammen und je nachdem wie sie aufeinander treffen, wird die Situation in unterschiedlicher Art und Weise bewertet und ein an diese Bewertung angepasstes Verhalten gezeigt.
Dabei kann die Bewertung auf Kognition (Gedanken an Aggression), Affekte (Emotion, Stimmungslage) oder Erregungszustände zurückgehen. Diese drei Bereiche werden unter den Routes zusammengefasst. Dazu ist anzumerken, dass die Bereiche sehr eng mitein- ander verknüpft sind und sich selten trennen lassen. Negative Kognitionen bringen häufig negative Emotion mit sich. So wird zum Beispiel durch Ärger (= Emotion) in der Regel eine höhere Herzfrequenz verursacht (= Erregungszustand). Diese Bereiche lassen sich somit nicht voneinander losgelöst betrachten (Anderson & Bushman, 2002; Kunczik & Zipfel, 2006).
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