In meinem Vortrag zur russischen Staatsduma habe ich mich mit der Fragestellung, ob das "bestehende System“ den russischen Parlamentarismus eher stärkt oder schwächt, beschäftigt. Diese Frage wurde durch die Äußerungen von Boris Gryslow, dem Vorsitzenden der Staatsduma, hervorgerufen, in denen er behauptet, dass die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung auf die verschiedenen Machtorgane in Russland vernünftig sei und zu einer effektiven Arbeit des Parlaments beitragen würden. Außerdem behauptet Gryslow, dass das "bestehende System" dabei helfen würde, den russischen Parlamentarismus weiterzuentwickeln. Was genau Gryslow mit dem "bestehenden System" meint, bleibt hier weitestgehend offen. Wenn man die Entwicklungen des politischen Systems Russland jedoch näher betrachtet, wird Gryslow höchstwahrscheinlich das "System Putin", die "Vertikale der Macht", die "gelenkte Demokratie" Russlands gemeint haben. Es gibt viele andere Stimmen in der Literatur, die Gryslow widersprechen würden. Die Duma wird teilweise als "Parlament ohne Opposition" oder gar als "Taschenparlament des Präsidenten" degradiert. Um die Frage beantworten zu können, bin ich in folgenden Schritten vorgegangen. Zunächst habe ich, um einen theoretischen Rahmen aufzumachen, eine Typologie von Parlamentsaufgaben vorgestellt. In der politikwissenschaftlichen Parlamentarismusforschung gibt es verschiedenste Funktionskataloge für Parlamentsfunktionen (u.a. von Walter Bagehot, Gerhard Loewenberg, Winfried Steffani). Ich konzentrierte mich auf die Typologie von Werner Patzelt. Diese Auswahl werde ich im Laufe dieser Ausarbeitung noch begründen.
Im nächsten Schritt ist es unerlässlich die verfassungsrechtliche Stellung der Staatsduma zu untersuchen. An dieser Stelle wurde geklärt, welche Artikel besonders typisch für das politische Machtgefüge Russlands sind. Doch nicht nur die Verfassung der Russischen Föderation bestimmt die Rolle des Parlaments, sondern auch, besonders in jungen Demokratien, die politischen Akteure. In Russland hat vor allem der Präsident die Funktionen und Aufgaben der Duma häufig neu definiert. Die Duma spielte unter Jelzin eine andere Rolle als unter Putin oder Medwedew5. Diese Entwicklung wurde im dritten Schritt meiner Untersuchung kurz versucht nachzuvollziehen. Schlussendlich endete ich mit einem Fazit, einer quasi Antwort auf Gryslow, die ich am Ende dieser schriftlichen Ausarbeitung ausformulieren werde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Typologie von Parlamentsfunktionen
- Auf die Repräsentierten bezogene Parlamentsfunktionen
- Auf die Regierung bezogene Parlamentsfunktionen
- Auf das Parlament selbst bezogene Parlamentsfunktionen
- Die Staatsduma in der Verfassung
- Die Staatsduma unter Jelzin und Putin mit Bezugnahme auf die Erfüllung der „Netzwerkfunktion“ nach Patzelt
- Die Jelzin-Ära
- Die Putin-Ära
- Vergleich unter dem Aspekt der “Netzwerkfunktion”
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, ob das „bestehende System“ den russischen Parlamentarismus eher stärkt oder schwächt, indem sie die Rolle der Staatsduma im politischen System Russlands untersucht. Hierzu werden verschiedene Aspekte analysiert, insbesondere die Verfassungsmäßige Kompetenzverteilung und die tatsächliche Umsetzung dieser Kompetenz im Vergleich zu westlich-demokratischen Parlamenten.
- Verfassungsmäßige Kompetenzverteilung und die Rolle der Staatsduma
- Vergleich der Rolle der Staatsduma unter Jelzin und Putin
- Die „Netzwerkfunktion“ des Parlaments nach Patzelt
- Die Rolle der Staatsduma im Kontext der „gelenkten Demokratie“ in Russland
- Die Bedeutung der Staatsduma im Vergleich zu westlich-demokratischen Parlamenten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und erläutert den methodischen Ansatz der Untersuchung, der die Typologie von Parlamentsaufgaben nach Patzelt als theoretischen Rahmen nutzt. Im zweiten Kapitel wird Patzelts Typologie von Parlamentsfunktionen vorgestellt, wobei die verschiedenen Dimensionen der Parlamentsaufgaben erläutert werden, die sowohl die Repräsentierten als auch die Regierung betreffen.
Kapitel 3 untersucht die verfassungsrechtliche Stellung der Staatsduma und analysiert, welche Artikel der russischen Verfassung besonders relevant für die Rolle des Parlaments sind. Hier werden bereits erste Unterschiede zu westlich-demokratischen Parlamenten deutlich.
Im vierten Kapitel wird die Rolle der Staatsduma unter Jelzin und Putin untersucht. Dabei wird der Fokus auf die Entwicklung des politischen Systems Russlands gelegt, sowie die Frage, inwieweit die Staatsduma die „Netzwerkfunktion“ nach Patzelt erfüllt. Die Kapitel analysieren die jeweiligen Ären im Hinblick auf die Rolle des Parlaments im politischen System.
Schlüsselwörter
Staatsduma, russisches politisches System, Parlamentarismus, „Netzwerkfunktion“, Verfassungsmäßige Kompetenzverteilung, Jelzin, Putin, „gelenkte Demokratie“, westlich-demokratische Parlamente.
- Arbeit zitieren
- Christian Bruneß (Autor:in), 2009, Parlamentarismusfunktionen am Beispiel der russischen Staatsduma, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159247