Leseprobe
Inhalt
Einleitung
1 Clinical evaluation of conversational speech fluency in the acute phase of acquired childhood aphasia: Does a fluency/nonfluency dichotomy exist?
1.1 Einleitung
1.2 Patienten und Methode
1.3 Ergebnisse
1.4 Diskussion
2 An Analysis of Spontaneous Conversational Speech Fluency in Children with Acquired Aphasia
2.1 Einleitung
2.2 Material und Methode
2.3 Ergebnisse
2.4 Diskussion
3 Kritische Gegenuberstellung der beiden Artikel
3.1 Ziele im Vergleich
3.2 Methoden im Vergleich
3.3 Ergebnisse im Vergleich
4 AbschlieBende Bemerkung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Aphasie bei Kindern und Jugendlichen ist bis heute im Vergleich zur Aphasie bei Er- wachsenen ein wenig erforschtes Gebiet. Nach wie vor wird kontrovers uber Erscheinungs- formen, Verlauf und Prognose diskutiert. Auch eine einheitliche Definition oder explizite Ver- ankerung in der ICD-10 oder den Heil-mittelrichtlinien findet sich nicht. Doch die kindliche Aphasie ist „kein eben erst entdecktes Phanomen“. Bereits 1871 beschrieb Charles West (Kinderarzt, London) einen (zeitweisen) Verlust der Sprache nach langer Krankheit. Er stellte auch zu diesem Zeitpunkt schon den Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen mit Aphasie heraus (vgl. Hellal & Lorch, 2005).
Die kindliche Aphasie resultiert aus einer cerebralen Schadigung, die wahrend des normalen Spracherwerbs eintritt, und muss somit von einer Storung der Sprachentwicklung abgegrenzt werden (vgl. Paquier & van Dongen, 1993). Chilosi et al. (2008) beschrieben die kindliche Aphasie als Sprachdefizite, die in Folge einer Hirnschadigung nach dem Erwerb der ersten Worter und Satze, generell nach dem 2. Lebensjahr auftreten. Ahnlich beschrieb van Hout (2003) die kindliche Aphasie. Sie stellte auch noch einmal heraus, dass die ersten Worte erworben sein mussen und dann eine Storung der Sprache durch ein akutes Ereignis vorlie- gen muss. Auch auf die Abgrenzung zur Sprachentwicklungsstorung, die im englischspra- chigen Raum oft als developmental childhood aphasia“ bezeichnet wird und dadurch zu Verwirrungen (vgl. kindliche Aphasie, engl: acquired childhood aphasia) fuhrt, ist sehr wich- tig.
In der Literatur wird eine Vielzahl von Symptomen beschrieben. Angefangen bei einem initia- len Mutismus bis hin zu Storungen aller sprachlicher Modalitaten, ist die heute gangige Lehrmeinung, dass es sich bei der kindlichen Aphasie um ein sehr heterogenes Storungsbild handelt und so gut wie alle Symptome, die auch bei Erwachsenen zu beobachten sind, bei Kindern auftreten konnen. Eine klassische Syndromklassifikation ist nicht moglich. Die Spon- tansprache kann ,unflussig‘ und fehlerhaft aber auch ,flussig‘ und fehlerhaft sein. Neben dem Sprachverstandnis konnen auch je nach Entwicklungsstand des Kindes das Lesen, Schrei- ben und Rechnen beeintrachtigt sein.
Als Hauptursache wird mit ca. 80% das Schadel-Hirn-Trauma (SHT) genannt. Weitere Ursa- chen konnen der Schlaganfall (vaskulare Ursache), Tumorerkrankungen, Entzundungen (Encephalitis), hypoxische Hirnschaden, hirnatrophische Prozesse oder auch Epilepsie (vor allem das Landau-Kleffner-Syndrom) sein.
Die Spontansprachanalyse ist in der Aphasieforschung eine weit verbreitete Methode. Es finden sich einige Studien uber verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Schwerpunk- ten bzw. Forschungsfragen. Generell kann man diese Verfahren jedoch in zwei Gruppen unterteilen. Auf der einen Seite finden sich die qualitativen Verfahren und auf der anderen Seite die quantitativen Verfahren (vgl. Prins & Bastiaanse, 2004).
In dieser Arbeit werden nun zwei Studien zur Spontansprachanalyse bei Kindern mit Aphasie kurz vorgestellt und miteinander bzgl. ihrer Ziele, Methode und Ergebnisse verglichen und bewertet.
In Kapitel und 1 und 2 werden die beiden ausgewahlten Artikel vorgestellt.
Clinical evaluation of conversational speech fluency in the acute phase of acquired childhood aphasia: Does a fluency/nonfluency dichotomy exist? van Dongen HR, Paquier PF, Creten WL, van Borsel J, Catsman-Berrevoets CE, (2001): Journal of child neurology. 16:5; 345-351.
An Analysis of Spontaneous Conversational Speech Fluency in Children with Acquired Aphasia.
Van Dongen HR, Paquier PF, Raes J, Creten WL, (1994): Cortex. 30:4; 619-633.
Die Gliederung folgt dem jeweiligen Aufbau der beiden Artikel. In Kapitel 3 werden die Artikel hinsichtlich ihrer Ziele, Methode und Ergebnisse verglichen und bewertet. Die Arbeit endet mit einer abschlieBenden Bemerkung in Kapitel 4.
1 Clinical evaluation of conversational speech fluency in the acute phase of acquired childhood aphasia: Does a fluency/nonfluency dichotomy exist? (van Dongen et al., 2001)
Im folgenden Kapitel wird der Artikel „Clinical evaluation of conversational speech fluency in the acute phase of acquired childhood aphasia: Does a fluency/nonfluency dichotomy exist?” von van Dongen HR, Paquier PF, Creten WL, van Borsel J und Cats- man-Berrevoets CE, erschienen im Jahre 2001 im Journal of child Neurology zusam- menfassend dargestellt. Dieser Artikel wurde im Seminar besprochen und stellt die Grundlage fur diese Hausarbeit dar. Es erfolgt in diesem Kapitel keinerlei personliche Bewertung oder Kommentierung. Kommentare oder Bewertungen entstammen aus- schlieBlich dem Originalartikel und wurden lediglich ins Deutsche ubertragen.
1.1 Einleitung
In der Literatur wird immer wieder kritisch diskutiert, ob sich eine Trennung zwischen flussiger und unflussiger Aphasie vollziehen lasst. Der Begriff der flussigen Aphasie wird heute jedoch nach wie vor verwendet und beschreibt charakteristische Symptome. Kerschensteiner et al. (1972) konnten mit Hilfe von 10 ausgesuchten Sprechvariablen (vgl. Abbildung 1 im Anhang) und einer anschlieBend durchgefuhrten Clusteranalyse zeigen, dass sich eine nicht-kontrollierte Gruppe von erwachsenen Patienten mit Aphasie in eine flussige und nichtflussige Gruppe unterteilen lieBen. Die verwendeten Variablen trennten unterschiedlich gut zwischen den beiden Gruppen. Am Besten lieB sich der Unterschied in den variablen Phrasenlange, Pausen, Prosodie und Sprechge- schwindigkeit zeigen (vgl. Abb.2 im Anhang).
Die traditionelle Lehrmeinung zur kindlichen Aphasie charakterisiert diese als unflussig. In der Literatur finden sich jedoch zunehmend Einzelfallbeschrei-bungen von Kindern die eindeutige Symptome einer flussigen Aphasie zeigen (van Dongen & Loonen, 1977; Woods &Teubner, 1978). Daraus lasst sich die Schlussfolgerung ziehen, dass das klinische Bild der kindlichen Aphasie nicht so homogen ist, wie fruher angenom- men wurde. Alle Muster der flussigen Aphasie konnten auch bei Kindern mit Aphasie beobachtet werden (Paquier & van Dongen, 1998).
Es stellt sich nun die Frage, ob sich ein vergleichbares Muster der flussi- gen/unflussigen Aphasie, wie Kerschensteiner es zeigen konnte, auch bei Kindern mit Aphasie nachweisen lasst. Die von Kerschensteiner verwendete Methode zur Spontansprachanalyse soll nun auch bei einer Gruppe von Kindern durchgefuhrt werden. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist, ob sich genau wie bei den Erwachsenen auch bei Kindern mit Aphasie zwei Gruppen (eine flussige und eine unflussige) mit Hilfe dersel- ben Analyseverfahren und Parameter bilden lassen. Auch soll die Frage geklart wer- den, ob die Reihenfolge der zwischen diesen beiden Gruppen unterscheidenden Pa- rametern gleich ist.
1.2 Patienten und Methode
Patienten
Insgesamt nahmen 24 Kinder (nicht kontrolliert nach Alter, Geschlecht, Ursache und Schweregrad der Aphasie) an der Studie teil (vgl. Abbildung 3 im Anhang). Die Kinder waren alle Rechtshander und sprachen Niederlandisch, ihre Entwicklung (psychomoto- risch und sprachlich) war bis zur Erkrankung normal verlaufen. Keines hatte vorbeste- hende neurologische Defizite. Sie besuchten alle die Regelschule. Insgesamt nahmen 14 Madchen und 10 Jungen zwischen 6,6 und 14,5 Jahren (Mean 10,2 Jahre, SD 2,4) teil. Eine vaskulare Ursache lag bei 7 Kindern vor. 5 Kinder hatten ein Trauma, 4 Infek- tionen und ein Kind hatte einen Tumor. 4 Kinder hatten ein Landau-Kleffner-Syndrom und ein Kind Migrane. Ein Kind hatte eine akute Hirnschwellung.
Spontansprache
Die Spontansprachaufnahmen waren wahrend der ersten Sprachdiagnostik innerhalb der ersten drei Wochen nach der Erkrankung entstanden. Alle Kinder waren aufmerk- sam und kooperativ. Die Spontansprache wurde in einer freien Interviewsituation auf- gezeichnet (Video und Tonband) und retrospektiv analysiert. Offene Standardfragen (z.B. Spielfilm im Fernsehen, Haustiere, letzter Urlaub, Schule, zuletzt gelesenes Buch) sollten beantwortet werden. Der Untersucher sprach jedoch nur, um das Gesprach zu leiten und Kommunikation zu initiieren. Die Eltern der Kinder waren wahrend des Ge- sprachs anwesend.
Zwei unabhangige Untersucher, die die Kinder nicht kannten transkribierten deren Spontansprache. Nach zwei Wochen transkribierten sie die Spontansprache erneut, die beiden Transkripte wurden miteinander verglichen und bei Unstimmigkeiten wurde gemeinsam ein Kompromiss gefunden.
Die beiden Untersucher bewerteten die 24 Transkripte unabhangig von einander an- hand der Kriterien nach Kerschensteiner et al. (1972) (vgl. Abb.1 im Anhang). Wiede- rum zwei Wochen spater bewerteten sie erneut und verglichen die Bewertungen. Unstimmigkeiten wurden auch hier wieder beseitigt.
Be wertungssystem
Zwei Untersucher bewerteten die Transkripte nach den 10 Variablen, die Kerschensteiner et al. (1972) (vgl. Abbildung 1 im Anhang) in ihrer Studie beschrieben und verwendeten. AuBer bei der Variablen „Wortwahl“ wurde eine Punkteskala von 1-3 verwendet. 1 bedeutete hier schwere Storung und 3 keine Storung. Die Bewertungs- skala der Sprechrate wurde ebenfalls ubernommen. Hier bedeutete eine 1 weniger als 50 Worter pro Minute und eine 3 mehr als 90 Worter pro Minute, eine 2 wurde fur den dazwischenliegenden Bereich vergeben. Fur die Variable Phrasenlange wurden die Punkte wie folgt vergeben: 1 bei uberwiegend Ein-Wort-AuBerungen, 2 uberwiegend Drei- bis Vier-Wort-AuBerungen und 3 uberwiegend mehr als Vier-Wort-AuBerungen. Die Wortwahl wurde wie bereits erwahnt nach einem anderen System bewertet und zwar wurde ein Telegrammstil mit -1, normale Wortfindung mit 0 und inhaltsleere Spra- che (z.B. Floskeln) mit +1 bewertet.
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