Wie kann innerhalb der Sozialarbeit in der psychiatrischen Versorgung die Balance zwischen der Anerkennung von Diversität und den Normalitätsvorstellungen der Gesellschaft hergestellt werden?
Die Soziale Arbeit in der psychiatrischen Versorgung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle. Einerseits unterstützt sie Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei, ein selbst bestimmtes Leben zu führen und ihre Individualität zu stärken, andererseits wird sie stark von gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen beeinflusst. In der klinischen Sozialarbeit liegt der Fokus auf der Betrachtung von "abweichendem" Verhalten, um passgenaue Interventionen für Klient*innen
zu entwickeln. Ziel ist oft, die Klient*innen im Sinne gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen zu stabilisieren, etwa durch Unterstützung bei Job- oder Wohnungssuche oder Vermittlung an Suchtberatungsstellen (Sehmer & Thole, 2021). Dabei besteht die Gefahr, Menschen an bestehende Normen anzupassen und dann beispielsweise eine non-binäre Person als "von der Normabweichend" einzustufen (Höblich & Goede, 2021). Solche Stigmatisierungen behindern die Anerkennung von Diversität, obwohl gerade die Achtung der Vielfalt Grundlage sozialer Berufe ist. Soziale Arbeit hat die Aufgabe, Menschen gerecht zu behandeln, zu inkludieren und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2017, S. 10). Die Umsetzung von Diversität wird nicht nur durch gesellschaftliche Normen, sondern durch rechtliche Rahmenbedingungen wie das PsychKG oder Unterbringungsgesetze zusätzlich eingeschränkt. Wie es gelingen kann, innerhalb der psychiatrischen Versorgung eine Balance zwischen Anerkennung von Diversität und gesellschaftlicher Normalisierung herzustellen, steht im Zentrum dieser Arbeit.
Die Relevanz zeigt sich sowohl in wissenschaftlichen Beiträgen als auch in der Praxis. In der Gesellschaft bestehen trotz wachsender Sensibilität bestimmte Vorstellungen, was als „normal“ angesehen wird und was nicht. Beiträge wie der Zeitungsartikel von Höblich und Goede (2021) belegen, dass heteronormative Geschlechterbilder in Gesellschaft und Sozialer Arbeit weiter überwiegen. Gleichzeitig betonen Beiträge wie der von Perko (2024), dass Gender- und Queer-Themen zunehmend Teil der sozialarbeiterischen Praxis sind und spezifische Fachkompetenzen vorausgesetzt werden (ebd.). [...]
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- F. Interwies (Auteur), 2025, Anerkennung von Diversität und Normalitätsvorstellungen in der Sozialarbeit der Psychiatrie. Ein Spannungsfeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1593068