Die europäische Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 gilt als außenpolitischer Meilenstein: In seltener Einigkeit verhängte die Europäische Union massive Sanktionen gegen Russland – trotz tiefgreifender ökonomischer Verflechtungen, asymmetrischer Abhängigkeiten und politischer Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten. Wie aber war diese Einigkeit möglich? Und warum konnten sich einzelne Staaten, etwa Ungarn, mit ihren spezifischen Sanktionspräferenzen überproportional durchsetzen?
Diese Masterarbeit beleuchtet diese Fragen aus einer theoretisch fundierten Perspektive und verknüpft die Außenpolitikforschung mit der Innenpolitik nationaler Akteure. Im Zentrum steht die Zwei-Ebenen-Analyse nach Robert D. Putnam: Nationale Regierungen agieren gleichzeitig als Verhandler auf internationalem Parkett und als Agenten innenpolitischer Interessen. Ihre sogenannte Win-Sets – also die Menge innenpolitisch ratifizierbarer Optionen – bestimmen maßgeblich ihre Verhandlungsmacht in internationalen Foren.
Anhand einer vergleichenden Fallstudie zu Deutschland, Ungarn und Lettland während der Verhandlungen zum sechsten EU-Sanktionspaket gegen Russland wird aufgezeigt, wie die Größe nationaler Win-Sets Einfluss auf den außenpolitischen Handlungsspielraum und die Durchsetzbarkeit präferierter Sanktionsdesigns nimmt. Die Analyse leistet damit einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis europäischer Sanktionspolitik, der Dynamik intergouvernementaler Entscheidungsprozesse und der Macht politischer Zwänge im Mehrebenensystem der EU.
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- Bernardo Jacobs (Autor), 2024, Konvergenz und Divergenz. Die Rolle innerstaatlicher Win-Sets in den EU-Russlandsanktionen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1593734