Um die Parlamentarisierung in Deutschland untersuchen zu
können, muss zunächst festgestellt werden, welche
Wesensmerkmale ein Parlament auszeichnen. Das Ergebnis wird
mit den Parlamenten von 1948 bis 1919 verglichen, um so zu
überprüfen, in wieweit die Parlamentarisierung in diesem Sinne
fortgeschritten ist.
Das Parlament ist ursprüngliches Symbol der Macht des liberalen
Bürgertums und daher auch in allen Staaten westlicher
Gesellschaftsordnungen zu finden1. Sein Wesen lässt sich in fünf
Gruppen aufzweigen:
a) Volksvertretung
Um seiner Urfunktion gerecht zu werden, tritt das Parlament
zusammen, um die Interessen des Volkes zu vertreten2. Das Volk
als solches kann nämlich nirgends anwesend, geschweige denn
handlungsfähig sein, daher kommt dem Parlament die Funktion zu
das Volk zu verkörpern. Die Existenz eines volksvertretenden
Parlaments ist in Staatsformen mit demokratischen Elementen
unabdingbar. Die Vertreter des Volkes sind sogenannte
Abgeordnete, die in ihrer Masse das Parlament bilden.
b) Legitimation durch Wahlen
Das Parlament wird (meistens) direkt vom Volk gewählt und erhält
dadurch zumindest formell eine außerordentliche demokratische
Legitimation3. Eine Abwandlung vom einfachen direkt gewählten
Parlament stellt das sogenannte Zweikammersystem dar. Hier
besteht das Parlament aus zwei kollegialen Organen, den
Kammern. Eine dieser beiden Kammern wir unmittelbar vom Volk
gewählt. Bei ihr liegt meist das Schwergewicht der legislativen
Tätigkeit. Zusammensetzung und Befugnisse der anderen Kammer
können sehr unterschiedlich sein; Sie kann Ausdruck entweder des
feudalen oder des föderalen oder des berufs- und besitzständischen Prinzips sein: In der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise ist
die zweite Kammer die Ländervertretung, sie kann aber auch eine
berufsständische Vertretung sein, wie das Beispiel des bayerischen
Senats zeigt4. [...]
1 Ermacora, Grundriss der allgemeinen Staatslehre, Seite 111
2 Degenhart, Staatsrecht I, § 1 Rdn. 65
3 Herzog, allgemeine Staatslehre, Seite 247
4 Bleckmann, Staatsrecht I, § 3 Rdn. 56; Brinkmann, Verfassungslehre, Seite 284
Inhaltsverzeichnis
- Der Begriff des Parlaments
- Volksvertretung
- Legitimation durch Wahlen
- Kräfteverhältnis zwischen Regierung und Parlament
- Kompetenzen des Parlaments
- Innenrechte oder die besonderen Rechte der Abgeordneten
- Vereinfachter geschichtlicher Überblick
- Vorgeschichte der Frankfurter Nationalversammlung
- die Verfassung von 1849 (Paulskirchenverfassung)
- Der Norddeutsche Bund von 1866/67
- Das zweite Kaiserreich unter Bismarck (1870/71)
- Der Weg zur Weimarer Reichsverfassung von 1919
- Parlamentsvergleich
- Unterschiede im repräsentativen Element
- Die Volksvertretung der Paulskirche
- Das Einkammersystem unter Bismarck
- Das erweiterte Repräsentativsystem in Weimar
- Verschiedene Legitimation durch unterschiedliches Wahlsystem
- Die Paulskirche schafft ein fortschrittliches Wahlsystem
- Wenig Neuerungen in Bismarcks Wahlrecht
- Das neue Weimarer Wahlrecht soll mehr Gleichheit bringen
- Das Kräfteverhältnis als Maßstab der Parlamentarisierung
- Die Stellung des Parlaments in der Frankfurter Verfassung
- Das schwache Parlament unter Bismarck
- Das Parlament als Weimars stärkstes Reichsorgan
- Die Kompetenzen der Parlamente
- Die Aufgaben und Befugnisse in der Paulskirchenverfassung
- Bismarcks Verfassungsväter kürzen die Kompetenzen
- Der Unterschied zwischen Realität und Verfassung in Weimar
- Die Rechte und Pflichten der Abgeordneten
- Die Unabhängigkeit der Frankfurter Abgeordneten
- Das Diätenverbot unter Bismarck
- Die Entwicklung zum Berufspolitiker in Weimar
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Entwicklung der Parlamentarisierung in Deutschland von 1848 bis 1919. Sie analysiert die verschiedenen Phasen der Parlamentarisierung, die sich durch die Frankfurter Nationalversammlung, das zweite Kaiserreich unter Bismarck und die Weimarer Republik erstrecken.
- Entwicklung des Parlamentsbegriffs
- Vergleich der verschiedenen Parlamentssysteme
- Legitimation und Wahlsysteme
- Kräfteverhältnisse zwischen Regierung und Parlament
- Kompetenzen und Rechte der Parlamente und Abgeordneten
Zusammenfassung der Kapitel
Der Begriff des Parlaments
Dieses Kapitel untersucht den Begriff des Parlaments im Kontext der deutschen Verfassungsgeschichte. Es behandelt Themen wie Volksvertretung, Legitimation durch Wahlen, das Kräfteverhältnis zwischen Regierung und Parlament, die Kompetenzen des Parlaments sowie die besonderen Rechte der Abgeordneten.
Vereinfachter geschichtlicher Überblick
Dieses Kapitel bietet einen kurzen Überblick über die wichtigsten Stationen der deutschen Verfassungsgeschichte im Zeitraum von 1848 bis 1919. Es behandelt die Vorgeschichte der Frankfurter Nationalversammlung, die Verfassung von 1849, den Norddeutschen Bund, das zweite Kaiserreich unter Bismarck und die Entwicklung zur Weimarer Reichsverfassung.
Parlamentsvergleich
Dieses Kapitel vergleicht die verschiedenen Parlamentssysteme, die in den drei genannten Phasen der deutschen Verfassungsgeschichte existierten. Es analysiert Unterschiede in der Volksvertretung, den Wahlsystemen, den Kräfteverhältnissen zwischen Regierung und Parlament, den Kompetenzen der Parlamente und den Rechten der Abgeordneten.
Schlüsselwörter
Parlamentarisierung, Volksvertretung, Legitimation, Wahlsystem, Kräfteverhältnis, Kompetenzen, Rechte, Frankfurter Nationalversammlung, Paulskirchenverfassung, Norddeutscher Bund, Bismarck, Kaiserreich, Weimarer Republik.
- Unterschiede im repräsentativen Element
- Arbeit zitieren
- Holger Engelkamp (Autor:in), 2002, Von Frankfurt bis Weimar: Parlamentarisierung in Deutschland von 1848 bis 1919, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15955