Steht der Sportart Trampolinturnen in Deutschland ein Niedergang bevor?


Mémoire de Maîtrise, 2008

157 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Trampolinturnen auf internationaler Ebene
2.1 Chronik der Sportart in erfolgreichen Nationen
2.1.1 Analyse der Ergebnislisten internationaler Wettkämpfe
2.1.2 Großbritannien
2.1.3 Frankreich
2.1.4 Russland
2.1.5 China
2.1.6 Zusammenfassung
2.2 Spitzensportförderung in erfolgreichen Nationen
2.2.1 Sportpolitik
2.2.2 Organisationsstrukturen der Sportsysteme
2.2.3 Finanzierung der Sportorganisationen
2.2.4 Zusammenfassung
2.3 Athletensituation in erfolgreichen Nationen
2.3.1 Talentsuche
2.3.2 Kaderstruktur
2.3.3 Finanzielle Förderung
2.3.4 Trainingsbedingungen
2.3.5 Unterstützungsleistungen während der Doppelkarriere
2.3.6 Zusammenfassung
2.4 Trainersituation in erfolgreichen Nationen
2.4.1 Aus- und Fortbildung
2.4.2 Finanzielle Vergütung
2.4.3 Zusammenfassung

3 Trampolinturnen in Deutschland
3.1 Chronik der Sportart in Deutschland
3.1.1 Zusammenfassung
3.2 Spitzensportförderung in Deutschland
3.2.1 Sportpolitik
3.2.2 Organisationsstrukturen des Sportsystems
3.2.3 Finanzierung der Sportorganisationen
3.2.4 Zusammenfassung
3.3 Athletensituation in Deutschland
3.3.1 Talentsuche
3.3.2 Kaderstruktur
3.3.3 Finanzielle Förderung
3.3.4 Trainingsbedingungen
3.3.5 Unterstützungsleistungen während der Doppelkarriere
3.3.6 Zusammenfassung
3.4 Trainersituation in Deutschland
3.4.1 Aus- und Fortbildung
3.4.2 Finanzielle Vergütung
3.4.3 Zusammenfassung

4 Wie kann der Niedergang verhindert werden?
4.1 Bedeutung der Sportart
4.1.1 Zusammenfassung
4.2 Spitzensportförderung
4.2.1 DOSB
4.2.2 DTB
4.2.3 Zusammenfassung
4.3 Athletensituation
4.3.1 Turn-Talentschulen
4.3.2 Unterstützungsleistungen während der Doppelkarriere
4.3.3 Zusammenfassung
4.4 Trainersituation
4.4.1 Die Traineroffensive des DOSB
4.4.2 Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im DTB
4.4.3 Alternativen zur Verbesserung der Situation von Vereinstrainern
4.4.4 Zusammenfassung

5 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen gemessen an der Anzahl gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2007

Abb. 2: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen gemessen an der Wertigkeit gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2007

Abb. 3: Durchschnittliche Wertigkeit der gewonnenen Medaillen je Nation bei einer Turnierteilnahme (qualitativ)

Abb. 4: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen (Nachwuchsbereich) gemessen an der Anzahl gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2008

Abb. 5: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen (Nachwuchsbereich) gemessen an der Wertigkeit gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2008

Abb. 6: Die Bausteine der Förderung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe

Abb. 7: Struktur des DSB-Qualifizierungssystems

Abb. 8: Konsequenzen im Rahmen der Zielvereinbarung

Abb. 9: Landkarte der Turn-Talentschulen in Deutschland

1 Einleitung

Das Trampolinturnen ist eine technisch-kompositorische Sportart, die sich aus vier Disziplinen zusammensetzt. Dazu zählen Trampolin Einzel, Trampolin Synchron, Doppelminitramp und Tumbling. Jede dieser Disziplinen kann bis zur Weltmeister- schaftsebene als Leistungssport betrieben werden. Trampolin Einzel hingegen ist seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney neben Gerätturnen männlich/weib- lich und Rhythmischer Sportgymnastik eine von vier olympischen Disziplinen im Deutschen Turnerbund (DTB). Im Rahmen dieser Arbeit soll aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die olympische Einzeldisziplin auf dem Großgerät Trampolin betrachtet werden. Nationale und internationale Wettkämpfe in dieser Disziplin werden in Form zweier Vorkampfübungen ausgetragen, über welche sich die bes- ten acht Athleten für das Finale qualifizieren können. Jede Übung besteht dabei aus exakt zehn unmittelbar aufeinander folgenden Sprüngen, welche Salto- und Schraubenrotationen enthalten. Die Sprunghöhe kann bis zu neun Metern Reich- höhe betragen.

Deutschlands Trampolinturner zählten in den vergangenen Jahrzehnten zu den er- folgreichsten Athleten weltweit. Bei Welt- und Europameisterschaften konnten sie sich neben (ehemals) sowjetischen, britischen und französischen Spitzenturnern verlässlich unter den Top Ten platzieren und zahlreiche Medaillen gewinnen. Mit der Bekanntgabe der olympischen Anerkennung des Trampolinsports im Jahr 1998 wurde eine enorme Entwicklung der Sportart eingeleitet, welche bis heute andauert und mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist. Dies äußerte sich vor allem in der Steigerung des Leistungsniveaus und der damit verbundenen Zunah- me der Konkurrenzdichte. Während die internationale Konkurrenz immer stärker wird, zeichnet sich für das deutsche Trampolinturnen ein Negativtrend in Form nachlassender internationaler Erfolge ab, der in einem medaillenlosen Auftritt bei den vorolympischen Weltmeisterschaften 2007 in Kanada mündete. Erschwerend kommt hinzu, dass das Frauentrampolinturnen in Deutschland, mit Ausnahme der aus Georgien eingebürgerten Anna Dogonadze, international kaum existent und von einer erhöhten Drop-out-Rate gekennzeichnet ist. Zusätzlich zeichnen sich bei potentiellen Nachwuchsathleten im internationalen Vergleich erhebliche qualitative Mängel ab.

Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, worin die Gründe für diese Entwick- lung des deutschen Trampolinsports liegen. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Trampolinturnen in Deutschland künftig den steigenden Anforderungen des Leistungssports gewachsen ist und wieder regelmäßige Erfolge vorweisen kann. Oder ist davon auszugehen, dass dieser Sportart in Deutschland ein Niedergang bevorsteht?

Zugegebenermaßen ist der Begriff Niedergang eine recht provokante Formulie- rung. Im Rahmen dieser Arbeit soll er definiert werden als das langfristige Ausblei- ben internationaler Erfolge und Medaillen, welche für die finanzielle Förderung ei- ner olympischen Sportart und somit für deren Fortbestand im Hochleistungssport- bereich grundlegende Voraussetzung sind. Das Ziel dieser Arbeit besteht in erster Linie in der Erstellung einer Standortbestimmung des deutschen Trampolinsports, um auf deren Basis Optimierungsvorschläge aufzuzeigen, wie der so definierte Niedergang verhindert werden kann. Dazu müssen zunächst die Grundlagen und Bedingungen bestimmt werden, welche für die positive Entwicklung einer Sportart verantwortlich sind und für das Erreichen internationaler Erfolge erfüllt sein müs- sen.

Hier ist vor allem die Spitzensportförderung einer Nation zu nennen, welche die nötigen Unterstützungsleistungen auf mehreren Ebenen erbringt, um die Struktu- ren eines Sportsystems nachhaltig zu stärken und alle Beteiligten langfristig an das System zu binden. Darunter fällt im Speziellen eine kontinuierliche Athleten- förderung, welche einerseits die Zusammenstellung eines möglichst großen Athle- tenpools und dessen professionelles Trainieren garantieren soll und zugleich für die soziale Absicherung der Athleten und Schaffung eines leistungssportfreundli- chen Umfelds sorgen muss, um die Drop-out-Quote erfolgreicher Sportler gering zu halten. Darüber hinaus ist eine ausreichende Anzahl hoch qualifizierter Trainer notwendig, um die Betreuung und Ausbildung der Athleten im Sinne eines langfris- tigen Leistungsaufbaus zu gewährleisten.

Um herauszufinden, wo die Schwachstellen des deutschen Sportsystems und der Sportart Trampolinturnen im Speziellen liegen, soll ein internationaler Vergleich mit den Hochleistungssportsystemen anderer erfolgreicher Trampolinnationen vorge- nommen werden. Dazu wurden die Ergebnislisten internationaler Trampolinwett- kämpfe der vergangenen zehn Jahre herangezogen, um die erfolgreichsten Natio- nen für den Vergleich bestimmen zu können. Anschließend soll analysiert werden, worin die strukturellen Vorteile dieser Nationen bestehen, um mögliche Verände- rungen bzw. Anpassungen für den deutschen Trampolinsport aufzuzeigen.

Für die Darstellung der internationalen Sportsysteme konnte auf Veröffentlichun- gen zurückgegriffen werden, die im Rahmen des Forschungsprojekts Die Organi- sation des Hochleistungssports - ein internationaler Vergleich des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Tübingen unter der Leitung von Helmut Digel publiziert wurden. 1 Da für die Sportart Trampolinturnen (mit Ausnahme des sport- medizinischen und therapeutischen Bereichs) keine Forschungsliteratur existiert, wurden zur Erörterung der Problemlage qualitative schriftliche und mündliche In- terviews mit Experten des DTB auf den Ebenen der Trainerschaft und der Funktio- näre durchgeführt. Diese dienten nur der ersten Orientierung und werden äußerst selten in anonymisierter Form zitiert. 2 Des Weiteren beruhen zahlreiche Erkennt- nisse auf Arbeitspapieren der Verbände und Organisationen, Fachmagazinen, In- ternetseiten 3 der Verbände sowie eigenen Erfahrungen der Verfasserin als ehema- ligem Mitglied des Nachwuchs-Bundeskaders Trampolinturnen.

Im Folgenden soll kurz ein historischer Überblick der Sportart Trampolinturnen ge- geben werden, bevor auf die Leistungsentwicklung der erfolgreichen Trampolinna- tionen China, Russland, Frankreich und Großbritannien eingegangen wird (Kapitel 2). Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen zunächst die Ressourcen der internationa- len Sportsysteme (2) und darauf folgend die des deutschen Hochleistungssports

(3) unter besonderer Beachtung der Spitzensport- und Athletenförderung sowie der Trainersituation thematisiert werden. Anschließend sollen in vergleichender Gegenüberstellung Perspektiven für die Optimierung des deutschen Trampolinsports aufgezeigt werden (4).

Aufgrund der Komplexität der Verflechtungen zwischen Sport, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft kann die Diskussion nur im Rahmen einer deskriptiven Typologie erfolgen. Sie soll eine Standortbestimmung des deutschen Sports bzw. Trampolin- turnens im internationalen Vergleich ermöglichen und Lösungsansätze für einzelne Teilbereiche aufzeigen. Im Rahmen dieser Arbeit wird es leider nicht möglich sein, eine Patentlösung für die Probleme des deutschen Hochleistungssports zu finden. Vielmehr soll sie Anlass zu weiteren strukturellen Überlegungen geben.

2 Trampolinturnen auf internationaler Ebene

Zunächst soll zur besseren Einordnung ein kurzer geschichtlicher Abriss über die Entwicklung der Sportart Trampolinturnen erfolgen.

Das Trampolinturnen hat seinen Ursprung in den USA: Im Jahr 1928 baute Geor- ge Nissen, Mitglied einer in den USA und Mexiko bekannten Artistengruppe na- mens !Leonardos", zusammen mit seinem Studienfreund Larry Griswold das erste Trampolin. 4 Ursprünglich nur für die Unterhaltung gedacht, sollte es bald nicht mehr nur für Zirkuskünstler, sondern für die ganze Bevölkerung zugänglich wer- den. 5 Nach mehrjährigen Neukonstruktionen und Verbesserungen durch Nissen wurde 1937 das erste Trampolin (Stahlrohrgerät) im heutigen Sinne fertig gestellt. 6 Nachdem im Jahr 1939 die Patentierung erfolgte, nahm man das Gerät in die Massenproduktion auf. 7

Laut Hartmut Riehle fand 1947 in Dallas/Texas (USA) der erste inoffizielle Trampolinwettkampf statt. 8 Mitte der 50er Jahre wurde das patentierte amerikanische Sprunggerät durch die Schweiz nach Europa importiert 9 und durch Kurt Bächler, einem ehemaligen Schweizer Nationalkunstturner und dem späteren Trainer der US-Olympiaturnermannschaft (bis 1956), in ganz Europa und somit auch in Deutschland bekannt gemacht. 10

Obwohl weit verbreitet nationale Vergleichskämpfe durchgeführt wurden und im November 1959 auf einem Kongress des Internationalen Turnerbundes (FIG - Fédération Internationale de Gymnastique) das Trampolinturnen als eigenständige Disziplin benannt wurde, lehnte man die Anerkennung des Trampolins als Wettkampfgerät zunächst ab. Der Trampolinbundestrainer der Jahre 1977 bis 1985 und derzeitige ehrenamtliche Vorsitzende der deutschen Trampolin-Bundesliga Heinz-Peter Michels bestätigt dies:

„ Beim Kongress des Internationalen Turnerbundes 1959 in Kopenhagen und 1961 in Stuttgart bem ü hte sich der Deutsche Turnerbund um die Aufnahme als Wett kampfdisziplin in den Weltverband, leider beide Male vergeblich. “ 11

Doch ließen sich die Trampolinnationen nicht entmutigen, und so kam es auf Initia- tive des Deutschen Turnerbundes (DTB) am 04. März 1964 in Frankfurt am Main zu einem Treffen zwischen den Ländern Belgien, Deutschland, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Südafrika, der Schweiz und den USA, welche den Inter- nationalen Trampolinverband (FIT - Fédération Internationale de Trampoline) gründeten. 12 Damit hatte die Sportart erstmals einen unabhängigen Trampolinver- band, der „ die M ö glichkeit [gab], in internationaler Zusammenarbeit das Tram- polinturnen als Wettkampfsport weiter zu verbreiten “13 und den Grundstein für die erstmals auszutragenden Weltmeisterschaften legte. Diese fanden nur wenig spä- ter am 21. März 1964 in London statt; die ersten Europameisterschaften wurden im Jahr 1969 in Paris ausgetragen. Seitdem werden diese Meisterschaften regel- mäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführt. 14

Bereits Anfang der 1980er Jahre stellte die FIT den Antrag auf die Aufnahme in das olympische Programm, jedoch ohne Erfolg. Doch 1988 schien das Internatio- nale Olympische Komitee (IOC - International Olympic Committee) auf das Tram- polinturnen aufmerksam geworden zu sein und bestätigte dies mit der Anerken- nung des Trampolinturnens als olympische Sportart. 15 Dies bedeutete jedoch nur, dass die Sportart für eine mögliche Integration in das olympische Programm in Be- tracht gezogen wurde und nicht die Berechtigung zur sofortigen Teilnahme an den Olympischen Spielen erhielt.

Im Anschluss an die Weltmeisterschaften 1998 in Sydney (AUS) wurde von der FIT eine wegbereitende Entscheidung getroffen: Um eine größere Chance auf eine möglichst zeitnahe Aufnahme in das olympische Programm zu haben, löste sich der eigenständige Trampolinverband FIT zugunsten der Eingliederung in den Internationalen Turnverband FIG mit Wirkung zum 01. Januar 1999 auf. 16 Der Zu- sammenschluss der beiden Weltverbände erleichterte die Aufnahme als neue Sportart ins offizielle Programm der Olympischen Spiele 2000 in Sydney. Die FIG gab 24 Startplätze aus ihrem Wettkampfkontingent frei und stellte der Disziplin Trampolinturnen somit für die Einzelwettkämpfe männlich und weiblich je zwölf Plätze zur Verfügung.

Zwar war der lang gehegte olympische Traum wahr geworden, doch hatten einige Mitgliedsverbände der FIT Bedenken wegen des drohenden Verlusts der Eigen- ständigkeit auf nationaler wie auch internationaler Ebene. In einigen Nationen wie z.B. Frankreich, Großbritannien und den USA waren die Trampolinverbände bis dahin unabhängig organisierte und finanzierte Verbände, die sich nun auch auf na- tionaler Ebene in die großen Turnverbände eingliedern mussten und die Verfol- gung trampolinspezifischer Ziele gefährdet sahen. 17 Der damalige FIT-Präsident Ron Froehlich (USA) kommentierte die gefürchtete Fusion nach der Entscheidung folgendermaßen:

„ It was not easy to dissolve our over thirty year old, independent, IOC recognized Federation and I am proud that our member federations have made this step into the future - a future with the oldest Olympic Sport Federation, the FIG. I wish to thank all those who, for the benefit of the athletes, gave up their positions in order to make this merger possible. I am convinced that we shall feel good in the family of Gymnastics and be as independent as the other FIG disciplines. “ 18

Unbegründet waren die Sorgen der Verbände nicht, denn u.a. hatte der neue inter- nationale Dachverband FIG nun die Aufgabe, ein einheitliches Wertungssystem für alle untergeordneten olympischen Turndisziplinen (Gerätturnen männlich und weiblich, Rhythmische Sportgymnastik und Trampolinturnen) zu schaffen. So war eine weitere Konsequenz der Fusion die Angleichung der bisher bewährten Tram- polin-Wettkampfbestimmungen an den so genannten Code of Points der FIG. 19 In diesen Wettkampfbestimmungen werden das Wertungssystem und der Wett- kampfablauf detailliert geregelt. Dies hatte erhebliche Regeländerungen auf natio- naler und internationaler Ebene zur Folge: Neben den Olympischen Spielen wur- den nun auch die Welt- und Kontinentalmeisterschaften sowie die World-Cup-Se- rie und alle anderen internationalen Wettkämpfe auf der Basis der FIG-Regeln ver- anstaltet. 20 Um eine einheitliche Vorbereitung auf internationale Meisterschaften zu ermöglichen, arbeiteten die Trampolin-Mitgliedsverbände der FIG die neuen Re- geln in ihre nationalen Wettkampfbestimmungen ein. Somit betrafen die Ände- rungen nicht nur die 24 Olympiateilnehmer, sondern auch alle anderen Trampolin- turner in den Verbänden. Die gravierendsten Änderungen waren die reduzierte Teilnehmerzahl im Finale (acht statt zehn) und das bei null Punkten startende Finale (statt Sieg durch Gesamtergebnis der Vorkampf- und Finalwertungen).

An der veränderten Finalteilnehmerzahl lässt sich beispielsweise aufzeigen, dass einige Entscheidungen wohl besser doch sportartspezifisch getroffen und nicht von den traditionellen Turndisziplinen auf das Trampolinturnen übertragen werden sollten. Die reduzierte Anzahl an Finalturnern ist hauptsächlich zurückzuführen auf notwendige zeitliche Restriktionen in den Gerätturnen-Wettkämpfen (männlich/ weiblich). Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Gerätefinals dauerten die Veranstaltungen meist sehr lang. Betrachtet man allerdings die Tatsache, dass eine Trampolinübung aus nur zehn aufeinander folgenden Sprüngen besteht und maximal 20 bis 30 Sekunden dauert, so ist es zu verstehen, dass bei der olym- pischen Premiere in Sydney 2000 die von der FIG geplante zweistündige TV- Übertragung einige Probleme bereitete: Es gab schließlich nur 24 Starter, die je zwei Übungen in der Qualifikation turnten und abschließend 16 Finalübungen. Die Folge war, dass die Trampolinturner überdurchschnittlich viel Zeit mit dem Eintur- nen verbrachten, um im Programm keine Pausen entstehen zu lassen. Einerseits war dies eine gute mentale Vorbereitung, um sich an die ungewohnten Zuschauer- massen und Kameras zu gewöhnen, andererseits bedeutete es eine enorme An- strengung für die Aktiven, worunter die Finalübungen teilweise zu leiden hatten. 21 Es gibt zahlreiche weitere Beispiele dafür, dass Entscheidungen in den Gremien seit dem Zusammenschluss vermehrt aus Sicht der traditionellen Turndisziplinen getroffen und trampolinspezifische Belange außer Acht gelassen werden. Negati- ve Folgen aus der gefühlten übergeordneten Stellung der !Turnfunktionäre" gibt es auch auf Ebene des Deutschen Turnerbundes (DTB), welche in den entsprechen- den Kapiteln 3 und 4 weiter ausgeführt werden sollen.

Trotz dessen sah auch André Gueisbuhler (SUI), bis zur Auflösung des Verbandes FIT-Generalsekretär und aktueller FIG-Generalsekretär, in dem Zusammenschluss die logische Konsequenz aufgrund der Verwandtschaft der verbundenen Disziplinen und betonte die neu erschlossenen Vorteile:

„ This merger comes from the basis: Many FIT member federations are members of the FIG and vice versa. In the practical life, Trampoline and Gymnastics have been training together in the same halls, using the same apparatus. Trampolining is a must for every Gymnast - Gymnastics is a must for every Trampoliner. Our sports are from the same family. I am looking forward to being part of the Gym- nastics family, I believe that Trampoline [...] will develop tremendously world- wide. “ 22

Mit seiner Aussage über die Entwicklungstendenzen der Sportart sollte André Gueisbuhler Recht behalten: Auch für die Olympischen Spiele 2004 in Athen und 2008 in Peking wurde die Disziplin Trampolinturnen bestätigt und erhielt sogar 32 Startplätze (je 16 männliche und weibliche Teilnehmer). Die Aufnahme in das olympische Programm führte außerdem dazu, dass die Sportart weltweit mehr Aufmerksamkeit erfuhr. Zumindest sorgte sie dafür, dass immer mehr Nationen sich entschieden, Trampolinturnen als Spitzensport zu betreiben. So sind mittler- weile über 40 Nationen bei Trampolinweltmeisterschaften vertreten, u.a. Namibia, Israel, Algerien und Mexiko als Novizen. Von besonderer Bedeutung allerdings ist die Entscheidung Chinas nach Bekanntgabe der Aufnahme des Trampolinturnens in das olympische Wettkampfprogramm im Jahr 1998, sich dieser Sportart zu wid- men.

Warum gerade China eine große Rolle im internationalen Trampolinturnen spielt und welche weiteren Nationen näher zu betrachten sind, soll im folgenden Unter- kapitel (2.1) geklärt werden. Hierbei gilt es, die internationalen Entwicklungsten- denzen der letzten zehn Jahre seit 1998 zu analysieren. Ziel ist es, die erfolg- reichsten Trampolinnationen auszumachen und deren Spitzensportsysteme ge- nauer zu betrachten (2.2). Es sollen die jeweiligen nationalen Voraussetzungen beleuchtet werden, die für das Hervorbringen außerordentlicher und langfristiger internationaler Erfolge verantwortlich sind. Darunter erfahren vor allem die Athle- ten (2.3) und die Trainerschaft (2.4) sowie deren Ausbildungsbedingungen beson- dere Beachtung, da es sich bei diesen um die direkt an den Erfolgen Beteiligten im Spitzensport handelt. Gleichzeitig sollen die hieraus gewonnenen Erkenntnisse für einen Vergleich mit dem deutschen Hochleistungssportsystem herangezogen (3) und mögliche Verbesserungen abgeleitet werden (4).

2.1 Chronik der Sportart in erfolgreichen Nationen

Zu Beginn des internationalen Wettkampfgeschehens in den 1960er Jahren domi- nierten die Athleten der USA und stellten für mehrere Jahre die Weltmeister in der männlichen und weiblichen Einzelkonkurrenz. Aufgrund der Tatsache, dass in den USA das Trampolinturnen seine Ursprünge hatte und dort sehr schnell in die Schulsportausbildung integriert wurde, gab es eine Vielzahl von erfahrenen Athle- ten. Doch im Laufe des folgenden Jahrzehnts kam es zu vielen Verletzungen und daraufhin zu gerichtlichen Verfahren mit Versicherungen, was dazu führte, dass die Sportart aus den Schulen zurückgedrängt wurde in professionelle Clubs mit entsprechend lizenziertem Trainingspersonal. Die Folge war eine drastische Redu- zierung der Anzahl amerikanischer Wettkampfathleten und ein konsequenter Rückgang der US-Erfolge bei internationalen Meisterschaften bis in die heutige Zeit hinein. 23 Daraufhin trumpften die Europäer auf: Allen vorweg ist die ehemalige Sowjetunion zu nennen, die über mehrere Jahrzehnte hinweg den Trampolinsport dominierte und bis heute mit den neu hervorgegangenen einzelnen Nationen (z.B. Russland - RUS, Ukraine - UKR, Weißrussland - BLR) in der Weltspitze vertreten ist. Weitere starke Nationen waren Frankreich, Großbritannien und Deutschland. 24

2.1.1 Analyse der Ergebnislisten internationaler Wettkämpfe

Wie bereits erwähnt, haben viele neue Nationen Trampolinturnen in ihr Spitzensportprogramm übernommen, seitdem die Sportart olympisch wurde. Professionelles Trainieren wurde notwendig, um sich bei immer größerer Konkurrenzdichte von den Mitstreitern abzusetzen. Im Folgenden sollen nun die Entwicklungstendenzen der letzten zehn Jahre aufgezeigt werden.

Durch die Recherche der Ergebnislisten der Olympischen Spiele (2000 und 2004), der Weltmeisterschaften (1998 bis 2007) im Erwachsenenbereich und der Europa- meisterschaften (1998 bis 2008) im Erwachsenen- sowie im Nachwuchsbereich kann die Verteilung der Medaillen auf die stärksten Nationen nachvollzogen wer- den. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Analyse der olympischen Einzel- disziplinen männlich/weiblich und auf den Teamergebnissen männlich/weiblich. Die Teamwettkämpfe werden nur bei Weltmeisterschaften (WM) und Europameis- terschaften (EM) durchgeführt: Hierbei turnen vier Trampolinturner einer Nation zusätzlich zu den separat ausgetragenen Einzelkonkurrenzen einen Vorkampf (je eine Pflicht- und Kürübung) 25, um sich für das Teamfinale der besten fünf Nationen zu qualifizieren. Im Teamfinale springen nur noch drei ausgewählte Athleten pro Nation ihre Finalübung für den Titelgewinn. Da die Mannschaftswettkämpfe letzt- endlich durch die Addition von Einzelleistungen der Athleten entschieden wer- den 26, erscheint es sinnvoll, sie ebenso in die Analyse mit einzubeziehen.

Wegen der besseren Darstellungsmöglichkeiten wird im Erwachsenenbereich auf die Einbeziehung der Europameisterschaften verzichtet (vgl. Abb. 1 und 2). Somit kann eine aussagekräftige Entwicklungskurve entstehen, ohne Lücken in der Gra- fik durch Nicht-Teilnahme der außereuropäischen Länder in Kauf nehmen zu müs- sen. Außerdem wird die Darstellung einer prozentualen Verteilung der Medaillen zu Ungunsten der Darstellung der Gesamtanzahl bevorzugt: Da es bei den Olym- pischen Spielen (OS) nur maximal sechs zu verteilende Medaillen gibt (Einzel m/w), würde es im Vergleich mit den Weltmeisterschaften und den dort maximal zwölf möglichen Medaillen (je sechs für die Einzel- und Teamergebnisse m/w) zu weiteren Unregelmäßigkeiten in der Entwicklungskurve führen.

Zusätzlich wird im Erwachsenen- (Abb. 1, 2 und 3) wie im Nachwuchsbereich (Abb. 4 und 5) dem rein quantitativen internationalen Vergleich ein qualitativer in- ternationaler Vergleich gegenübergestellt. Teilweise ergeben sich starke Differen- zen in der Darstellung zwischen der Anzahl der gewonnenen Medaillen pro Nation (quantitativ) und der Wertigkeit der gewonnenen Medaillen pro Nation (qualitativ). So haben mehrere Nationen ähnlich viele Medaillen bei einem Event gewonnen, wobei es nur durch die Darstellung der Wertigkeit möglich wird, die Dominanz der führenden Nationen herauszustellen. Deutlich wird dies z.B. bei den OS 2000 im Vergleich zwischen Russland und Kanada (CAN): Beide Nationen gewannen je zwei Medaillen (vgl. Abb. 1), wobei Russland jedoch zwei Gold-, Kanada hingegen zwei Bronzemedaillen errang (vgl. Abb. 2).

In den Abbildungen 1 und 2 werden die Nationen erfasst, die während der letzten zehn Jahre an der Vergabe der Medaillen beteiligt waren. Ausgenommen wurden zwecks besserer Übersicht die Niederlande, die nur bei der WM 2001 eine Bron- zemedaille erringen konnten. Ähnliches gilt für die USA, welche einzig bei der WM 2005 eine Bronzemedaille erkämpften. Somit dient deren Darstellung exempla- risch für beide Nationen.

Prozentuale quantitative Verteilung der Medaillen pro Event auf die Nationen

WM: 12 mögliche Medaillen (Einzel m/w, Team m/w), OS: 6 mögliche Medaillen (Einzel m/w)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen gemessen an der Anzahl gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2007.

Es lässt sich feststellen, dass während der vergangenen zehn Jahre Russland, Deutschland und die Ukraine langfristig zu den führenden Nationen zählen. Auch Kanada, Frankreich und Großbritannien sind mit Höhen und Tiefen vertreten. Beachtlich erscheint der sprunghafte Anstieg chinesischer Erfolge seit der WM 2003 und die der japanischen Delegation seit der WM 2005.

Prozentuale qualitative Verteilung der Medaillen pro Event auf die Nationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen gemessen an der Wertigkeit gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2007.

Unterstützend zeigt Abbildung 3 die oben dargestellten Entwicklungen: Hier wer- den die Wertigkeiten aller bei EM, WM und OS gesammelten Medaillen pro Nation addiert und abschließend durch die jeweilige Anzahl an Wettkampfteilnahmen divi- diert. Somit können auch die Europameisterschaften einbezogen werden, die zu- sätzliche Vergleichsmöglichkeiten zwischen den europäischen Staaten bieten.

Weiterhin wird deutlich (vgl. Abb. 3), welch rasante Leistungsentwicklung China innerhalb von nur fünf Wettkampfteilnahmen (WM 1999, 2003-2007, OS 2004) aufbietet, um in diesem Vergleich bereits den zweiten Rang einzunehmen. Trotz dessen ist auch hier die Dominanz Russlands unverkennbar.

Wertigkeit der Medaillen: Gold (3 Punkte), Silber (2 Punkte), Bronze (1 Punkt)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Durchschnittliche Wertigkeit der gewonnenen Medaillen je Nation bei einer Turnierteilnahme (qualitativ).

Während Russland konstant quantitativ wie qualitativ hochwertige internationale Erfolge hervorbringt und nur seit der WM 2005 aufgrund des Anstiegs chinesischer Leistungen Einbußen hinnehmen muss, fällt die Entwicklung auf deutscher Seite deutlich negativer aus (vgl. Abb. 1 und 2).

Zwar zeigen sich positive Steigungen seit dem Jahr 2001, gipfelnd in der Vormachtstellung während der OS 2004 in Athen als erfolgreichste Trampolinnation mit einer Gold- und einer Bronzemedaille, doch folgt danach ein rapider Absturz mit nur einer Bronzemedaille bei der WM 2005 und einem medaillenlosen Auftritt bei der vorolympischen WM 2007.

Anhand der dargelegten Befunde bieten sich Russland und China besonders als positive Beispiele für das Hervorbringen außerordentlicher internationaler Erfolge an. Einsichten in deren nationale Spitzensportsysteme könnten aufschlussreiche Erkenntnisse für die deutsche Talentsuche und Athletenförderung bieten, aber auch Schlüsse zulassen, dass weder chinesische noch russische Maßnahmen auf den deutschen Hochleistungssport übertragbar sind. Hintergrund für diese Annah- me sind bekannte Befunde, auf die auch Emrich et al. (2008) in ihrem aktuellen

Forschungsprogramm zur Effektivit ä t des deutschen Nachwuchsleistungssports eingehen, wenn sie verschiedene erfolgreiche Nationen miteinander vergleichen. 27 Sie verweisen auf zahlreiche Ergebnisse, nach denen sportliche Erfolge einer Na- tion von diversen sozialen, ökonomischen und demographischen Faktoren abhän- gen. 28

Beispielhaft kann hier darauf hingewiesen werden, dass China sowie Russland al- lein aufgrund des Populationsumfangs einen größeren Talentpool und damit auch eine größere Wahrscheinlichkeit von Ausnahmetalenten aufweisen. Daraus resul- tierend können deren Selektionsmechanismen weitaus schärfer ausfallen. So müssen sich in Ländern mit größerer Wohnbevölkerung die Athleten während der Qualifikationsprozesse gegen eine größere Zahl an Konkurrenten durchsetzen: Folglich steigt mit den härteren Selektionsprozessen die Erfolgswahrscheinlichkeit der ausgewählten Athleten. 29 Weiterhin schreiben Emrich et al. auch dem politi- schen und administrativen System eine beeinflussende Rolle zu, indem sie postu- lieren, dass unter Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte eine erhöhte Aus- schöpfung der Population erreicht werden könne, sei es durch eingeschränkte Mo- bilität (z.B. das Sportsystem der ehemaligen DDR) oder durch vorgegebene Zutei- lung zum Sportfördersystem wie z.B. durch Talentsichtungsmaßnahmen während des verbindlich zu besuchenden Schulsports. 30 Deswegen sei „ der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Talentf ö rderung und spitzensportliche Aktivit ä t gravie- rende Differenzen zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften vermuten lassen “31, weshalb ein wirksamer Vergleich nur zwischen Gesellschaften mit ähnli- chen politischen Freiheitsrechten gezogen werden könne.

Demzufolge erscheint es schwierig, das russische und chinesische System einer geschlossenen Gesellschaft mit dem offenen Gesellschaftssystem Deutschlands zu vergleichen. 32 Trotz dessen stellen diese Faktoren die Rahmenbedingungen für das jeweilige Land dar, unter denen die Spitzensportförderung organisiert werden muss. Somit können Chinas und Russlands Fördermaßnahmen zumindest als al- ternative Strategien betrachtet werden, die zur Lösung ähnlicher Probleme (Talent- suche und -förderung, Finanzierung des Spitzensports, Trainerausbildung und -ho- norierung) eingesetzt werden. 33

Um dennoch Beispiele aus Sportsystemen anderer offener Gesellschaftssysteme anführen zu können, wurde verstärkt der westeuropäische Raum einer näheren Betrachtung unterzogen. Den Abbildungen 1, 2 und 3 ist zu entnehmen, dass be- sonders Großbritannien (GBR), aber auch Frankreich (FRA) im Seniorenbereich nur mittelmäßig erfolgreich sind. Demzufolge musste die Suche nach Erfolgen auf den Nachwuchsbereich ausgedehnt werden. Hierzu wurden die Ergebnisse der Jugendeuropameisterschaften (JEM) der vergangenen zehn Jahre herangezogen (vgl. Abb. 4 und 5).

Jugend-Medaillenspiegel nach Nationen (quantitativ)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen (Nachwuchsbereich) gemessen an der Anzahl gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2008.

Jugend-Medaillenspiegel nach Nationen (qualitativ)

JEM: 12 mögliche Medaillen (Einzel m/w, Team m/w) Wertigkeit von Gold: 3 Punkte, Silber: 2 Punkte, Bronze: 1 Punkt 10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Die Entwicklungstendenz erfolgreicher Trampolinnationen (Nachwuchsbereich) gemessen an der Wertigkeit gewonnener Medaillen im Zeitraum 1998 bis 2008.

Auch im Nachwuchsbereich ist deutlich die Dominanz der osteuropäischen Staaten der ehemaligen Sowjetunion zu erkennen. Die deutsche Jugend konnte in den Jahren 1998 bis 2002 mithalten und war bei der JEM 2000 sogar die erfolgreichste Nation mit drei Goldmedaillen. Sie errang im Jahr 2002 allerdings nur noch eine Bronzemedaille und blieb seit 2004 medaillenlos. Weiterhin sind im Juniorenbereich Großbritannien und Frankreich erfolgreich vertreten: So zeigen diese beiden zusammen mit Russland die positivste und somit zukunftsträchtigste Entwicklung von 2006 zu 2008 (vgl. Abb. 4 und 5).

Daher bietet es sich an, die Spitzensportsysteme Großbritanniens und Frankreichs zusätzlich zu untersuchen, da zumindest im Jugendbereich große Erfolge erzielt werden. Sie sprechen für eine gelungene Nachwuchsförderung, die in einem zu Deutschland vergleichbaren Gesellschaftssystem erfolgt. 34

Bevor aber auf die jeweiligen Hochleistungssportsysteme eingegangen wird, soll zunächst ein grober Überblick gegeben werden, wie sich die Sportart Trampolinturnen hinsichtlich der internationalen Erfolge in Russland, China, Großbritannien und Frankreich entwickelt hat.

2.1.2 Großbritannien

Chronologisch betrachtet, war Großbritannien die erste von den genannten Natio- nen, die sich begeistert der neuen Sportart aus den USA widmete und bereits 1964 bei den Weltmeisterschaften erste Erfolge erzielte. Die Briten konnten ihre Erfolge weiter ausbauen und hatten ihre Hochzeiten in den 1970er Jahren vor al- lem in der Männerkonkurrenz (Paul Luxon, Stewart Matthews). In den 1980er Jah- ren stagnierte die Entwicklung im britischen Männerbereich, wohingegen einzelne Talente der britischen Frauen herausragende Erfolge erzielten (Susan Challis, An- drea Holmes). Nach dem Ausscheiden dieser Athleten aus dem internationalen Wettkampfgeschehen zu Beginn der 1990er Jahre konnte Großbritannien bei den Herren keine nennenswerten Erfolge mehr erzielen; im Damenbereich halten sich seit Mitte der 1990er Jahre die damaligen Nachwuchstalente Claire Wright und Jaime Moore unter den Besten der Welt. Großbritanniens Nachwuchs ist sehr er- folgreich im internationalen Vergleich. 35

2.1.3 Frankreich

Frankreich hatte seinen Einstieg ins internationale Wettkampfgeschehen im Laufe der 1960er Jahre. Doch dauerte es bis zu Beginn der 1970er Jahre, bis erste inter- nationale Erfolge in Form von EM- und WM-Titel durch Richard Tison (1973 und 1974) erreicht werden konnten. Mitte der 1980er Jahre konnte Lionel Pioline über- zeugen, der zu Beginn des nächsten Jahrzehnts von Fabrice Schwertz und David Martin abgelöst wurde. Auch heute noch stellen Frankreichs Männer eine konkur- renzfähige Mannschaft und gehören im Nachwuchsbereich zu den führenden Na- tionen. Bemerkenswert ist die nicht vorhandene Stärke bei den französischen Frauen. Bis heute konnten keine weiblichen Erfolge erzielt werden. Erst seit kur- zem turnt die aus Russland eingebürgerte Marina Ducroux erfolgreich für Frank- reich. 36

2.1.4 Russland

Die damalige Sowjetunion startete zum ersten Mal bei den Weltmeisterschaften 1972 und turnte sich zielstrebig an die Spitze. Bereits 1975 stellte sie die Europa- meister in der männlichen wie weiblichen Einzelkonkurrenz und gewann 1976 bei- de Weltmeistertitel durch Eugeni Janes und Svetlana Levina. Während sie zu Be- ginn der 1980er Jahre einige Titel an Frankreich und Großbritannien verlor, konnte bereits Mitte des Jahrzehnts wieder an frühere Erfolge angeknüpft werden. Im Jahr 1989 begann die Ära von Alexander Moskalenko und 1994 die Erfolgsserie von Irina Karavaeva, den bisher erfolgreichsten Trampolinturnern aller Zeiten mit je fünf Weltmeistertiteln, zwei Olympiateilnahmen und je einem Olympiasieg. Seit 1991 turnen sie für das heutige Russland und machten es somit zur langfristig erfolgreichsten Trampolinnation der Welt. Gleichzeitig verteidigt Russlands Nachwuchs die Weltspitze. 37

2.1.5 China

Abschließend soll der Trampolin-Neuling China und dessen außergewöhnliche Entwicklung vorgestellt werden. Erst nach der Ankündigung der Aufnahme des Trampolinturnens ins offizielle Programm der Olympischen Spiele durch das Inter- nationale Olympische Komitee (IOC), entschied die chinesischen Regierung Ende 1998 darüber, die Sportart in China aufzubauen und als Leistungssport zu betrei- ben. 38 Der chinesische Trampolinverband errichtete daraufhin einen nationalen Trainingsstützpunkt in Tianjin und zehn weitere große Trainingszentren in Provin- zen und Städten. Zusätzlich rekrutierten sie erfahrene Trainer aus dem erfolgrei- chen Ausland, vor allem aus Russland. 39

1999 nahm das chinesische Team zum ersten Mal an einer WM teil, wobei nur eine Athletin von acht Teilnehmern ihre zwei Vorkampfübungen erfolgreich ab- schließen konnte. 40 Der Schwierigkeitsgrad (SK) ihrer Übung lag bei nur 7,7 Punk- ten, wohingegen der Durchschnitt bei der weiblichen Einzelkonkurrenz bei ca. 11,0 Punkten rangierte. 41 Im Jahr 2001 verzichteten die Chinesen auf die WM-Teilnah- me, zeigten aber bei den Chinese National Games im Männerbereich bereits einen SK von mehr als 15,0 Punkten (ein Athlet) und bei den Damen mehr als 13,0 Punkte (sechs Athletinnen). 42 Bei der WM 2001 wurden nach der Neuberechnung der SK von den Herren SK-Werte zwischen 15 und 16 Punkten geturnt (höchster SK 16,3), die Weltspitze im Frauenbereich zeigte Werte zwischen 13 und 14 Punkten (höchster SK 14,2).

Im Jahr 2003 meldeten sich die Chinesen mit einer komplett ausgetauschten Na- tionalmannschaft zurück zur WM in Deutschland und gewannen mit dem Frauen- team die erste WM-Medaille Chinas (Silber). Die Herren schaffen zwar nur den siebten Rang, einer der männlichen Athleten (Yongfeng Mu) konnte sich mit sei- nem 16. Rang in der Einzelkonkurrenz allerdings für die OS 2004 in Athen qualifi- zieren. 43 Mit ihrer Finalplatzierung bei der vorolympischen WM schaffte dies auch Shanshan Huang bei den Damen. Sie gewann 2004 die erste Olympiamedaille (Bronze) der Sportart Trampolinturnen für China. Yongfeng Mu erreichte Platz 10 von 16. 44

Bei der WM 2005 überraschten die Chinesen durch den Gewinn der beiden Mannschaftsgoldmedaillen. In der Einzelkonkurrenz erreichten Shanshan Huang bei den Damen und Zhicheng Que bei den Herren das Finale und platzierten auf Rang 8 und 4. Bei den im gleichen Jahr ausgetragenen Chinese National Games zeigten bereits 19 Männer einen SK von mehr als 15,0 Punkten und 16 Frauen turnten über 13,0 Punkte: Innerhalb von vier Jahren konnten somit weitere 18 Männer und zehn Frauen die SK-Werte der Weltspitze aufweisen. 45 Hieran zeigt sich das enorme Entwicklungspotential der Chinesen.

Den bisherigen Höhepunkt verzeichnete Chinas Nationalmannschaft bei der WM 2007, welche gleichzeitig als Qualifikationswettkampf für die Olympischen Spiele in Peking 2008 diente. Mit einer weiblichen und drei männlichen Neubesetzungen im Team erturnten sich die chinesischen Athleten die beiden Goldmedaillen in den Mannschaftswettkämpfen, eine Goldmedaille bei den Herren und je eine Silberme- daille in der Einzeldisziplin der Männer und Damen. Bemerkenswert sind die Plat- zierungen der Vorkämpfe: Nach den beiden Übungen der Qualifikation für das Fi- nale belegten die chinesischen Herren die Plätze 1, 2, 4 und 12; die Damen sogar die Plätze 2, 4, 6 und 8. 46 Laut den Platzierungen wären alle vier Damen und drei der Männer für das Finale der besten acht qualifiziert gewesen. Doch um eine möglichst hohe Anzahl an Nationen im Finale zu präsentieren, gibt es in den Wett- kampfbestimmungen die so genannte Nationenregelung. Sie besagt, dass höchs- tens zwei Turner derselben Nation im Finale vertreten sein dürfen: Die beiden Ath- leten eines Mitgliedverbandes mit dem höchsten Vorkampfergebnis verbleiben im Finale, und für die frei gewordenen Plätze rücken unter weiterer Berücksichtigung der Nationenregelung Turner/innen entsprechend der Rangfolge nach. 47

Die OS 2008 in Peking haben gezeigt, dass China das Potential besitzt, dem bis- herigen Spitzenreiter Russland den Trampolin-Thron streitig zu machen: Bei den Damen wie auch bei den Herren gewannen sie die Goldmedaille. Ergänzt wurde dieser Triumph durch den Gewinn der Bronzemedaille in der Herrenkonkurrenz.

2.1.6 Zusammenfassung

Zunächst konnte durch die Analyse von Ergebnislisten internationaler Wettkämpfe der letzten zehn Jahre festgestellt werden, dass die osteuropäischen Staaten der ehemaligen Sowjetunion (Russland, Ukraine, Weißrussland) die langfristig erfolg- reichsten Trampolinnationen weltweit sind, und dies sowohl im Senioren- als auch im Juniorenbereich. Russland nimmt hierbei die Spitzenposition ein und stellt mit Irina Karavaeva und ehemals Alexander Moskalenko (bis zu den OS 2004 in Athen) die bisher besten Trampolinturner aller Zeiten. China zeigt ein unglaubli- ches Entwicklungspotential, seitdem es 1998 im Hinblick auf die Olympischen Spiele das Trampolinturnen in das Spitzensportprogramm aufnahm und innerhalb von nur knapp neun Jahren (WM 2007) zur absoluten Weltspitze aufschloss. Deutschland hingegen zeigte seit 1998 eine steigende Entwicklungskurve bis zu deren Höhepunkt während der WM 2003 und den OS 2004. Seitdem zeigt sich ein starker Abwärtstrend bis hin zu medaillenlosen Auftritten bei den WM 2005 und 2007. Gleiches gilt für den deutschen Nachwuchsbereich. Großbritannien und Frankreich können auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken, zeigen aller- dings während der letzten Jahre Übergangsprobleme vom sehr erfolgreichen Nachwuchs hin zur Erwachsenenelite. Sie bewegen sich im Seniorenbereich je- weils eher im Mittelfeld. Im folgenden Unterkapitel sollen die Spitzensportsysteme dieser erfolgreichen Nationen näher untersucht werden.

2.2 Spitzensportförderung in erfolgreichen Nationen

Nachdem die Analyse ergab, dass Russland, China, Großbritannien und Frankreich international höchst leistungsstark sind und gerade in den letzten Jahren eine Entwicklung mit steigender Tendenz aufzeigen, sollen die Sportsysteme dieser Länder als Modell dienen, um strukturelle Schwächen im deutschen Trampolinsport aufdecken zu können. Nun gilt es also herauszufinden, welche unterschiedlichen Ressourcen den nationalen Spitzensportsystemen der besonders erfolgreichen Trampolinländer zur Verfügung stehen. Ziel ist es, mit deren Hilfe Lösungsansätze zu finden, die den eben beschriebenen Negativtrend in Deutschlands Entwicklung abzuwenden vermögen.

Zunächst müssen die zentralen Ressourcen des Hochleistungssports identifiziert werden, um einen internationalen Vergleich der Rahmenbedingungen zu ermögli- chen. In dem Tübinger Forschungsprojekt Die Organisation des Hochleistungs- sports - ein internationaler Vergleich stellten Digel, Burk und Fahrner (2006) die besondere Bedeutung des gesellschaftlichen und politischen Systems, des jeweili- gen Sportsystems selbst und die Beziehungsvielfalt der nationalen Hochleistungs- sportsysteme zu gesellschaftlichen Teilsystemen als erfolgbestimmende Ressour- cen heraus. 48

Im Rahmen dieser Arbeit sollen dabei die wesentlichen Teilbereiche herausgear- beitet werden, da eine vollständige Behandlung des komplexen Beziehungsge- flechts zwischen Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Sport den zur Verfügung ste- henden Rahmen bei weitem überschreiten würde. So wird zum Teil auf gesell- schaftliche und politische Rahmenbedingungen eingegangen, das Hauptaugen- merk wird allerdings auf der Organisation des jeweiligen nationalen Sportsystems liegen. Die von Digel et al. separat angeführte Ressource Hochleistungssport und seine Umwelt hingegen wird in dieser Arbeit nicht explizit dargestellt. 49 Es wird le- diglich an entsprechenden Stellen auf Verbindungen hingewiesen.

Hinsichtlich der Ressource Gesellschaft nennen Digel et al. als wichtige erfolgsbeeinflussende Faktoren das Politiksystem, die wirtschaftliche Situation, das Bildungswesen, die Massenmedien und ausgewählte Aspekte der nationalen Sozialstruktur (z.B. Bevölkerungsgröße/-entwicklung, Religion). 50

Bezüglich der Ressource Organisation des Hochleistungssports stellen die Autoren eine große Anzahl relevanter Kategorien vor, die für das Erbringen sportlicher Erfolge bei internationalen Leistungsvergleichen entscheidend sind. Zur Auswahl interessanter Einzelkategorien zählen hier u.a. Entwicklungsgeschichten und olympische Tradition bestimmter Sportarten, politisch motivierte Vorgaben und Prioritätensetzung auf ausgewählte Disziplinen, nationales Sportinteresse, Führungs- und Verwaltungsstrukturen im Sport, die Finanzierung des Hochleistungssports und vor allem die Hauptakteure Athleten und Trainer. 51 Den beiden letztgenannten kommt eine so große Bedeutung zu, dass auf deren Rolle im Spitzensportsystem mit ihren zahlreichen Verbindungen zu den oben genannten Teilbereichen in gesonderten Unterkapiteln eingegangen wird.

Um die Analyse weiter einzugrenzen, werden hier Aspekte zu untersuchen sein, die interessante Überschneidungen aus den jeweiligen Bereichen der Gesellschaft und der Organisation des Hochleistungssports aufweisen. Im Hinblick auf ein gut funktionierendes Sportsystem fallen besonders die Führungs- und Verwaltungs- strukturen als unerlässliche Steuerungsinstanz ins Auge. 52 Darüber hinaus können programmatische, politische Vorgaben z.B. durch Betonung spitzen- statt breiten- sportlicher Motive einen erheblichen Einfluss auf den Sport und damit verbunden auf das nationale Sportinteresse nehmen. Daher scheint es sinnvoll, zunächst einen kurzen Einblick in die entsprechenden politischen Strukturen zu geben.

Entscheidend für das Entwicklungspotential einer Sportart ist die Quantität und Qualität des Nachwuchses. An dieser Stelle hat das Bildungssystem eines Landes die Aufgabe, die möglichst frühzeitige und konstante Rekrutierung talentierter Nachwuchsathleten für den Hochleistungssport zu sichern bzw. zu ermöglichen (z.B. durch Kooperationen mit Sportverbänden und Zuführung zum Fördersystem). Auch hinsichtlich der Ausbildung kommt dem Bildungswesen eine doppelt tragen- de Rolle zu: Zum einen ist der Frage nachzugehen, ob das (Hoch-)Schulsystem eine gleichzeitige sportliche Karriere eher fördert oder hemmt; zum anderen ist zu untersuchen, ob und inwiefern das staatliche Bildungssystem an der Ausbildung der Trainer beteiligt ist. 53

Eine weitere wichtige Variable stellt die Finanzierung des Hochleistungssports dar: Ein funktionsfähiges System ist abhängig von ausreichend vorhandenem, gut aus- gebildeten Personal sowohl auf der Führungsebene als auch in der Trainerschaft, welches es zu finanzieren gilt. Weiterhin können durch entsprechende Finanzmittel Prämien- und Entlohnungssysteme für die soziale Absicherung von Athleten und Trainern ermöglicht werden, die zusätzliche Motivationsreize setzen und die Erfolgsorientierung steigern. Die Finanzierung des Spitzensports ist auf externe Finanzquellen angewiesen, wobei deren Art und Vielfalt über die finanzielle Stabilität des Systems entscheiden. 54 Hierbei ist u.a. zu beachten, zu welchen Teilen der Staat bzw. die Wirtschaft zur Finanzierung beitragen.

Ergo werden als elementare Ressourcen für den Spitzensport zuerst die jeweili- gen nationalen Politiksysteme der erfolgreichen Trampolinnationen in Grundzügen behandelt. Außerdem sollen in diesem Zusammenhang die sportpolitischen Vor- gaben für die Organisation des Hochleistungssports dargestellt werden, bevor auf die länderspezifischen Führungs- und Verwaltungsstrukturen und Finanzierungs- praktiken eingegangen wird. Der Beitrag der Bildungssysteme kann am besten im Rahmen der Nachwuchsrekrutierung und Athletenförderung dargestellt werden (Kapitel 2.3).

2.2.1 Sportpolitik

In Bezug auf das Verhältnis von Spitzensport und Staat verweist Helmut Digel (2007) auf die zweifache Funktion, die der Hochleistungssport für Nationen haben kann und die eine staatliche Förderung des Sports rechtfertigen soll:

„ Er [der Spitzensport] kann zum einen innenpolitische Funktionen erf ü llen. Soziale Integration, Arbeitsmarkt, ordnungspolitische Effekte und kulturelle Bedeutungen k ö nnen dabei in einer Beziehung zum Ph ä nomen des Hochleistungssports ste- hen. Zum anderen erf ü llt der Spitzensport die Funktion der nationalen Repr ä sen- tation gegen ü ber anderen Nationen und Staaten. Er wird als Ausdrucksmittel der Leistungsf ä higkeit ganzer gesellschaftlicher Systeme instrumentalisiert. “55

An dieser Stelle lassen sich zwei Extreme ausmachen, wie Spitzensport und Staat zueinander stehen können. Einerseits gibt es als Organisationsform den Staats- sport, wobei der nationale Hochleistungssport als eigenständiger Politikbereich di- rekt vom Staat gesteuert und verantwortet wird. Anderseits existiert im Gegensatz dazu die Variante der autonomen Sportorganisation, bei der sich „ der Staat nur in indirekter Weise, gleichsam nebenbei, die positiven Effekte des Systems des Spit- zensports zu Eigen macht “56. Einen großen Einfluss auf die unterschiedlich ausge- richteten Sportsysteme hat dabei u.a. die Staatsform einer Nation unter besonde- rer Berücksichtigung des Zentralisierungsgrades politischer Macht. Hierbei stehen sich der zentralistische und der föderale Aufbau einer Staatsverwaltung gegen- über.

Merkmale einer zentralistisch ausgerichteten Verwaltung sind die Konzentration der Entscheidungsgewalt in einem einzigen hierarchisch aufgebauten Organ und dessen Delegierung der Entscheidungsbefugnisse an weitere untergeordnete Stel- len. In einem solchen politischen System ist die Form des Staatssports am wahr- scheinlichsten anzusiedeln. Zu den zentralistisch verfassten Ländern zählen Chi- na, Frankreich und Großbritannien. In einem föderalen System hingegen haben die regionalen Gliedstaaten eigene legislative und judikative Entscheidungsbefug- nisse. Hier erfolgt eine autonome Wahrnehmung staatlicher Aufgaben in den Gliedstaaten, wobei das Verhältnis zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten vom Subsidiaritätsprinzip bestimmt ist. Somit übernimmt der Staat nur solche Aufga- ben, zu deren Wahrnehmung untergeordnete Einheiten nicht in der Lage sind. Wahrscheinlicher ist in diesen Staaten die Orientierung an einer autonomen Sport- entwicklung. Zur Gruppe der föderal strukturierten Nationen zählen Russland und vor allem Deutschland. 57

Laut den Analysen von Digel et al. dominiert in den hier untersuchten Nationen eindeutig das staatliche Führungsmodell. Angeführt wird diese Dominanz von Chi- na, wo u.a. das Bildungs-, Wirtschafts- und Wissenschaftssystem dem Staat zu- und untergeordnet sind und sich der Hochleistungssport demnach als staatlicher Spitzensport darstellt. Hier sind, dem Modell des ehemaligen sowjetischen Sports nachempfunden, sämtliche Organisationen des Sports gleichzeitig staatliche Or- ganisationen. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) ist dabei identisch mit der staatlichen Generalverwaltung für Sport (GVS), der Präsident des Olympi- schen Komitees ist der Sportminister. Daran anschließend folgt der Hochleistungs- sport Russlands, der sich nach einer versuchten demokratischen Öffnung in den 1990er Jahren nun wieder dem Staatssport verschrieben hat, wobei sich durch die föderale Struktur der Russischen Föderation eine autonome Steuerung des Sports wesentlich einfacher gestalten lässt, als dies in China möglich ist. Auch in Frank- reich und Großbritannien ist ein großer Einfluss des Staates auf die Organisation des Hochleistungssports zu verzeichnen. In Frankreich besitzt das Sportministeri- um durch die zentralistische Ausrichtung weitreichende staatliche Steuerungsbe- fugnisse, und auch Großbritannien weist mit seiner halbstaatlichen Organisation UK Sport begrenzte zentralistische Lenkungstendenzen auf. Deutschland repräsentiert die Nation mit dem am höchsten ausgeprägten Autonomiestatus der Sportorganisationen. Im Vergleich zu den anderen Ländern kennzeichnen dominante föderale Strukturen auch den deutschen Spitzensport. 58

In drei Ländern gibt es Ministerien, die ausschließlich für den Sport zuständig sind. In China ist dies die GVS, eine staatliche Behörde, die alle Aufgaben des Sports verwaltet und steuert. Sie ist direkt dem Vize-Ministerpräsidenten sowie dem Staatsrat der Volksrepublik China unterstellt. So wie die GVS auf nationaler Ebene tätig ist, übernehmen auf der Ebene der Provinzen die 33 Sportverwaltungen und auf Kreisebene die Sportkommissionen diese Funktionen. Sie sind gleichermaßen strukturiert wie die GVS und sind verantwortlich für die Ausführung der nationalen Sportpolitik wie auch für die Organisation des Sports der jeweiligen Provinz. Wäh- rend bis zum Zerfall der Sowjetunion der Sport zentral organisiert und staatlich ge- lenkt war, ist der staatliche Einfluss in Russland heutzutage ein wenig reduziert worden. Dennoch hat die Föderale Agentur für Körperkultur und Sport (FAKS) an der Spitze der staatlichen Sportverwaltung nach wie vor weitreichende Kompeten- zen. Der Vorsitzende der FAKS fungiert zeitgleich als Sportminister in direkter Ver- antwortung gegenüber dem russischen Regierungschef. Auch Frankreich hat ein eigenständiges Ministerium für den Sport: das Ministère des Sports (MJS). Auf na- tionaler Ebene bestehend aus dem Sportminister und einem 15-köpfigen Kabinett, weist es Strukturen auf, die sich über die Regionen bis in die Departements fort- setzen. Auf nationaler Ebene beschränken sich die Befugnisse allein auf den Sport; in den untergeordneten Gebieten fallen in den Aufgabenbereich des Minis- teriums auch die Themen Jugend und Erziehung, Ausbildung und Arbeit. In Groß- britannien hat das verantwortliche Ministerium Department for Culture, Media and Sport (DCMS) neben dem Sport noch weitere Aufgabenfelder. Der staatliche Ein- fluss auf den britischen Sport hat sich zwar in den letzten Jahren erhöht, doch werden die Kompetenzen in den Home Countries England, Wales, Schottland und Nordirland auf die Sports Councils verteilt. Diese eigenständigen Büros kümmern sich um den Hochleistungssport. Im Auftrag des Ministeriums soll die halbstaatli- che Organisation UK Sport die Koordination des britischen Spitzensports überneh- men, um so den Dezentralisierungstendenzen zu begegnen. 59

Hinsichtlich der sportpolitischen, programmatischen Vorgaben der einzelnen Na- tionen lassen sich der gesellschaftliche Stellenwert des Sports ausmachen und entweder Prioritäten bezüglich des Leistungs- oder des Breitensports erkennen. Außerdem kann eine hohe gesellschaftliche Anerkennung von Spitzenleistungen auch die Verbesserung des sozialen Status ermöglichen. In China standen die Förderung des Spitzensports und die Verbreitung des Massensports lange Zeit gleichberechtigt nebeneinander. Dass der Breitensport einem möglichst großen Teil der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde, hatte seine Begründung zum einen in gesundheitsfördernden Aspekten und zum anderen in einer dadurch er- reichten indirekten Förderung des Hochleistungssports durch Stärkung seiner Ba- sis. Während auch in den letzten zwei Jahrzehnten nur aussichtsreiche Sportler zwecks erhöhter Medaillenchancen von der GVS gefördert und zu internationalen Wettkämpfen entsandt wurden, so ist seit der Vergabe der Olympischen Spiele 2008 nach Peking immer mehr die Leistungssportförderung in den Vordergrund gerückt. Dies äußert sich vor allem in den stark leistungssportlich ausgerichteten Mitarbeitern der Sportverwaltungen und in den umfangreichen finanziellen Beloh- nungssystemen der Generalverwaltung, Verbände und Provinzen für Athleten und Trainer. Weiterhin ist eine spezielle Ausrichtung auf die olympischen Sportarten festzustellen, welche eigene Verwaltungszentren besitzen. Nicht-olympische Sportarten werden gemeinsam mit anderen Sportarten verwaltet. Ziel Chinas war die Platzierung unter den besten drei Nationen bei den OS in Peking 2008, was durch Platz 1 in der Nationenwertung erreicht bzw. übertroffen wurde. 60

Die frühere Motivation des sowjetischen Hochleistungssports war begründet in der Rivalität mit den USA, der zweiten großen Supermacht. Nach Ende des Kalten Krieges wurde von russischen Politikern das identitätsstiftende Moment des Spit- zensports hervorgehoben. Da die entsprechenden Strukturen nach der Demokrati- sierung jedoch noch nicht vorhanden waren und die Finanzierung des Hochleis- tungssports nicht als gesichert galt, konnte nicht an alte Erfolge angeknüpft wer- den und Handlungsbedarf war nötig. So wurde im Januar 1999 das Gesetz Ü ber K ö rperkultur und Sport in der Russischen F ö deration verabschiedet, welches den Ausbau des Nachwuchsfördersystems sowie die Qualifizierung und soziale Absi- cherung der Sportler, Trainer und Funktionäre forderte. Auch dies führte noch nicht zum anvisierten ersten Platz in der Länderwertung bei den OS 2000 in Sydney, weswegen die Konzeption zur Entwicklung von K ö rperkultur und Sport in der Rus-

sischen Föderation verabschiedet wurde, welche zusätzliche Aufgaben für die Leistungssportentwicklung festschrieb. Hierin ist die deutliche Ausrichtung auf die Nachwuchsförderung zu erkennen, da Russlands Nationalmannschaften bisher ein hohes Durchschnittsalter aufweisen. Abschließend erwähnenswert ist die Einteilung der Sportarten durch staatliche Stellen in zwei unterschiedliche Kategorien, aufgrund derer in Abhängigkeit von Erfolgen über die finanzielle Förderung der jeweiligen Sportarten entschieden wird. 61

Obwohl Frankreich keinen expliziten Anspruch auf eine Führungsposition im Welt- sport erhebt, wird im französischen Sportgesetz die Verantwortlichkeit des Staates für den Sport hervorgehoben. Er ist für die körperliche Erziehung und den Sport zuständig und darüber hinaus sichert und kontrolliert er die Organisation der Aus- bildung im Bereich des Sports. Der Hochleistungssport im Speziellen ist laut fran- zösischem Sportgesetz „ eine Quelle der Bereicherung und Zeichen des menschli- chen Fortschritts “62. Der Hochleistungssportler selbst spiele dabei eine soziale, kulturelle und nationale Rolle von höchster Wichtigkeit. Somit identifizieren sich auch die Regionen über die Quantität und Qualität ihrer Hochleistungssportler und unterstützen sie durch großzügige finanzielle Zuwendungen oder durch die Bereit- stellung von Arbeitsplätzen in der regionalen Verwaltung und damit verbundene Freistellungen für den erhöhten Trainingsaufwand. 63

In Großbritannien lag die Betonung bis zum Regierungswechsel im Jahr 1997 auf dem Breitensport. Seitdem wird allerdings unter der neuen Regierung der Hoch- leistungssportförderung der Vorrang eingeräumt. UK Sport steuert mit der Erstel- lung von Prioritätenlisten die Aufnahme von Sportarten in das World Class Perfor- mance (WCP) Programm, welche dann mit Geldern aus dem Sports Lottery Fund der National Lottery finanziert werden. Ziel dieser Bemühungen ist eine leistungs- sportliche Orientierung der Verbände, um das von der Regierung gesteckte Ziel, die Nummer 1 im Weltsport zu sein, zu erreichen. Das staatliche Departement for Culture, Media and Sport (DCMS) kontrolliert dabei die Fortschritte, indem es kon- krete Planungen von UK Sport fordert. Die logische Konsequenz ist, dass auch UK Sport von den an das WCP Programm angeschlossenen Verbänden die klare For- mulierung von Zielen und deren Umsetzung verlangt. Somit zeigt Großbritannien gerade auch im Hinblick auf die OS 2012 in London eine verstärkte Fokussierung auf den Hochleistungssport mit entsprechenden Steuerungsversuchen. 64

2.2.2 Organisationsstrukturen der Sportsysteme

Neben den oben ausgeführten politischen Systemen und sportlichen Zielvorgaben durch die Regierungen als Ressourcen des Hochleistungssports kommt als weitere wichtige unterstützende Quelle die nationale Struktur der Sportselbstverwaltung hinzu. Hierbei bilden vor allem die Führungs- und Verwaltungsstrukturen den Rahmen für eine effektive Organisation des Spitzensports.

Ausgangspunkt der Betrachtung soll dabei die lokale organisatorische Basis des Sportsystems in den verschiedenen Ländern sein, wo bereits eklatante Unter- schiede ins Auge fallen. Während in Frankreich und Großbritannien Sportvereine die organisatorische Basis auf lokaler Ebene ausmachen und mit diesen so ge- nannten freiwilligen Vereinigungen ein zentrales Merkmal der Sportselbstverwal- tung aufweisen, befindet sich das Vereinswesen in China und Russland gerade erst im Aufbau. In den letztgenannten Ländern wird der Sport auf lokaler Ebene durch das Schulsportwesen organisiert. Es ist ein hierarchisch aufgebautes Sys- tem von unterschiedlichen Sportschulen, welches die lokalen mit den regionalen und nationalen Strukturen verbindet. Sie existieren in Ergänzung zu den regulären Schulen und bieten die Möglichkeit, sich nach dem Unterricht auf unterschiedli- chem Niveau sportlich zu betätigen. Wesentliches Merkmal dieser Einrichtungen ist der Staat als Träger benannter Institutionen. In China koordiniert die GVS das Sportschulsystem, in Russland sind das Bildungsministerium und die FAKS die Träger der meisten Sportschulen. Dadurch wird deutlich, dass weder in China noch in Russland eine Sportselbstverwaltung im europäischen Sinne existiert. Be- sonders auffällig ist, dass in China die Organisationsstrukturen des Sports iden- tisch sind mit den staatlichen Strukturen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Leis- tungsstand können die Sportler innerhalb des hierarchisch aufgebauten Sport- schulsystems in die nächsthöhere Schulstufe aufsteigen oder aber auch aus dem System ausscheiden, wenn sie die geforderten Leistungen nicht vorweisen kön- nen. 65

Das chinesische Sportschulsystem gliedert sich in drei Stufen. In nahezu allen Städten und Kreisen gibt es auf der ersten Stufe ca. 32.000 Freizeitsportschulen (Allgemeine Freizeitschulen und Sportmittelschulen), an denen eine allgemeine Sportausbildung auf Grundlagenniveau vermittelt wird. Innerhalb der gleichen Stu- fe gibt es die Freizeitsportschulen mit sportlichem Schwerpunkt, welche selektierte junge Talente der beiden eben genannten Schulformen aufnehmen. Die mittlere Stufe ist angesiedelt auf der Ebene der Provinzen mit ca. 2.680 Jugendsportschu- len, die zum Teil mit Internaten ausgestattet sind. Das höchste Leistungsniveau findet sich in den Hochleistungssportschulen Chinas, in denen die Athleten der Provinzmannschaften trainieren. Zehn dieser 30 bis 40 Schulen bieten Einrichtun- gen für ein Studium. 66

In Russland sind fast alle Sportschulen den Regionalverwaltungen und städti- schen Organen der 89 russischen Territorien zugeordnet und bilden ein vierstufi- ges System, in dem die Sportler in der Regel kostenfrei trainieren können. Die Ba- sis bilden hier ca. 2.700 flächendeckende Kinder- und Jugendsportschulen, die die Grundlagenausbildung in einer breiten Auswahl an Sportarten übernehmen, um bei den Kindern und Jugendlichen eine zu frühe Spezialisierung zu verhindern. Mit zunehmendem Alter und fortschreitender Spezialisierung trainieren die jungen Athleten auf der mittleren Stufe entweder an ca. 1.000 Spezialisierten Kinder- und Jugendsportschulen der Olympischen Reserve oder an ca. 35 Fachschulen der Olympischen Reserve, welche ausschließlich Leistungssportler betreuen und in denen die Spezialisierung in einer Sportart erfolgt. Letztere sind überwiegend als Internate organisiert und bieten den Athleten die Möglichkeit, einen Abschluss als Diplomtrainer zu erwerben. Das höchste Leistungsniveau präsentieren in Russ- land ca. 80 Schulen des h ö chsten sportlichen K ö nnens. Hier werden potentielle Athleten der russischen Nationalmannschaften betreut und nach zentralen Ausbil- dungsprogrammen trainiert, weswegen diese Schulen eng mit den Spitzensport- verbänden zusammenarbeiten. 67

Zu der Organisation des Spitzensports auf regionaler Ebene sei hier zu erwähnen, dass die jeweiligen lokalen Strukturen der untersuchten Länder größtenteils fach- spezifisch in regionale Sportfachorganisationen eingebunden sind. Ein wesentli- cher Unterschied zeigt sich im Grad der Selbständigkeit dieser regionalen Sport- verbände, welcher durch die mehr oder weniger zentralistische Ausrichtung der Organisationen des Hochleistungssports bestimmt wird. In Frankreich und China sind beispielsweise diese regionalen Organisationen rechtlich unselbständige Glieder von den nationalen Sportfachorganisationen ohne eigene Entscheidungs- befugnisse. In Großbritannien sind die regionalen Einheiten rechtlich selbständige Organisationen auf der Ebene der Home Countries. Dabei sind sie Mitglieder einer nationalen Fachorganisation (z.B. nationaler Spitzenverband). 68 In Kapitel 3.2 wird gezeigt, dass die regionalen Strukturen in Deutschland einen sehr viel bedeutsa- meren Stellenwert einnehmen.

Auf nationaler Ebene sollen zunächst die nationalen Sportfachverbände und dar- aufhin die Dachorganisationen der Sportselbstverwaltung als relevante organisato- rische Einheiten des Hochleistungssports vorgestellt werden. Dabei wird dies be- reits am Beispiel der nationalen Trampolinverbände geschehen. In allen genann- ten Spitzenverbänden, mit Ausnahme des chinesischen, herrscht dabei ein Ne- beneinander von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern. In China üben hauptamtliche Angestellte der staatlichen GVS in Personalunion ehrenamtliche Funktionen im Verband aus. 69

Für China wurde bereits festgestellt, dass eine reelle Form der Sportselbstverwal- tung nicht besteht und es somit auch mit den Verwaltungsstrukturen auf nationaler Ebene eine deutliche Ausnahmestellung einnimmt. Für die Organisation des Sports ist die staatliche GVS das entscheidende koordinierende Organ, und alle weiteren Sportorganisationen sind ihr direkt unterstellt. Die Sportarten sind in den so genannten Verwaltungszentren der Sportdisziplinen organisiert: Die Sportfach- verbände und somit auch die Chinese Trampoline and Acrobatic Gymnastics As- sociation 70 sind der GVS als Verwaltungszentrum f ü r Gymnastik angegliedert und stehen unter deren Leitung. Somit ist das Verwaltungszentrum für Gymnastik zum einen ein staatliches Amt und zum anderen gleichzeitig Sportverband, wobei es sich faktisch um eine einzige Organisation handelt. 71 Mitglieder des nationalen Verbands sind die regionalen Provinz- und Kreisverbände sowie registrierte Athle- ten. Die Begriffe Verband und Verwaltungszentrum werden synonym genutzt. Bis- lang werden die Namen der Verbände allerdings nur verwendet, wenn im interna- tionalen Verkehr mit anderen Verbänden und Dachorganisationen kommuniziert wird. Dies stellt eine Übergangslösung dar, bis in China die geplante Sportselbst- verwaltung etabliert sein wird. 72 Die komplette Verantwortung für den Verband und dessen Arbeit liegt beim administrativen Leiter des Verwaltungszentrums. Die Steuerung des Hochleistungssports auf nationaler Ebene übernimmt die Wett- kampfsportabteilung des Verbands in Zusammenarbeit mit dem Amt für Wett- kampfsport der GVS. 73

In Russland sind die 36 regionalen Trampolinverbände Mitglieder des Russischen Trampolinbunds (Trampoline Federation of Russia 74 ). Auffällig ist, dass der russi- sche Trampolinsport sich seine Unabhängigkeit vom nationalen Turnerbund be- wahrt hat, wohingegen die anderen Länder mit dem übergeordneten Spitzenver- band im Zuge der Integration vom FIT in die FIG (1999) fusionierten. 75 Der Vorteil der Eigenständigkeit zeigt sich vor allem darin, dass der Russische Trampolinbund sportartspezifische Direktiven erlassen kann und im Gegensatz zu den anderen Trampolinnationen über ein separates Budget verfügt, was eine einfachere Koordi- nation und Planung von (finanziellen) Maßnahmen ermöglicht. Verantwortlich für die Steuerung des nationalen Hochleistungssports in den russischen Spitzenver- bänden ist die Abteilung für Nationalmannschaften, in der meist der Cheftrainer und sein Assistent für die Belange des Nationalteams zuständig sind. 76

Der französische Trampolinsport ist seit der Auflösung des eigenständigen natio- nalen Trampolinverbands im Jahr 1999 auf nationaler Ebene im Franz ö sischen Turnerbund (FFG - Fédé ration Française de Gymnastique) organisiert. Die FFG verwaltet als rechtlich freiwillige Vereinigung alle turnerischen Disziplinen und zählt ca. 1.580 Clubs/Vereine und knapp 245.000 Lizenzinhaber (Wettkampf-, Kampf- richter- oder Offiziellen-Lizenz) zu seinen Mitgliedern, darunter waren im Jahr 2007 5.319 Lizenzen im Fachgebiet Trampolinturnen registriert. 77 Nur die vom Sportminister anerkannten Verbände haben in Frankreich Anspruch auf staatliche Unterstützung. Die Steuerung des Hochleistungssports obliegt nicht den französi- schen Fachverbänden selbst, sondern den staatlichen Mitarbeitern seiner zustän- digen Direction technique nationale ( DTN), welche den Staat gegenüber dem Sportverband repräsentieren. Ziel dieser staatlichen Maßnahme ist die Entwick- lung einer stark auf den Hochleistungssport ausgerichteten Sportpolitik. Auf natio- naler Ebene sind die vom Staat zur Verfügung gestellten Mitarbeiter in den cadres techniques beschäftigt, weitere dieser cadres techniques vertreten den Staat auf der Ebene der Regionen und Departements. 78

Auch in Großbritannien sind es wie in Frankreich die Trampolinclubs bzw. -vereine und nicht die regionalen Verbände, die im nationalen Spitzenverband British Gym- nastics (BG) als Mitglieder registriert sind. Auch hier wurde der ehemals selbstän- dige britische Trampolinverband im Jahr 1999 in den nationalen Turnverband BG integriert. 79 BG bemüht sich um die Sicherstellung einer weitgehend einheitlichen Politik in allen Fragen, die die Organisation und Entwicklung des Trampolinturnens in Großbritannien betreffen. Registrierte Clubs erhalten z.B. von BG zahlreiche Unterstützungsleistungen für die Clubentwicklung in Form von zentral organisier- ten landesweiten Trainer- und Kampfrichterausbildungen. 80 Für die Steuerung des Hochleistungssports auf nationaler Ebene sind die Abteilungen Performance und Competition verantwortlich, wobei erstere u.a. für die Beantragung und Verteilung der Lotteriegelder im Zusammenhang mit dem World Class Performance Pro- gramm (WCP) zuständig ist. 81

Auf nationaler Ebene der Sportsysteme gibt es neben den nationalen Spitzenver- bänden weitere wichtige Organisationseinheiten der Sportselbstverwaltung: die Dachorganisationen des Sports. Besonders große Bedeutung kommt dabei den Nationalen Olympischen Komitees (NOK) zu. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass keines der untersuchten NOK an der Finanzierung des Sports und der Fach- verbände beteiligt ist. Hingegen sind in Übereinstimmung mit den vom IOC formu- lierten Anforderungen alle NOK für die olympische Erziehung im eigenen Land und die Vorbereitung und Entsendung der Olympiamannschaften verantwortlich.

Das Chinesische Olympische Komitee (COC - Chinese Olympic Committee) ist in die GVS integriert und somit keine eigenständige Dachorganisation. Vielmehr sind auch hier die Ämter in Personalunion von Mitarbeitern der GVS besetzt. Im inter- nationalen Sportverkehr tritt das COC allerdings als eigenständiges NOK auf und präsentiert sich als regierungsunabhängige Non-Profit-Massensportorganisation. 82 pischer Sportarten und die Provinzsportverwaltungen. Neben den IOC-Forderun- gen beschränken sich die Kompetenzen des COC auf die internationale Reprä- sentation. 83

Alle russischen Fachverbände haben einen Vertrag mit der staatlichen FAKS. Auf der Seite der Sportselbstverwaltung haben sie außerdem schriftliche Absprachen mit dem Russischen Olympischen Komitee (ROC - Russian Olympic Committee). Es versteht sich als Dachorganisation des gesamten nationalen Sports und zählt deswegen nicht nur die olympischen Sportfachverbände zu seinen Mitgliedern. So vereinigt das ROC unter sich 32 Fachverbände olympischer und nicht-olympischer Sportarten und darüber hinaus 39 Sportverwaltungen, zwei olympische Akademi- en, 14 staatliche und sonstige Sportorganisationen. Bis zum Jahr 2001 war das ROC noch für finanzielle Zuwendungen des Staats an die Spitzenverbände zu- ständig. Darüber hinaus sichert es in Zusammenarbeit mit der staatlichen Sport- verwaltung eine einheitliche Politik in Bezug auf die Entwicklung des russischen Hochleistungssports. 84

Das Franz ö sische Olympische Komitee (CNOSF - Comité National Olympique et Sportif Français) versteht sich wie das ROC als Dachorganisation des gesamten französischen Sports und nicht nur seiner olympischen Sportarten. Entsprechend gehören dem CNOSF 92 Sportverbände und elf assoziierte Mitgliedsorganisatio- nen an. Es unterhält in den Regionen und Departements eigene Organe (comités régionaux/départementaux olympiques et sportifs), die auf der jeweiligen Ebene das CNOSF vertreten und für die Entwicklung und Förderung des Leistungs- und Breitensports verantwortlich sind. Den territorialen Organen der CNOSF unterste- hen die comités régionaux/départementaux der Sportfachverbände. Die regiona- len Vertreter der CNOSF haben beachtlicherweise einen Sitz in den regionalen Wirtschafts- und Sozialräten und können die dortige Politik im Sinne des Sports mit beeinflussen. Zusätzlich zur Verbreitung des olympischen Gedankenguts und der Nominierung der Olympiakandidaten kommen dem CNOSF bestimmte Aufga- ben im Hochleistungssport zu: Hierzu zählt die Erarbeitung und Koordination spe- zifischer Förder- und Unterstützungsprogramme, wie z.B. die Athletenförderung im sozialen Bereich, die Förderung der Forschung und vor allem auch die Ausbildung der Führungskräfte und leitenden Angestellten (cadres) sowie des sporttechni- schen Personals. 85

[...]


1 Vgl. Digel, 2001; Digel, 2007; Digel & Fahrner, 2003; Digel, Burk & Sloboda, 2003a; Digel, Miao& Utz, 2003b; Digel, Burk & Sloboda, 2006a; Digel, Burk & Fahrner, 2006b.

2 Die Zitation erfolgt dabei in folgender Form: Experte X (Funktionsbezeichnung), Interview Y. DiArt des jeweiligen Interviews und das Datum der Durchführung sind dem Literaturverzeichnis zentnehmen. Die wiedergegebenen Einstellungen sind trampolinspezifisch geprägt. Turnspezifische Gegenmeinungen aus den Reihen der DTB-Funktionäre wurden publizierten Beiträgeentnommen.

3 Zur Eingrenzung der zitierten Textstellen von Internetseiten werden Textanker (#) bzw. Absatznummerierungen (Abs.) verwendet.

4 Vgl. Doelle, 1982, S. 66; Schmitt, 1990, S. 27.

5 Vgl. Braecklein, 1962, S. 9.

6 Vgl. Christlieb, 1999, S. 11.

7 Vgl. Riehle, 1972, S. 8; Loken, 1948, S. 2.

8 Vgl. Riehle, 1972, S. 8.

9 Vgl. Schulze-Bäing, 1961/62, S. 10; Braecklein, 1962, S. 10; Loken, 1948, S. 2.

10 Vgl. Riehle, 1972, S. 9; Doelle 1982, S. 69.

11 Michels, 1997, S. 11.

12 Vgl. Michels, 1998, S. 7.

13 Riehle, 1972, S. 9.

14 Vgl. Schmitt, 1990, S. 27.

15 Vgl. FIG, o.J.

16 Vgl. GYMmedia INTERNATIONAL, 1998.

17 Vgl. Gehrke, 1995, #5.

18 GYMmedia INTERNATIONAL, 1998.

19 Vgl. FIG, 2001; FIG, 2005.

20 Vgl. DTB, 2001, S. 136; FIG, 2005, S. 5.

21 Vgl. Kuhn, 2000, S. 3; Kunze, 2000, S. 3.

22 GYMmedia INTERNATIONAL, 1998.

23 Vgl. Ministry of Air, 2008a; Alton Trampoline Club, o.J.

24 Vgl. ebd.

25 Bei Weltmeisterschaften dient der Vorkampf gleichzeitig als Qualifikation für die Einzel- und Teamfinals (vgl. FIG, 2005, S. 7)

26 Vgl. FIG, 2005, S. 6f.

27 Vgl. Emrich, Pitsch, Güllich, Klein, Fröhlich, Flatau, Sandig & Anthes, 2008, S. 14.

28 Vgl. hierzu z.B. Jokl et al., 1956; Novikov & Maximenko, 1971; Colwell, 1984; Lamprecht & Stamm, 2001; Bernard & Busse, 2004.

29 Vgl. Emrich et al., 2008, S. 15.

30 Vgl. ebd.

31 Ebd., S. 15f.

32 Vgl. Freedom House, 2007.

33 Vgl. Digel, 2001, S. 72.

34 Vgl. Freedom House, 2007.

35 Vgl. Experte 1 (Trainer), Interview 4; Ministry Of Air, 2008b und 2008c

36. Vgl. ebd.

37 Vgl. ebd.

38 Vgl. Lefebvre, 2006b, Abs. 7.

39 Vgl. ebd.; Lefebvre, 2006a. .

40 Vgl. Lefebvre, 2006a

41 Der Schwierigkeitsgrad (SK) einer Übung wird der Ausführungsnote hinzugerechnet. Der SK der zehn Übungsteile wurde bis zum Jahr 2000 folgendermaßen ermittelt: Alle Übungsteile ohne Rotation hatten keinen SK. Pro # Saltodrehung (90°) wurden 0,1 Punkte berechnet, pro 1/1 Saltodrehung (360°) entsprechend 0,4 Punkte. Pro $ Schraubendrehung (180°) wurden 0,1 Punkte berechnet, pro 1/1 Schraubendrehung (360°) dementsprechend 0,2 Punkte. Bei kombi- nierten Übungsteilen wurden die Zehntelpunkte für Salti mit denen der Schrauben addiert. Ein- fachsalti (360°) ohne Schrauben in gebückter oder gestreckter Körperhaltung (im Gegensatz zu gehockten Varianten) erhielten aufgrund höheren Kraftaufwands bei der Ausführung zusätzlich 0,1 Punkte. Mehrfachsalti (ab 720°) mit oder ohne Schrauben in gebückter/gestreckter Ausfüh- rung erhielten zusätzlich 0,1 Punkte für jede komplette 360° Saltorotation (vgl. DTB, 1991, S. 14). Seit der olympischen Premiere in Sydney 2000 wurde die Berechnung der SK im Hinblick auf den neuen FIG Code of Points angepasst und gleichzeitig der Tatsache Rechnung getra- gen, dass mit der steigenden Leistungsentwicklung durch die Olympischen Spiele die Schwie- rigkeit der gezeigten Sprünge enorm zugenommen hatte (z.B. mehr Dreifachsalti) und nach Meinung des Technischen Komitees (TK) auch entsprechend höher honoriert werden sollten. So wurden folgende Änderungen in das alte System der SK-Berechnung eingearbeitet: Für je- den kompletten Salto (360°) gibt es einen Bonus von 0,1 Punkten; Mehrfachsalti (ab 720°), mit oder ohne Schraube, ausgeführt in gebückter/gestreckter Position, erhalten 0,2 Punkte zusätz- lich (vgl. DTB, 2001, S. 27).

42 Vgl. Lefebvre, 2006a. Vgl. ebd.

43 Vgl. ebd.

44 Vgl. ebd.

45 Vgl. ebd.

46 Ergebnislisten von internationalen Trampolinmeisterschaften sind zu finden unter www.gymmedia.com > Trampoline > GYMevents.

47 Vgl. FIG, 2005, S. 7.

48 Vgl. Digel, Burk & Fahrner, 2006b, S. 14.

49 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 65-68, S. 379-489.

50 Vgl. ebd., S. 56ff.

51 Vgl. ebd., S. 58ff.

52 Vgl. ebd., S. 59f.

53 Vgl. ebd., S. 544ff.

54 Vgl. ebd., S. 60.

55 Digel, 2007, S. 111.

56 Ebd., S. 112.

57 Vgl. ebd., S. 112; Digel et al., 2006b, S. 100f.

58 Vgl. Digel, 2007, S. 116.

59 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 383ff.

60 Vgl. Digel, Miao & Utz, 2003b, S. 62-65. 25

61 Vgl. Digel, Burk & Sloboda, 2006a, S. 71-73.

62 Digel & Fahrner, 2003, S. 65.

63 Vgl. ebd., S. 64f.; Digel et al., 2006b, S. 393f.

64 Vgl. Digel, Burk & Sloboda, 2003a, S. 67-75.

65 Vgl. Digel, 2001, S. 72ff.; Digel et al., 2006b, S. 161ff.

66 Vgl. ebd.

67 Vgl. ebd.; Digel et al., 2006a, S. 102ff.

68 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 166f.

69 Vgl. ebd., S. 173.

70 Vgl. China Culture, 2003b.

71 Vgl. Digel et al., 2003b, S. 77

72 Vgl. ebd., S. 85f.

73 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 182f.

74 Bei vorhandenem Interesse und Russischkenntnissen zu empfehlen: www.trampoline.ru.

75 Vgl. Kapitel 2, S. 5f.

76 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 183; Digel et al., 2006a, S. 87.

77 Vgl. FFG, 2007, #Répartition par discipline.

78 Vgl. Digel & Fahrner, 2003, S. 82f.; Digel et al., 2006b, S. 183f.

79 Vgl. British Gymnastics, 2008, #1999.

80 Vgl. British Gymnastics, 2007, #Objectives.

81 Vgl. Digel et al., 2003a, S. 99ff.; Digel et al., 2006b, S. 171ff.

82 Vgl. Digel et al., 2006b, S. 187.

83 Vgl. Digel et al., 2003b, S. 87.

84 Vl. Digel et al., 2006a, S. 94; Digel et al., 2006b, S. 188ff.

85 Vgl. Digel & Fahrner, 2003, S. 98ff.

Fin de l'extrait de 157 pages

Résumé des informations

Titre
Steht der Sportart Trampolinturnen in Deutschland ein Niedergang bevor?
Université
University of Göttingen  (Institut für Sportwissenschaften)
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
157
N° de catalogue
V159639
ISBN (ebook)
9783640750290
ISBN (Livre)
9783640750344
Taille d'un fichier
4258 KB
Langue
allemand
Annotations
Auszüge aus dem Gutachten: Die Verf.'in hat ein selten in der Literatur behandeltes Thema überaus kompetent aufbereitet. Die Verf.'in benutzt eine sehr breite, sinnvoll ausgewählte Literaturgrundlage (ca. 150 Titel), sichert sich (neben ihren eigenen Vorkenntnissen als Spitzenathletin) durch aktuelles Expertenwissen Mit Hilfe von Interviews mit Trainern und Funktionären ab. Die Verf.'in ist innovativ, bringt ein weites Feld an Kenntnissen ein und behandelt etwas, das so in Deutschland für das Trampolinturnen noch nicht gemacht worden ist.
Mots clés
Trampolinturnen, Trampolin, Spitzensportförderung, internationaler Vergleich, Sportsysteme, strukturelle Bedingungen, Leistungssport, Randsportart, Olympische Sportart, Olympische Disziplin
Citation du texte
Yvonne Dietrich (Auteur), 2008, Steht der Sportart Trampolinturnen in Deutschland ein Niedergang bevor?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159639

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