Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Lernen
2.1.1 Individuelles Lernen
2.1.2 Kollektives Lernen
2.2 Wissen
2.2.1 Begriffsbestimmung
2.2.2 Wissenstypologien
3. Wissensmanagement
3.1 Denkansätze des Wissensmanagements
3.2 Aufgaben und Ziele des Wissensmanagements
3.3 Modelle des Wissensmanagements
3.3.1 Ansätze nach Nonaka und Takeuchi
3.3.2 Der Baustein-Ansatz
3.3.3 Das Münchner Modell
4. Organisationales Lernen
4.1 Theorien des organisationalen Lernens
4.2 Die Idee der lernenden Organisation
4.2.1 Begriffliche Erklärung
4.2.2 Voraussetzungen organisationalen Lernens
4.3 Der Weg zur lernenden Organisation
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
„Der Mensch ist Mittelpunkt. Der Mensch ist Mittel. Punkt.“1
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wissenstreppe nach North
Abbildung 2: Denkansätze des Wissensmanagements
Abbildung 3: Dimensionen eines ganzheitlichen Wissensmanagements
Abbildung 4: Wissensspirale nach NONAKA/TAKEUCHI
Abbildung 5: Bausteine des Wissensmanagements
Abbildung 6: Der individuelle Lernzyklus
Abbildung 7: Der organisationale Lernzyklus
Abbildung 8: Voraussetzung lernenden Organisation
1. Einleitung
Betrachtet man die heutigen Veränderungen, denen Unternehmen ausgesetzt sind, darunter die schnelle Verfallszeit von Wissen, die technischen Neuerungen sowie den Druck schleunigst auf diese Veränderungen reagieren zu können, so erkennt man die immense Bedeutung der Notwendigkeit zur Weiterentwicklung. Zahlreiche Konzepte widmen sich mittlerweile diesem Thema. Einige mit eher kurzfristiger Verfallszeit andere wiederum mit einer langfristig orientierten Intention. Insbesondere das organisationale Lernen zählt zu diesen langfristigen Konzepten, die es ermöglichen sollen, den Wissensbestand eines Unternehmens zu festigen, zu verbessern und zukunftsfähig zu machen.2
Ziel dieser Arbeit soll es sein, einen Überblick über das innerhalb der Forschung durchaus heterogen diskutierte organisationale Lernen und den damit verbundenen Prozessen zu geben. Dabei soll ermittelt werden, welcher Voraussetzungen es bedarf, um organisationales Lernen überhaupt zu ermöglichen und wie sich die lernende Organisation verwirklichen lässt. Besondere Berücksichtigung finden im Zusammenhang damit die Methoden und Instrumente des Wissensmanagements.
Übergehend von der Einleitung werden dazu die theoretischen Grundlagen geschaffen, indem zentrale Begriffe wie Lernen und Wissen näher betrachtet werden. In Bezug auf das Lernen werden zwei Bedeutungen des Begriffs sowie grundlegende Lernformen vorgestellt. Wissen als sehr unterschiedlich betrachteter Begriff wird in dieser Arbeit definiert, von anderen Begriffen differenziert sowie in bekannte Wissenstypologien eingeordnet.
Das anschließende Kapitel stellt das Wissensmanagement in seinen verschiedenen Ansätzen bzw. Grundpfeilern vor und geht dabei zu den Aufgaben und Zielen über. Die Vorstellung anerkannter Modelle die sowohl dem human-/ technikorientierten aber auch ganzheitlichem Wissensmanagement zuzuordnen sind, bildet die Grundlage für das Verständnis unterschiedlicher Betrachtungsweisen vom Umgang mit Wissen innerhalb von Organisationen.
Darauf aufbauend wird im vierten Kapitel das organisationale Lernen einer eingehenden Betrachtung unterzogen, innerhalb derer Theorien vorgestellt werden, die in der Fachwelt seit längerem Bestand haben. Zentraler Punkt dieses Kapitels sind jedoch die Voraussetzungen organisationalen Lernens, die damit verbundenen Konzepte zur Umsetzung als auch die Bedeutung des Wissensmanagements zur Realisierung einer lernenden Organisation. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der zentralen Aussagen bezüglich des organisationalen Lernens, dessen Voraussetzungen sowie dem Einfluss des Wissensmanagements.
2. Theoretische Grundlagen
Die in diesem Kapitel betrachteten Begriffe stellen eine Auswahl dar und erheben keineswegs den Anspruch alle zentralen Inhalte dieses Themengebietes abzudecken. Vielmehr sollen sie dazu dienen, eine Grundlage für das Verstehen der folgenden Thematiken zu schaffen. Dazu werden die in der Wissenschaft gebräuchlichsten Begriffe erläutert.
Der Begriff des Lernens darf nicht verallgemeinert bzw. isoliert betrachtet werden. Bezüglich der zu bearbeitenden Thematik, empfiehlt es sich individuelles und kollektives Lernen mit in die Betrachtungen einzubeziehen, da viele Prozesse die innerhalb von Organisationen ablaufen, auf diese Lernprozesse zurückgehen. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang das organisationale Lernen, welches jedoch aufgrund seiner Bedeutsamkeit für diese Arbeit in einem eigenen Kapitel vertiefend dargestellt wird.
Auch der Wissensbegriff als Grundlage bzw. Gegenstand von Lernprozessen bedarf einiger Erklärungen. Viel zu oft wird von Wissen geredet, obwohl dabei nur die kleinsten Einheiten dessen gemeint sind. Deshalb wird neben dem Versuch einer Definition auch eine Differenzierung des Wissensbegriffes vorgenommen.
2.1 Lernen
Dem Begriff Lernen kommt in dieser Arbeit nicht nur eine Bedeutung zu, weil er im Titel der Arbeit erwähnt wird, vielmehr ist Lernen als zentrales Element des organisationalen Lernens, der Lernenden Organisation und des Wissensmanagements zu sehen. Es fungiert in gewisser Weise als Grundlage und Bindeglied zwischen Wissensmanagement und dem Weg zur Lernenden Organisation.
„Lernen ist ein Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotentials resultiert,“3 und auf Erfahrung basiert. Diese der Psychologie entstammende Definition umreißt in wenigen Worten, was den Kern des Lernbegriffs determiniert. Weiter greift an dieser Stelle die Definition SENGEs, nach der Lernen die „permanente Fähigkeit zu handeln und zur nachhaltigen Verbesserung der Selbstaktualisierung“4 bedeutet. Diese Definition impliziert den wichtigen Aspekt der Permanenz, der darauf verweist, das eigene Wissen und die erworbenen Fähigkeiten stets einem selbstinitiierten Überprüfungsprozess zu unterziehen und gegebenenfalls zu aktualisieren.
In der Literatur kommen dem Lernen zwei grundlegende Bedeutungen zu, die sowohl in den klassischen als auch den modernen Lerntheorien zum Tragen kommen. Die Grundannahmen und -aussagen der differenten Bedeutungen können auch ohne weitere Probleme auf die Theorien des organisationalen Lernens übertragen werden. Bei den soeben genannten Funktionen handelt es sich zum Ersten um die Informationsverarbeitung und zum Zweiten um die Konstruktion von Bedeutungen.
Beim Lernen als Informationsverarbeitung wird konstatiert, dass Wissen aus Lernprozessen resultiert. Hierbei kommt es zur Informationsaufnahme aus der Umwelt, die ungeordnete Eindrücke enthält, welche wiederum im sensorischen Gedächtnis aufgenommen und in einem Folgeprozess auf wesentliche (aufgaben- oder problemrelevante) Aspekte reduziert werden. Die bis hierhin stattgefundene Wissenskonstruktion kann nur als Lernen betrachtet werden, wenn das neue Wissen mit dem bereits bestehenden verknüpft wurde und Einzug ins Langzeitgedächtnis erhält. Dieser hier stark vereinfachte, in der Praxis jedoch um ein vielfaches komplexere Prozess führt dazu, dass Individuen in der Lage sind ihr erworbenes Wissen problemorientiert anzuwenden, auszubauen und somit den Prozess des Lernens fortwährend zu wiederholen.5
Die konstruktive Bedeutung des Lernens besteht darin, dass der Aufbau von Wissen maßgeblich von individuellen Strukturen wie dem Denken, Fühlen, Können und Wollen beeinflusst wird. Das heißt, die interne Struktur des Individuums entscheidet darüber, welche Informationen aufgenommen und auf welche Art und Weise sie verarbeitet werden. In diesem Kontext ist es naheliegend, dass kognitionspsychologische Ansätze zur Erklärung herangezogen werden, da diese den Mensch als ein nach Weiterentwicklung strebendes Individuum ansehen und die motivationalen, sowie volitionalen Prozesse mit berücksichtigen.6
Im Folgenden sollen zwei für die Betrachtung, der Thematik des organisationalen Lernens, relevante Lernformen vorgestellt werden, um dadurch eine bessere Verständnisgrundlage zu schaffen. Hierbei soll nach individuellen und kollektiven Lernprozessen unterschieden werden. Organisationales Lernen wird in einem gesonderten Kapitel behandelt, da es im Fokus dieser Arbeit steht.
2.1.1 Individuelles Lernen
Die Theorien des individuellen Lernens werden in der Wissenschaft als weitestgehend bekannt betrachtet und der grundlegenden Forschung zugerechnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie veraltet oder obsolet sind. A]uf der Grundlage dieser Theorien wurden letztendlich neuere Ansätze und wissenschaftliche Fragestellungen aufgebaut. Zusätzlich wird in diesen Theorien auf die erste Ebene des Organisationalen Lernens, nämlich die der Individuen geblickt.7
Beim Individuellen Lernen geht man davon aus, dass Individuen durch die Interaktion mit ihrer Umwelt Informationen aufnehmen, verarbeiten und in bereits vorhandene Wissensstrukturen integrieren. Dies bewirkt eine Veränderung des Verhaltens und beeinflusst die Problemlösefähigkeit in positivem Maße.8 Allgemein werden in der Literatur beim individuellen Lernen verschiedene Gruppen von Lerntheorien unterschieden. Dazu zählen die behavioristischen Lerntheorien, die kognitiv/sozialen Lerntheorien und die aktuelleren konstruktivistischen Lerntheorien.
Die ersten wissenschaftlich fundierten Annahmen und Erkenntnisse über das Individuelle Lernen entstammen behavioristischen Betrachtungsweisen. Diese gingen davon aus, dass Verhalten aus der Reaktion auf Umweltreize erfolgt und sich der Organismus durch geeignete Reaktionen den Umweltreizen anpasst. Demzufolge ist Verhalten das sichtbare Ergebnis von Reiz-Reaktions-Verbindungen. Dementsprechend ist Lernen diesem Verständnis nach ein Aufbau neuer ReizReaktionsverbindungen, welche zu relativ dauerhaften Verhaltensänderungen führen. In diesem Bereich der Lerntheorien sind die Versuche PAWOLOWs und WATSONSs/RAYNERs zum klassischen Konditionieren, sowie THORNDIKE und SKINNER beim operanten Konditionieren zu erwähnen.9
Kognitionspsychologische Ansätze gehen davon aus, dass Lernen keine bloße Anhäufung von Reiz-Reaktions-Mustern ist, sondern auf innerpsychischen, kognitiven Prozessen basiert. Kognitive Lerntheorien beabsichtigen zu ermitteln, wie Informationen verarbeitet und integriert werden. Sie setzen somit zeitlich vor der Verhaltensänderung an. Bezeichnend für die Forschung der Kognitionspsychologie sind die Untersuchungen PIAGETs, der konstatierte, dass der Mensch ein aktives Subjekt ist, welches sich kontinuierlich mit seiner Umwelt auseinandersetzt und dadurch seine mentalen Strukturen aufbaut. Jedoch kann dies seiner Meinung nach nur bis zu einem gewissen Maß stattfinden. Die kognitive Entwicklung des Individuums erfolgt seiner Ansicht nach, indem Erfahrungen nicht mehr in die bestehenden mentalen Strukturen eingeordnet bzw. verarbeitet werden können und in Folge daraus ein Ungleichgewicht entsteht. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen der Außenwelt und den kognitiven Strukturen erzeugt einen Druck zur Weiterentwicklung, der durch die Integration der neuen Erfahrungen in die bereits bestehenden Strukturen (Assimilation) oder durch Veränderung der vorhandenen Denk- und Verhaltensmuster (Akkomodation) abgebaut wird.10
Situative und an den sozialen Kontext gekoppelte Lernprozesse sind Kennzeichen sozialer Lerntheorien. Allgemein formuliert bezeichnet soziales Lernen „den Vorgang der Übernahme, der von der Gesellschaft vorgeschriebenen Verhaltensweisen, Haltungen (Gesinnungen) und Leistungen“.11 Dabei sollen Fähigkeiten erworben werden, die es ermöglichen sich in sozialen Situationen angemessen zu verhalten. Ferner kommt die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen und Emotionen hinzu. Das Erlernen einer Selbst- und Ich-Steuerung und die Ausbildung politischer Handlungsfähigkeit runden diesen Prozess ab. Innerhalb sozialer Lernprozesse kann Lernen durch Beobachtung und Nachahmung stattfinden.12 Albert BANDURA entwickelte einen umfassenden Ansatz für soziale Lernprozesse. Das Lernen am Modell besagt, dass aus der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen und der darauf folgenden Konsequenzen, sich auch das Verhalten des beobachtenden Individuums ändert. Entgegen der Behavioristen kann Lernen demzufolge auch ohne persönliche Erfahrung mit der Umwelt stattfinden. So werden beim Modell-Lernen keine Reiz-Reaktions-Verbindungen erlernt, sondern symbolische Repräsentationen erworben. Dies bedeutet, dass zentrale Aspekte des beobachteten Verhaltens in Form eines symbolischen Codes abgespeichert werden. Diese Verhaltensrepräsentationen können beliebig aus dem Gedächtnis abgerufen werden.13 Soziale Lerntheorien können durch gezielte Interaktion und Kommunikation auch aus der Sicht des kollektiven Lernens betrachtet werden.
Wiederum anders gestalten sich die Ansätze konstruktivistischer Lerntheorien. Diese gehen davon aus, dass Lernen ein subjektiv geprägter Prozess ist und von Selbststeuerung und Aktivität geprägt wird. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Individuen ihre eigene Wirklichkeit konstruieren, was natürlich auch Auswirkungen auf das Wissen, welches als eigenständige Konstruktion der Lernenden angesehen wird, hat. So kann Wissen nicht einfach weitergegeben werden, da es ebenfalls subjektiv betrachtet und konstruiert wird. Eigene Handlungen sowie Erfahrungen die in engem Bezug zu den Problemen der eigenen Lebenswelt stehen, bilden die Grundlage für diese im Subjekt verankerten Konstruktionen von Wissen und Wirklichkeit.14 Lernen nach konstruktivistischer Auffassung bedeutet, selbstorganisiert zu lernen und die Lernumgebung aktiv zu gestalten. Eine objektive Wirklichkeit kann nur durch Interaktion und Kommunikation der Individuen geschaffen werden, was jedoch dem individuellen Aspekt widersprechen würde, andererseits aber zum Aspekt des kollektiven Lernens überleitet.
Bisher wurden Ansätze vorgestellt, in denen Lernen eine sichtbare Verhaltensänderung folgt. Andere Ansätze schreiben dem Lernen Änderungen der Erkenntnis (Meinungen, Urteile, Präferenzen) zu, aus denen eine Verhaltensänderung erfolgen kann, diese ist jedoch nicht determiniert.
2.1.2 Kollektives Lernen
Neben den Ansätzen des individuellen Lernens, die den Lernprozess als einen im Individuum ablaufenden sehen, existieren auch kollektive Lernformen. Diesen geht das Verständnis vom Lernen in Gruppen, demzufolge ein sozialer Ansatz voraus. Wie bereits zuvor erwähnt, liegt der Fokus anders als beim sozialen Lernen einzelner Individuen beim kollektiven Lernen auf sozialen Prozessen und spielt sich damit auf der zwischenmenschlichen Ebene ab. Dadurch kommt dem kollektiven Lernen eine hohe Bedeutung zu, weil in den Gruppen Lernender, komplexere Probleme angegangen werden können, als es bei Individuen der Fall ist. Begründet liegt dies darin, dass die Menge der Informationen des Einzelnen nicht immer ausreichend sind um komplexe Sachverhalte zu verstehen bzw. damit verbundene Probleme zu lösen. In Gruppensituationen kann demgegenüber individuelles Wissen, eingebracht werden, welches am Ende gegebenenfalls zur Konsensbildung bzw. Problemlösung führt. So lässt sich vereinfacht festhalten, dass kollektives Lernen auf die Fähigkeiten, individuelles Wissen und den Sachverstand (Inputvariablen) der einzelnen Gruppenmitglieder, aber auch und das ist entscheidend, auf die Kommunikation (Prozessvariable) binnen der Gruppe angewiesen ist.15 Wie auch das individuelle Lernen ist das kollektive Lernen ein wichtiger Bestandteil des organisationalen Lernens. „Kollektives Lernen oder auch Gruppenlernen fungiert in der Literatur häufig als Bindeglied zwischen individuellem und organisationalem Lernen, da mit Hilfe kollektiven Wissens individuelles Wissen in die Organisation eingepflegt werden kann.“16 In dieser Funktion als Bindeglied findet sich folglich auch der Ansatzpunkt des Wissensmanagements.
2.2 Wissen
2.2.1 Begriffsbestimmung
Neben der Philosophie, die sich bereits seit einigen tausend Jahren mit der Definition von Wissen beschäftigt, streben auch andere Wissenschaften nach einer präzisen Beschreibung dessen, was Wissen ausmacht. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass bis heute keine allumfassende Begriffsbestimmung für Wissen vorhanden ist. Es gibt also keine Definition schlechthin, die eine Aussage darüber treffen könnte, was Wissen ist. Dies liegt letztendlich auch daran, dass jede Wissenschaft bzw. Disziplin andere Zugänge, Schwerpunkte und Gegenstandsbereiche aufweist. Jedoch wird der Begriff nicht nur in der Wissenschaft verwendet, so wird auch im Alltag nahezu inflationär von und über Wissen geredet, wobei die ursprüngliche Bedeutung häufig verloren geht.17 Hier zeigt sich wie vieldeutig, komplex aber auch wie aktuell der Wissensbegriff ist und dass im allgemeinen Sprachgebrauch jeder etwas anderes darunter versteht. Die Verwendung von Termini wie Daten, Informationen, Können, Kompetenzen u.a., die durchaus Bezug zum Wissen haben, sind somit schlichtweg falsch und kommen in keinem Fall einem Synonym des Wissensbegriffes gleich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wissenstreppe nach North18
Im Folgenden soll eine Abgrenzung und Zuordnung der Begrifflichkeiten stattfinden, um ein einheitliches Vokabular und Verständnis vom Wissensbegriff zu schaffen. Das Modell der Wissenstreppe (Abb.1) dient dabei als Leitfaden und visualisiert die Begrifflichkeiten und ablaufenden Prozesse.
Das abgebildete Modell verdeutlicht die enge Verflechtung der Begriffe Zeichen, Daten, Informationen und Wissen. Generell sollte das Modell weniger hierarchisch gesehen, sondern eher als ein stufenweiser, kontinuierlicher Aufstieg betrachtet werden.
Die kleinsten zur Verfügung/Verarbeitung bereitstehenden Einheiten sind Zeichen. Diese können beispielsweise in Form von Buchstaben, Ziffern oder anderen Symbolen vorliegen. Die Anwendung normativer Ordnungsregeln (z.B. Syntax) überführt die Zeichen in nicht interpretierte Symbole, die so genannten Daten. Die Zuweisung einer Bedeutung (Semantik) führt dann dazu, dass aus den bloßen Daten Informationen werden, welche ggf. einer späteren Entscheidungsfindung oder Handlung dienlich sein können.19 Können Informationen nicht vernetzt bzw. nicht in einen vorhergehenden, aktuellen oder Erfahrungszusammenhang gebracht werden, so sind sie nutzlos. Ist dies nicht der Fall, lässt sich aus ihnen Wissen erzeugen. Demzufolge ist Wissen „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.“20
Zusätzlich lässt sich erkennen, dass oberhalb des Wissens weitere Stufen angesiedelt
sind. Von Können spricht man, wenn Wissen auf Probleme bezogen und angewendet werden kann. Um vom Können zum Handeln zu kommen, bedarf es der Motivation (Wollen), die letztendlich dazu führt, dass durch Können und Handeln Wissen generiert wird.21 Dieser Prozess des Handelns bzw. des erfolgreichen Handelns macht letzten Endes die Kompetenz aus, welche gekoppelt mit Einzigartigkeit bzw. schwerer Imitierbarkeit die Wettbewerbsfähigkeit sichert.22
Neben der hierarchischen Einteilung von Wissen existieren weitere Einteilungen, die im folgenden Unterkapitel vorgestellt werden sollen.
2.2.2 Wissenstypologien
Das Fehlen einer eindeutigen Definition von Wissen führte dazu, dass Typologien entworfen wurden, die Wissen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und in verschiedenste Zusammenhänge bringen.
So unterscheidet man in einem Wissens-Delphi nach Spezialwissen, Allgemeinwissen und Grundwissen.
Eine weitere Unterscheidung lässt sich im Alltags- und Wissenschaftswissen festhalten.
In der Wissenschaftssprache wird grob nach Arten, Formen und Trägern von Wissen unterschieden. So fallen im Zusammenhang mit den Arten des Wissens Begriffe wie deklaratives Wissen (Sachwissen - Wissen von Begriffen, Objekten, Fakten, etc.), prozedurales Wissen (Handlungswissen - Wissen, wie etwas gemacht wird), episodisches, assertorisches und analogisches Wissen, konditionales Wissen, sowie metakognitives Wissen.23
Die geläufigste Unterscheidung findet jedoch nach den Kategorien der Träger von Wissen, also dem impliziten und expliziten Wissen, sowie der Ebene des Wissens, folglich dem individuellen, kollektiven und organisationalem Wissen statt. Da diese Wissensbegriffe die Grundlage der meisten Managementansätze bilden und nahezu einheitlich in der Wissenschaft gebräuchlich sind, sollen sie an dieser Stelle eingehender betrachtet werden.24
[...]
1 Neuberger (1990), S. 3
2 Vgl. Klimecki 1999, S. 3
3 Zimbardo 2004, S. 243
4 Boch 1997, S. 59
5 Vgl. Wiater 2007, S. 138
6 Vgl. Wiater 2007, S. 141ff.
7 Vgl. Prange 2002, S. 29
8 Vgl. Falk 2007, S. 34
9 Vgl. Kaiser 2001, S. 103ff.
10 Vgl. Wahren 1996, S. 18
11 Keller 1993, S. 319
12 Vgl. Falk 2007, S. 34
13 Vgl. Kaiser 2001, S. 121ff.
14 Vgl. Arnold 2005, S. 5
15 Vgl.Wilkesmann, o.Z., S. 3f.
16 Falk 2007, S. 35
17 Vgl. Wyssusek 2004, S. 27
18 http://www.artm-friends.at/am/km/images/wissenstreppe.gif
19 Vgl. North 2002, S. 38
20 Probst et al. 2006, S.22
21 Vgl. DGFP 2002, S. 14
22 Vgl. Falk 2007, S. 21
23 Vgl. Wiater 2007, S. 21
24 Vgl. Prange 2002, S. 26