Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung


Hausarbeit, 2010

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

1.Einleitung

2.Eine Auswahl bildungstheoretischer Vorstellungen

3. Der Stellenwert des Berufs

4. Kerngedanken der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung

5. Anknüpfpunkte der bildungstheoretischen Vorstellungen

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Die Idee der Nachhaltigkeit ist kein neuartiger Gedankengang; bereits in den Anfängen des 18. Jahrhunderts ist der Ursprung dieses Begriffs in der Forstwirtschaft zu finden.[1] im Laufe der Zeit hat sich die regulative Idee der nachhaltigen Entwicklung in immer unterschiedlicheren und abstrakter werdenden Dimensionen durchgesetzt.

Die Allgemeingültigkeit dieser „[…] einstweilen noch abstrakt erscheinenden Idee einer nachhaltigen Entwicklung […]“[2] macht sie gleichermaßen zu einer großen Herausforderung als auch zu einer großen Chance für die Menschheit. Wir tragen die Verantwortung, mit den Ressourcen der Erde nachhaltig umzugehen, die ökologische Tragfähigkeit des Planeten zu beachten und eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in den ärmeren Ländern anzustreben.

Um eine Entwicklung im Interesse künftiger Generationen und globaler Gerechtigkeit in einer „[…] sich dynamisch verändernden Welt ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogen zu gestalten […]“[3] muss global gedacht werden, und möglichst viele Menschen müssen qualifiziert werden, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.[4] Aus diesem Grund ist Bildung ein wesentlicher Teil des Nachhaltigkeitsprozesses, der in der Agenda 21 als eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung beschrieben wird.[5]

Das Bildungskonzept „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ (BNE) wurde daher entwickelt, um Inhalte in die Lehrpläne einzubeziehen, die die Schüler zu einer aktiven Gestaltung der Zukunft befähigen.[6] Die hieraus entstandenen Programme und Konzepte lassen jedoch häufig keine Potenziale für eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung ableiten (z.B. BLK-Programm 21 / Transfer 21). „Der programmatische Diskurs über eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung intensiviert […]“ sich sehr langsam, wobei in der Praxis noch „relativ wenige Ansätze einer nachhaltigen Bildungsarbeit zu finden“ sind.[7]

Auf Grund dieser mangelhaften Einbeziehung der beruflichen Bildung in den Prozess der nachhaltigen Entwicklung sowie der grundlegenden Frage, ob es berufliche Bildung vermag zu bilden oder ob sie nur Inhalte vermittelt, sollen in der folgenden Arbeit diese beiden Aspekte zusammengenommen werden. Es soll die Frage bearbeitet werden, ob berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung bildet.

Zuerst sollen die verschiedenen bildungstheoretischen Vorstellungen dargestellt werden, um eine Idee der unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des Begriffs „Bildung“ und dessen Bedeutung zu erhalten. Im Anschluss werden der Stellenwert des Berufs erörtert sowie die Kerngedanken der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung dargestellt. Abschließend wird erläutert, an welche Bildungsvorstellungen angeknüpft werden kann, wenn die Idee der nachhaltigen Entwicklung in der beruflichen Bildung berücksichtigt werden soll.

2.Eine Auswahl bildungstheoretischer Vorstellungen

Um im Folgenden einige wichtige bildungstheoretische Vorstellungen darstellen zu können, muss zuerst erläutert werden, was der Begriff Bildung überhaupt beinhaltet.

Es handelt sich hierbei um einen sehr komplexen und schwer greifbar zu machenden Leitgedanken. Als regulative Idee betrachtet stellt Bildung ein „bildungs- und kulturpolitisches Leitbild, das institutionalisierte Lernprozesse orientiert“[8], dar.

Obwohl es von verschiedensten Autoren und Experten seit zwei Jahrhunderten versucht wurde, eine Begriffsdefinition aufzustellen, gibt es bis zum heutigen Tage keine allgemeingültige und anerkannte Form.[9] Unterstützt wird die begriffliche Verwirrung zudem von der Tatsache, dass in dem Bereich der Bildung keine Stabilität bezüglich des kulturellen Bezugsgegenstands gegeben ist, so dass ein steter Wandel der eigentlichen Bedeutung beachtet werden muss.[10]

Blankertz schreibt zu diesem Thema, dass bildungstheoretische Modelle der Didaktik immer einen „nicht-positivistischen Ansatz“ benötigen, „[…] weil sie mit dem Bildungsbegriff ihre Wissenschaft an ein Interesse binden, welches über bloße Analyse und wertfreie Tatsachenfeststellung prinzipiell hinausweist.“[11] Um die Verwirrung um den Begriff der Bildung und die differierenden Ansätze der Bildungstheorien etwas zu klären, greift Blankertz auf die von Wolfgang Klafki erstellte Theorie der materiellen und der formellen Bildungstheorien zurück. Diese schaffen es, alle unterschiedlichen Bildungstheorien, zumindest in ihrer Bedeutung für die Didaktik, auf einen Konsens hin auszulegen. Die Aufgabe der materiellen Bildungstheorie ist die Vermittlung von Inhalten und die damit verbundene Wissensansammlung als eine Voraussetzung für ein späteres Handeln; sie zieht somit das Objekt als Bezugspunkt in den Fokus. Die formale Bildungstheorie betrachtet im Gegensatz zu der Materiellen das Subjekt und somit die Entwicklung und Förderung seiner Möglichkeiten, sowie die „Entfaltung seiner individuellen Kräfte“.[12]

Im Folgenden werden einige bildungstheoretische Vorstellungen anhand der Theorien von Peter Bieri, Hartmut von Hentig, Wolfgang Klafki und Herwig Blankertz vorgestellt.

Peter Bieri betrachtet Bildung als einen „zweckfreien Wert“. Den Antrieb, sich zu bilden, muss seiner Meinung nach der Mensch selbst entwickeln. „Bildung ist etwas, das der Mensch mit sich und für sich selbst macht“. Diese Maxime, gepaart mit Neugierde, sieht Bieri als grundlegende Voraussetzung an. Daher ist eine Ausbildung mit dem Bildungsbegriff Bieris nicht vereinbar. Ausgebildet wird der Mensch und strebt diese nicht aus einem inneren Drang an, eine Ausbildung wird vermittelt und unterliegt einem eng gefassten Nutzen. Hierbei handelt es sich um einen konkreten zweckgebundenen Wert.

Bildung ist die Grundlage, um zu begreifen, wie etwas funktioniert und warum es funktioniert; in diesem Sinne fungiert Bildung als Weltorientierung. Der gebildete Mensch ist zudem in der Lage sein eigenes Wissen zu reflektieren. Im Sinne der Aufklärung muss er sein Wissen und seine Gedankengänge regelmäßig hinterfragen, um zu der benötigten gedanklichen Selbstständigkeit zu gelangen.[13]

Das Bewusstsein über die historische Zufälligkeit der eigenen Kultur und die Fähigkeiten zu einer distanzierten Betrachtung der eigenen als auch fremder Lebensweisen ohne eine subjektive Bewertung der jeweiligen, ist laut Bieri ebenfalls ein wichtiger Bildungsaspekt. Die eigene moralische Identität, welche im Laufe der Jahre entwickelt wurde, ist in diesem Zusammenhang unter dem Aspekt ihrer historischen Zufälligkeit zu hinterfragen. Durch die für Bildung essentielle Neugierde fragt sich der gebildete Mensch, wie ein Leben unter anderen Voraussetzung verlaufen wäre und entwickelt somit zugleich eine breite Toleranz sowie ein grundlegendes Verständnis für die Situation Anderer.[14]

Nicht die reine Wissensansammlung bildet den Menschen. Er ist erst dann gebildet, wenn das aufgenommene Wissen ihn verändert und er selbst sich über diesen Prozess im Klaren ist. Die innere Veränderung darf jedoch nicht nur wahrgenommen werden; wichtig ist ebenfalls, dass eben diese handlungswirksam wird.

Der Leser von Literatur bildet sich durch ein wachsendes begriffliches Repertoire, welches ihm eine differenziertere Betrachtung und Erklärung ermöglicht. Er kann sich selbst und Erlebtes nuancierter ausdrücken und schafft sich somit die Möglichkeit, differenzierter zu empfinden. In diesem Zusammenhang wächst auch die Beziehung zu anderen Menschen, sein Einfühlungsvermögen verbessert sich. Bieri ist der Meinung, dass man an eben diesem Einfühlungsvermögen die Bildung eines Menschen messen kann, „je gebildeter jemand ist, desto besser kann er sich ausmalen, wie es wäre, in der Lage Anderer zu sein, und dadurch vermag er ihr Leid zu erkennen.“[15]

Bildung ist nach Bieris Ansicht weder ein Mittel, um Glück zu finden noch orientiert sie sich an bestimmten Nutzen. Sie ist „ ein Wert in sich“, der teilweise Fähigkeiten mit sich bringt, die nützlich sind und Glückserfahrungen ermöglicht, die anderweitig verborgen blieben.[16]

Hartmut von Hentig weist den Leser bereits in dem Vorwort seines Buches „Bildung“ darauf hin, den Begriff „Bildung“ niemals gedankenlos als „das Ergebnis der Pflichtschule“ zu sehen. Man muss sehr viel weiter fassen, um von Hentigs Vorstellung zu erfassen. So bildet nach seinem Empfinden „alles“. Der Mensch als „plastisches“, formbares Wesen wird von allen Einflüssen geprägt, er ist „fast unbegrenzt auf Formung angelegt. Ist diese gewollt, nennt man sie Bildung.“[17] Allerdings kommt es nicht nur auf die Bildsamkeit des Menschen, sondern vor allem darauf an, welche Einflüsse den Menschen tatsächlich bilden, „veredeln“, welche Bildung wirklich gebraucht und gewollt ist. Gesucht ist also nach dem eigentlichen Zweck, den von Hentig in der Vorbereitung des jungen Menschen auf ein Zusammentreffen mit der Welt sieht. Er soll in der Schule und durch Bildung auf sein kommendes Leben bestmöglich vorbereitet werden. Wie diese Vorbereitung auszusehen hat, ist von dem persönlichem Empfinden und der persönlichen Bildungsvorstellung des Betrachters abhängig.[18]

Um der Antwort auf die Frage „Was ist Bildung?“ näher zu kommen, fragt von Hentig sich, wer der gebildete Mensch sei. Durch den Abgleich der erwünschten Eigenschaften mit der ursprünglichen Natürlichkeit sollen Rückschlüsse auf die Art des Wandlungsvorgangs gezogen werden können. Exemplarisch listet von Hentig einige Merkmale eines seiner Ansicht nach gebildeten Menschen auf. So ist dieser weltoffen und neugierig, nicht nur auf sich selbst bedacht und hat zugleich ein in sich selbst ruhendes gesundes Selbstwertgefühl. Er ist einer nuancenreichen Wissenschaftssprache mächtig und kann es sich zugleich leisten, Einfaches einfach auszudrücken. Er ist in hohem Maß genussfähig, das Fremde bereichert ihn und zugleich scheut er sich nicht, etwas zu bewerten. Durch seinen Bildungsgrad ist er sich bewusst, dass Bildung nicht das Wichtigste ist, dass sie es jedoch ist, die die Normalität menschenwürdig macht. Zudem erfreut sich der gebildete Mensch an Seinesgleichen. Die aufgeführten Merkmale stehen exemplarisch für eine weit größere Menge von „Bildungsmerkmalen“, welche auf den lernwilligen Menschen aus einer kultivierten Umwelt übergehen können. Der Lernende ist immer als das „Subjekt des Bildens“ anzusehen, nie als Objekt; „er bildet sich“. Es ist essentiell, dass er selbst den Wunsch nach Bildung hat; sie kann weder durch „systematische Belehrung“ noch durch Druck oder Zwang erworben werden.[19] Von Hentig stellt hier klar, dass eine auferlegte Bildung, welche nicht aus einem inneren Drang entsteht, nicht im eigentlichen Sinne bildet. Er betrachtet Schulbildung oder auch eine berufsspezifische Ausbildung, welche dem Subjekt vermittelt werden, daher ebenso wenig wie Bieri als Bildung im eigentlichen Sinne.[20]

Wolfgang Klafki betrachtet Bildung pragmatischer; Bildung ist immer an einen Nutzen gekoppelt. Es werden nur Fähigkeiten vermittelt, welche es dem Lernenden ermöglichen sollen, selbstständig Lösungen künftiger und gegenwärtiger Probleme zu entwickeln.[21]

Ein zeitgemäßer und zukunftsoffener Bildungsbegriff ist laut Klafki durch neun Bestimmungen charakterisiert, wovon einige im Folgenden erläutert werden.

Zuerst nennt Klafki den Zusammenhang von Bildung und Gesellschaft. So sind Bildungsfragen immer auch Gesellschaftsfragen, wobei die Gesellschaft immer von den Menschen geschaffen wurde und jederzeit durch den Menschen verändert werden kann. Dies bedeutet, dass pädagogische Theorie und Praxis auf Grund ihrer „Verantwortung für gegenwärtige und zukünftige Lebens- und Entwicklungsformen“ Einfluss auf die Gesellschaftsgestaltung nehmen kann und muss.[22]

[...]


[1] Vgl. Michelsen, Gerd (2008): Grundlagen einer nachhaltigen Entwicklung. Lüneburg: Institut für Umweltkommunikation. S.25.

[2] Degenhardt, Bodo (2009): Nachhaltigkeit lernen – Bildung für nachhaltige Entwicklung [http://www.vhs-bw.de/abteilung/politik-gesellschaft-umwelt/nachhaltigkeit-lernen.pdf; 27.07.2010].

[3] Degenhardt, Bodo (2009).

[4] Vgl. Degenhardt, Bodo (2009).

[5] Vgl. Michelsen, Gerd, S. 119.

[6] Vgl. De Haan, G./ Harenberg, D. (1999): Gutachten zum Programm Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Heft 72. Bonn: Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung.

[7] Fischer, A./ Ehrke, M./ Hahn, G./ Mertineit, K.-D. (2009): Vom Elfenbeinturm zum Ladentisch – Nachhaltige Potenziale im Handel. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S.13.

[8] Spreen, Dierk (2004): Bildung als „Regulative Idee“. Zum Verhältnis von Bildung und Nutzen. In: diezeitschrift.de, 2004, Nr. 3, S. 32. [http://www.diezeitschrift.de/32004/spreen04_01.pdf;25.07.2010].

[9] Vgl. Blankertz, Herwig (1975): Theorien und Modelle der Didaktik. 9. Auflage. München: Juventa Verlag. S. 36.

[10] Vgl. de Haan, Gerhard (2002): Die Kernthemen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. In: ZEP. Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik. Heft 1. S. 13.

[11] Blankertz, Herwig (1975). S. 35.

[12] Vgl. Blankertz, Herwig (1975). S. 36ff.

[13] Vgl. Bieri, Peter (2007): Wie wäre es gebildet zu sein? In: Zeit Magazin Leben, Nr. 32. Vom 02.08.2007.

[14] Vgl. Bieri, Peter (2007).

[15] Bieri, Peter (2007).

[16] Vgl. Bieri, Peter (2007).

[17] Von Hentig, Hartmut (1996): Bildung. München, Wien: Carl Hanser Verlag. S. 14.

[18] Vgl. von Hentig, Hartmut (1996). S. 15ff.

[19] Vgl. von Hentig (1996). S. 20f.

[20] Vgl. von Hentig (1996). S. 19.

[21] Vgl. Bolscho, D. / Hauenschild, K. (2007): Bildung für Nachhaltige Entwicklung in der Schule. Frankfurt am Main. S. 54.

[22] Vgl. Klafki, Wolfgang (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim/ Basel. Beltz Verlag. S. 50.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Theorien beruflicher Bildung
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V160070
ISBN (eBook)
9783640736980
ISBN (Buch)
9783640737086
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berufliche, Bildung, Entwicklung
Arbeit zitieren
Sarah Bastemeyer (Autor:in), 2010, Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160070

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