Wir Menschen leben in einer komplexen Welt, von der wir im Alltag nur einen bescheidenen aber für uns wichtigen Teil bewußt wahrnehmen. Viele von uns schauen auch gerne über den Tellerrand hinaus, um zumindest ein Gefühl für das Universum von seinen kleinsten bis größten Strukturen zu bekommen. Das Buch nimmt den Leser und die Leserin mit auf eine Reise durch unsere physische Welt. Im ersten Teil wird anhand von Bildern und Erläuterungen gezeigt, wie sie aufgebaut ist und auf welche Weise wir sie wahrnehmen. Im zweiten Teil stehen wir Menschen mit unserer Sensorik, unseren Gehirnen und der Fähigkeit zur Wahrnehmung und Informationsverarbeitung im Vordergrund. In unseren Gehirnen entstehen Vorstellungen und damit ein Abbild der realen Welt. Der dritte Teil ist ein Blick hinter die Kulissen zumindest des wahrnehmbaren Universums mit seinen Bausteinen, Kräften, Strukturen, Naturkonstanten und Gesetzmäßigkeiten. Zu den wesentlichen Themen gehören Raum und Zeit, die klassisch physikalische, relativistische und quantentheoretische Sicht der Welt, Aspekte der Evolution, die Geschichte des Universums und ein ernüchternder Blick auf die Informationen, die wir dieser Welt entlocken können um uns daraus eine Vorstellung von ihr zu machen.
Volkmar Neitzel
Wie kann man sich die Welt vorstellen?
Ein naturwissenschaftlicher Blick auf und hinter ihre Kulissen
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Vorwort
Als Kind saß ich manchmal bei schönem Wetter neben meinem Vater auf einer Bank vor unserem Haus. Hin und wieder erzählte er mir etwas über die Sonne, den Mond, die Sterne und das Weltall. Ich erfuhr, wie groß und heiß die Sonne ist, wie weit wir von ihr entfernt sind, wie lange das Licht benötigt, um von ihr zu uns zu gelangen und dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Viele weitere Dinge, die er aus seiner Schulzeit kannte oder über die er gelesen hatte, faszinierten mich immer wieder in den Gesprächen und legten den Grundstein für mein großes Interesse an den Naturwissenschaften.
Die physische Welt schien mir als Kind zunächst einfach zu sein, weil sie nach bis dahin bekannten Naturgesetzen funktioniert. Raum und Zeit galten – zumindest im Physikunterricht – als feste Größen und bildeten das Grundgerüst des Kosmos. Über die Größe des Raumes war man sich nicht einig und ist es auch heute nicht. Wenn man eine konkrete Größe annimmt, stellt sich immer die Frage, was dahinter oder außerhalb existiert. Daher gab und gibt es auch die Variante, dass der Raum unendlich groß ist. Aber auch das verbessert die Lage nicht befriedigend, weil wir uns etwas unendliches nicht vorstellen können. Das gleiche gilt für die Zeit. Gab es einen Anfang und gibt es ein Ende? Der bekannte Physiker Albert Einstein nahm in der von ihm entwickelten Relativitätstheorie an, dass die Welt ewig ist und formulierte die Gleichungen zur Beschreibung der Welt entsprechend. Alternative Ideen gehen von einem Anfang, dem Urknall, aus und stehen vor dem Problem zu erklären, was davor war und was den Urknall „ausgelöst“ hat. Zeit meines Lebens sind wir, was diese grundlegenden Fragen angeht, kaum weitergekommen. Dennoch hat das Bestreben, eine brauchbare Vorstellung von dieser Welt zu bekommen, nicht nachgelassen, auch wenn an vielen Stellen Wissenslücken nicht zu vermeiden sind.
In meiner Schulzeit kam ich im Verständnis für die Welt nur langsam weiter. Wie auch heute noch unterschied man in den Naturwissenschaften zwischen Physik, Chemie und Biologie. Das macht durchaus Sinn, weil sich die Grundlagen der Fächer strukturierter erklären lassen. Meist geht es um Fakten, Gesetzmäßigkeiten und bei guter didaktischer Wissensvermittlung um Bezüge zu unserem Alltag und zur Umwelt. Wenn man anschließend mit entsprechendem Hintergrundwissen genauer hinschaut, zeigen sich aber viele Überschneidungen. Sie brachten Fachgebiete wie physikalische Chemie, Biochemie, Biophysik, Molekularbiologie und viele weitere hervor. Ich fand genau diese besonders interessant, weil weniger in Schubladen gedacht wird und dadurch eine integralere, offenere Sichtweise entsteht.
Um die Welt zu verstehen oder zumindest eine brauchbare Vorstellung von ihr zu haben, ist es hilfreich, nicht nur das zu betrachten, was sich um uns herum befindet, sondern auch einen Blick auf das zu werfen, was all die Informationen aufnimmt, verarbeitet, bewertet, verknüpft und in schlüssiger Form abspeichert. Die Rede ist von unserem Gehirn, dem Denkorgan mit evolutionärer und prägender Vorgeschichte. In ihm entstehen Gedanken, werden Vorstellungen entwickelt und Verknüpfungen zwischen bekannter abgespeicherter Information und neu hinzugekommener vorgenommen. Vieles davon ist nur rudimentär bekannt aber es lässt sich erklären, warum es uns beispielsweise schwer fällt, vor allem komplexe Dinge und Zusammenhänge zu verstehen. Auf der anderen Seite können wir kreativ sein und Grenzen, die wir in der Realität vorfinden, in unseren Gedanken überwinden.
In den nachfolgenden Ausführungen möchte ich den Leser und die Leserin auf eine Reise durch unsere Welt mitnehmen und dabei weniger Wert auf mathematische Beschreibungen legen, sondern mit Bildern und Grafiken die Anschaulichkeit in den Vordergrund stellen. Ich bin mir bewusst, dass dadurch die Exaktheit leidet, dafür aber das Gefühl und grundlegendes Verständnis für Dinge und Vorgänge unterstützt wird. Es geht also mehr um qualitative als um quantitative Darstellung aller angesprochenen Themen.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert, die unterschiedliche Aspekte des Vorgangs behandeln, wie eine Vorstellung von der Welt in unseren Köpfen entsteht. Im ersten Teil wird vor allem ein Blick auf die Kulissen dieser Welt geworfen. Unsere Welt ist die reale objektive Wirklichkeit mit all ihren Facetten. Von ihr erhalten wir Informationen, von denen unsere Sinne aber nur einen Teil erfassen können. Dabei handelt es sich größtenteils um elektromagnetische Strahlung und im geringen Umfang um Neutrinos und Gravitationswellen. Von der elektromagnetischen Strahlung können unsere Augen nur einen sehr kleinen Ausschnitt erfassen, aber es mangelt nicht an technischen Möglichkeiten, den nicht sichtbaren Teil in etwas Sichtbares zu überführen. Die Arbeitsweise dieser Technologien wird kurz erklärt und mit Beispielen belegt.
Die oben angesprochene Reise beginnt am sichtbaren Horizont des Kosmos und seine größten materiellen Strukturen. Diese verfeinern sich zunehmend über Galaxienhaufen, Galaxien, Sterne, unser irdisches Umfeld, Strukturen unbelebter und belebter Materie, Moleküle, Atome, Atomkerne und Elementarteilchen. All die Bilder und Begleitinformationen geben zumindest einen Eindruck davon, woraus unser Universum besteht und wie es strukturiert ist.
Unser Körper hat Sensoren, die Druck, Temperatur, Geruch, Geschmack, Schallwellen und elektromagnetische Strahlung in einem für unser Leben wichtigen Bereich erfassen und über Nervenbahnen an unser Gehirn leiten. Dort werden die ankommenden Signale verarbeitet und in Eindrücke, Vorstellungen, Gefühle und vieles mehr umgewandelt. Im Teil 2 wird vor allem die Funktion der Nerven vorgestellt, das menschliche Gehirn betrachtet und auf den Sehvorgang (den Mechanismus des Blicks auf die Kulissen) näher eingegangen, weil er für Bilder und Vorstellungen eine besonders große Rolle spielt. Nicht umsonst spricht man davon, sich etwas vor dem geistigen Auge vorzustellen. Hierzu werfen wir auch einen Blick auf unser Bewusstsein, stellen Vergleiche mit Computern an und streifen auch das Gebiete der künstlichen neuronalen Netze und die künstliche Intelligenz, die in der heutigen Zeit eine zunehmende Rolle spielen.
Im dritten Teil gehen wir noch einmal durch unsere Welt, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Hier schauen wir hinter ihre Kulissen. Den Beginn machen Raum und Zeit, denn sie sind das Spielfeld unseres Universums. Dieses Spielfeld hat Eigenschaften und Randbedingungen, die durch die bisher gefundenen Naturkonstanten und Naturgesetze geprägt sind. Mit ihrer Hilfe gelangt man zur Planck-Welt, die den unteren Rand unseres physikalischen Verständnisses bildet. Von hier aus beginnt ein Streifzug durch die klassische Physik, die Relativitätstheorie, Quantentheorie, String-Theorie und die Theorie der Schleifenquantengravitation. Anschließend kommen Felder, Elementarteilchen, Energie und Materie zur Sprache und es wird eine Möglichkeit gezeigt, wie mit der scheinbaren Unverträglichkeit zwischen Welle und Teilchen in der Quantenphysik umgegangen werden kann.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die materielle Welt und ihr Aufbau. Angefangen von den Elementarteilchen werden wir über Atomkerne und Nuklidkarten, Atome und das Periodensystem der Elemente, chemische Bindungen und den Aufbau von Molekülen sowie von Makromolekülen, Mizellen, Kolloiden und weiteren Strukturen erfahren. Sie begegnen uns täglich und bestimmen unseren Alltag, ohne uns dessen bewusst zu sein.
Zum Schluß fließen all die angesprochenen Fakten, Gesetzmäßigkeiten und Theorien zusammen, um eine Vorstellung von unserem Universum zu erhalten. Seine Geschichte macht den Anfang. Es wird aber schnell deutlich, dass über viele Details nur spekuliert werden kann, denn wir leben hier und heute. Aus dem, wie sich die Welt uns zeigt, ziehen wir Rückschlüsse auf die Vergangenheit, wie ein Kriminalist aus einem Tatort. Es gibt aber Vorstellungen darüber, wie sich unsere Welt entwickelt haben kann und zu dem wurde, was wir vorfinden.
Um den Text leserlicher zu gestalten, werden manche Fakten und Begriffe mehrfach aufgegriffen, zum Teil von einer anderen Perspektive beleuchte, aber auch wiederholt, um unnötiges Blättern zu vermeiden.
Essen, Oktober 2025 Volkmar Neitzel
Inhalt
2 Elektromagnetische Strahlung als Informationsübermittler
3 Hilfsmittel für Beobachtungen in großen Entfernungen
4 Hilfsmittel zur Beobachtung kleiner Objekte
5 Nicht auf elektromagnetischer Strahlung basierende Hilfsmittel
7 Was erfassen unsere Augen pur?
9 Aufbau und Funktion von Nervenzellen
11 Aufbau und Arbeitsweise des Gehirns
12 Bewusstsein, Gedanken und Vorstellungen
14 Vorstellungen und Wissenschaft
15 Raum und Zeit oder Raumzeit. Die Grundlage von allem?
16 Basisgrößen und Naturkonstanten. Die Eckpfeiler der Natur!
17 Die Planck-Welt. An den Grenzen der Physik.
18 Klassische Physik, Naturgesetze und Prinzipien. Es war einmal eine heile Welt.
19 Relativistische Physik. Raum und Zeit oder Raumzeit spielen verrückt.
20 Quantenphysik. Es macht die Welt, wie es ihr gefällt.
21 String-Theorie. Viele Dimensionen und viele Lösungen.
22 Theorie der Schleifenquantengravitation. Raum und Zeit verlieren ihre Eigenständigkeit.
23 Felder und Quanteneigenschaften. Dual und Qual.
24 Energie, Materie und Antimaterie. Zwei Seiten einer Medaille.
25 Das Doppelspalt-Experiment. Harmonie zwischen Welle und Teilchen.
26 Das Vakuum. Nichts oder doch mehr als man denkt?
27 Aufbau der Materie. Strukturen über Strukturen.
28 Unser Universum - das große Ganze.
29 Wie kann man sich denn nun die Welt vorstellen?
Einleitung
Die Welt, in der wir heute leben, scheint immer komplizierter zu werden, je mehr wir von ihr verstehen oder zu verstehen glauben. Neu entdeckte Details überfordern in immer stärkerem Maße unser Vorstellungsvermögen, das sich überwiegend an unserer Alltagswelt orientiert. In diese sind wir hineingeboren und unser Gehirn wurde von Kindheit an damit konfrontiert. Darüber hinaus hat die Evolution der Spezies Mensch die Struktur und Funktion unseres Denkorgans geprägt und es auf Zweckmäßigkeit, Effizienz und vor allem auf das Überleben optimiert.
Die Größenskalen von Raum und Zeit liegen fernab von dem, was wir in unserem Alltag erleben. Dies gilt sowohl für kosmische Maßstäbe als auch für die Welt des Allerkleinsten. In den Sprachen, mit denen wir uns verständigen, müssen neue Wörter für entdeckte Elementarteilchen und deren Eigenschaften erfunden werden, die einerseits eine Brücke zur Alltagswelt schlagen sollen, andererseits dazu führen, dass die erfundenen Begriffe zu wörtlich genommen und dabei falsch interpretiert werden. Beispielsweise entwickelte der amerikanische Physiker Murray Gell-Mann ein Modell zur Beschreibung der Substruktur von Protonen und Neutronen, aus denen Atomkerne aufgebaut sind. Demnach bestehen beide Kernbausteine aus jeweils drei Teilchen, die er Quarks nannte. Warum Quarks? Wie es der Zufall wollte, begeisterte den Physiker ein Gedicht in dem eine Zeile lautete „Three quarks for Muster Mark“. Das englische Wort Quark bedeutet soviel wie Krächzen von Vögeln und hat somit keinen Bezug zu den Teilchen in seinem Modell, aber es waren wie bei den Protonen und Neutronen drei Quarks! Diese Quarks haben sogenannte Quanten-Eigenschaften, die wir in unserer makroskopischen Welt nicht unmittelbar kennen. Eine Quanten-Eigenschaft der Quarks nannte man Farbladung, andere Flavour (engl. für Geschmacksrichtung), aber die Quarks sind völlig farb- und geschmacklos. Bereits hier beginnt oft das Dilemma einer brauchbaren Vorstellung oder eines fehlenden Vokabulars.
Der Mensch hat sich und sein Umfeld auf der Erde lange Zeit als Mittelpunkt dieser Welt angesehen. Sonne, Mond und Sterne wanderten aus seiner Sicht über den Himmel, denn Bewegungen der Erde spürte er nicht. Über die Größe des Weltalls war ihm nichts bekannt, ebenso wenig über die Bestandteile der Materie, aus der alles besteht. Die Zeit schritt aus seiner Sicht kontinuierlich in eine Richtung voran und war eine verlässliche Größe im Alltagsgeschehen. Auf der Suche nach Nahrung und zum Schutz vor Gefahren war es stets notwendig, Abläufe in der Natur zu beobachten, zu lernen, zu bewerten und somit Brauchbares von Unwichtigem zu trennen. Das Wissen auf der einen Seite und nicht willentlich beeinflussbare körperliche Anpassungen sicherten das Überleben. In der Evolutionstheorie nennt man das „survival of the fittest“, also nur der best Angepasste überlebt.
Unser Gehirn ist darauf getrimmt, genau dieses Überleben zu sichern. Gekrümmte und höherdimensionale Räume, sich bei höheren Geschwindigkeiten verkürzende Abstände und langsamer laufende Zeit gehören dagegen nicht zum Repertoire. Vieles lässt sich auch nicht in Worte fassen und bedarf einer anderen, sehr mächtigen Sprache, die der Mathematik. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt in der theoretischen Physik, vermag Naturgesetze in Formeln zu fassen, mit ihnen zu rechnen, Modelle zu entwickeln, und unter anderem auch Vorgänge in Räumen mit mehr als drei Dimensionen zu betrachten. Ein Problem ist allerdings, die Ergebnisse zu interpretieren und anschließend zu veranschaulichen.
Alle auf der Erde entstandenen Lebensformen – so auch der Mensch – sind ein Produkt der biologischen Evolution. Bisher wissen wir nur, dass es Leben auf der Erde gibt. Es ist aber möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, an anderen Orten in unserem Universum ähnliche oder zumindest ähnlich funktionierende Lebensformen zu finden. Die Grundbausteine der unbelebten und belebten Natur entstanden in großen Sternen, die in ihrem Inneren aus dem Element Wasserstoff – dieses ist mit rund 75 % das häufigste und einfachste in unserem Universum vorkommende – alle anderen Elemente stufenweise „erbrüteten“. Man könnte meinen, dass große Sterne länger leben als kleine, da sie viel mehr Masse und somit mehr „Brennstoffvorrat“ haben. Ihre Sternleben läuft aber wesentlich heftiger bei erheblich höheren Temperaturen ab und am Ende, wenn der Energievorrat im Inneren des Sterns verbraucht ist, gibt es eine gewaltige Supernovaexplosion, in der alle entstandenen Elemente in der Umgebung des Standortes verteilt werden. Dies geschah und geschieht überall im Universum und sollte Leben – in welche Form auch immer – auf anderen Himmelskörpern ermöglichen, die entsprechende Randbedingungen aufweisen.
Unsere Sonne und unser Sonnensystem entstanden aus den Überresten mindestens einer solchen Supernovaexplosion. Die Erde hat mit ihren rund 150 Millionen Kilometern eine so günstige Entfernung zur Sonne, dass Wasser in festem, flüssigem und gasförmigem Zustand auftritt und die Temperaturen in einem Bereich liegen, in dem Biomoleküle entstehen und existieren können. Im Laufe vieler Millionen Jahre entstanden aus unbelebter Materie zunächst einfache und aus ihnen immer komplexere Lebensformen. Dieser Umstand ist bemerkenswert, da Leben im energetischen Sinn einen instabilen Zustand darstellt, der aber zumindest für eine gewisse Zeit und unter entsprechenden Randbedingungen aufrecht erhalten werden kann. Leben setzt voraus, dass laufend eine ausreichende Menge an Energie und Baustoffen für die Organismen zur Verfügung steht. Pflanzen benötigen Sonnenstrahlung, Kohlendioxid, Wasser und Mineralien, Tiere hingegen Sauerstoff, Wasser, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, Vitamine und ebenfalls Mineralien für ihren Stoff- und Energiehaushalt. Stirbt ein Lebewesen, zerfallen seine energiereichen Bestandteile wieder in energieärmere und folgen einem Prinzip der Natur, einen Zustand möglichst geringer Energie anzunehmen. Wie wir noch sehen werden, ist das aber nur die halbe Wahrheit.
Wir Menschen betrachten uns gerne als die Krone der Schöpfung. Dabei geht es aber weniger um unsere körperlichen Fähigkeiten, denn entsprechend angepasste Lebensformen sind uns in vielerlei Hinsicht überlegen. Ob es sich um Schwimmen, Tauchen, Laufen, Fliegen, Klettern usw. handelt, viele Tiere können es besser. Als unsere Vorfahren von den Bäumen stiegen und den aufrechten Gang erlernten, haben sie es aber verstanden, sich daraus ergebende Vorteile zu nutzen. Besonders wertvoll war der Umstand, die Hände frei zu haben und sie kreativ einzusetzen. Hände sind Werkzeuge und – mit entsprechender Überlegung – in der Lage aus Materialien weitere Werkzeuge herzustellen. In der Umgebung befindliche Gegenstände aus Stein, Holz, Fasern usw. konnten aufgenommen, transportiert, direkt genutzt oder bearbeitet werden. Mit ihrer Hilfe entstanden Überlebensvorteile.
Jungtiere erlernen durch Beobachtung von ihren Eltern alle wichtigen Verhaltensweisen. Ebenso haben auch unsere Vorfahren ihre Erfahrungen an deren Nachkommen weitergegeben und die geistige Evolution vorangetrieben. Die Entwicklung der Sprache erleichterte die Weitergabe von Informationen immens. Dinge, Vorgänge und Eigenschaften erhielten Bezeichnungen, so dass die Kommunikation präziser wurde. Bilder, Buchstaben, Zahlen und Zeichen erweiterten den Umfang dessen, was mitzuteilen war und vor allem für die Nachfahren aufgezeichnet und gespeichert werden konnte.
Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen sollen der Mensch und sein Gehirn stehen, denn unser Gehirn ist das Organ, das es uns ermöglicht, Informationen aufzunehmen, zu speichern, mit vorhandenem Wissen abzugleichen und zu bewerten. Wir sind in der Lage auf Basis unserer Erfahrungen im Fluss befindliche Vorgänge gedanklich weiter zu verfolgen und abzuschätzen, was in näherer oder ferner Zukunft passiert oder passieren könnte. Einfache mathematische Aufgaben können wir im Kopf lösen und zu exakten Ergebnissen kommen. Bei komplexeren Sachverhalten wird dies schwieriger und es ist hilfreich, hierzu verlässliche Gesetzmäßigkeiten herzuleiten und diese am besten durch mehrere unterschiedliche und unabhängige Ansätze abzusichern.
Verständnis für etwas und Vorstellungen von etwas vor dem geistigen Auge basieren vornehmlich auf Bildern und Analogien. Deshalb wird nachfolgend versucht durch viele Abbildungen ein möglichst großes Maß an Anschaulichkeit zu erreichen, wohlwissend, dass dadurch Abstriche in der Exaktheit auftreten können. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wird bewusst auf Formeln und vor allem deren Herleitung verzichtet.
Teil 1
Wie sieht unsere Welt aus? Vom Größten zum Kleinsten.
1 Vorbemerkungen
Die Welt, in der wir leben, ist von unglaublicher Vielfalt und Komplexität. Selbst im täglichen Leben, im sozialen Miteinander, im Beruf, in der Familie, in Fragen der Umwelt und Technologien stoßen wir oft an die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens. Das menschliche Gehirn hat zwar einen langen evolutionären Weg hinter sich, ist aber vornehmlich darauf getrimmt im irdischen Umfeld zu überleben. Gleiches gilt auch für die fünf Sinne, über die wir verfügen. Sie versorgen das Gehirn mit den nötigen Informationen über unser Umgebung. Es war nie wichtig, sich gekrümmte Räume vorzustellen, Mikrowellen oder Röntgenstrahlung zu sehen und vor allem mit Entfernungen umzugehen, wie sie im Weltall auftreten oder Winzigkeiten zu begreifen, die im atomaren Bereich vorliegen. Es fällt uns leicht linear zu denken. Wir können uns gut vorstellen, wenn sich Entfernungen verdoppeln oder Zeiten verzehnfachen. Selbst mit Beträgen, denen eine Millionen oder eine Milliarden vorangestellt ist, werden wir häufig im Alltag konfrontiert. Es fällt aber schwer, nichtlineare Zusammenhänge abzuschätzen oder ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ein Vorgang abläuft, wenn mehrere Größen gleichzeitig Einfluss nehmen und das zum Teil gegensätzlich und voneinander abhängig. Hier stoßen wir schnell an unsere Grenzen. Aber so ist die Welt und wir Menschen streben unermüdlich danach, sie zu verstehen.
In den Naturwissenschaften treten oft sehr kleine oder sehr große Werte auf bzw. sie erstrecken sich über eine große Bandbreite. In einem solchen Fall werden gerne Zehnerpotenzen verwendet, um viele Vorkommastellen oder anhängende Nullen zu vermeiden. Eine Milliarde kann als 1.000.000.000 oder als (1 mal) 109 geschrieben werden. Die Neun im Exponenten gibt in diesem Beispiel die Zahl der Nullen an, die der Eins folgen. Ein Millionstel kann als 0,000.001 oder (1 mal) 10-6 geschrieben werden. In diesem Fall zeigt das Minuszeichen im Exponenten an, dass die Zahl kleiner als eins ist, sechs Nullen vor der Eins stehen und ein Komma hinter der führenden Null. Eine ungeübte Person, die etwas von Atomkernen liest, deren Größe bei 10-15 m liegt und von Atomen, die sich im Bereich von 10-10 m tummeln, konzentriert sich auf die Zahlen 15 und 10 im Exponenten, die relativ nahe beieinander liegen. Dabei entsteht zumindest das Gefühl, beides ist zwar klein aber nicht sehr unterschiedlich. Zwischen ihnen liegt aber der Faktor von 100.000. Wenn der Atomkern eine Apfelsine von 10 cm Durchmesser wäre, hätte das Atom eine Größe von 10 km! Nachfolgend werden uns solche Zehnerpotenzen immer wieder mal begegnen.
Noch einmal zurück zu unserem Gehirn und den Sinnen, über die wir verfügen. Die Sinne sind gewissermaßen die Schnittstellen zwischen der Außenwelt und dem Organ, das alle eintreffenden Informationen verarbeitet. Die Haut enthält Nervenzellen, die auf Temperaturen reagieren und relativ zur Körpertemperatur zwischen kalt und warm unterscheiden. Andere sensorische Zellen reagieren auf Druck und ermöglichen es, zwischen einem sanften Luftzug, einer Berührung oder einem spitzen Dorn zu unterscheiden. Damit die Haut Signale an das Gehirn leitet, muss sie berührt werden oder im Fall der Wärmestrahlung muss diese die Hautzellen aufheizen und damit die Wärmerezeptoren aktivieren. Auch der Geschmacks- und Geruchssinn treten erst in Aktion, wenn Substanzen auf die Schleimhaut der Zunge bzw. der Nase treffen. Schallquellen können – je nach Lautstärke – auch weiter von uns entfernt sein, da der Schall rhythmisch bewegte Luft ist und das Trommelfell im Ohr in Schwingungen versetzt. Neben der Tonhöhe und Schallintensität erhält das Gehirn auch Informationen über die Richtung, aus der der Schall kommt.
Daran gemessen ist unser Gesichtssinn die vielleicht wichtigste Informationsquelle für das Gehirn und ermöglicht die Wahrnehmung vom Horizont bis zur Nähe. Die Augen können sich an unterschiedliche Helligkeiten anpassen – man nennt das Adaptation – und auch Gegenständen in unterschiedlicher Entfernung scharf abbilden. Diese Fähigkeit wird als Akkommodation bezeichnet. Dadurch, dass beide Augen bei Erwachsenen etwa 10 cm weit auseinander stehen, schauen sie mit etwas unterschiedlichen Winkeln auf Gegenstände, die wir betrachten. Unser Gehirn vermag dadurch Entfernungen und Geschwindigkeiten besser abzuschätzen.
Wenn – wie im Teil 1 des Buches vorgesehen – der Frage nachgegangen werden soll, wie unsere Welt aussieht, betrifft das alles für uns Menschen Sichtbare oder in Sichtbares Umwandelbare. Und das, was wir sehen, ist Licht. Darum soll es im nachfolgenden Kapitel gehen. Neben dem, was in Form von Bildern gezeigt wird, werden auch faktische Informationen gegeben, wobei hier im Teil 1 mehr das „Was“ und weniger das „Wie“ oder „Warum“ im Vordergrund steht.
2 Elektromagnetische Strahlung als Informationsübermittler
Bezüglich der Helligkeiten, Entfernungen, Objektgrößen und Lichtenergien gibt es für unsere Augen evolutionsbedingt obere und untere Grenzen, so dass wir auf Hilfsmittel angewiesen sind, wenn wir weit hinaus in den Kosmos schauen oder unterhalb des Auflösungsvermögens unserer Augen Mikroorganismen, Moleküle und Atome betrachten wollen. Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges ergibt sich durch die Struktur der Netzhaut, auf die das Licht gelangt. Sie befindet sich auf der hinteren und seitlichen Innenseite des Augapfels und enthält Zellen – sogenannte Photorezeptoren – die durch Licht angeregt werden können und dann auf biochemischem Weg Signale erzeugen. Zwei benachbarte Punkte oder Linien werden als getrennt wahrgenommen, wenn die von ihnen ausgehenden Lichtstrahlen zwei verschiedene Rezeptoren erregen, zwischen denen mindestens ein weiterer Rezeptor liegt, der nicht aktiviert wird. Auf der Netzhaut beträgt dieser Abstand etwa 0,005 mm (5 μm oder 5.000 nm), was einem Sehwinkel von einer Bogenminute entspricht. Bekanntlich umfasst ein Kreis 360 Grad und ein Grad davon 60 Bogenminuten. Eine Bogenminute ist ein relativ kleiner Winkel. Daher müssen sowohl in der Ferne als auch in der Nähe befindliche Gegenstände jeweils Größen haben, die bei einer Betrachtung den Sehwinkel von einer Bogenminute nicht unterschreiten.
Damit die
Rezeptoren in der Netzhaut unserer Augen aktiviert werden können, benötigen sie
Licht. Dieses ist nur ein kleiner Teil des Spektrums elektromagnetischer
Strahlung, besitzt aber genau die Energie, um in unseren Augen biochemische
Vorgänge und eine entsprechende Signalverarbeitung in Gang zu setzen.
Elektromagnetische Strahlung besitzt sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter,
wobei sich je nach betrachtetem Vorgang mal die eine mal die andere Sicht als
brauchbarer erweist. Im Teil 3 wird hierauf näher eingegangen. An dieser Stelle
begnügen wir uns mit der Definition, dass es sich um mit Lichtgeschwindigkeit
bewegende, gekoppelte elektrische und magnetische Felder handelt, die senkrecht
aufeinander stehen und sinusförmig schwingen. Bild 2.1 soll hierzu einen
Eindruck vermitteln. Die Lichtgeschwindigkeit c beträgt rund 300.000 km/s und
ist die größte bekannte Geschwindigkeit, mit der Informationen übertragen
werden können. 
Bild 2.1: Darstellung einer elektromagnetischen Welle, die sich mit Lichtgeschwindigkeit c ausbreitet. Die elektrische Feldstärke E ändert sich in y-Richtung (rote Welle), die magnetische Feldstärke B in z-Richtung (blaue Welle). Die Strecke von Wellenberg zu Wellenberg bezeichnet man als Wellenlänge und kürzt sie meist mit dem griechischen Buchstaben λ (Lambda) ab.
Die elektromagnetischen Felder transportieren Energie in Form kleiner Pakete, die als Lichtquanten oder Photonen bezeichnet werden. Zu kleineren Wellenlängen hin vergrößert sich die Energiemenge der einzelnen Photonen. Hat die elektromagnetische Strahlung nur eine konkrete Wellenlänge, wird sie als monochromatisch bezeichnet, weil sie nur einen bestimmten Farbton hat und keine Mischfarbe. Im Sonnenlicht oder im Licht von Glühlampen finden sich Photonen sehr unterschiedlicher Energien und es ist damit polychromatisch. Mit Hilfe von Prismen lässt sich polychromatisches Licht in seine Farben zerlegen und es entsteht dessen Spektrum. Der Grund dafür ist, dass kurzwelliges blaues Licht stärker gebrochen wird als das langwelligere rote. In der Natur tritt diese Erscheinung auf, wenn es regnet und durch eine Wolkenlücke die Sonne scheint. Das Sonnenlicht wird sowohl beim Eintritt in die Regentropfen als auch beim Wiederaustritt gebrochen und zwar umso stärker, je kurzwelliger das Licht ist. Daher erscheint der Regenbogen in seiner Innenseite violett, an seiner oberen Außenseite dagegen rot.
In Bild 2.2 ist die Bandbreite der elektromagnetischen Strahlung dargestellt. Die Wellenlänge λ reicht in der Darstellung von Millionen Metern (Mm) bis hinunter zu Femtometern (fm). Das sind 22 Größenordnungen (Zehnerpotenzen). Hier ist ein Beispiel für die im Kapitel 1 angesprochene Bandbreite, die Werte aufweisen können und unser Vorstellungsvermögen herausfordern. Wird die Wellenlänge durch die Lichtgeschwindigkeit dividiert, erhält man die Frequenz der Strahlung in Hertz (Hz). 1 Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde, die dann rund 300.000 km lang ist.
Bild
2.2 Spektrum der elektromagnetischen Strahlung. Der schmale für das menschliche
Auge sichtbare Bereich ist oberhalb auseinandergezogen dargestellt.
Es gibt verschieden Prozesse, bei denen elektromagnetische Strahlung emittiert wird. Genau diese Strahlung vermag den jeweiligen Prozess, aus dem sie stammt, auch wieder rückgängig zu machen und wird dabei absorbiert. Allen Prozessen ist gemeinsam, dass elektrische Ladungen beschleunigt bewegt werden müssen. Der Wechselstrom in unseren Haushalten hat eine Frequenz von 50 Hz. Die in den Stromleitungen befindlichen Elektronen werden, wenn Strom fließt, in jeder Sekunde fünfzigmal hin und her bewegt. Für jede Bewegung müssen sie beschleunigt, abgebremst, rückbeschleunigt und wieder abgebremst werden. Das dazugehörige elektromagnetische Feld entlang der Leiterbahnen weist dabei eine Wellenlänge von 6.000 km auf. Wir befinden uns damit ganz rechts in Bild 2.2.
Rundfunk- und Fernsehgeräte erhalten die übermittelten Sprach- und Bildsequenzen mittels elektromagnetischer Strahlung mit Wellenlängen von Kilometern bis Dezimetern. Dabei dient sie nur als „Informationsübermittler“. Das, was wir im Radio hören oder im Fernseher sehen, wird der elektromagnetischen Strahlung aufmoduliert und im Empfänger wieder von ihr getrennt, um es hör- bzw. sichtbar zu machen.
Mikrowellen weisen Wellenlängen im Zentimeterbereich auf. Wir nutzen sie beispielsweise zum Aufwärmen von Speisen. Die im Haushalt eingesetzten Geräte erzeugen eine Strahlung, die Wassermoleküle in Rotation versetzen können und dabei aufheizen. Wassermoleküle sind so gebaut, dass sie einen mehr positiv und einen mehr negativ geladenen Bereich aufweisen und dadurch einen Dipol bilden. Wenn sie sich drehen, bewegen sich anteilige Ladungen im Kreis, was bezogen auf den Drehpunkt einer Beschleunigung entspricht. Die Mikrowelle stellt für die Drehung die nötige Energie zur Verfügung, die Wassermoleküle geben sie als Reibungswärme wieder ab und heizen die Speise dabei auf. Da unsere Körper zu mehr als der Hälfte aus Wasser bestehen, sind diese Strahlen für uns gefährlich und werden in Mikrowellengeräten entsprechend abgeschirmt.
Zu den Mikrowellen zählt auch die in Radargeräten verwendete elektromagnetische Strahlung, die sich im Millimeterbereich bewegt. RADAR steht für RAdio Direction And Ranging, was soviel bedeutet wie Funk gestützte Richtungs- und Entfernungsmessung. Mit Hilfe von Antennen werden Mikrowellen gerichtet abgestrahlt und die von Objekten reflektierte Strahlung wieder aufgefangen. Diese Technologie ist in unserem Alltag fest etabliert. Zu nennen sind da Wetterradar, Flugsicherung, Luftabwehr, Schiffsverkehr, Geschwindigkeitskontrollen und vieles mehr.
Infrarotstrahlung spüren wir als Wärme über die Haut. Sie reicht hinunter bis zu einer Wellenlänge von einem Mikrometer. Genutzt wird sie in Öfen, Herden, Elektrogrills aber auch in der Medizin, z. B. in Wärmelampen. Diese Strahlungsart ist in der Lage, in Molekülen befindliche Atome oder Atomgruppen zu Schwingungen anzuregen. Die eingestrahlte Energie wird in Form von Wärme wieder abgegeben. Bei entsprechender Intensität kann sie Gewebe zerstören und ist dann auch gefährlich.
Unterhalb von etwa 0,8 Mikrometern nehmen unsere Augen ihren Dienst auf und versorgen uns mit optischen Informationen, die im roten Bereich beginnen und im violetten bei rund 0,4 Mikrometern enden. Hierbei handelt es sich um einen für uns Menschen erschließbaren riesigen Informationsbereich. Farben, Strukturen, Bewegungen, Größen, Entfernungen und vieles mehr können wird erfassen und unsere Gehirne vermögen all das zu verarbeiten.
Zu noch kleineren Wellenlängen hin schließt sich die Ultraviolettstrahlung an, deren Energie ausreicht, chemische Bindungen zu lösen oder Elektronen in Atomen oder Molekülen anzuregen. Dadurch können Moleküle in Bruchstücke zerfallen und mit anderen Molekülen reagieren. Wir spüren die Strahlung nicht direkt, sie verursacht aber Sonnenbrand und ggf. Hautkrebs.
Röntgenstrahlen haben so kurze Wellenlängen, dass sie unser weiches Körpergewebe durchdringen können, weshalb sie in der diagnostischen Medizin Anwendung finden. Die Strahlendosis muß dabei aber sehr klein gehalten werden, da die Energie der Strahlung ausreicht, um Elektronen aus Atomen herauszuschlagen und sie damit ionisieren kann. Die gewebezerstörende Wirkung wird in bestimmten Fällen in der Krebsbehandlung genutzt. Noch kurzwelliger ist Gammastrahlung mit Wellenlängen unter einem Pikometer. Sie tritt bei Prozessen in Atomkernen (Spaltung, Fusion, Radioaktivität) auf. Somit lässt die Frequenz oder Wellenlänge einer Strahlung Rückschlüsse auf Prozesse zu, die zu ihrer Emission führten.
Oben wurde bereits angesprochen, dass wenn elektromagnetische Strahlung durch einen Prozess emittiert wurde, diese durch einen umgekehrten Prozess wieder absorbiert werden kann. Wenn beispielsweise in einem Natriumatom ein Elektron von einem angeregten Zustand in einen niederenergetischen springt, wird ein Photon mit einer dafür charakteristischen Wellenlänge emittiert. Trifft dieses monochromatische Licht auf ein Natriumatom im Grundzustand, kann es dieses wieder anregen und wird dabei absorbiert. In Bild 2.3 ist das Emissionsspektrum einer Quecksilberdampflampe dargestellt, das mehrere Emissionslinien enthält. Es ist nicht monochromatisch aber auch nicht kontinuierlich. An genau diesem Spektrum, das an einen Barcode erinnert, kann das Element Quecksilber aber identifiziert werden, weil es sich von allen anderen Elementen unterscheidet.

Bild 2.3: Emissionsspektrum einer Quecksilberdampflampe (unten) mit Intensitätsverlauf (oben).
Bild 2.4 zeigt ein Absorptionsspektrum von kontinuierlichem Licht. An den Stellen (Wellenlängen), an denen schwarze Linien auftreten, wurde das entsprechende Licht absorbiert und fehlt im Spektrum. Im oberen Spektrum des Bildes ruhen Sender und Empfänger relativ zueinander. Durch einen Vergleich des Spektrums mit bekannten Spektren von Elementen, die in Laborversuchen gemessen wurden, können die Elemente im unbekannten Spektrum anhand der Linien identifiziert werden. Im unteren Spektrum entfernen sich Sender und Empfänger voneinander. Die Absorptionslinien haben das gleiche Muster wie oben, erscheinen aber rotverschoben. Die Lichtwellen werden während ihrer Ausbreitung durch die sich stetig vergrößernde Entfernung zwischen Sender und Empfänger auseinandergezogen, also langwelliger. Je größer die Rotverschiebung ist, desto schneller entfernen sich Sender und Empfänger voneinander. Auf diese Weise lassen sich Geschwindigkeiten messen, was in der Astronomie von großer Bedeutung ist.

Bild 2.4: Absorptionsspektrum im ruhenden System (oben) und bei sich vergrößernder Distanz zwischen Sender und Empfänger (unten).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die flächenmäßige Verteilung der elektromagnetischen Strahlung ein Bild in unserem Auge, in einem Fotoapparat oder einem Detektor erzeugt und damit Strukturen erkennen lässt. Die Wellenlängen – sie entsprechen Energien – lassen Aussagen über Vorgänge, die zu einer Emission oder Absorption führten, zu und die Verschiebung von Linien im Spektrum gibt Auskunft über die relative Bewegung zwischen Sender und Empfänger. Weitere Erkenntnisse lassen sich noch aus zeitlichen Veränderungen der Strahlung und ihren Intensitäten gewinnen.
Neben der elektromagnetischen Strahlung gibt es weitere Informationsüberträger, die uns bis auf den Schall aber ohne technische Hilfsmittel nicht zugänglich sind. Nachfolgend werden in bewußt kurzer Form die wesentlichen Instrumente und Informationsträger angesprochen, um zumindest einen Eindruck von deren Fülle zu bekommen. Hinter jedem Instrumententyp verbirgt sich ein riesiges Wissensgebiet aus der Physik, Chemie, Biologie, Ingenieurtechnik, Computertechnik, Mathematik und aus Grenzwissenschaften, die jeweils für sich Bücher füllen. Im Internet gibt es hierzu ebenfalls viele Informationen, Instrumentenlisten und animierte Veranschaulichungen.
- Citar trabajo
- Dr. Volkmar Neitzel (Autor), 2025, Wie kann man sich die Welt vorstellen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1604800