Gründen für die Benachteiligung von Migranten beim Übergang Schule – Ausbildung – Beruf

Er war wie sie – und doch anders? Oder: Praxisfeld "Jugendberufshilfe"


Ausarbeitung, 2010

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Vorwort – Fachlicher Kontext

2. Was ist (heute) ein Migrant?

3. Bildungsbenachteiligung jugendlicher Migranten

4. Fallbeispiele

5. Fazit: Punktecharta

6. Literaturverzeichnis

1. Vorwort – Fachlicher Kontext

„Grundlage der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. (...) Soziale Arbeit wendet sich den Barrieren, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die es in der Gesellschaft gibt, zu. Sie reagiert genauso auf Krisen und Notlagen wie auf alltäglich auftretende persönliche und soziale Probleme“

(vgl. Engelke 2003, S. 299 f.). Nach diesem Selbstverständnis, welches sich die „International Federation of Social Workers“ als Übereinkunft von Montreal im Jahre 2000 gab, setzt sich die Soziale Arbeit also für Chancengleichheit und gegen Ausgrenzungsverhältnisse ein. Dies entspricht auch dem Gesetzesauftrag des „Forderns und Förderns“[1]: Sie soll sich trotz und mit ihrem doppelten Mandat von Kontrolle und Unterstützung im Sinne ihrer Adressaten einsetzen. Damit gibt sie sich auch ganz explizit die Aufgabe, gegen die (soziale und andere) Benachteiligung von Migranten vorzugehen und wo sie sie erspäht, auf dieselbe aufmerksam zu machen.

2. Was ist (heute) ein Migrant?

Bevor man sich eingehend mit der Materie (noch dazu einer solch heiklen) beschäftigt, scheint es angebracht, zunächst den Gegenstand der Überlegungen zu erläutern, um eine einheitliche Basis zu schaffen und mögliche Missverständnisse auszuräumen. Gestolpert bin ich über dieses Wort zum ersten Mal bewußt, als ich während meines Tuns im „GH“[2] unter den naturgemäß viele Jugendlichen, die ich dort kennenlernte, auch einige Migranten traf. Dabei kam ich auf den Gedanken, daß sich das Wort „Migrant“ mittlerweile recht leicht sagen läßt und (ohnehin) politisch korrekt ist. Ich konnte mich allerdings erinnern, daß vor Aufkommen dieses Wortes sinngleich auch die Begriffe Gastarbeiter, Asylanten, Ausländer, Immigranten benutzt wurden, und oft umgangssprachlich oder in anderen als sozialen Kontexten nochimmer Verwendung finden. Schon daraus schloß sich für mich die Frage an: Wird dieser Begriff eigentlich überall deckungsgleich verwandt? Und: Gilt diese Bezeichnung heute im Alltag überhaupt noch so, wie sie dem Ursprung her glauben machen will (migrare [lat. Inf. aktiv]: wandern; (fort-) ziehen)?

Fortgesetzt habe ich den Prozeß meiner Überlegungen mit der Definition von Wikipedia. Üblicherweise sollte ja hiervon nicht zitiert werden, da es sich dabei nicht unbedingt um hochwissenschaftliche Aussagen und gesicherte Erkenntnisse handelt. In diesem speziellen Fall ging es mir aber gerade darum, zu erfahren, was das Volk mit diesem Begriff verbindet: „Als M. werden jene Menschen bezeichnet, die von einem Wohnsitz/Land zu anderen Wohnsitzen/Ländern wandern bzw. durchziehen“ (vgl. Wikipedia, 2010). Noch ähnlich abstrakt verhält es sich mit der Angabe, nach der etwa die Bundeszentrale für politische Bildung definiert: Soziologische Bezeichnung für „Individuen, (religiöse, ethnische etc.) Gruppen, Minderheiten und Volksteile“, die räumlich mobil sind (vgl. Politiklexikon von bpb.de, 2010). Auf eine wesentlich speziellere Erklärung dagegen stieß ich beim ESF[3], welcher auch in unmittelbarem Bezug zu seinem Auftrag schreibt: „Der Teilnehmer ist/dessen Eltern/Großeltern sind nach Deutschland zugewandert oder ausländischer Herkunft“ (ESF, 2010). Zusammenfassend läßt sich also bis hierhin sagen, Migranten sind (im Land ihres Aufenthalts, hier: Deutschland) Fremde, sie sind fremder Nationalität, Angehörige anderer (hier auch häufig unterentwickelterer) Kulturen und Wertesysteme.

Im Kontexte meines Schaffens habe ich mich anschließend gefragt: Sind die heutigen Migranten, die jetzt vor dem Start in den Beruf stehen, überhaupt noch Migranten in dem Sinne, wie er der Literatur nach definiert wird? Ist diese Generation nicht schon „mehr Deutsch“ als Angehörige ihrer ursprünglichen nationalen Herkunft (unabhängig davon, daß viele nach ihrem Paß bereits hiesige Staatsbürger sind; s.a.u.)? Wie viele Generationen müssen erst in Deutschland gelebt haben und aufgewachsen sein, bevor sie nichtmehr als Migranten gelten? Schließlich haben sie ihr Leben überwiegend hier gelebt, sind hier geboren, i.d.R. zur Schule gegangen und eben aufgewachsen. Auch wenn im Familienverbund und den sozialen Kontakten möglicherweise die Beziehungen zu Menschen mit dem selben Hintergrund besonders wichtig waren und sind, so hat sie das Leben in Deutschland doch so geprägt, daß sie in den Ländern, die den ihnen vorausgegangenen Generationen noch Heimat war, mittlerweile dermaßen entfremdet sind, daß sie in den dortigen sozialen Kreisen häufig bereits als „die Deutschen“ tituliert werden. Für diese Generation(en) ist die Heimat der Vorfahren meist nicht mehr mit ihrer eigenen kongruent: Sind sie dort, verspüren sie meist das eigenartige Gefühl, im Gegensatz zu ihren (Ur-/Groß-)Eltern dort nicht „zu Hause“ zu sein: Deutschland ist, manchmal ohne daß sie es so recht bemerkt haben, zu ihrer eigenen Heimat geworden. Erst dort merken sie meist auch, welche Annehmlichkeiten und Vorteile eines hochmodernen und wieder weltweit geachteten Staates wie Deutschland sie durch den täglichen, zur Normalität gewordenen Gebrauch als all-täglich (sic!) und gegeben hinnehmen. Keiner darunter, für den Deutschland nicht zumindest zur Hälfte (neben der ursprünglichen) Heimat bedeutet (im Regelfall mehr, wie ich aus persönlicher Erfahrung und Gesprächen weiß).

Abgesehen davon, daß diese und die aus ihr entspringenden/entsprungenen Generationen in einer überalternden Gesellschaft notwendigerweise auch einen nicht unwesentlichen Teil der Zukunft Deutschlands darstellen (vgl. hierzu auch Süssmuth, Rita (2006): Migration und Integration [s. 6. b)]), stellt sich daher trotzdem die berechtigte Frage: Sind diese Migranten nochimmer sozial benachteiligt, wie es so oft dargestellt wird? Oder haben sie durch ihre Verschmelzung und ihr Leben hier, meist von Geburt an, dieses Manko nicht endlich abgelegt, zumindest teilweise? Es versteht sich von selbst, daß, wer partout nicht will, auch hier auf dem Stand und in den sozialen Zwängen/Verknüpfungen seiner Ahnen alt werden kann, ohne auch nur ansatzweise der Sprache der Menschen fähig zu sein, in deren Land er/sie lebt. Dies betrifft jedoch tatsächlich nur noch wenige (sehr) alte Menschen, die damals in der Nation ihrer eigentlichen Volkszugehörigkeit groß geworden sind. Es liegt in der Natur der Dinge, daß sich ein junger Mensch (sofern er nicht zu gegensätzlichem gezwungen wird) nach sozialen Kontakten zu Ähnlichaltrigen und Gleichgesinnten sehnt. In diesem Fall nimmt er daher unweigerlich auch Kontakt zu der Mentalität der Menschen und des Landes auf, in dem er lebt. Sie sind demnach in Deutschland geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen, hatten also von Anfang an im Grunde genommen dieselben Chancen wie ihre Deutschen Mitschüler. Warum jedoch ist der Anteil der schulschlechten Migranten dann heute immernoch so hoch?

Leider werde ich im Folgenden nur wenige dieser Fragen ausführen oder gar beantworten können. Dennoch zeigen bereits die ersten beiden Seiten, wie umfang- und facettenreich dieses Thema zu behandeln wäre. Nach den bislang eher allgemeineren Überlegungen über den Begriff an sich, möchte ich mich nun beschränken und näher auf den Punkt eingehen, der auch den nächsten Bezug zum Praxisfeld herstellt. Zur Einführung wird jedoch die rechtliche Lage vor Augen geführt, die den Status als Deutschen (oder eben nicht) bestimmt. Eine Unkenntnis derselben ließe eine Diskussion über Migranten (und ihren hiesigen Status) aufgrund unklarer Abgrenzung obsolet werden.

3. Bildungsbenachteiligung jugendlicher Migranten

Gemäß dem Grundgesetz ist Deutschland das Land der Deutschen. Es nimmt also direkten Bezug auf das Deutsche Volk. Im Unterschied etwa zu Frankreich beruht in diesem Land das Recht der Staatsbürgerschaft[4] auf dem der Abstammung: Nur, wessen entweder unverheiratete Mutter oder (bei ehelichen Lebensgemeinschaften) Vater kraft Gesetzt Deutsche/r ist, kann auch selbst Deutsche/r Staatsangehörige/r sein. In Frankreich dagegen gilt das sog. Territorialrecht, nach dem jeder Franzose ist (oder zumindest[5] werden kann), der auf französischem Hoheitsgebiet geboren wird, gleich wessen Nationalität die direkten Vorfahren angehören[6].

Eine Öffnung der bisher verfolgten Praxis in Deutschland wurde erst zum Ende der 90er Jahre hin vorgenommen: Nach dieser haben jetzt auch alle Kinder von Ausländern grundsätzlich das Recht, Deutsche Staatsbürger zu werden, wenn nachgewiesen werden kann, daß deren beide Elternteile erlaubtermaßen seit mindestens acht Jahren in Ausübung eines geregelten Arbeitsverhältnisses in der BRD leben. Generell ist es auch möglich, sich als Angehöriger eines Drittstaats in Deutschland einbürgern zu lassen; da dieser Prozeß jedoch mit hohen Auflagen verbunden ist, wird er nur äußerst selten praktiziert. Auch eine „Doppelte Staatsbürgerschaft“ ist zwar möglich, aber nur mit solchen Staaten, in denen das Territorialrecht gilt.

[...]


[1] Grundlage hierfür ist § 1 (3) SGB VIII.

[2] Gelbes Haus Offenbach. Das „GH“ ist eine Einrichtung der Initiative für Arbeit im Bistum Mainz e.V. S.a. http://www.initiativearbeit.com.

[3] Europäischer Sozialfonds

[4] „Staatsbürgerschaftsrecht“

[5] in Fällen der sog. „Doppelten Staatsbürgerschaft“

[6] Hierin ist auch der Grund zu sehen, warum viele Angehörige von Drittländern versuchen, in französischen Überseegebieten ihre Kinder zu gebären. Zudem erwerben die Nachkommen damit das Recht, EU-Bürger zu sein.

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Details

Titel
Gründen für die Benachteiligung von Migranten beim Übergang Schule – Ausbildung – Beruf
Untertitel
Er war wie sie – und doch anders? Oder: Praxisfeld "Jugendberufshilfe"
Hochschule
Katholische Fachhochschule Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
19
Katalognummer
V160722
ISBN (eBook)
9783640768387
ISBN (Buch)
9783640768790
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Oder, Praxisfeld, Jugendberufshilfe, Eine, Suche, Gründen, Benachteiligung, Migranten, Schule, Ausbildung, Beruf
Arbeit zitieren
Tobias Herr (Autor:in), 2010, Gründen für die Benachteiligung von Migranten beim Übergang Schule – Ausbildung – Beruf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160722

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