11. September 2001 - Ein empirisch-analytischer Beitrag über politische Kommunikation


Thesis (M.A.), 2003

178 Pages, Grade: 1.3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Theoretische Grundlagen
1. Die elementaren Zusammenhänge von Massenmedien, Öffentlichkeit und Wirklichkeit
1.1 Ein kurzer Abriss der Entwicklung von Kommunikationsmedien
1.2 Erlebte Welt – Eine konstruktivistische Darstellung zur Entstehung von Wirklichkeiten
1.2.1 Einführung zu einer konstruktivistischen Perspektive
1.2.2 Das Beobachten als Grundlage von Wirklichkeitskonstruktion
1.2.3 Das Entstehen wirklichkeitsrelevanter Bedingungen durch kognitive und kulturelle Prozesse
1.2.4 Die Alltagswelt: Allerweltswissen und die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit
1.3 Massenmedien: Bedingungen und Eigenarten der Wirklichkeitskonstruktion
1.3.1 Einführendes zur Wirklichkeit von Massenmedien
1.3.2 Die besonderen Merkmale der Massenmedien
1.3.3 Der wirklichkeitskonstituierende Einfluss von Massenmedien
1.3.4 Die Selektion von Nachrichten
1.3.5 Massenmedien und Wahrheit
1.4 Öffentlichkeit: Annäherung an einen Begriff
1.4.1 Aspekte von Öffentlichkeit
1.4.2 Eingrenzung des Öffentlichkeitsbegriffs
1.4.2.1 Die Funktion von Öffentlichkeit in Gesellschaften
1.4.3 Öffentlichkeit in massenmedialer Kommunikation
1.4.3.1 Öffentlichkeit und Themen
1.4.3.2 Aufmerksamkeit
1.4.4 Aspekte der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung
1.4.4.1 Die öffentliche Meinung
1.4.4.2 Die veröffentlichte Meinung 46 Luhmann′ s Verständnis von öffentlicher Meinung
2. Die Konstruktion politischer Wirklichkeiten: Die Bedeutung rhetorischer Sprachstrategien in politischen Diskursen von Massendemokratien
2.1 Einführung in das Kapitel
2.2 Zur politischen Kommunikation in Massendemokratien
2.3 Der Diskurs als wirklichkeitskonstituierendes Phänomen einer massenmedialen Gesellschaft
2.4 Die Matrix der fünf Adressen beim Deuten von Ereignissen
2.5 Die Logik der öffentlichen Aufmerksamkeit: Rahmenbedingungen rhetorischer Sprachstrategien
2.6 Die rhetorischen Strategien politischer Kommunikation
2.6.1 Zur Einführung
2.6.2 Die semantischen Komponenten von Deutungsmustern
2.6.2.1 Konnotationen
2.6.2.2 Deontik: Positive und negative Zuschreibungen von Begriffen
2.6.2.3 Die Hochwertbegriffe
2.6.3 Moralisierung als rhetorische Strategie in politischen Diskursen
2.6.3.1 Die narrative Darstellungsform politischer Diskurse
2.6.3.2 Topoi: Argumentationsfiguren politischer Kommunikation
2.6.3.3 Personalisierung
2.6.3.4 Ent- und Gegenmoralisierung
2.6.4 Komplementärkategorien der Moralisierung
2.6.4.1 Komplementärkategorie I: Sachzwang
2.6.4.2 Komplementärkategorie II: Interesse
2.6.5 Die Bedeutung von Angstkommunikation
2.6.5.1 Die Funktion von Feindbildern und vom Gut–Böse–Schema

III. Empirischer Teil
1. Vorbemerkungen zur Diskursanalyse
1.1 Die Betrachtung des Untersuchungsgegenstands
1.2 Untersuchungsgegenstand und Materialauswahl
1.2.1 Politische Kommunikation in der Tageszeitung
1.2.2 Der analytische Umgang mit den Artikeln der Frankfurter Rundschau
1.3 Allgemeines zur Diskursanalyse
2. Eine diskursanalytische Beobachtung der Deutungsmuster im thematischen Zusammenhang mit dem ′Krieg gegen den Terror′ in der Frankfurter Rundschau
2.1 Übersicht über den Aufbau der Diskursanalyse
2.2 Das diskursive Ereignis des 11. September: Ein Szenario der Betroffenheit und Bedrohung
2.2.1 Vom Ereignis zur massenmedialen Realität
2.2.2 Überraschungsangriff: Der Mythos von der Unverwundbarkeit
2.2.3 Die übergreifende Beschreibung und Bewertung des Terrorismus
2.2.4 Die Symbolisierung von World Trade Center und Pentagon
2.2.5 Vom Motiv zur Bestimmung des Feindes
2.2.6 Das Untergangsszenario: Die Bedrohung unserer Grundwerte
2.2.7 Die Solidarität der Guten im Kampf gegen das Böse
2.3 Die Opferrhetorik
2.4 Die diskursive Bedeutung der dargestellten Ermittlungen und Beweise
2.4.1 Das Betroffenheits- und Bedrohungsszenario als Grundlage für die Narration der Ermittlungen
2.4.2 Die ′Fakten und Tatsachen′ des 11. September
2.4.3 Von der Vermutung zur Gewissheit: Die Verbindung zu bin Laden
2.5 Kriegsrhetorik: Strategien der Moralisierung im Vorfeld des Afghanistankriegs
2.5.1 Vom ′Kampf Gut gegen Böse′
2.5.2 Die Konstruktion der zentralen Feindbilder
2.5.2.1 Allgemeines zur Rolle der Feindbilder
2.5.2.2 Osama bin Laden
2.5.2.3 Al Qaeda
2.5.2.4 Die Taliban
2.5.2.5 Das übergreifende Feindbild vom internationalen Terrorismus
2.5.2.6 Folgen der Feindbildkonstruktion
2.5.4 Über den Topos der Verteidigung von Freiheit, Demokratie und Zivilisation
2.5.5 Solidarität gegenüber den USA: Die moralische Pflicht zur uneingeschränkten Unterstützung
2.6 Ein Fazit über die öffentliche Legitimation des Afghanistankriegs: Die Deutungszusammenhänge politischer Argumentationslogiken

IV. Schlussbemerkung

V. Anhang
Anhang I
Anhang II
Anhang III

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit stellt einen Beitrag zur politischen Kommunikation dar, welche ihren Fokus auf das Problemfeld der massenmedialen Konstruktion politischer Wirklichkeiten richtet. Politische Kommunikation, das sagt bereits der ′Begriff′, befasst sich mit der kommunikativen Vermittlung politischer Sachverhalte. In Demokratien unserer Zeit gelingt dies über den ′Gebrauch′ von Massenmedien. Politiker stehen der Aufgabe gegenüber, ihr politisches Handeln und Denken in der Öffentlichkeit von Massendemokratien[1] zu dokumentieren. Die Art und Weise, wie dieser Prozess vollzogen wird, ist geprägt von der ′Beschaffenheit′ der Massenmedien, welche in ihren ′sprachlichen Ausformungen′ im gleichen Zuge die öffentliche Wahrnehmung der politischen Wirklichkeiten bestimmt. Für die Kommunikationswissenschaft eröffnet sich durch die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ein Forschungsgegenstand, der einen Einblick in die Zusammenhänge von ′Politik′, ′Massenmedien′ und ′Wirklichkeit′ gewährt und daran anschließend ein Verständnis der politisch-kommunikativen Prozesse vermitteln kann. Der besondere Wert, politische Kommunikation aus dem Blickwinkel der ′Konstruktion von Wirklichkeit′ theoretisch zu beschreiben und empirisch zu untersuchen, liegt in der konstitutiven Bedeutung dieser Prozesse für die kulturelle Ausprägung von Gesellschaften begründet. Kommunikative, kognitive und kulturelle Prozesse, die in ihrer Reziprozität die Bedingungen der Wirklichkeitswahrnehmung hervorbringen und prägen, bilden dabei den Ausgangspunkt und die Grundlage für die Beantwortung der allgemeinen Frage, ′wie Wirklichkeit um uns herum entsteht′.

In der Vergangenheit näherte sich die Kommunikationsforschung den thematischen Zusammenhängen der politischen Kommunikation vornehmlich aus einer Sichtweise, welche sich an den Ansätzen der Medienwirkungsforschung orientierte. Die bekannte Lasswellformel „Who says what to whom in which channel with what effect“[2] verdeutlicht in unverkennbarer Weise die in den Vordergrund gestellten Interessen. Der Gegenstand dieser Untersuchungen war stets, die Wirkzusammenhänge zu elaborieren. Der Formelteil ′Wer sagt Was zu Wem auf Welchem Kanal′ spiegelt sich innerhalb der Medienwirkungsforschung in verschiedenen Ansätzen wider, wobei mal die Rezipienten, mal die ′schreibende Zunft′ der Journalisten oder aber die unterschiedlichen Massenmedien selbst Ausgangspunkt des Forschungsinteresses waren.[3] Die übereinstimmende zentrale Fragestellung blieb aber immer darauf ausgerichtet, ′wie Massenmedien die Wirklichkeit verzerren′.

Diese Herangehensweise halten wir in Bezug auf die politische Kommunikation für nicht ausreichend, da wir die Auffassung vertreten, dass sich die Prozesse massenmedialer Wirklichkeitskonstruktion nur unzureichend durch die ′Suche nach Kausalbezügen′ (z.B. Stimulus-Response-Modell u.a.)[4] erklären lassen. Vielmehr wenden wir uns der Beschreibung wirklichkeitskonstituierender Kommunikationsprozesse in Massendemokratien aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive zu, die N. LUHMANN treffend mit den folgenden Fragen umreißt: „Wie konstruieren Massenmedien Realität? Oder komplizierter [...]: Wie können wir [...] die Realität ihrer Realitätskonstruktion beschreiben? Sie lautet nicht: Wie verzerren Massenmedien die Realität durch die Art und Weise ihrer Darstellung?“[5] Diese Fragen bilden den allgemeinen Rahmen der vorliegenden Arbeit.

Nach einem kurzen einleitenden Abriss über die Entwicklung von Kommunikationsmedien, werden wir uns aus der Perspektive des Konstruktivismus dem Themenkomplex der ′Wirklichkeit′ nähern. Ausgangspunkt dieses Abschnitts ist der Begriff der ′Beobachtung′, welcher in Hinsicht auf den konstruktivistischen Ansatz von bestimmender Bedeutung für die Beschreibung von Wirklichkeit ist. U. MATURANA folgert in diesem Zusammenhang: „[...], weil Leben und Beobachten gleichbedeutend sind “.[6] Diese Feststellung besagt, dass es notwendig ist, die spezifischen Prozesse, welche in Verbindung mit dem Beobachten in Erscheinung treten, immer auch in Beziehung zu den gesellschaftlichen und kognitiven Prozessen zu sehen sind. Welche Konsequenzen das für die Wirklichkeitswahrnehmung hat, beschreiben P. BERGER und TH. LUCKMANN in ihren Ausführungen über die „Wirklichkeit der Alltagswelt“[7]. Sie sind Gegenstand eines eigenen Kapitels und schließen den allgemeinen Teil über die Konstruktion von Wirklichkeit ab.

Das bis dahin Besprochene bereitet den ′theoretischen Boden′ für die anschließende Auseinandersetzung mit der massenmedialen Konstruktion von Wirklichkeit. Der Fokus wird nun auf das Anliegen ausgerichtet, die Besonderheiten in Bezug auf ′Massenmedien′ und ′Wirklichkeit′ zu erarbeiten und herauszustellen. Mit Blick auf die Zusammenhänge der Konstruktion von politischen Wirklichkeiten, ist es zwingend, genau zu betrachten, wie die „Realität der Massenmedien“[8] entsteht. Des Weiteren erfordert eine Arbeit über politische Kommunikation ein ′Sich-Befassen′ mit den Begriffen ′Öffentlichkeit′ und ′öffentliche Meinung′. Sie stellen zentrale Begriffe dar und werden entsprechend thematisiert.

In den folgenden Kapiteln richten wir dann unser Augenmerk auf die Konstruktion politischer Wirklichkeiten in Massendemokratien. Bevor wir im Weiteren auf Grundlage der evozierten Ausführungen über ′Wirklichkeit′, ′Massenmedien′ und ′Öffentlichkeit′ auf die spezifischen ′politischen Sprachgebilde′, welche in massenmedial vermittelter Kommunikation beobachtbar sind, eingehen können, bleibt die Frage zu beantworten, ′welche allgemeine Aufgabe politische Kommunikation in Massendemokratien übernimmt′.

Der zweite Abschnitt des theoretischen Teils berührt somit das konkrete Ziel dieser Arbeit, welches in der Ausarbeitung der wirklichkeitskonstituierenden ′Leistung′ angewandter rhetorischer Strategien[9] im ′politischen Diskurs′[10] zu verorten ist. Die zentral zu bearbeitenden Fragestellungen lauten schließlich:

Wie kommen rhetorische Strategien innerhalb der massenmedialen Politikvermittlung zur Geltung und auf welche Art prägen sie die Konstruktion politischer Wirklichkeiten?

Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt, neben der theoretischen Auseinandersetzung mit den generellen und speziellen Bedingungen politischer Rhetorik innerhalb der massenmedialen Kommunikation, in Form einer empirischen Analyse. Aus der theoretischen Betrachtung der rhetorischen Strategien bilden sich ′Beschreibungskriterien′ für politisch geführte Diskurse in Massenmedien heraus, die es ermöglichen, ′Wertigkeiten′ und dahinterstehende ′Deutungsmuster′ in massenmedialen Beiträgen zu benennen. Zweck der Analyse ist es, am Beispiel eines konkreten politischen Sachverhalts aufzuzeigen, wie rhetorische Strategien auf den politischen Diskurs Einfluss nehmen. Ausgangspunkt ist zum einen das politische Ereignis des ′11. September′ selbst und zum anderen das Phänomen der ′Zustimmungsbereitschaft der deutschen Öffentlichkeit′ zu einer kriegerischen Intervention gegen Afghanistan.

II. Theoretische Grundlagen

1.Die elementaren Zusammenhänge von Massenmedien, Öffentlichkeit und Wirklichkeit

1.1. Ein kurzer Abriss zur Entwicklung von Kommunikationsmedien

a) Anfänge der Kommunikationsmedien

Bevor wir näher auf die für politische Kommunikation basalen Zusammenhänge von ′Massenmedien′, ′Wirklichkeit′ und ′Öffentlichkeit′ eingehen, werden wir diesen voran, eine kurze Beschreibung der Entwicklung von Kommunikationsmedien vornehmen. Wir wollen damit verdeutlichen, welche bedingenden Voraussetzungen wir bezüglich der Kommunikation grundsätzlich zu berücksichtigen haben.

Betrachten wir die heutigen Möglichkeiten, sich mit anderen Menschen kommunikativ auseinander zu setzen, so ist festzustellen, dass wir auf verschiedene Arten von Kommunikationsmedien zurückgreifen können. Uns erscheinen diese Kommunikationsmedien und der Umgang mit ihnen als selbstverständlich, doch wissen wir auch, dass die meisten im Vergleich zur Geschichte der Menschheit erst kurze Zeit vorhanden sind. Wir reflektieren in unserer alltäglichen Anwendung nur selten die Voraussetzungen, welche uns die einzelnen Kommunikationsmedien durch ihre jeweilige „Materialität“[11] zur Verfügung stellen[12]

Werfen wir einen Blick auf die Menschheitsgeschichte, so tritt die Phylogenese als Bedingung für die kommunikative und soziale Entwicklung der Menschen in den Vordergrund.[13] Während dieser Entwicklung findet auch der entscheidende Schritt in Richtung Ausbildung und Nutzung von Zeichen und Symbolen statt:[14] Die Menschen machen sich die einst von der Natur „vorprogrammierten Gebärden und Lautgebärden“[15] zu eigen. Ein bedeutender Schritt, da sie fort an in die Lage versetzt sind, diese nach eigenem Willen, in Situationen außerhalb ihres ursprünglichen ′Zwecks′ zu verwenden. In Bezug auf die Benutzung der Zeichen bleibt von Beginn dieser Entwicklung an eines immer im Mittelpunkt: Sie „ist nur in einer gemeinsamen Anstrengung möglich, im Aufeinander-Eingehen und Miteinander-Handeln“. Die daraus abzuleitenden „Normen und Regeln“ haben die verschiedenen „Kulturgemeinschaften“ hervorgebracht, die K. BOECKMANN als eine vom „Menschen erschaffene Lebensform“ bezeichnet.[16]

Bis heute stellt die eben geschilderte Beobachtung, bezüglich Zeichen und Symbole, die ′zentrale Erkenntnis′ dar, dass nur über eine gemeinsame Bezugnahme kommunikative Verständigung erreicht werden kann. Das an sich scheint obsolet, doch die Folgen dieses ′Sichaufeinanderbeziehens′ sind in den Ausprägungen eines gemeinschaftlich entstandenen Sinns (d.h. Kultur und Gesellschaft) zu finden. Die Loslösung von der „genetischen Gebärde“ hin zu einer symbolisch verwendeten Gebärde bewirkt aber nicht nur einfach die Möglichkeit, diese unabhängig vom „genetischen Programm“[17] zu benutzen, was wie soeben verdeutlicht, die Grundvoraussetzung aller menschlichen Kultur bedeutet. Sie ermöglicht auch, sich mit Kommunikationspartnern inhaltlich über ′räumlich′ und ′zeitlich Abwesendes′ auseinander zu setzen. Der Mensch erreicht mit der Nutzung von Zeichen und Symbolen eine stete Erweiterung seiner kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, welche eng mit der Wahrnehmung und den alltäglichen Handlungsweisen verknüpft sind.[18] Die unmittelbare Verbindung zwischen Kommunikation und der gemeinsamen Handhabbarmachung der Umwelt, zum Zwecke der Handlungsfähigkeit durch selektive symbolische Prozesse, ist der entscheidende Faktor im Verstehen einer Entwicklung von Kommunikationsmedien. Betrachten wir die Ausdifferenzierung der Medien unter der Prämisse, dass damit immer auch eine Verbesserung der eigenen Handlungsmöglichkeiten innerhalb der direkten Umwelt verbunden ist, so deutet sich der Zusammenhang zur Wirklichkeitskonstruktion hier erstmals an.

In der weiteren Entwicklung der Kommunikationsmedien, die K. BOECKMANN fort an als „Objektivierung“[19] beschreibt, wenden wir uns der Benutzung von Gegenständen aus der Umwelt als Zeichenträger zu. Dies hat die Notwendigkeit aufgehoben, zur Kommunikation, immer und überall, d.h. ′zeitlich′ wie ′räumlich′, anwesend zu sein.[20] Die Relevanz dieser Entwicklung ist nur zu begreifen, wenn wir uns vor Augen halten, dass dieser Schritt, als ′Urbeginn′ der ′Loslösung des Körpers′ von der Kommunikation zu sehen ist.[21]: Von diesem Punkt der Geschichte aus, lassen sich zwei Entwicklungsprozesse bezüglich der Kommunikationsmedien feststellen: Zum einen die Entwicklung der gesprochenen Sprache bzw. der Körpersprache und zum anderen eine zweite stetige Entwicklung weg vom Körper als Ausgangspunkt von Kommunikation hin zum zeichenhaften Gebrauch „objekthafter“ Gegenstände der Umwelt. Entscheidend bei dem Prozess der fortschreitenden Objektivierung ist, dass mit diesem Schritt der Verfügbarkeit von „abbildhafter“ Kommunikation die Möglichkeit entstand, Dinge unabhängig eines nicht immer verlässlichen Gedächtnisses und vor allem eines sterblichen Gedächtnisträgers zu speichern.[22] Eine Entwicklung, die zusätzlich zur mündlichen Überlieferung, eine Gemeinschaft in kultureller Sicht hin absicherte. Das „kollektive Wissen“[23], konnte erstmals losgelöst vom Individuum, wenn auch vorerst eher fragmental, an nachfolgende Generationen weitervermittelt werden. Sprache, die auf der Ebene der Erweiterung durch Benennungen von Objekten der Umwelt und Bedeutungen von Zeichen/Symbolen ihre Objektivation und ihren Fortschritt fand, ist sicherlich zentrales ′Werkzeug′ für die Bildung sozialer Wirklichkeiten. Dennoch sind parallel dazu, die Entwicklungen der technischen Mittel auf Seiten der „objekthaften Bedeutungsträger“[24], angefangen von der Abstrahierung ikonischer Malerei, über erste Schriftzeichen, hin zur heutigen Schrift, in Bezug auf die kulturelle Ausdifferenzierung, von konstituierender Bedeutung.

Fassen wir das eben Gesagte zusammen, ergibt sich, dass der Prozess der Objektivierung ein ständiges Ineinandergreifen der Bedingungen und Möglichkeiten von Kommunikationsmedien und Kommunikationspraxis beinhaltet. N. LUHMANN drückt dies systemtheoretisch mit dem Begriff der „Irritation“[25] aus. Er verweist damit auf den ′emergenten Charakter′ der Ausdifferenzierung von Kommunikationsmedien und Kommunikationsprozessen, den er exemplarisch anhand der „Verbreitungstechnologie“ darlegt:

[...] Sie konstituiert selber nur ein Medium, das Formenbildungen ermöglicht, die dann, anders als das Medium selbst, die kommunikativen Operationen bilden, die die Ausdifferenzierung und die operative Schließung des Systems ermöglichen.[26]

b) Massenmediale Kommunikationsmedien

Der Beginn der Geschichte von Massenmedien wird meistens mit der Erfindung des Buchdrucks lokalisiert. Dabei wird erstmals im Verlauf der Objektivierung eine möglichst hohe Distribution seiner Materialität (dem Gedruckten) zur Priorität. Der Buchdruck gilt seither im Allgemeinen auch als erster ′Höhepunkt′ der massenmedialen Entwicklungsgeschichte. K. BOECKMANN beschreibt dies damit, dass erstmals „die materiellen Bedingungen des geistigen Prozesses auf die Kommunikationsverhältnisse und damit auch die Qualität der Kommunikation einwirken und sie verändern können.“[27]

Der wesentliche kommunikative Wert entsteht dabei durch das schnelle und vielfache Reproduzieren von Informationen, die dann weitflächig verbreitet werden können. Die weitere Entwicklungsgeschichte der Massenmedien ist im Folgenden in erster Linie durch immer wieder neue technische Erkenntnisse und Errungenschaften geprägt. Diese haben sich rückblickend auf die Ausbildung ganzer ′kulturell - ökonomischer Teilbereiche′ ausgewirkt: Das Entstehen von Druckereien (Produktion), Verlagswesen (Distribution) und Buchhandlungen (Vertrieb) ist, betrachtet mit den vom Buchdruck zusammenhängenden gesellschaftlichen, kognitiven und kommunikativen Prozessen, als ein für westliche Kulturen außerordentlich prägnanter Aspekt zu begreifen. In allen Bereichen gibt es in Reziprozität mit den eben genannten Prozessen immer wieder Entwicklungen und Fortschritte; z.B. haben noch leistungsstärkere Druckerpressen[28] eine höhere Quantität und Qualität des Gedruckten[29] bewirkt, was wiederum die kommunikativen, aber auch gesellschaftlichen und kognitiven Möglichkeiten beeinflusst hat.[30]

Ist die Kommunikation bis dahin auf ′überschaubare Gemeinschaften′ ausgerichtet, so erreichen wir mit der Verbreitung von identischen Informationen durch den Buchdruck eine ′Erweiterung des kommunikativen Raums′.

Daraus haben sich die oben erwähnten gesellschaftlichen Funktionsteilbereiche (Druckereien, Verlage etc.) entwickelt, womit die Entstehung einer „Mediengesellschaft“ ihren Anfang nimmt:

Im Lichte dieser Überlegungen läßt sich Mediengeschichte in der Tat sinnvoll als Geschichte der Gesellschaft auf dem Wege zu einer Mediengesellschaft schreiben, wobei die ökonomischen, politischen und kulturellen Veränderungen96 durch die Etablierung neuer Medien stets in direkter Wechselwirkung mit den dadurch ausgelösten kognitiven und kommunikativen Veränderungsprozessen gesehen werden müssen.[31]

Die nun stattfindende Entwicklung unterscheidet sich von der bis dahin gemachten darin, dass weniger der Prozess der Erfindung neuer Zeichen und Symbole im Vordergrund steht (wie bspw. bei der Ausdifferenzierung von Sprache), als vielmehr die Möglichkeiten, vorhandene Kommunikationsmedien (Schrift, Sprache, Bilder etc.) mit technischen Entwicklungen (Buchdruck, Zeitung, Fernsehen, Radio etc.)[32] zu verquicken und weitflächig an eine möglichst große ′Rezipientenschaft′ zu vermitteln.

In unseren modernen Kommunikationsmedien entdecken wir nun eine ′maximale Überwindung′ von ′Zeit und Raum′. Diese beiden zentralen Dimensionen sind bereits mit Beginn der Objektivierung versucht worden zu überwinden. Sie haben uns in ihrer Entwicklung zu der Möglichkeit geführt, zeitgleich in großen räumlichen Abständen miteinander zu kommunizieren. Anhand des ′11.September′ wird deutlich, welche Konsequenzen das für Menschen heutiger Gesellschaften hat.

1.2 Erlebte Welt – Eine konstruktivistische Darstellung zur Entstehung von Wirklichkeiten

1.2.1 Einführung zur konstruktivistischen Perspektive

Um uns der Fragestellung, ′wie die massenmediale Darstellung eines politischen Ereignisse Eingang in unsere Wirklichkeit erhält′, zu nähern, ist es notwendig zu elaborieren, wie wir grundsätzlich zu Erkenntnissen über unsere Welt gelangen. Dazu wird als erstes zu klären sein, wie sich aus konstruktivistischer Sicht die Entstehung von Wirklichkeit erfassen lässt. Der Begriff der ′Wirklichkeit′ ist dabei nicht zu trennen von den Begriffen ′Erkenntnis′ und ′Wissen′, die uns auch im Zusammenhang mit den relevanten Phänomenen der ′politischen Deutungsmuster′[33] ein grundlegendes Verständnis geben. Erkenntnisse sind bedingt durch die Voraussetzungen der Wahrnehmung und des kognitiven Systems (z.B. Gedächtnis, Bewusstsein, Gedanken). Im Unterschied zu anderen Theorien gehen wir aus konstruktivistischen Sichtweise nicht von einer Erkenntnis der ′Dinge an sich′, sondern von der Beobachtung der erlebten Wirklichkeit aus. Auf diese Weise gelangen wir zu Erkenntnissen über die wahrgenommene Umwelt. Der Nutzen dieser Erkenntnis bezieht sich auf die Beantwortung der Frage, ′wie sich „erfolgreiches Handeln“ in der Wirklichkeit etablieren und manifestieren kann′:

Der »Bedarf« wird dabei durch den Zusammenhang des Handelns bestimmt, in dem wir uns gerade befinden; und dieser jeweilige Zusammenhang erfordert nie, daß wir die »Umwelt« so sehen, wie sie »in Wirklichkeit« ist [...] , sondern verlangt nur, daß das, was wir wahrnehmen, uns zu erfolgreichem Handeln befähigt.[34]

Der Konstruktivismus distanziert sich damit von der traditionellen philosophischen Erkenntnistheorie, indem er darauf verweist, dass es erkenntnistheoretisch wertlos ist, einen Gegenstand als Ausgangspunkt für eine Epistemologie zu bestimmen, der offensichtlich außerhalb menschlicher Erkenntnismöglichkeit liegt[35]. E. VON GLASERSFELD verdeutlicht in seinen Schriften die Unmöglichkeit der Erkenntnis über die ′Welt an sich′, womit er gleichzeitig die ′Unbrauchbarkeit′ dieses ′theoretischen Instruments′ herausstellt.[36] Erkenntnistheoretikern ist es genauso wenig möglich wie jedem anderen, die Welt außerhalb ihres ′Wahrnehmungsapparats′ zu erkennen::

Wir können nur von »der Wirklichkeit-des-Beobachters« reden, und das heißt genauer: von » den Wirklichkeiten-der-Beobachter«. Darüber, wie »die Wirklichkeit an sich« (oder »die Realität«) ist, können wir uns kein Urteil anmaßen – reden kann darüber, wer will.[37]

Die konstruktivistischen Ansätze verzichten auf die Berücksichtigung einer ′objektiven Realität′, die nicht erfahrbar ist, ohne diese in irgendeiner Weise abstreiten zu wollen. Vielmehr ist die Realität aus dem o.g. Grund für eine epistemologische Zugangsweise unbrauchbar.

1.2.2 Das Beobachten als Grundlage von Wirklichkeitskonstruktion

Der zentrale Bestandteil einer konstruktivistischen Sichtweise liegt in der Operation des ′Beobachtens′. Wir schließen uns der Ansicht an, dass jegliche ′Erkenntnis′, damit auch jede Art der ′Wirklichkeit′, auf Grund einer Beobachtung zustande kommt. Sie stellt eine „Operation eines existierenden Systems“ innerhalb einer Umwelt dar, die immer in Bezug auf die „natürlichen wie soziokulturellen Bedingtheiten“ gesehen werden muss. Ohne Umwelt können beobachtende Systeme nichts erkennen.[38] Beobachten bezeichnet dabei eine „Form von Handeln“, d.h. ein „Unterscheiden und Benennen – Können“ von Wahrgenommenem.[39] Dies beinhaltet, dass die uns zu erschließende kontingente Umwelt ausschließlich durch den Selektionsprozess der Sinne erfahrbar wird, d.h. mittels Beobachten in komplexitätsreduzierender Weise Wirklichkeit generiert. Aus dieser Perspektive kann keine ′objektive Realität′, im Sinne der ′Dinge an sich′, für uns erkennbar sein, da der Prozess des ′Erkennens′ immer einen Beobachter voraussetzt, der unterscheidet und benennt. S.J. SCHMIDT vervollständigt dies, indem er sagt:

Menschen als beobachtende Systeme operieren mit Unterscheidungen und Benennungen, also mit der Einführung und Weiterbearbeitung von Differenzen. Dabei ist es wichtig zu betonen, daß jede Unterscheidung ihren blinden Fleck hat; denn die jeweils benutzte Unterscheidungskategorie kann im Unterscheidungsprozeß nicht zugleich mit der beobachteten Differenz beobachtet werden.[40]

Beim Beobachten entsteht insofern immer ein „blinder Fleck“, als dass der Beobachtende niemals zugleich sich selbst beim Unterscheiden beobachten kann. Die eigenen Unterscheidungskonstanten werden somit im Augenblick des Unterscheidens nicht reflektiert, was bedeutet, dass die in diesem Moment getroffenen Unterscheidungen in die Wirklichkeit des Beobachtenden eingehen. Natürlich kann er diese auch wieder in einer ′reflexiven Beobachtung′ beobachten, aber eben wiederum nur unter der Voraussetzung eines Unterscheidungsprozesses, der erneut die dann jeweiligen Unterscheidungskategorien unberücksichtigt lässt. Jede Beobachtung behält somit diesen blinden Fleck, dessen sich auch Beobachter (z.B. Kommunikationswissenschaftler) von beobachtenden Systemen (z.B. Massenmedien)stets bewusst sein müssen.

Der Unterscheidungsprozess wird von dem jeweiligen Beobachter abhängig vollzogen, d.h. Unterscheidungen werden in Relation zum beobachtenden System getroffen. Diese Tatsache verweist auf eine bedeutende Einsicht: Unterschiede bestehen nicht, sondern werden hergestellt. S.J. SCHMIDT begründet dies dadurch, dass der „Organismus aufgrund seiner Nerventätigkeit nur Wissen“ von seinem „Eigenverhalten“ haben kann. Das bedeutet, dass die in der Sprache hervorgebrachte Umwelt durch die „erlernten subjektabhängigen Fertigkeiten“ entsteht und keine objektiven Gegebenheiten darstellen. „Sie sind facta nicht data. Gemachtes nicht Gegebenes.“[41] Das hat zur Konsequenz, dass wir als Beobachter immer ′nur′ Erkenntnisse über unsere Art zu unterscheiden gewinnen, aber gleichzeitig unsere Umwelt durch die „facta“ ordnen und somit spezifische Handlungsmöglichkeiten generieren. Die Wahrnehmung und das Denken alleine geben uns dabei noch kein Bild der Wirklichkeit, so S.J. SCHMIDT an gleicher Stelle weiter. Erst mittels unserer „Aktivitäten in Umwelten“ mit anderen zusammen entsteht Wirklichkeit. Es lässt sich ebenso auf eine zweite ′Gewissheit′ schließen, nämlich dass wir im Grunde nicht von einer Wirklichkeit per se sprechen können. Präzise ausgedrückt bestehen, wie oben in einem Zitat von S.J. SCHMIDT bereits erwähnt (Kap. II. 1.2.1), ′so viele Wirklichkeiten[42] wie es Beobachter gibt′. Systemtheoretisch[43] beschrieben bedeutet das weiter, dass jedes kognitive System operational geschlossen ist, d.h. mittels der eigenen Operationen Wirklichkeit konstruiert, indem es die aufgenommenen Wahrnehmungen aus der Umwelt zu Prozessen seiner Unterscheidung und seines Benennen-Könnens verwendet.

Die Bedingungen für Erkenntnis werden durch die operationale Geschlossenheit gegeben. Geschlossene Systeme schaffen eine „Differenz zur Umwelt“, indem sie auswählen, welche Wahrnehmungen sie wie „ver- und bearbeiten“.[44] S.J. SCHMIDT spricht von den „strukturell festgeschriebenen empirischen Randbedingungen“, welche das Beobachten eines Systems bestimmen. Zum einen verweist er damit auf den „Bau und die Funktionsmöglichkeiten der Sinne, des Gehirns und der motorischen Peripherie sowie Gedächtnisleistungen und emotionale Steuerungen durch das limbische System“, zum anderen auf die symbolisch vermittelte Interaktion, hier vor allem „Sprache“, welche im „konstruktivistischen Diskurs“ nicht nur auf das „semiotische System“ beschränkt bleibt, sondern als „sozial sanktioniertes Instrument der Verhaltenskoordinierung“ gesehen wird.[45]

1.2.3 Das Entstehen wirklichkeitsrelevanter Bedingungen durch kognitive und kulturelle Prozesse

Der Prozess der Kommunikation und damit eng verbunden die Konstruktion von Wirklichkeit sind, wie bis hierhin schon mehrmals angesprochen, stets im Zusammenhang mit den kognitiven[46] und kulturellen Prozessen zu sehen. Wirklichkeit entsteht durch ein ′Miteinander - Agieren′ (vgl. Kap. II. 1.1), was bestimmte kognitive Fähigkeiten und Bedingungen, zugleich aber auch kommunikative und kulturelle Phänomene mit einschließt. In welcher Weise haben wir uns diese Zusammenhänge vorzustellen? Wie wir anhand der Geschichte der Kommunikationsmedien beschrieben haben, ist der Mensch zu einer bestimmten Zeit seiner Genese an den Punkt gelangt, sich in seinem sozialen Verhalten von der genetischen Programmierung zu lösen. Er beginnt damit sein kommunikatives Miteinander in der Gruppe durch bedeutungstragende Gebärden und Lautgebärden zu regeln. Für diesen Schritt einer intersubjektiven und intentionalen Kommunikation sind neben der Wahrnehmung spezifische kognitive Fähigkeiten notwendig. Um Unterscheidungen treffen zu können, muss das kognitive System in der Lage sein, zunächst einmal sich selbst als von der Umwelt unterschieden zu begreifen. Dies ist es, was die systemtheoretischen Begriffe „Selbstreferenz“ und „Fremdreferenz“ grundsätzlich meinen.[47] Es ist demnach ein reflexiver Umgang mit den Wahrnehmungen, ausgelöst durch eine Umwelt, erforderlich. J. LOENHOFF beschreibt diese erste Voraussetzung von Bewusstsein und Ausbildung von Kommunikation durch den Verweis auf die Notwendigkeit, mit Hindernissen aus der Umwelt umzugehen:

Die Relevanz der Kontaktwahrnehmung für die Konstitution einer Gegenstandswelt liegt vor allem darin, dass mittels der Reflexivität der eigenen Bewegungen Widerstand in einem Objekt lokalisiert und gleichzeitig der eigene Körper erfahren wird. Dadurch, daß der Widerstand, den die Objekte dem handelnden Organismus entgegensetzen, den Objekten als Eigenschaften zugeschrieben wird, baut sich ein Bewusstsein von der Außenwelt auf.[48]

Die ′Dichotomie′ im Wahrnehmen des Selbst und der Umwelt bringt dann im Weiteren die kognitiven und kulturellen Bedingungen hervor, die S.J. SCHMIDT als die empirischen Randbedingungen benannt hat (vgl. Kap. II. 1.2.2). Umwelt schließt andere ′Organismen′ mit ein, welche Widerstände in einem ′handelnden Organismus′ hervorrufen können. Dies trägt dazu bei, dass innere Repräsentationen der Außenwelt, in Bezug auf die Erfahrung mit den ′Anderen′ auch Selbstrepräsentationen, entstehen bzw. erweitert werden. Die ′sozialkulturelle Entwicklung′ ist die ′unwahrscheinliche′[49] Konsequenz miteinander handelnder Organismen, die sich permanent gegenseitigen Widerständen aussetzen, was dann zu einer steten Ausdifferenzierung des Umgangs miteinander führt, sprich Kulturen hervorbringt.

Von tragender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Ausbilden kognitiver und kultureller Strukturen unter Bedingungen, die durch die reflexive Wahrnehmung geprägt sind. Gemeint sind die von S.J. SCHMIDT herausgestellten Konzepte der „Erwartungs-Erwartung“ und der „Unterstellungs-Unterstellungen“.[50] Ersteres bezieht sich auf die Erwartbarkeit von Kontinuität im Handeln anderer, was auf das kollektive Wissen, d.h. das „gemeinsam unterstellte Wissen“, als Basis aller Kommunikation verweist. Der zweite Punkt ist auf die Antizipation bestimmter emotionaler und normativer Aspekte des Kommunikationspartners bezogen. Eine kommunikative Grundbedingung, die gerade auch im Zusammenhang mit Massenmedien im Verlauf der Arbeit noch deutlich werden wird. Dies führt zu der Beobachtung, dass Beobachter beim Beobachten der Umwelt, trotz ihrer operativen Geschlossenheit, dennoch Denken und Handeln (Kommunikation inbegriffen), als wenn alle in einer einzigen Welt lebten.[51]

Wie weiter oben bereits angesprochen, sind die dabei hervorgebrachten symbolischen Interaktionssysteme nicht nur auf das semiotische System (′die Welt der Bedeutungen′) beschränkt, sondern wirken sich mittels Erwartungs-Erwartungen und Unterstellungs-Unterstellungen auf die erlebte Wirklichkeit in Hinsicht auf wahrnehmbares Handeln aus. Das Miteinander-Agieren führte geschichtlich betrachtet zu einer Ausbildung von „Schematisierungen“[52] auf verschiedenen Ebenen und Bereichen, welches sich insgesamt als kollektives Wissen bezeichnen lässt. Dieses kollektive Wissen beinhaltet z.B. Sprache, Rituale, Handlungsprozesse etc. Kollektives Wissen ist auf die Selbstreferentialität der jeweilig bedingenden Operationen der beteiligten Systeme zurückzuführen, während parallel dazu, das kollektive Wissen interpenetrierend auf die selben Systeme einwirkt. Was aus dieser reziproken Interpenetration hervorgeht, nennt S.J. SCHMIDT „Kulturprogramme“, womit er im Gegensatz zum Begriff des „Wirklichkeitsmodells“, der eher den „strukturellen Aspekt“ wieder gibt, den „dynamischen“ Charakter beschreibt[53]:

Mit anderen Worten, das System von Unterscheidungen, das den kategorialen Rahmen des Wirklichkeitsmodells bildet, muß dauerhaft mit einer inhaltlich elaborierten gesellschaftlichen Semantik und mit gesellschaftlich sanktionierten Affekten und Normen verbunden werden. Das Programm für diese sozial verbindliche kommunikative Gesamtinterpretation des Wirklichkeitsmodells einer Gesellschaft nenne ich Kultur.[54]

Wenn wir heute Kommunizieren (d.h. auf ein kollektives Wissen im Bereich der symbolischen Interaktion zurückgreifen) oder allgemeiner ausgedrückt Handeln (die Gesamtheit des kollektiven Wissens), dann tun wir dies in einem hohen Maße abhängig von den jeweiligen Kulturprogrammen. Das bedeutet für uns, dass unsere Wirklichkeit aus Sicht der Wirklichkeitsmodelle (Struktur) und/oder der selbstreferentiellen Prozesse einer Kultur beschreibbar ist. Kulturprogramme schaffen nach S.J. SCHMIDT „individuelle und soziale Identität“, wobei sie für Gesellschaften gleichzeitig eine komplexitätsreduzierende Relevanz haben, da sie die doppelte Kontingenz[55] von Kommunikation kompensieren.[56]

1.2.4 Die Alltagswelt: Allerweltswissen und die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit

In Bezug auf die Beobachtung der „gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit“, bestimmen P. BERGER/TH. LUCKMANN ihren Beobachtungsansatz in den Bereich der Wissenssoziologie, da sie das zentrale Interesse auf das „Allerweltswissen“ fokussieren:

Allerweltswissen, nicht »Ideen« gebührt das Hauptinteresse der Wissenssoziologie, denn dieses »Wissen« eben bildet die Bedeutungs- und Sinnstruktur, ohne die es keine menschliche Gesellschaft gäbe.[57]

Allerweltswissen schließt jenes Wissen ein, aus dem gemeinsame Bedeutungen entstehen und das es mittels weiterer kommunikativer Prozesse ermöglicht, dass Menschen in kleineren oder größeren Gemeinschaften zusammen leben. ′Wie manifestiert Allerweltswissen nun die Wirklichkeit bzw. die Alltagswelt?′ Diese Frage ist von Interesse, da die Beantwortung im Zusammenhang mit den Anschlägen vom ′11. September′ ein grundlegendes Verständnis in Bezug auf die Entstehung von Wirklichkeiten eröffnet. Fragen wir uns, wie das Wissen um die Anschläge zu einem bestimmten manifesten Ereignis unseres Alltags wurde, kristallisiert sich die allgemeine Bedeutung des nun Folgenden bezüglich unseres Themenkomplexes heraus. Die Alltagswelt wird durch das kollektive Wissen einer Gemeinschaft in Bezug auf die Lebensumwelt als Ganzes hervorgebracht, d.h. bspw. bezogen auf die durch Sprache objektivierten ′Gegenstände′, ′Normen′, ′Werte′, etc. Die Objektivationen sind Voraussetzung für die Entstehung einer intersubjektiven Welt.[58] Ein Mensch, der gerade geboren wird, findet Objektivationen in der Welt vor, die aber nicht als ′Ding an sich′ existieren, sondern sich, wie ausführlich beschrieben; mit der Zeit aus der Interpenetration von kognitiven, kulturellen und kommunikativen Prozessen generiert haben und jetzt die Grundlage für eine gemeinsame kulturelle Wirklichkeit bilden.[59] P. BERGER/TH. LUCKMANN differenzieren die Alltagswelt in eine, die das „Hier-und-Jetzt“ eines Individuums umfasst, und Teilen, die nicht diesem Aspekt zuzuordnen sind. Mit dem Hier-und-Jetzt sind die Teile der Alltagswelt beschrieben, die uns direkt betreffen, wie z.B. unsere Familien, unsere Arbeit, unser Sportverein. Anders ausgedrückt, ist es der Raum, in dem wir unmittelbar Handeln und Erleben.[60]

Wir konzentrieren uns die meiste Zeit auf diesen Teil der Alltagswelt, da er uns unmittelbar betrifft. Handlungen und Ereignisse haben hier die spürbarste Wirkung. Obwohl jeder sich eher im Hier-und-Jetzt aufhält, gibt es ein Wissen über die uns ferneren Teile der Alltagswelt. Diese sind uns nicht immer zugänglich oder mögen uns nicht interessieren, aber durch den fortlaufenden Prozess des Austausches, sprich Kommunikation, gelingt es uns, eine gemeinsame Wirklichkeit zu manifestieren:

Das Wichtigste, was ich weiß, ist, dass es eine fortwährende Korrespondenz meiner und ihrer Auffassungen von und in dieser Welt gibt, dass wir eine gemeinsame Auffassung von ihrer Wirklichkeit haben.[61]

Diese eine gemeinsame Wirklichkeit ist die, wonach unser Leben, d.h. Denken und Handeln, kontinuierlich ausgerichtet ist. Die Erwartungs-Erwartungen und die Unterstellungs-Unterstellungen sind konstituierender Ausdruck dieses Wissens.

Ein Beispiel ist der Traum: Als eine andere Form der Wirklichkeit, ist dieser unserer Alltagswirklichkeit untergeordnet, da er keine Kontinuität in dem, was dieser Wirklichkeit innewohnt, besitzt. Er existiert eingeschlossen innerhalb der Alltagswelt. Die Alltagswelt hingegen besteht aus unserer Wahrnehmung heraus kontinuierlich weiter, auch wenn wir ′acht Stunden geschlafen haben′ und am nächsten Tag erwachen.[62] P. BERGER/TH. LUCKMANN erklären diese Kontinuität mit dem Begriff der „Routine“, womit beschrieben wird, dass sich die Alltagswelt durch Wiederholungen, auf verschiedenste Dinge bezogen, zu einer Wirklichkeit manifestiert, die durch die Kontinuität Erwartbarkeiten ermöglicht. Diese kann durch das Auftauchen eines „Problems“ gestört werden. Die Alltagswelt besteht nach P. BERGER/TH. LUCKMANN aus „problematischen“ und „unproblematischen“ Ausschnitten.[63] Sie stellen auf der einen Seite die bereits in Routine gewandelte Welt dar (unproblematisch) und auf der anderen Seite Dinge, die noch nicht dazu gehören (problematisch).

Erscheint ein Problem, wird versucht, den problematischen in den unproblematischen Teil der Alltagswelt zu integrieren, so dass er zu einem Stück der routinierten Alltagswelt wird.

Nehmen wir an, ich wäre ein Automechaniker, der bei allen amerikanischen Wagen bestens Bescheid weiß. Alles, was dazu gehört, ist Routine für mich, ein unproblematischer Teil meiner Alltagswelt. Eines Tages aber kommt jemand in die Werkstatt und verlangt, daß ich seinen Volkswagen repariere. Ich bin also gezwungen, in die problematische Welt ausländischer Wagen einzusteigen. [...] Aber in beiden Fällen stehe ich vor einem Problem, das ich noch nicht routinisiert habe. Dabei verlasse ich die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht etwa. Sie wird vielmehr bereichert, wenn ich ihr das Wissen und Können einverleibe, das zum Reparieren ausländischer Autos gehört.[64]

Das Beispiel verdeutlicht, wie wir mit Problemen, auf die wir in der Umwelt stoßen, versuchen innerhalb unserer Alltagswelt umzugehen. Übertragen wir diese Annahme auf den speziellen Fall unseres Themas, indem wir beobachten, wie wir ein nicht zu unserer Routine gehörendes Ereignis (die Anschläge vom ′11. September′) im Weiteren zu einem Teil unserer Alltagswelt gemacht haben.[65] Indem uns durch die Massenmedien vermittelt wurde, dass es sich um terroristische Anschläge handelt und der dafür Verantwortliche ′Osama bin Laden′ bzw. die Terrororganisation ′Al Qaeda′ ist, wurde das Ereignis in unsere Alltagswelt transferiert. Anschläge als solche sind uns bis dahin bekannt gewesen, genau wie eben dem Automechaniker europäische Autos bekannt sind, doch mit der massenmedialen Darstellung sind die Anschläge zu einem problematischen Teil unserer Alltagswelt geworden. Das ′Vermittelte′ zu den Anschlägen hat uns in dieser Angelegenheit zu ′Wissenden′ gemacht und ist durch die spezifische Berichterstattung vom problematischen in den unproblematischen Teil der Alltagswelt überführt worden. Genau an dieser Stelle ist es wichtig zu beobachten, aufgrund welcher ′Darstellungsformen′ dies geschah. Um ein brauchbares Verständnis von der Integration der Ereignisse zu bekommen, müssen wir aber einen weiteren wichtigen Punkt berücksichtigen, den P. BERGER/TH. LUCKMANN in Bezug zum Hier-und-Jetzt beschrieben haben.

Die Alltagswelt eines Menschen unterscheidet sich von der eines ′Anderen′. Es bestehen spezifische Unterschiede in Bezug auf Personen, Gruppen, Gemeinschaften, Staaten etc., welche sich auf die ′Integration′ von Problemen bezüglich der jeweiligen Alltagswelten auswirken. Das entspricht in etwa der besprochenen Tatsache, dass jedem Beobachter genau eine Wirklichkeit zugeschrieben werden muss. Es besteht durch die Ausprägungen der verschiedenen Kulturprogramme die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten oder aber Unterschiede festzustellen.

′New Yorker′ werden bspw. eine andere Einordnung der Anschläge vollzogen haben, als ′extremistische Moslems′ im Nahen Osten. Bei dieser Gegenüberstellung ist der Unterschied ′groß′, da beide sehr unterschiedlichen Kulturen entstammen. Weiterhin sind sie auch beide auf spezifische Weise zu den Geschehnissen ′positioniert′. Im Falle eines deutschen Fabrikarbeiters und eines deutschen Politikwissenschaftlers lassen sich bspw. mehr Übereinstimmungen in der Überführung der Ereignisse in die Alltagswelt finden. Obwohl sie der selben Kultur entstammen werden wir Unterschiede feststellen, die auf ′intragesellschaftlichen Divergenzen′ beruhen. Diese Nuancen sind auf das individuelle Hier-und-Jetzt der Alltagswelt zurückzuführen. Diese sind bei eingehender Analyse stets zu berücksichtigen, wobei bei allen eine grundsätzliche Notwendigkeit zentral bleibt: Die Überführung des problematischen Teils in den unproblematischen, um das Problem für das weiteres Handeln handhabbar zu machen.

1.3 Massenmedien: Bedingungen und Eigenarten der Wirklichkeitskonstruktion

1.3.1 Einführendes zur Wirklichkeit von Massenmedien

Wir wollen nun, ausgehend von unserem bisherigen Verständnis gesellschaftlicher Wirklichkeit, auf die für unsere Arbeit spezifischen Bedingungen, die Massenmedien in Bezug auf ′Wirklichkeit′ hervorbringen, eingehen. Massenmedien sind dabei als eine kulturelle Ausdifferenzierung anzusehen, welche zunächst einmal unter den allgemeinen Aspekten der Konstruktion von Wirklichkeit betrachtet werden müssen. Diese entsteht auf der grundlegenden ′Erkenntnis′, dass wir immer schon in eine objektivierte Welt, d.h. in ein bestehendes kulturelles Umfeld, hineingeboren werden, in der wir ′gezwungen′ sind zu agieren. Sie gewinnt an Kontinuität, indem wir in einem ständigen kulturellen und selbstreferentiellen Prozess der „Reproduktion“[66] stehen, der problematische Anteile der Alltagswelt in unproblematische überführt (vgl. Kap. II. 1.2.4), damit wir unsere Handlungsfähigkeit sichern und erweitern können. Dies geschieht im Massenmediensystem durch eine Unterscheidungsreferenz von „Information/Nicht-Information“, die N. LUHMANN als eine Bedingung der Massenmedien ansieht, um sich von der Umwelt unterscheiden zu können, Selektion zu organisieren und damit Komplexität zu reduzieren.[67]

Wir werden zuerst betrachten, welche Besonderheiten bezüglich ′Massenmedien′ als Kommunikationsmedien zu berücksichtigen sind. Diese ′Spezifika′ verweisen dann schon auf einen entscheidenden Punkt im Prozess der massenmedialen Wirklichkeitskonstruktion, nämlich der Frage, ′wie Massenmedien Selektion organisieren′, .d.h. ′wie sie Unterscheidungsstrukturen bildet′, und ′welche Bedingungen daraus hervorgehen′. Dies soll Gegenstand der hier weiterführenden Kapitel sein.

1.3.2 Die besonderen Merkmale der Massenmedien

Wir haben bereits kurz über die Entwicklung der Massenmedien gesprochen (vgl. Kap. II. 1.1). Wir stellten dabei fest, dass mit Erfindung des Buchdrucks, durch die Möglichkeit, in quantitativer Hinsicht, die Verbreitung von Informationen zu optimieren, der Weg für ein Massenmediensystem geebnet wurde. Die Entwicklung hin zu einer Veränderung der Kommunikationsmöglichkeiten durch die Quantität der verbreiteten Informationen, zog vor allem zwei folgenreiche Konsequenzen für die Kommunikation nach sich, die auch in Bezug auf die Wahrnehmung von Wirklichkeit, d.h. auf das Wissen unserer Alltagswelt, von prägender Bedeutung sind: Die Linearität der Kommunikation und ein anonymes Publikum.

a) Die Linearität in massenmedialen Kommunikationsprozessen

Betrachten wir die Massenmedien, fällt ins Auge, dass diese sich bezüglich der Kommunikationsmöglichkeiten von anderen Kommunikationsmedien unterscheiden. Massenmedien haben die Eigenart, dass sie in der Beschreibung des Kommunikationsprozesses „linear“ verlaufen.[68] Im Gegensatz zu unmittelbaren Kommunikationssituationen besteht in massenmedialen Kommunikationen nicht die Möglichkeit der Interaktion. Massenmedien bieten Informationen an, wobei die Rezipienten nicht in die Lage versetzt sind, direkt kommunikativ auf den Urheber dieser Informationen zu reagieren:

Entscheidend ist auf alle Fälle: dass keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann. Interaktion wird durch Zwischenschaltung von Technik ausgeschlossen, und das hat weitreichende Konsequenzen, die uns den Begriff der Massenmedien definieren.[69]

N. LUHMANN sieht in der „Zwischenschaltung“ von Technik bei gleichzeitiger Ausschaltung der direkten Interaktion ein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung.[70] Innerhalb der Massenmedien ′Fernsehen′, ′Radio′ und ′Zeitung′ können nun durchaus Interaktionen stattfinden, z.B. in einer politischen Talkrunde. Das Publikum bleibt hier aber weiterhin von der Interaktion ausgeschlossen.

Luhmann′s ′Interaktionsausschluss′ bezieht sich demnach stets auf das Publikum, also Rezipienten außerhalb eines Mediums. Nun könnten wir mit Recht sagen, dass Massenmedien durchaus dem Publikum Gelegenheit bieten, interaktiv auf das ′Gesagte′, ′Gedruckte′ und ′Gehörte′ einzugehen, jedoch betont N. LUHMANN, dass es sich hierbei um „inszenierte Interaktionen“ handelt, die von den Massenmedien auch als solche wahrgenommen und einbezogen werden.[71] Im Fall der Zeitung, besteht bspw. diese Möglichkeit in Form der Leserbriefe, die aber von den Redaktionen auch nach den spezifischen Gesichtspunkten des Massenmediums Zeitung selektiert werden. Die Linearität bewirkt in Bezug auf die Kommunikationssituation somit, dass ′Sprecher′[72] (Massenmedien) und ′Hörer′ (Publikum) in ein Verhältnis geraten, welches den unmittelbaren Informationsfluss einseitig verlaufen lässt. Das Publikum ist damit auch nicht in der Lage, die Informationen durch Paraphrasieren auf ein ′richtiges′ Verstehen hin zu überprüfen.

Vielmehr manifestiert sich das Wissen aus den Massenmedien durch die Kommunikationen mit ′Anderen′, wobei die Erfahrung gemacht wird, dass diese in ähnlicher oder gleicher Weise über Inhalte der Massenmedien kommunizieren. Aus dieser Kommunikation mit ′Anderen′ entwickelt sich der Glaube bzw. die Bestimmtheit, dass das massenmedial vermittelte Wissen als wahrhaftig darstellt. S.J. SCHMIDT beschreibt dies mit der „sozialen Akzeptanz“ von massenmedial Vermitteltem.[73]

b) Auswirkungen eines anonymen Publikums

Die Anonymität der Adressaten ist eine Folge der hohen quantitativen Verbreitungsmöglichkeiten der Massenmedien und in Verbindung mit Linearität zeigt dieser Aspekt uns, welcher Aufgabe Massenmedien bezüglich ihres Publikums generell gegenüberstehen: Sie müssen einem unbestimmten Publikum Informationen anbieten, was auf Grundlage von Unterstellungen geschieht, da keine direkte Verständigung mit dem Publikum möglich ist:

Dabei ist für Massenmedien (im Unterschied zur Interaktion unter Anwesenden) der aktuell mitwirkende Adressatenkreis schwer bestimmbar. In erheblichem Umfange muß daher eindeutige Präsenz durch Unterstellungen ersetzt werden.[74]

N. LUHMANN führt an genannter Stelle weiter aus, dass Unterstellungen noch mehr an Gewicht erhalten, wenn es um das „Verstehen/Missverstehen“ potentiell anschließender Kommunikationen geht. Dies bezieht sich sowohl auf systeminterne wie auch systemexterne Anschlusskommunikationen. Diese Unterstellungen variieren auf verschiedenen Ebenen von Medium zu Medium. Die oberste Ebene ist die generelle Auswahl der aktuell relevanten Thematiken, d.h. die Selektion des Mitzuteilenden aus der Vielfalt der möglichen Thematiken der Umweltsysteme.[75] Hier können wir, bspw. in Bezug auf Nachrichten, noch eine in hohem Maße festzustellende Übereinstimmung beobachten, d.h. Zeitung, Radio und Fernsehen berichten in etwa über ′Gleiches′.

Auf der Ebene der Darstellung und der gegebenen Informationen zur Thematik wird aber bereits ersichtlich, dass die unterschiedlichen Massenmedien durch ihre Verschiedenheit unterschiedliche Unterstellungen an das jeweilige Publikum heranziehen. Dies differenziert sich innerhalb der einzelnen Massenmedien noch einmal aus, z.B. arbeitet die ′BILD –Zeitung′ mit anderen Unterstellungen als die ′Frankfurter Rundschau′. Die Unterstellungen der Massenmedien sind im Allgemeinen an dem ′Motiv′ orientiert, ein möglichst großes Publikum anzusprechen. Erreicht wird das durch den spezifischen Umgang mit Themen, auf den wir im weiteren Verlauf noch zurückkommen werden.

Herausgestellt sei an dieser Stelle nur, dass durch die Unbestimmtheit des Publikums, ein spezifischer ′Selektionszwang′ auf das Massenmediensystem ausgeübt wird, die im Ergebnis als konkrete Unterstellungen in Form von Themen und deren Darstellung (im weitesten Sinne) sichtbar werden.

1.3.3 Der wirklichkeitskonstituierende Einfluss von Massenmedien

Im Folgenden stellen wir dar, inwieweit Massenmedien in massenmedialen Gesellschaften zur Erweiterung des Wahrnehmungsumfelds, d.h. zu einer ′Expandierung von Wissensvorräten′, und zur Überführung von Problemen in die Alltagswelt beitragen. P. RÖSSLER sieht die vordergründige „Funktion der Massenmedien“ in der Fokussierung öffentlich „relevanter Themen“, d.h. in der Aufgabe, einer Öffentlichkeit „lösungsbedürftig betrachtete Probleme“ bewusst zu machen.[76] Die Themen, welche Massenmedien als Ergebnis ihrer Unterscheidungsprozesse von Information/Nicht-Information ausdifferenzieren, bilden demnach die ′kommunikative Materialität′, um problematische Anteile überhaupt erst unterscheiden und bestimmen zu können. Bei diesem Prozess, dessen Verlauf und Inhalt ′überaus′ kontingent ist, entfaltet sich nach N. LUHMANN mittels aufgegriffener Themen, die dann den Merkmalen der Massenmedien entsprechend fortgeführt werden, eine ′zweite Wirklichkeit′: „Man kann aber noch in einem zweiten Sinne von der Realität der Massenmedien sprechen, nämlich im Sinne dessen, was für sie oder durch sie für andere als Realität erscheint.“[77]

An dieser Stelle werden zwei Wirklichkeiten unterschieden, welche wir in Bezug auf Massenmedien auseinanderhalten müssen; zum einen die Wirklichkeit die ihre eigenen Operationen im System beinhaltet, d.h. alle Kommunikationen und Handlungen, die nötig sind, um die Inhalte eines Massenmediums an ein Publikum zu übermitteln (′redaktionelle Arbeit′; ′Drucken′ etc.), und zum anderen die „Realität“, die durch den Prozess der massenmedialen Kommunikation selbst erst entsteht. Aus der Beobachtung der Umwelt, d.h. vieler Teilsysteme wie ′Wirtschaft′, ′Politik′ etc., bringt das System der Massenmedien eine eigene ′Version′ der Wirklichkeit hervor.

Die Realität, von der N. LUHMANN spricht, generiert sich durch die Phänomene der ′Fortführung von Themen′ in Massenmedien und der „öffentlichen Rekursivität“[78], wodurch eine kommunikative Grundlage reproduziert wird, die er als „Gedächtnis“ umschreibt[79]. Dieses zeigt sich kommunikativ in den spezifischen „Realitätsannahmen“ innerhalb einer Gesellschaft, die vorausgesetzt werden und nicht ständig eigens in die Kommunikation ′neu′ eingeführt werden müssen. N. LUHMANN bestimmt das Gedächtnis als eine „an allen Operationen des Gesellschaftssystems“ beteiligte Entität, welche der „laufenden Konsistenzkontrolle der bekannten Welt“ dient und allzu ′abwegige′ Informationen als unwahrscheinlich ausschließt.[80]

Das Gedächtnis beinhaltet ein „Hintergrundwissen“, das die Basis für die Gewährleistung kommunikativer Anschlussfähigkeit darstellt.[81] Die Orientierung am Hintergrundwissen, bedingt eine spezifische Einordnung neuer Informationen in schon bekannte Sinnbezüge. Dieser Zusammenhang ist vergleichbar mit der Darstellung von Routine in Bezug auf die Bildung von Kontinuität, die P. BERGER/TH. LUCKMANN bezogen auf die Entstehung der Alltagswelt verwenden (vgl. Kap. II. 1.2.4) und dem von S.J. SCHMIDT umschriebenen Begriff des kollektiven Wissens (vgl. Kap. II. 1.2.3). Massenmedien vermeiden die dabei entstehende Gefahr von ′Redundanz′, die auf die eigene Verbreitung von Informationen zurückzuführen ist, durch die ständige Hervorbringung neuer Themen und Informationen. Die Rekursivität des ständigen Hervorbringens neuer Themen und Informationen in Bezug zu bestehendem Hintergrundwissen, hat auch zur Folge, dass Massenmedien für anhaltende Irritationen des eigenen Systems sorgen:

Irritabilität ergibt sich daraus, daß das System ein an allen Operationen mitwirkendes Gedächtnis hat und damit Inkonsistenzen erfahren und ausgleichen – was nichts anderes heißt als: Realität erzeugen. Das deutet auf einen rekursiven Konstitutionszusammenhang von Gedächtnis, Irritabilität, Informationsverarbeitung, Realitätskonstruktion und Gedächtnis hin.[82]

Die dadurch entstehende Eigenart, in hohem Maße „Zukunftsunsicherheiten“[83] bezüglich der Themen zu generieren, hat gleichzeitig die Konsequenz, dass eine Bindung der Gesellschaft an die Massenmedien entsteht. Denn nur die Massenmedien können diese Zukunftsunsicherheiten durch Anschlussinformationen auch wieder ′aufheben′, während dabei erneut Zukunftsunsicherheiten entstehen, etc.

1.3.4 Die Selektion von Nachrichten

Themen müssen durch anschlussfähige Informationen Aufmerksamkeit beim Publikum wecken, d.h. ein Interesse für eine Auseinandersetzung mit Themen hervorbringen. Es ist ein Gemeinplatz, dass Aufmerksamkeit durch spezifische Themenauswahl, d.h. innerhalb des Mediensystems durch die Selektion gerichtet nach Information/Nicht-Information, und die Form der Darstellung erreicht wird.

Es lassen sich auf Seiten der Massenmedien spezifische Selektionskriterien nachweisen die wir im Folgenden noch näher beschreiben werden. Wir beschränken unser Augenmerk bezüglich der Auswahlkriterien auf den für uns zu untersuchenden Gegenstand, der unter dem Begriff „Nachrichten“ zusammengefasst werden kann. Nachrichten beinhalten Informationen, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie ein Publikum interessieren. Das Besondere an Nachrichten ist weiterhin die Annahme des Publikums, es handle sich um ′wahre Informationen′.[84] Aus unserer eigenen Erfahrung als Publikum wissen wir, dass es zur Vermittlung ′unwahrer Informationen′ kommt, die aber nicht zu häufig auftreten dürfen, da durch den Verlust der Glaubwürdigkeit die Informationsform Nachrichten ihre Berechtigung im Kommunikationssystem verlieren würde.[85] Die Massenmedien sind somit darauf bedacht, ′fehlerhafte Informationen′ weitestgehend zu kontrollieren, indem sie vermieden oder zumindest nicht publik werden.

Es sei an dieser Stelle nochmals explizit darauf verwiesen, dass Unterscheidungen wie ′wahr/unwahr′, ′wirklich/unwirklich′ u.a.m. aus konstruktivistischer Sicht keine Ausgangspunkte für die ′zentralen Fragen′ bezüglich der Massenmedien sind[86], sondern, um es nochmals deutlich zu formulieren, dass in den Mittelpunkt rückt, ′ wie Massenmedien in Hinsicht auf das Generieren von Wirklichkeiten zu sehen sind′:

Medienwirklichkeiten werden längst nicht mehr als Verdopplungen der außermedialen Wirklichkeit oder als reine Fiktionen betrachtet, sondern als Medienkonstruktionen, die Wirklichkeiten sui generis als Resultate der Wirklichkeitskompetenz des jeweiligen Mediensystems entstehen lassen, die in anderen Wirklichkeiten von Aktanten ganz unterschiedlich rezipiert und genutzt werden können, um wiederum andere Wirklichkeiten entstehen zu lassen.[87]

Genau wie S.J. SCHMIDT sieht N. LUHMANN das Entscheidende nicht in Unterscheidungen wie ′wahr/unwahr′ etc., die im Übrigen stets suggerieren, dass es eine ′objektive Realität′ gibt, sondern in den Bedingungen, aus denen Mediensysteme Wirklichkeit konstituieren. In Bezug auf Nachrichten sieht er die Voraussetzungen in der Selektion der Themen und in der Art der Themenfortführung. N. LUHMANN spricht von zehn „Selektoren“, die er als eine systemimmanente Beschränkung für die von den Massenmedien produzierten kommunikativen „Freiheitsgrade“ ansieht.[88] Massenmedien reduzieren nicht nur einfach die Komplexität der Umwelt, sondern differenzieren die aufgegriffenen Themen intern aus, was in hohem Maße Kontingenz erzeugt. Selektoren haben die Eigenschaft, die durch die Massenmedien erst hervorgebrachte spezifische Kontingenz, mittels systeminterner Operationen wieder einzuschränken. N. LUHMANN sieht die Konsequenz dieser Operationen des Massenmediensystems in der Erzeugung von Autonomie gegenüber der dargestellten Umwelt.[89] Führen wir diesen Gedanken weiter, so ergibt sich daraus, dass alle Fragen, in Bezug auf die aus der Umwelt extrahierten Themen, innerhalb der Massenmedien bestimmt werden, weil deren Auswahl einem spezifischen Selektionsprozess folgt und unter den Bedingungen der Massenmedien ein- und fortgeführt wird. Die einzelnen Selektoren lauten nach N. LUHMANN:

1. Die Information muss neu sein; aber eingebettet in bekannte Kontexte (z.B. Typen, temporäre Geschichten).
2. Konflikte werden bevorzugt, da sie einen Spielraum des Ungewissen für die Zukunft lassen.
3. Quantitäten vermehren die Aufmerksamkeit und lassen Vergleiche mit bekannten Quantitäten zu.
4. Der lokale Bezug von Information und Publikum ist ausschlaggebend für die Gewichtung der Information.
5. Normverstöße (Rechtsverstöße, aber besonders auch Moralverstöße) bilden einen wesentlichen Aspekt, da sie gemeinsame Betroffenheit und Entrüstung erzeugen.
6. Die Voraussetzung bei Normverstößen moralische Bedingungen hinzuzufügen ist ein wichtiges Selektionskriterium, da die Option zur Achtung oder Missachtung von Personen entsteht.
7. Normverstöße werden auf Handeln oder Handelnde zugerechnet, um dem Publikum Meinungsbildung zu erleichtern.
8. Aktualität und Rekursivität: Ersteres führt zu einer Konzentration auf Einzelfälle (Vorfälle, Unfälle, etc.), Rekursivität führt zu Bezügen von neuen Informationen auf schon Vermitteltes.
9. Als einen Sonderfall für Nachrichten umschreibt N. LUHMANN die Äußerung von Meinungen (z.B. Befragungen zu wichtigen Entscheidungen, Ereignissen, etc., Leserbriefe, Expertenmeinungen)
10. Die Selektion der Informationen wird fortgesetzt durch Organisationen (z.B. Redaktionen), indem sie in vorhandene Arbeitsroutinen (Rubriken und Schablonen) eingepasst werden.[90]

Die Selektoren nehmen Einfluss auf die Themen, die aus der Umwelt aufgegriffen werden und bewirken durch die spezifische Selektion eine Reduzierung von Kommunikationsmöglichkeiten, wodurch sich die zu Anfang des Kapitels beschriebene Realität generiert:

Aller Selektion, und das gilt für die alltägliche Kommunikation ebenso wie für die herausgehobene der Massenmedien, liegt also ein Zusammenhang von Kondensierung, Konfirmierung, Generalisierung und Schematisierung zugrunde, der sich in der Außenwelt, über die kommuniziert wird, so nicht findet. Das steckt hinter der These, daß erst die Kommunikation (oder eben: das System der Massenmedien) den Sachverhalten Bedeutung verleiht.[91]

1.3.5 Massenmedien und Wahrheit

Wir wollen hier noch einmal explizit auf einen Aspekt der Massenmedien eingehen, der in der Art der Nutzung dieser zu sehen ist, d.h. bezogen auf den Umgang des Publikums mit dem Wissen aus Massenmedien. Fassen wir einige wichtige Aspekte, die wir in Verbindung mit Massenmedien und Wirklichkeit bisher erläutert haben, zusammen, um dann auf die in der Alltagswelt zurückgegriffene Unterscheidung zwischen ′Wahrheit′ und ′Unwahrheit′ näher einzugehen.

Wir erleben das Wahrgenommene um uns herum als eine konsistente Welt, welche allen prinzipiell gleich zugänglich ist. Wie N. LUHMANN feststellt, erzeugen Massenmedien eine Realität, die aus einer spezifischen Beobachtung hervorgebracht wird. Dabei unterscheidet das Massenmediensystem lediglich zwischen Information und Nicht – Information. Das bedeutet auf der Ebene der Selektion der Themen findet von Seiten des Systems keine Unterscheidung in ′wahr′ und ′nicht–wahr′ statt. Was Information ist, wird durch die in Bezug auf Aufmerksamkeit orientierten Selektoren bestimmt, die in den verschiedenen ′Sendeanstalten′, ′Redaktionen′ etc. noch einmal nuanciert und gewichtet werden. Dieser Prozess hat nichts mit der Widerspiegelung oder Bedingung von Wahrheit gemein, da es einen Wahrheitsbegriff bezogen auf eine ′Welt an sich′ aus konstruktivistischer Betrachtungsweise in der Wirklichkeit erster Ordnung, sprich unserer Alltagswelt, nicht geben kann. ′Wahrheit′, im ontologischem Sinn, würde aber eine ′objektive Realität′ voraussetzen, die quasi mit unserer wahrgenommenen Wirklichkeit verglichen werden müsste. Da dies aber nicht möglich ist, muss die Unterscheidung von ′wahr und unwahr′ auf einer anderen Ebene beschrieben werden.

Fragen wir uns, warum der Begriff ′Wahrheit′ eine so tragende Rolle in Bezug auf Massenmedien, d.h. im Besonderen bei Nachrichten, darstellt, dann beobachten wir, dass dies in der Annahme des Publikums begründet liegt, dass Massenmedien in spezifischen Formangeboten wie es Nachrichten sind, uns ein wahres Abbild dessen geben, was passiert bzw. einen Ausblick geben, was zukünftig passieren kann. In der von den Massenmedien hervorgebrachten Realität, besonders bezüglich der Nachrichten, besteht die Notwendigkeit, dass das Publikum das ′Gesehene′, ′Gehörte′ und ′Gelesene′ als ′wahr′ rezipiert, damit es eben nicht, wie in Bezug auf ′Spielfilme′, ′Cartoons′, etc. als bewusst fiktionale Realität im individuellen bzw. kulturellen Gedächtnis abgelegt wird, sondern der Wirklichkeit erster Ordnung, dem Hier-und-Jetzt, als Wissen hinzugefügt wird.

Massenmedien, im Speziellen ′Nachrichten′, müssen, wie bereits weiter oben erwähnt (vgl. Kap. II. 1.3.2), ihre Glaubwürdigkeit bewahren, indem sie die Informationen derart selektieren und darstellen, dass sie für das Publikum auch noch als wahrhaftig erscheinen und somit eine zweite Wirklichkeit (Realität der Massenmedien) entsteht.

[...]


[1] Der Begriff beinhaltet eine zusammenfassende Beschreibung von Demokratien, die in ihrer politischen Kommunikation durch massenmediale Prozesse gekennzeichnet sind. Vgl. C. KNOBLOCH (1998), S. 73 ff.

[2] Vgl. H. D. LASSWELL (1964), S. 37.

[3] Einführende Literatur zur Medienwirkungsforschung finden sich bei R. BURKART (2002), S. 186 ff. und H. BONFADELLI (1999).

[4] Vgl. K. MERTEN (1999), S. 331 ff.

[5] N. LUHMANN (1996), S. 20.

[6] U. MATURANA (2001), S. 21 f.

[7] Vgl. P. BERGER/TH. LUCKMANN (2001), S. 21 ff.

[8] Vgl. N. LUHMANN (1996). Siehe dazu auch das Interview mit N. LUHMANN, Anhang I, S. 149-152

[9] Nicht im Sinne ′individueller Strategien′ einzelner Akteure, sondern von Individuen unabhängige sprachliche Strategien. Vgl. dazu auch C. KNOBLOCH (1998), S. 16 f.

[10] Vgl. dazu ST. SCHALLENBERGER: „Was sagbar und schließlich machbar ist, wird in Diskursen ausgehandelt.“ ST. SCHALLENBERGER (1998), S. 11. Wir werden an späterer Stelle noch näher auf den Begriff eingehen.

[11] Vgl. zum Begriff „Materialität“ S.J. SCHMIDT, der treffend feststellt: „Folglich müssen die Materialitäten all das enthalten, was eine systemspezifisch bewertbare Anschlussfähigkeit von Medienangeboten eröffnet; denn wir gehen kognitiv wie kommunikativ mit der Materialität von Medienangeboten um, nicht mit Sinn oder Bedeutungen.“ S.J. SCHMIDT (2000), S. 28.

[12] K. BOECKMANN (1994), S. 16 f.

[13] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 24.

[14] Vgl. K. BOECKMANN (1994), S. 18. Anmerkung zur weiteren Verwendung von Begriffen ′fremder′ Autoren: Wir werden nach einmaligen Quellennachweis wiederverwendete Begriffe nicht mehr explizit kenntlich machen. Wenn nicht anders angemerkt, verwenden wir sie weiterhin in diesem Sinne.

[15] Vgl. ebd. (1994), S. 17.

[16] Vgl. ebd. (1994), S. 19.

[17] Vgl. zu beiden Begriffen K. BOECKMANN. ebd. (1994), S. 17 f.

[18] Einen Hinweis für diesen Zusammenhang liefert K. BOECKMANN mit seiner Beschreibung von der Ausdifferenzierung des Zeichensystems durch lebensnahe Handlungen wie der Jagd. Vgl. ebd. (1994), S. 18.

[19] Vgl. K. BOECKMANN (1994).

[20] Vgl. ebd. (1994), S. 19ff und G. MALETZKE (1984), S. 27.

[21] K. BOECKMANN sieht den Ausgangspunkt dieser Entwicklung in engem Bezug zu den natürlichen „Spuren“, welche er angelehnt an die Tierwelt identifiziert. Ähnlich der Genese der Gebärden/Lautgebärden sieht er in den Spuren die „vorgefundenen Informationsmittel“, aus denen Menschen im Zuge der Verwendung von Zeichen eigene Bedeutungsträger hervorbrachten, quasi den Ursprung von technischen Kommunikationsmedien K. BOECKMANN (1994), S. 21f.

[22] Vgl. ebd. (1994), S. 21 ff.

[23] Vgl. hierzu S.J. SCHMIDT (2000), S. 24.

[24] Vgl. K. BOECKMANN (1994), S. 23.

[25] Siehe dazu N. LUHMANN: Er beschreibt diesen Vorgang allgemein im Zusammenhang mit dem Begriff der „Irritation“, der besagt, dass operativ geschlossene Systeme sich mittels struktureller Kopplung gegenseitig irritieren können und so als Auslöser für Veränderungen im System zu sehen sind, wobei aber keine ′unmittelbare Beeinflussung′ stattfindet, da das jeweilige System die Irritationen ausschließlich durch die eigenen Operationen integrieren kann. Vgl. N. LUHMANN (1996), S. 46 ff.

[26] ebd. (1996), S. 11.

[27] K.BOECKMANN (1994) S. 28.

[28] „Zum Beispiel gelten die Erfindung der Schnellpresse im Jahre 1812 und die Entwicklung der Hochdruckrotation im Jahre 1886 als Meilensteine in der Geschichte der Presse.“ W.FAULSTICH (1994), S. 27.

[29] „Aber dies ist einer der Fälle, in denen Quantität in Qualität umschlägt: Es ist nun einmal auch kulturell und sozial etwas anderes, wenn Millionen von Menschen praktisch zur gleichen Zeit genau die gleichen Nachrichten lesen, [...].“ K. BOECKMANN, (1994); S. 31.

[30] Es soll hierbei nicht der Eindruck entstehen, dass der Buchdruck wie aus dem ′Nichts′ entstanden ist. Natürlich ist davon auszugehen, dass durch verschiedenen Prozesse, die Kommunikation, Gesellschaft und Kognition betreffend, stetige reziproke Entwicklungen stattfanden, die dann im Buchdruck in gewisser Weise ihren ′Durchbruch′ zeigten.

[31] S.J. SCHMIDT (2000), S. 176.

[32] Zu einem kurzen zeitlichen Überblick der Entwicklungsgeschichte technischer Kommunikationsmedien vgl. S.J. SCHMIDT. (2000), S. 174.

[33] Zum Begriff ′Deutungsmuster′ vgl. C. KNOBLOCH (1998), S. 107 ff. und ST. SCHALLENBERGER (1999), S. 11 f.

[34] E. VON GLASERSFELD in H.GUMIN/H.MEIER (Hrsg.) (1995), S. 22.

[35] Vgl. dazu S.J. SCHMIDT (2000), S. 13 ff. u. ST.JENSEN (1999), S. 26 ff.

[36] Vgl. E. VON GLASERSFELD in H.GUMIN/H.MEIER (Hrsg.) (1995) S. 10.

[37] S.J. SCHMIDT (2000) S. 19.

[38] Vgl. S.J.SCHMIDT (2000), S. 19.

[39] ebd. (2000), S. 16 f.

[40] ebd. (2000), S. 17.

[41] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 17 f.

[42] Wenn wir im Folgenden dennoch einmal den Singular benutzen, so schließt das stets die hier gemachte Feststellung mit ein, dass im Grunde immer mehrere Wirklichkeiten bestehen. Vgl. ebd. (2000), S. 19.

[43] Eine Einführung in die Systemtheorie von N. LUHMANN geben G. KNEER/A. NASSEHI (1997).

[44] „Ohne operationale Schließung wäre keine Erkenntnis möglich, die Umwelt würde das System »überfluten«. Operational (nicht materiell und energetisch!) geschlossene Systeme aber definieren selbst die Differenz zur Umwelt und seligieren, welche Umweltkontakte sie systemspezifisch ver- und bearbeiten können, und zwar gemäß den strukturell festgeschriebenen empirischen Randbedingungen, die für ein System gelten.“ S.J. SCHMIDT (2000), S. 20.

[45] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 20.

[46] Nach ST. JENSEN ist Kognition die „individuelle Leistung von Lebewesen einer Art, bezogen auf das Erkennen der Außenwelt, da der sinnhafte Aufbau der Wirklichkeit“ aber nicht nur auf den „biologischen, psychischen und neuronalen Grundlagen der Wahrnehmung“ gründet, sondern hauptsächlich durch die „soziokulturelle Prägung der kognitiven Operationen“ sinnhaft werden. Vgl. ST. JENSEN (1999), S. 71 ff.

[47] Vgl. K. MERTEN (1999), S. 96 ff.

[48] J. LOENHOFF (2001), S. 116.

[49] Die Ausbildung von Kommunikation, Kultur und Kognition, wie wir sie vorfinden, erscheint in Anbetracht der hochgradigen Kontingenz als unwahrscheinlich.

[50] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 24 ff.

[51] Vgl. ebd. (2000), S. 23.

[52] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000).

[53] Vgl. ebd. (2000), S. 36.

[54] ebd. (2000), S. 35.

[55] Mit der doppelten Kontingenz ist die Tatsache gemeint, dass Kommunikation zunächst Kontingenz kompensiert, dadurch aber wiederum Kontingenz hervorbringt, da Kommunikation auch immer hätte anders verlaufen können.

[56] Vgl. hierzu S.J. SCHMIDT (2000), S. 36f.

[57] P. BERGER/TH. LUCKMANN (2001), S. 16.

[58] Vgl. ebd. (2001), S. 22 ff.

[59] Aus dem Wissen, sich in einer bereits bestehenden objektvierten Welt wieder zu finden, folgt die notwendige Einsicht, sich selbst als Teil dieser Wirklichkeit zu erkennen und daraus folgernd, dass im Beobachten die einzige Möglichkeit von Erkenntnis liegt.

[60] Vgl. P. BERGER/TH. LUCKMANN (2001), S. 25.

[61] ebd. (2001), S. 26.

[62] Deutlich wird das Elementare dieser Beobachtung am Beispiel der Schizophrenie: Schizophrene nehmen Dinge wahr, die uns ′normalen′ Menschen nicht zugänglich, damit nicht erwartbar, sind. Neben der physiologischen Ursache des ′Nicht-Wahrnehmen-Könnens′, bleibt die Erkenntnis, dass die ′Nicht-Erwartbarkeit′ dazu führt, Inhalte der schizophrenen Wahrnehmung, nicht in unsere Wirklichkeit mit einfließen zu lassen. Dabei ist interessanterweise die Beobachtung festzuhalten, dass das Darstellen der Schizophrenie als eine Krankheit wiederum ein Konstrukt unserer eigenen Unterscheidungskategorien ist, welche auf unser spezifisches Kulturprogramm hinweist.

[63] Vgl. P. BERGER/TH. LUCKMANN (2001), S. 21 ff.

[64] ebd. (2001), S. 26 f.

[65] Wir werden an dieser Stelle nicht detailliert auf die Geschehnisse Bezug nehmen, sondern dem Verständnis halber, das Wesentliche in diesem Sachverhalt durch eine stark vereinfachte ′Skizzierung′ darzustellen versuchen.

[66] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 37.

[67] Vgl. N. LUHMANN (1996), S. 36 ff.

[68] Vgl. G. MALETZKE (1984), S. 27.

[69] N.LUHMANN (1996), S. 11.

[70] Um das zu verdeutlichen, folgendes Beispiel: Beim Telefonat vollzieht sich Interaktion, obwohl jenes mittels technischer Hilfsmittel zustande kommt. Hier bewirkt die Zwischenschaltung von Technik keine Unterbindung von Interaktion, woraus wir schlussfolgern, dass das Telefon zwar ein Kommunikationsmedium, aber kein Massenmedium ist.

[71] Vgl. N.LUHMANN (1996), S. 11.

[72] Diese Begriffe eignen sich in Bezug auf die Massenmedien eigentlich nicht, aber wir betrachten sie hier der Anschauung wegen, (bezüglich des Nebeneinanderstellens von massenmedialer und unmittelbarer Kommunikation) als verdeutlichendes Mittel zur Herausstellung der ′Unterschiedlichkeit′ von massenmedialer und unmittelbarer Kommunikation.

[73] Vgl. S.J. SCHMIDT (2000), S. 105 ff.

[74] N.LUHMANN (1996), S. 14.

[75] Besser bekannt ist dieser Prozess unter dem Begriff ′Agenda-Setting′. Vgl. K. Merten (1999), S. 365 ff.

[76] Vgl. P.RÖSSLER in A. BAUM/S.J. SCHMIDT (Hg.) (2002), S. 165.

[77] N.LUHMANN (1996), S. 14.

[78] N. LUHMANN beschreibt damit den reziproken Prozess der Kommunikationen des Publikums über Themen und der rückwirkende Bedeutung dieser auf die Bereiche der Themen (z.B. auf Politik, Wirtschaft etc.) Vgl. ebd. (1996), S. 28 f.

[79] Das ′Gedächtnis′, im Sinne N. LUHMANN′s, ist wiederum Grundlage für die Einordnung und Fortführung von Themen bzw. einem anschließenden Diskurs über Themen

[80] Vgl. N. LUHMANN (1996), S. 120 f.

[81] Vgl. ebd. (1996), S. 121 f.

[82] ebd. (1996), S. 174 f.

[83] Vgl. ebd. (1996), S. 72.

[84] N. LUHMANN (1996), S. 55.

[85] Vgl. ebd. (1996), S. 55 f.

[86] Trotzdem müssen diese bei der Beobachtung der Massenmedien berücksichtigt werden, da sie beim Publikum entscheidende und relevante Unterscheidungskriterien darstellen.

[87] S.J. SCHMIDT in A. BAUM/S.J. SCHMIDT (Hg.), (2002), S. 28.

[88] Vgl. N.LUHMANN (1996), S. 56 f.

[89] Vgl. ebd. (1996), S. 57.

[90] Zum ausführlicheren Nachlesen Vgl. N. LUHMANN (1996), S. 58 ff.

[91] ebd. (1996), S. 74 f.

Excerpt out of 178 pages

Details

Title
11. September 2001 - Ein empirisch-analytischer Beitrag über politische Kommunikation
College
University of Duisburg-Essen  (FB 3 Literatur und Sprachwissenschaften)
Grade
1.3
Author
Year
2003
Pages
178
Catalog Number
V16083
ISBN (eBook)
9783638210287
ISBN (Book)
9783656035855
File size
1259 KB
Language
German
Notes
Untertitel: Die Relevanz diskursiver Strategien bei der Konstruktion politischer Wirklichkeiten in massenmedial vermittelter Kommunikation.
Keywords
September, Beitrag, Kommunikation, Thema osama bin laden
Quote paper
Matthias Janßen (Author), 2003, 11. September 2001 - Ein empirisch-analytischer Beitrag über politische Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16083

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