Tatbestand Betrug: Historische Entwicklung und aktuelle Rechtslage (2003)


Seminararbeit, 2003

48 Seiten, Note: 8 Punkte


Leseprobe


Inhalt

1. Wahre Tatsachen können nicht Gegenstand einer Täuschung sein

2. Durch Unterlassen kann nicht getäuscht werden

3. Zweifel an der Wahrheit der behaupteten Tatsache führen zu einer Irrtumserregung

4. Die bewusste Selbstschädigung wird von § 263 erfasst

5. Das strafrechtlich geschützte Vermögen umfasst nicht rechtlich missbilligte Wirtschaftsgüter

6. Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl ist ein „dogmatisches Glasperlenspiel“

Einleitung:

Die im schriftlichen Teil aufgezeigten Probleme sind die wohl wichtigsten beim Betrugstatbestand. Daher könnten sie durchaus auch im Hinblick auf das Examen relevant werden. Aus diesem Grund möchte ich heute noch einmal vertiefter das eine oder andere Problem ansprechen. Ferner werde ich kurz versuchen, den Betrug vom Diebstahl abzugrenzen, genauer gesagt den Sachbetrug vom Trickdiebstahl und den Dreiecksbetrug vom mittelbaren Diebstahl.

1. Wahre Tatsachen können nicht Gegenstand einer Täuschung sein:

Bei diesem Streit handelt es sich um folgendes Problem: Wenn der Täter objektiv die Wahrheit sagt, aber der Empfänger seiner Erklärung diese falsch verstanden hat und dadurch ein Irrtum bei ihm erregt worden ist, kann sich der Täter in einem solchen Fall entweder auf die Position zurückziehen, er habe ja nur die Wahrheit gesagt, oder fällt ihm ein Betrug zur Last, weil er erkannt oder sogar bezweckt hat, dass seine wahre Äußerung vom Empfänger falsch aufgefasst werden wird?

Die ganz herrschende Meinung ist der Ansicht, eine wahre Tatsache könne nicht Gegenstand einer Täuschung sein.

Anderer Ansicht ist Schröder. Ihm zufolge soll nämlich eine Täuschungshandlung auch dann anzunehmen sein, wenn der Täter in der Absicht oder der sicheren Erwartung, dadurch ein Missverständnis hervorzurufen, eine zutreffende Behauptung beispielsweise in Fremdwörter kleidet.

Dem Täter fällt dann zur Last, dass er seine Erklärung bewusst so abgefasst hat, dass der Empfänger eine inhaltlich unrichtige Vorstellung erhalten sollte. Denn die überlegene Formulierungskunst des Täters, der Gebrauch von Fremdworten, deren Bedeutung dem Empfänger unklar ist, kann den Täter nicht vor dem Vorwurf bewahren, einem anderen etwas vorgespiegelt zu haben, selbst wenn seine Erklärung - isoliert betrachtet - als eine objektiv wahre Behauptung anzusehen ist.

Der herrschenden Meinung entsprechend nimmt auch Schröder dann keine Täuschung mittels wahrer Behauptungen an, wenn der Adressat aus ihnen fälschlich das Vorhandensein einer weiteren - nicht konkludent mitbehaupteten – Tatsache folgert. Selbst wenn der Täter in einem solchen Fall den Irrtum des anderen voraussieht, so hat der Erklärende in diesem Fall doch alles getan, was § 263 von ihm verlangt.

Das sind die beiden vertretenen Positionen. Was aber sind die Argumente, die für oder gegen die These, wahre Tatsachen können nicht Gegenstand einer Täuschung sein, sprechen?

Die herrschende Meinung argumentiert, § 263 verlange, dass ein Irrtum durch „Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen“ erregt werden müsse. Dem Wortlaut nach sei es demzufolge nicht möglich, Betrug dort zu bejahen, wo der Täter etwas objektiv Wahres aussagt. Eine Ausdehnung des Betrugs auf die Behauptung wahrer Tatsachen wäre folglich mit dem Wortlaut des § 263 nicht vereinbar und verstoße gegen § 1 StGB und Art. 103 II GG, das Bestimmtheitsgebot.

Diesen Vorwurf versucht Schröder auf zweierlei Weise zu entkräften.

Zum einen interpretiert er eine an einen geschäftlich oder sprachlich ungewandten Empfänger gerichtete und in der Erwartung eines Missverständnisses abgegebene Erklärung so, wie dieser sie tatsächlich fälschlicherweise aufgefasst hat, so dass es sich letztlich doch um eine unwahre Behauptung handeln würde.

Zum anderen lasse die teleologische Auslegung des § 263 StGB es zu, Betrug bei wahren Behauptungen anzunehmen. Denn das Wesen des Betrugs liege in der Einwirkung auf die Vorstellungswelt bestimmter anderer Menschen und die dadurch bewirkte vermögensschädigende Verfügung. Demnach sei es irrelevant, ob dies mittels wahrer oder mittels unwahrer Behauptungen passiere.

Diese Entkräftungsversuche Schröders widerlegt die h.M. ihrerseits, indem sie davon ausgeht, dass eine Erklärung so auszulegen ist, wie ein verständiger Empfänger sie mit Rücksicht auf die Verkehrsanschauung verstehen muss. Ob dem konkreten Empfänger die Verkehrsanschauung bekannt ist und welchen von ihr abweichenden Gehalt er einem Ausdruck beimisst, ist für dessen Interpretation belanglos. Denn in Wahrheit ist es nämlich gerade nicht die Erklärung des Täters die unrichtig ist, sondern das Verständnis des Empfängers.

Zudem ist unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten zu bedenken, dass es nicht Aufgabe des Strafrechts ist, den einzelnen gegen alle nur denkbaren Risiken abzuschirmen. Es ist insbesondere nicht dazu da, ihn vor sich selbst zu schützen und ihn damit aus der Verantwortung für sich und die Wahrnehmung seiner Interessen zu entlassen. Das Gesetz geht nach dem Grundsatz „leges vigilantibus scriptae sunt“ (zu deutsch: Man muss Wachsam sein um sein Recht zu wahren) davon aus, dass jedermann die für die Teilnahme am Rechtsverkehr erforderliche Fähigkeit, die Erklärungen anderer zu deuten und ihre Tragweite zu ermessen, mitbringt und einsetzt, und schützt ihn folglich nicht davor, Opfer seines eigenen Unvermögens oder einer Fehleinschätzung zu werden.

Im Ergebnis ist wohl der herrschenden Meinung zu folgen. Schröders Idee mag im Ansatz logisch und vor allem sinnvoll erscheinen, doch allein dies legitimiert nicht, den Tatbestand über die Grundregel der Bestimmtheit der Straftat hinaus zu erweitern.

2. Durch Unterlassen kann nicht getäuscht werden:

Grünwald und Mayer sind der Auffassung, Betrug durch Unterlassen sei überhaupt nicht denkbar, weil der für die Bereicherungsabsicht erforderliche dolus directus 1. Grades beim Unterlassungsdelikt nicht vorkommen könne.

Bockelmann ist der Ansicht, Betrug durch Unterlassen könne nur begehen, wer das Entstehen eines Irrtums nicht verhindere; dagegen könne nicht wegen Betruges bestraft werden, wer einen schon vorhandenen Irrtum beim Opfer nicht beseitigt.

Die hM geht aber davon aus, dass durch Unterlassen generell getäuscht werden kann. Sie stützt sich hierbei auf die im § 263 enthaltene Formulierung „…oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen…“. Voraussetzung für ein Täuschen durch Unterlassen ist nach ihr, dass der Unterlassende im Stande und als Garant rechtlich verpflichtet ist, die Entstehung oder Fortdauer eines Irrtums mit seinen vermögensschädigenden Konsequenzen zu verhindern.

Der Betrugsaufbau bereitet in der theoretischen Konstruktion durch den Streit vier Schwierigkeiten:

Erstens wird vereinzelt, wie gesagt, die Möglichkeit eines Unterlassungsvorsatzes oder einer Unterlassungsabsicht bezweifelt.

Hält man zweitens Täuschung durch Unterlassen prinzipiell für möglich, dann kommt man beim Irrtum in Schwierigkeiten. Denn eine Mindermeinung will Täuschung durch Unterlassen nur in den seltenen Fällen anerkennen, in denen der Garant durch Intervention das Entstehen eines Irrtums verhindern könnte. Wenn der Garant einen entstandenen Irrtum bemerkt, soll die unterlassene Beseitigung dieses Irrtums nicht erfasst sein, weil insoweit keine Parallele zum Handeln vorliegt.

Der hM nach genügt hingegen der Sinnzusammenhang zwischen Irrtum und Täuschung, um den Garanten zur Intervention iS der Beseitigung auch eines solchen Irrtums zu verpflichten.

Drittes Problem ist die Abgrenzung zwischen der fehlenden Vorstellung und der fehlerhaften Vorstellung des Betroffenen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Tatbestand Betrug: Historische Entwicklung und aktuelle Rechtslage (2003)
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (FB Rechtswissenschaften)
Veranstaltung
Seminar im Strafrecht
Note
8 Punkte
Autor
Jahr
2003
Seiten
48
Katalognummer
V16084
ISBN (eBook)
9783638210294
ISBN (Buch)
9783638699457
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Komplettübersicht der historischen Entwicklung und des aktuellen Diskussionsstandes zum BETRUG, § 263 StGB. Inkl. 8 Seiten Vortragsunterlagen.
Schlagworte
48
Arbeit zitieren
Johannes Langen (Autor:in), 2003, Tatbestand Betrug: Historische Entwicklung und aktuelle Rechtslage (2003), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16084

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