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Das Potenzial von EU-Binnenmarkt-Standards für den globalen Klimaschutz

Resumen Extracto de texto Detalles

Diese Masterarbeit befasst sich mit dem Potenzial von Produktstandards des EU-Binnenmarkts für den globalen Klimaschutz. Die Arbeit ist eine theoretische Analyse unilateraler EU-Regulierungen, die darauf abzielt, Spillover-Effekte in Richtung eines nachhaltigeren Weltwirtschaftssystems zu untersuchen. Es wird argumentiert, dass angesichts des Zeitdrucks durch die Klimakrise und der Schwierigkeit multilateraler Lösungsansätze der europäische Binnenmarkt eine Mindestvoraussetzung für den Wettbewerb aller Anbieter schaffen kann, indem er Produktstandards für Verbraucher- und Umweltschutz institutionalisiert.

Die Arbeit analysiert, wie diese Standards funktionale und geografische Spillover-Effekte in Gang setzen können, die über das regulierte Produkt hinausgehen und eine nachhaltigere Gestaltung weltweiter Wirtschaftsprozesse ermöglichen. Dabei wird insbesondere der "Brüssel-Effekt" untersucht, bei dem die Marktkräfte global agierende Unternehmen dazu bewegen, EU-Standards auf ihre weltweiten Aktivitäten auszuweiten. Die Untersuchung zeigt, dass, obwohl es Grenzen und Einschränkungen gibt, EU-Standards als eine förderliche Klimaschutzmaßnahme mehrdimensionale Effekte anstoßen, die zur Entwicklung einer nachhaltigen globalen Wirtschaft beitragen können.

Extracto


Inhaltsverzeichnis

Erklärungen und Anmerkungen zu dieser Arbeit

Abkürzungsauflistung und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das aktuelle Weltwirtschaftssystem verschärft die Klimakrise
2.1 Der Zeitdruck der Klimabedrohung
2.1.1 Erkenntnisse zur Situation des Weltklimas
2.1.2 Die Klimaforschung plädiert für das Umstrukturieren der Weltwirtschaft
2.2 Effekte und Mechanismen im globalisierten Handel
2.2.1 Skaleneffekte.
2.2.2 Spillover-Effekte
2.2.3 Der California-Effekt.
2.3 Der Europäische Binnenmarkt in der Weltwirtschaft.
2.3.1 Europäische Anteile am Welthandel
2.3.2 Rentenstrukturen gefährden den globalen Einfluss des EUBMs

3. Die funktionalen Spillover-Effekte von Produktstandards
3.1 Produktstandards schaffen Spillover-Effekte für Politik und Wirtschaft
3.1.1 Standards regen Investitionen an
3.1.2 Standards schaffen Verlässlichkeit
3.1.3 Standards vereinen Akteurinteressen.
3.2 EU-Standards führen zu Anreizen in klimarelevanten Bereichen
3.2.1 Energie sparen und Gebäudeemissionen senken durch Standards
3.2.2 Vorschriften für Verkehr und Logistik
3.2.3 Standards bei Ernährung und Landwirtschaft

4. Die geografischen Spillover-Effekte von EUBM-Standards auf die Welt.
4.1 Der Einfluss des EU-Binnenmarkts auf das Weltwirtschaftssystem
4.1.1 Die EU als Vorbild für Klima und Handel
4.1.2 Der europäische Einfluss auf die Märkte von morgen
4.1.3 Standards als unilateraler Vorteil der EU
4.2 EU-Standards schwappen über im Weltwirtschaftssystem
4.2.1 Der Brüssel-Effekt: Die EU reg(ul)iert die Welt
4.2.2 Europäische Weltstandards
4.2.3 Produktstandards stärken die EU-Verhandlungsmacht im Multilateralismus

5. Machen EU-Standards das Weltwirtschaftssystem nachhaltig nachhaltiger?.
5.1 Die eingeschränkte Wirkung von EU-Regulierungen
5.1.1 Klimafreundliche Spillover-Effekte sind nicht für alle Standard
5.1.2 Umweltfördernde Spillover-Effekte sind nicht überall Standard.
5.2 Das Klimaschutzpotenzial von EU-Standards
5.2.1 Der europäische California-Effekt.
5.2.2 Allianzen stärken eine weitreichende Wirkung
5.2.3 Ein kurzer Ausblick

6. Schlussbetrachtung.

Anhang..

Ein persönliches Schlusswort.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anmerkungen zu dieser Arbeit

Anmerkungen

Die verwendete Sprachform verzichtet im Sinne einer guten Lesbarkeit, grammatikalischen wie orthografischen Korrektheit und den Konventionen einer wissenschaftlichen Arbeit auf genderdiskriminierungsfreie Sprachformen. Es sei aber an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei nicht genderspezifischen Formen und Kontexten generell alle Menschen unabhängig ihrer individuellen Identifikation oder sozialen Zuschreibung gemeint sind.

Die PDF-Version enthält interne Links im Inhaltsverzeichnis und zu den Anhängen für eine leichtere Navigation und einen direkten Kontextbezug. Der Text arbeitet mit Synonymen, um einen besseren Lesefluss zu ermöglichen: „Standards, Norm(ierung)en, Regulierungen“ meint, wenn nicht explizit anders darauf hingewiesen, „Produktstandards“. Englische Fachtermini aus der Wirtschaftswissenschaft sind entweder ausgeführt oder einfach verständlich. Direkte Zitate erscheinen im Fließtext übersetzt und sind im Original im Anhang nachzulesen. Zum Teil leiten einige historische Zitate literarisch neue Themenabschnitte ein. Beiträge aus dem EUV und AEUV werden außerhalb des Zitationsrahmens gekennzeichnet und sind im Anhang gänzlich aufgeführt. Für den direkten Bezug aufEuropas Handelsbeziehungen sind wenige Diagramme und Graphen in den Fließtext eingebaut. Einige Fußnoten verteilen sich auf mehrere Seiten.

Dadurch und aufgrund der Breite der thematisch umfassten Bereiche ist der eigentliche Hauptteil in Absprache mit Herrn Dr. Kaschner unwesentlich länger als der in der Prüfungsordnung vorgeschlagene Umfang. Der reine Fließtext misst 87 Seiten (12 pt, Zeilenabstand 1,5).

Abkürzungsverzeichnis

BIP Bruttoinlandsprodukt

CO2eq Kohlenstoffdioxid und äquivalente Treibhausgase (wie bspw. Methan)

IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change, auch „Weltklimarat“

EGD European Green Deal

EK Europäische Kommission (in Quellen auch auf englisch als „EC“)

EU Europäische Union

EUBM Europäischer Binnenmarkt

F&E Forschung und Entwicklung (im Sinne nachhaltiger Technologien)

WWS Weltwirtschaftssystem

weitere geläufige Abkürzungen

bzw. beziehungsweise bspw. beispielsweise ggf. gegebenenfalls

u.a. unteranderem usw. undsoweiter z.B. zumBeispiel

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Bestehende Freihandelsabkommen und Handelsbeziehungen der EU mit S. 17 Drittstaaten im Jahr 2020

Abb. 2 Globale Anteile der EU-Länder (einschließlich Großbritanniens) in der S.19 Welt anhand verschiedener Indikatoren im Jahr 2019 (jeweils in %)

Abb. 3 Die wichtigsten Handelspartner der EU und deren Anteile in Mrd. Euro S. 20 im Jahr 2019

Abb. 4 Handelsvolumen der EU mit den USA, China und Indien in Mio. Euro in S. 53 den Jahren 2002 bis 2017

Anmerkung: Die Abbildungen fokussieren sich auf das graphische Darstellen von Handelsbeziehungen und weltweiten Anteilen der EU und ihres Binnenmarktes. Die direkte Einbettung im Text soll das Ausmaß des Inhalts im direkten Bezug zur Information visualisieren.

1. Einleitung

Die Erde wird wärmer. Der Weltklimarat, internationale Klimaforschungsinstitute und Umweltschutzorganisationen verschärfen ihre Warnungen. Die steigende Anzahl an Klimagipfeln und multilateralen Lösungsansätzen scheint die Entwicklungen des Klimas nicht zu beeindrucken, denn die letzten Jahre waren trotz Pandemie die heißesten seit Beginn der Temperaturerfassung (IPCC, 2021, S. 6ff). Ein wirksames Maßnahmenpaket, auf das sich alle Nationen und Akteure einigen können, scheint trotz wissenschaftlicher Empfehlungen schwierig in die Tat umzusetzen. Verschiedene Partikularinteressen verwässern die Priorität des Klimaschutzes oder sehen ihn bei wirtschaftlichen Ambitionen als wettbewerbshemmende Investitionen (Adam, 2015, S. 236f). Auch einzelne Staaten sehen sich im Nachteil, als vermeintliche Minderheit die Umweltschutzkosten für Trittbrettfahrer mitzutragen (Nordhaus, 2015). In Klimaschutzdebatten wird das Potenzial unilateraler Vorstöße beispielhaft mit der Frage abgetan: „Was kann Deutschland schon ausrichten, wenn China so viel CO2 emittiert?“. Bleibt ambitionierter Klimaschutz also ein wirtschaftlicherNachteil?

Die Umstände globalisierter Konkurrenz drängen Unternehmen dazu, Güter zu niedrigstmöglichen Kosten herzustellen, um diese zu wettbewerbsfähigen Preisen auf dem Weltmarkt anzubieten. Bei diesem Druck birgt es im Weltwirtschaftssystem (WWS) ein Risiko für einzelne Anbieter, auf umständliche, kostspielige Umweltbelange bei der Produktion oder Logistik zu achten. Wenn aber alle Anbieter dies gleichermaßen umsetzen müssen, weil ein kaufkräftiger Hauptabnehmer sonst auf nachhaltigere Angebote ausweicht, wird aus dem Einzelrisiko des vermeintlichen Kostennachteils eine Mindestbedingung für den Wettbewerb aller Anbieter (Vogel, 1997). Die Berücksichtigung der Umwelt kann in verschiedenen Formen als Mindestvoraussetzung für einen Marktzugang institutionalisiert werden.

Hier kommen Europas gerade Gurken ins Spiel: Die Gurkenkrümmungsverordnung wird im Volksmund zwar belächelt, aber von der Industrie trotz Abschaffung immer noch angewandt; denn sie spart Kosten, bietet eine vereinfachte Logistik und erlaubt niedrigere Preise (Dierks, 2018). Damit sinken der Lageraufwand und die Transportemissionen. Die Verordnung fand eine großflächige Umsetzung, denn der europäische Binnenmarkt (EUBM) gilt als einer der attraktivsten Absatzmärkte der Welt. Er institutionalisiert seit Jahrzehnten Produktstandards für Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Umweltbelange, die weltweit Beachtung finden (EC, 2022a). Ökodesign-Anforderungen, Energieeffizienz- und Schadstoff-Vorschriften (EC, 2021b) beeinflussen auch außereuropäische Zulieferer, die Europas Standards auf ihre gesamte Produktion ausweiten und damit andere Abnehmer- 1 märkte beliefern. EUBM-Regularien setzen branchenübergreifend und geografisch - weit über das regulierte Produkt hinaus - Effekte in Gang, die einige Wirtschaftsprozesse weltweit nachhaltiger gestalten (Bradford, 2020). Die Reichweite, ihr Umfang und künftiges Potenzial hin zu einem nachhaltigen WWS werden dafür ausgearbeitet.

Die aktuelle Relevanz des Themas findet sich in der Diskussion um eine Lösungssuche für die sich zuspitzende Klimakrise wieder. Nachrichten, Podcasts und Talkshows berichten über die verschiedenen Klimaschutzansätze von Regierungen weltweit, wie etwa dem European Green Deal (EGD). Obwohl Europa historisch mehr als ein Fünftel der Weltemissionen verursacht hat (Ritchie et al., 2020), gilt die stellvertretende EU heute als das Vorbild im Klimaschutz. Bei lokalen Initiativen, Vorstößen in multilateralen Verhandlungen und in weltweiten Handelsbeziehungen setzt sich die EU wirkmächtig für den Planeten ein (Müller- Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 4). Produktstandards gelten dabei als ein „unauffälliges Fundament“ (EC, 2022a), mit dem Europa einen unterschätzt weitreichenden Beitrag zum globalen Klimaschutz beitragen kann. Dies möchte ich mit dieser Arbeit aufzeigen.

Es folgt eine literaturbasierte, theoretische Analyse, die Befunde aus mehreren wissenschaftlichen Disziplinen zusammenfasst, um das globale Klimaschutzpotenzial von EUBM-Pro- duktstandards auszuarbeiten. Wie können Standards eines Marktes zum Klimaschutz beitragen oder nachhaltig wirtschaftliche Anreize weltweit dermaßen beeinflussen? Kann ein verstärkter, unilateraler Vorstoß Europas den Konkurrenzdruck um niedrige Kosten im WWS eindämmen ohne Wettbewerbsnachteile zu befürchten?

Vor dem Hintergrund dieser Dilemmata bearbeitet diese Arbeit die Fragestellung: Inwiefern ermöglichen Produktstandards des EU-Binnenmarkts globale Spillover-Effekte hin zu einem nachhaltigen Weltwirtschaftssystem?

Für die Untersuchung dieser Thematik beziehe ich mich auf einschlägige Sekundärliteratur und Ergebnisse der Klimaforschung für die Analyse. Nachrichten und aktuelle Berichte dienen dem Gegenwartsbezug. Bei dem Fokus auf EUBM-Standards stellen diese nicht verkürzt ein Allheilmittel im Kampf gegen die Klimakrise dar. Mitsamt ihrer Potenziale und Hemmnisse bilden sie in Klimaschutzprogrammen eine förderliche Maßnahme unter vielen, wobei letztere hier nur im Ansatz skizziert werden können.

Die Reichweite der getroffenen Aussagen ist aufgrund des Rahmens dieser Arbeit und der unabsehbaren Folgen des Krieges in der Ukraine eingeschränkt. Sie skizziert jedoch die wichtigsten Zusammenhänge und soll als Basis weiterer Forschung sowie als zugänglicher Einstieg in die Thematik dienen. Dazu werden Beispiele aus aktueller Forschung und wissenschaftliche Szenarien für klimaneutrales Wirtschaften zurate gezogen, um Aussagen über 2 die Auswirkungen von EUBM-Standards und deren potenzielles Ausmaß zu ermöglichen. Einige Abbildungen im Fließtext erlauben einen direkten, visuellen Bezug über Europas Stellung im globalen Handel. Der Anhang bietet ergänzend veranschaulichende Informationen zur Einordnung der aktuellen Lage zu Klima und Weltwirtschaft. Um eine klare Struktur zu ermöglichen, werden die verschiedenen Themenbereiche in einzelne, übersichtliche Abschnitte unterteilt und anschließend argumentativ verknüpft.

Der Aufbau der Gliederung spiegelt sich im Aufbau der Fragestellung wider: Nachdem eine kurze Analyse des EUBMs in einem klimaschädlichen WWS die Relevanz des Themas verdeutlicht, stellt der erste Teil Produktstandards und seine funktionalen Effekte in Europa vor, während der zweite Teil das Potenzial dieser Effekte weltweit erarbeitet.

Ich möchte zunächst aufzeigen, welche schädlichen Auswirkungen das aktuelle WWS auf das Klima hat und welche Reformen aus Sicht der Klimaforschung die größten Potenziale haben, um nachhaltiger zu wirtschaften. Nach der Auseinandersetzung mit dem globalisierten Handel soll deutlich werden, welche Mechanismen herrschen und wie diese im Sinne europäischer Ambitionen ausgenutzt werden (können). Rentenstrukturen gefährden dabei Europas Anteile am WWS und seinen damit verbundenen Einfluss.

Das folgende dritte Kapitel erarbeitet den ersten Teil der Fragestellung: Die Untersuchung von EUBM-Standards verdeutlicht ihre Wirkweise und stellt die ermöglichten Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft dar. Durch das Anregen von Investitionen und das Ingangsetzen weiterer Effekte schaffen sie funktionale Vorzüge für eine wirtschaftliche Transformation. Standards setzen in klimaschädlichen Sektoren Anreize, die den europäischen Kontinent auf seinem Weg zur emissionsfreien Wirtschaft unterstützen.

Darauffolgend dient Kapitel 4 als Grundlage für den zweiten Teil der Fragestellung: die ermöglichten Effekte von Standards treten auf das WWS über. Der unilaterale Einfluss des EUBMs und das klimaförderliche Potenzial seiner Standards wird dabei begünstigt von Europas Reputation und seiner Handelsbeziehungen. Die EU nutzt ihre zahlungskräftige Nachfrage und weitere Merkmale des EUBMs, um Weltstandards im Sinne des Umweltschutzes zu etablieren. Diese Fähigkeit unterstützt die multilaterale Verhandlungsmacht Brüssels, um seine Ambitionen global angewandt oder gar institutionell emuliert zu wissen.

Zur Beantwortung der Fragestellung zieht Kapitel 5 die transformativen Grenzen von EUBM-Standards auf und wägt sie gegen seine teils unausgeschöpften Potenziale ab. Nicht alle Branchen springen auf die unilateralen EU-Ambitionen an. Ein Ausweichverhalten in Ressourcennutzung und Abnehmermarkt können Reaktionen auf die Standardanforderungen sein. Global, aber nicht überall senken EU-Standards die Klimabelastung, wenn sich 3 emissionsintensive Prozesse geografisch verschieben. Das Klimaschutzpotenzial der EU- Normen wirkt nach seiner Analysejedoch robust, sodass ein europäischer California-Effekt mit Allianzen in anderen Marktregionen einen positiven Ausblick erlauben.

Zum Schluss sollen die wichtigsten Befunde nach einer kurzen Abwägung der Hemmnisse und Potenziale europäischer Standards ein Fazit schaffen. Zusammenfassend wird deutlich, inwiefern die EUBM-Standards als eine förderliche Klimaschutzmaßnahme mehrdimensionale Effekte anstoßen, die ein nachhaltiges WWS in seiner Entwicklung mitermöglichen.

2. Das aktuelle Weltwirtschaftssvstem verschärft die Klimakrise

Das kapitalistische Weltwirtschaftssystem hat fast den ganzen Erdball erobert: Sogenannter freier Wettbewerb umspannt den Globus mit Containerschiffen und Wertschöpfungsketten von Waren, internationale Dienstleistungen sind durch Internet und Kommunikationstechnologie rund um die Uhr verfügbar und Produkte werden immer effizienter in Masse hergestellt. Der Aufstieg des Kapitalismus hat komplexe Handelsbeziehungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten und multinational agierende Konzerne hervorgerufen, die heute einem aggressiven Kostendruck im globalisierten Konkurrenzkampf unterliegen (Adam, 2015, S. 128ff). Die Welt verflechtet sich in engeren Wirtschaftsprozessen. Dabei gefährdet sie durch exzessiven Ressourcenverbrauch, immenser Umweltverschmutzung und steigenden Emission ihre Existenzgrundlage: Der IPCC (2021) warnt, dass das Klima ohne drastische, weltweite Kurskorrekturen und Maßnahmen gefährlich zu kippen droht.

Obwohl Befürworter des Neoliberalismus über Kritik hinweg an überholten Prämissen festhalten, hat er es geschafft, eine allumfassende, dominante Unanfechtbarkeit zu beanspruchen (Adam, 2015, S. 266ff; Kocka, 2013, S. 127f). Das WWS ist in Teilen dysfunktional. Es vernachlässigt durch seine Art und Weise der Verbrauchssteigerung, des globalen Preisdrucks, dem Externalisieren von Umweltfolgekosten (und sozialen Spannungen) die Klimaschäden (Ostry et al., 2016, S. 40f). Deregulierungen gaben weltweit einen „Freifahrtschein für Firmen“ (Dohmen, 2021, S. 93), unter dem globalisierten Konkurrenzdruck der wettbewerbsfähigen Preise, vermeintlich verteuernde Umweltschutzmaßnahmen auszulagern (Adam, 2015, S. 236f). Dadurch wurden die dezentralen Konsequenzen für die Umwelt parallel zur weiteren Verflechtung der Weltwirtschaft fataler (EEA, 2022).

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Thema Klimaschutz immer sichtbarer auf der weltweiten Agenda und fand zunehmend Berücksichtigung in politischer Gestaltung, wirtschaftlicher Produktion und sozialem Zusammenleben. Tatsächlich flachten die ergriffenen Reformen den klimaschädlichen Trend als minimale Kurskorrekturen zwar etwas ab (Adam, 2015, S. 230ff), aber die Ziele der Klimaabkommen verfehlen sie ohne drastischeres Eingreifen und Umstrukturieren deutlich (Ripple et al., 2020, S. 11).

Rodrik (2011) erkennt langfristig eine unmögliche Koexistenz zwischen der bestehenden Form von Globalisierung, der Souveränität der Nationalstaaten und demokratischer Ordnungen. Er spricht von einem „Globalisierungsparadox“ und warnt, dass internationale Regulierungen einer systemuntergrabenen Tendenz und der Einflussmacht globaler Konzerne präventiv gegensteuern sollten. Ferner bedrohen Rentenstrukturen1 im WWS das Funktionieren kapitalistischer Mechanismen, indem sie Marktimperfektionen ausnutzen, Investitionen hemmen und demokratische Grundprinzipien gefährden (Elsenhans, 2020a, S. 155).

Für die spätere Untersuchung von Klimaschutzpotenzialen des europäischen Binnenmarkts soll dieses Kapitel zunächst den Rahmen aufzeichnen, warum nicht alles „wie vor der Pandemie“ werden kann. Wie schädigt das Wirtschaftssystem die Lebensgrundlage auf der Erde und welche Mechanismen unterliegen dem globalisierten Kapitalismus? Wie verordnet sich der EUBM in der Weltwirtschaft, um systemuntergrabenden Tendenzen entgegenzusteuern? Ähnlich wie in Italien Ende des 19. Jahrhunderts stehen alte Ordnungen im Umbruch:

„Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.“

Tancredi aus „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1958)2

Der folgende Abschnitt soll zeigen, wann und was sich ändern muss, damit (für die Kapitalisten) alles bleiben kann, wie es ist. Die Erkenntnisse aus der Klimaforschung warnen vor der Priorisierung der aktuellen Ausrichtung des WWSs. Der Weltwirtschaft zugrunde liegende Mechanismen ermöglichen wiederum weitreichende Klimaschutzeffekte vonseiten des EU-Binnenmarkts, der im Folgenden vorgestellt wird.

2.1 Der Zeitdruck der Klimabedrohung

Der sogenannte „Klimawandel“ suggeriert rhetorisch eine langsame, gar positive Entwicklung des Klimas und legt den Fokus nicht auf das Subjekt, welches eigentlich bedroht wird: Die verlässliche Funktion der Umwelt als Existenzgrundlage für Mensch, Tier und letzten Endes der Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Diese Arbeit nutzt daher die Begriffe

„Klimakrise“ oder „Klimabedrohung“, welche die tiefgreifende, umfassende Gefährdung für menschliches Zusammenleben adäquater ausdrücken (Meyer-Ohlendorf, 2018).

Zudem meinen Klima und Umwelt nicht dasselbe, aber deren Zustand und Funktionalität bedingen und beeinflussen einander: Klimaschutz ist ein wesentlicher Bestandteil von Umweltschutz mit einem speziellen Augenmerk auf die Konzentration von Treibhausgasen (CO?eq) in der Erdatmosphäre. Dafür sollen möglichst wenige schädliche Substanzen in die Atmosphäre freigesetzt werden, aber natürliche CO2eq-Speicher, wie Moore, Ozeane oder Wälder geschützt werden (Adam, 2015, S. 232ff; IPCC, 2021). Ein nachhaltiges System ist auf den Schutz von Klima und Umwelt angewiesen.

Der Anstieg der Erdbevölkerung und der weltweiten Wirtschaftsleistung gehen mit den kumulierten Emissionen sowie einer steigenden Umweltverschmutzung einher (Adam, 2015, S. 235f). Um innerhalb der Grenzen der Pariser Klimaziele3 zu bleiben, muss möglichst zeitnah und umfangreich vomjetzigen Pfad der internationalen ökonomischen Handlungsweise abgewichen werden (siehe Anhang 1). Für die Begrenzung auf einen Temperaturanstieg um 1,5°C beträgt das Restkontingent möglicher CO2eq-Emissionen ca. 11%, da 89% bereits ausgeschöpft wurden. Das schließt Faktoren wie Ressourcenverbrauch, Abfallproduktion, Energiegewinnung, Wassernutzung oder Verschmutzung mit ein (IPCC, 2021, S. 36ff).

Wenig Zeit bleibt noch, das Weltwirtschaftssystem nachhaltiger zu gestalten, um die Konsequenzen unterlassenen Handelns gering zu halten. Sollten erwartete Klimakipppunkte erreicht werden, können Domino-Effekte die Erde überlasten. Dadurch kann die menschlich verursachte Klimakrise unvorhersehbare Folgen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Systeme hervorrufen (IPCC, 2021, S. 35; Rockström & Klum, 2015, S. 54).

Kurzsichtige, umweltschädliche Anreize der weltwirtschaftlichen Prozesse treiben das Klima an „die Grenzen des Wachstums“ (Meadows, 1994), solange die globale Wertschöpfung den monetären Wert umweltzerstörerischer Produktionen nicht berücksichtigt. Der systemimmanente globale Kampf um die niedrigsten Preise begünstigt das Ausweichen von umwelttechnisch nachhaltigerWertschöpfung (Adam, 2015, S. 236f; Götze, 2021).

Früher oder später werden ignorierte, externalisierte Klimaschulden4 5 6 fällig. Dies kann geografisch unabhängig von deren Ertragsrealisierung geschehen: Beispielsweise verteilen sich die Folgekosten der deutschen Grillsaison damit unverhältnismäßig und nicht allein auf die Konsum- und Produktionsländer, sondern auf die ganze Welt. Zeitversetzt werden die entstehenden Kosten (oder Umweltschäden) sichtbar, die heute kaum in nationalen Wirtschaftsbilanzen erfasst werden (Dohmen, 2021, S. 14f).

Ausgestoßenes CO2eq akkumuliert in der Atmosphäre und wirkt jahrelang. Jede heute gesparte Tonne dämmt Klimafolgen ein (IPCC, 2021, S. 37f). Je eher das System in seiner Entwicklung Klimaschäden berücksichtigt, desto effektiver können CO2eq-Einspareffekte in Angebot und Nachfrage entstehen (Stern & Valero, 2021, S. 6). Die Wissenschaft appelliert an die politischen Entscheidungsträger, ökologische Grenzen frühestmöglich zu institutionalisieren, um gefährdende Grenzwerte präventiv zu vermeiden. So können Regierungen die gestalterische Entscheidungskompetenz der Präventivmaßnahmen wahren, bevor extremere, katastrophale Zustände ein akutes Handeln erzwingen (Ripple etal., 2020).

Je schneller und umfangreicher die Klimaschutzmaßnahmen in Kraft treten, desto effektiver und übersichtlicher ist der monetäre Aufwand und desto geringer ist das Risiko unkalkulier- barerKlimafolgen (Stern & Valero, 2021, S. 18, 30).

2.1.1 Erkenntnisse zur Situation des Weltklimas

Die klimatischen Veränderungen beschleunigen sich; deren Bekämpfung erfolgt bislang nicht entschieden genug. Global nehmen Wetterextreme zu und verschlechtern die Lebenssituation sowie wirtschaftliche Entwicklungen vor allem im globalen Süden (IPCC, 2021; Ripple et al., 2020), wobei die historische Verantwortung im globalen Norden liegen.

Die Berichte aus der Klimaforschung zeigen kalkulierte Richtwerte und Obergrenzen der Umweltbelastbarkeit. Sie appellieren an die politischen Schaltstellen, den Ergebnissen eine stärkere Priorität bei der Umsetzung implizierter Maßnahmen beizumessen (Ripple et al., 2020). Das Weltwirtschaftsforum weist unter den zehn wahrscheinlichsten und riskantesten Bedrohungen der globalen Wirtschaft allein sechs davon den rapide zunehmenden Umweltbelastungen zu (WEF, 2019). Diese seien zudem eine direkte Auswirkung des weltweiten Handels. Für dessen Steigerung wurden über Jahrzehnte hinweg mehr Ressourcen gefördert als nachwachsen und mehr CO2eq ausgestoßen als von Ökosystemen wieder aufgenommen werden können. Die planetaren Grenzen werden zunehmend durch das globale Wachstum

Konzern Abwasser kostenfrei in einen Fluss leiten. Weiter flussabwärts muss die Lokalverwaltung zu einem anderen Zeitpunkt das verschmutzte Wasser reinigen. Kosten, die diese Fabrik verursacht, aber (mit Ausnahme einiger Steuern) nicht trägt, werden im Produktpreis dieser Firma nicht berücksichtigt. Die meisten Produkte tragen einen „ökologischen Rucksack“ an versteckten Umweltfolgekosten, die in ihrem Marktpreis unberücksichtigt bleiben (Dohmen, 2021, S. 14; Tuschhoff, 2015, S. 209). 7 und die steigende Verflechtung der Wirtschaftszweige überansprucht. Die Umwelt wird trotz abgeschlossener Abkommen über ihre Regenerationskapazität hinaus belastet. Das WWS funktioniert also nicht nachhaltig (Rockström & Klum, 2015, S. 48ff).

Sollte es die Weltbevölkerung nicht schaffen, ihre Wirtschaftsweise grundlegend zu ändern, werden bis ca. 2050 sogenannte Klimakipppunkte überschritten, deren Folgen unumkehrbar sind (tagesschau.de, 2022). Dazu ist die Weltgemeinschaft bei anhaltenden CO2eq-Emissi- onen nur noch wenige Jahre davon entfernt, selbst ein 2°C Grad Klimaziel zu gefährden (Mrasek, 2021). Zwischen 2050 und 2070 müssen die globalen CO2eq-Emissionen auf netto null sinken (IPCC, 2021, S. 15, 36; Rockström & Klum, 2015, S. 33ff, 90). Die Berücksichtigung dessen nimmt handelsbereinigt vor allem die starken Treiber und Emittenten, wie den europäischen Wirtschaftsraum, in die moralische Pflicht.

Häufiger und intensiver auftretende Wetterextreme werden einen unberechenbaren Einfluss auf menschliche Gesundheit, Ernteerträge und Wirtschaftswachstum haben (EEA, 2022; IPCC, 2021, S. 10ff, 32). Dies macht ein Wirtschaften auf sensiblen Finanz- und Versicherungsmärkten, die Planbarkeit und kalkulierte Risiken für Prognosen benötigen schwierig (Stern & Valero, 2021, S. 22). Nach den Ahrtalüberschwemmungen 2021 in Deutschland wird offensichtlich, dass private Versicherungen ihre Policen für Überschwemmungen mit Haftungsübernahme nach oben anpassen oder diese zunehmend ausschließen. Die Unvorhersehbarkeit klimatischer Extremereignisse und deren Folgen werden aber vor allem im globalen Süden gravierende Auswirkungen haben. Weite Flächen werden unbewohnbar, die wirtschaftliche Entwicklung kann arg gebremst werden, Hungersnöte, Konflikte und Migrationsprobleme können sich verschärfen (UNCTAD, 2021; WEF, 2019).

Der Erdüberlastungstag7 illustriert anschaulich, wie die zunehmende Bewirtschaftung des Planeten dessen Regenerationskapazität strapaziert und findet jährlich an einem früheren Kalendertag statt. Würden alle Menschen bei dem aktuellen Verbrauch von Ressourcen und dem Ausstoß von Emissionen so leben wie die Einwohner der USA, benötigte man fünf Erden. Bei Spitzenreiter Katar wäre man bei über neun. Der Überkonsum der jeweiligen Länder zeigt sich auch in deren Emissionsbilanz. Bei der Verursachung des Status Quo tragen die Staaten eine unterschiedliche (moralische) Verantwortung. Im Jahr 2020 waren, national gesehen, China mit 9,8 Mrd. Tonnen (t) CO2eq (30% Weltanteil) und die USA mit 5,3 Mrd. t (14%) die Hauptemittenten von Treibhausgasen. Die EU-Mitglieder (inkl. GB) emittierten mit 3,5 Mrd. t ca. 8% des Weltverbrauchs (siehe Anhang 2). Bei einem Verbrauch pro Kopf sind dies (wegen der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen) in China 7,41 t, den USA 14,24 t und der EU 7,72 t CO2eq. Für das Erreichen der Klimaziele liegt ein nachhaltiger individueller Durchschnittsverbrauch bei ca. 2,6 t CO2eq im Jahr (Global Footprint Network, 2021; Ritchie et al., 2020). Historisch kumuliert8 zeigt sich mit Blick auf die Klimagerechtigkeit erst recht die Bringschuld Europas: Bis 2017 haben die USA führend mit 25% des jemals anthropogen ausgestoßenen CO2eq doppelt so viel wie China (ca. 12,7%) verbraucht, wobei die EU-Staaten als Wiege der Industriellen Revolution 22% (Ripple et al., 2020, S. 8) verantworten (siehe Anhang 3, 4).

Die Klimawissenschaft zeigt anhand errechneter Szenarien auf, wie bedrohlich sich das Klima entwickeln kann und welche Entwicklungen sich ohne maßgebliche Eingriffe gravierend verschlimmern können. Die europäische Politik kann mit der Verantwortung aus dem aktuellen und historischen Verbrauch klare Handlungsempfehlungen ableiten.

2.1.2 Die Klimaforschung plädiert für das Umstrukturieren der Weltwirtschaft

Mit einem ungewöhnlich direkten Appell richten sich über 11.000 Naturwissenschaftler aus 153 Ländern unter der Federführung von Ripple et al. (2020) an die Entscheidungsträger der Welt: Sie bescheinigen deutlich, dass diejetzige Art zu wirtschaften maßgeblich zur Klimakrise beiträgt und unter dem gravierenden Druck der beschleunigten Klimaverschlechterung verändert werden muss. Ein nachhaltiges Weltwirtschaftssystem schädige die Ökologie nicht in einem Ausmaß, von dem sie sich nicht wieder (durch zusätzliche Kompensationsmaßnahmen) erholen könnte. Für die Einhaltung der Klimaziele müssen folgerichtig Aspekte des weltweiten Wirtschaftssystems und seine Auswirkungen mit verschiedenen Instrumenten verändert werden (Ripple et al., 2020, S. 10). Das Einleiten von umfangreichen Umweltschutzmaßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen kann sich dabei variabel auf das Wirtschaftswachstum der einzelnen Nationen auswirken.

Der Aufruf bedauert (im Einklang vergangener IPCC-Berichte) die fehlende Einsicht der Entscheidungsträger, sich der essenziellen Klimafrage entschieden entgegenzustellen. Einer kurzsichtigen Wirtschaftsdominanz werde mit Verweis auf die internationale Konkurrenz fatalerweise mehr Priorität eingeräumt. Ein vertanes Einlenken werde die einzelnen Nationen mehr kosten als ein frühes, koordiniertes Umstrukturieren der anhaltenden Umweltbelastung, die mit gesteigertem konventionellem Wachstum einhergehe (Götze, 2021; Ripple et al., 2020, S. 8). Da das neoliberale Paradigma die vermeintliche Marktlogik gegenüber dem Allgemeinwohl und des Klimaschutzes stärker priorisiert (Kocka, 2013, S. 127f), müsse schrittweise davon abgewichen werden, um nachhaltiger die Klimaziele zu erreichen:

„Die exzessive Gewinnung von Rohstoffen und die übermäßige Ausbeutung von Ökosystemen, die durch das Wirtschaftswachstum vorangetrieben werden, müssen rasch eingeschränkt werden, um die langfristige Nachhaltigkeit der Biosphäre zu er- halten. Wir brauchen eine kohlenstofffreie Wirtschaft, die sich ausdrücklich mit der Abhängigkeit des Menschen von der Biosphäre befasst, und eine Politik, die wirt- schaftliche Entscheidungen entsprechend lenkt. Unsere Ziele müssen sich vom BIP- Wachstum und dem Streben nach Überfluss auf die Erhaltung der Ökosysteme und die Verbesserung des menschlichen Wohlergehens richten, indem wir Grundbedürf- nissen Vorrang einräumen und Ungleichheiten abbauen.“ (Ripple et al., 2020, S. 11)

In der Abwesenheit langfristiger Anreize erliegen selbst große Unternehmen dem Druck der Konkurrenz und ein jahrzehntelanger kostspieliger Politikeinfluss erscheint profitabler (Dohmen, 2021, S. 97ff). ExxonMobil, einer der größten Fossilenergieproduzenten der Welt, wusste von der Klimabedrohung bereits in den 70er Jahren durch die Erkenntnisse der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung (F&E). Da der Vorstand es sich als nicht wirtschaftlich erwog, diese Ergebnisse zu veröffentlichen, bzw. den Umbau hin zu nachhaltiger Energiegewinnung als Chance für einen Pioniereffekt der Branche zu begreifen, verfolgt der Konzern seither starke Lobbyinteressen, Wirtschaftssysteme an die Nutzung fossiler Energien zu binden (Hall, 2015). Ohne steuernde Anreize lohnt es sich scheinbar ökonomisch, Umweltschäden als Kosten zu externalisieren (Adam, 2015, S. 234ff).

Ein sogenannter „freier Markt“[7] wird es nicht regeln: Um einen knappen Zeitplan einzuhalten benötigt es laut IPCC (2021) realistische, aber umfangreiche Interventionen in die bestehenden Systemmechanismen. Dazu gehören Umstrukturierungen im Energiesektor, die Ausweitung von Naturschutzgebieten statt weiterer Flächenversiegelung, eine Agrar- und Ernährungswende sowie die Abkehr bestehender Systemanreize in der Wirtschaftslogik zur —

[7] Der sogenannte „freie Markt“ wird von neoliberalen Theoretikern häufig als das effizienteste System für die Schaffung neuer Technologien beschworen. So soll ein damit uneingeschränkter Wettbewerb um die effizientesten Lösungen für gesellschaftliche Fragen bestenfalls ohne staatliche Regulierungen auskommen. Dieses simplifizierte ökonomische Paradigma bietet Anreiz zum Schaffen und Ausnutzen von Marktimperfektionen, die demokratischen Strukturen und effektiven Klimaschutzmaßnahmen entgegenwirken. Seien die erhofften, positiven Effekte noch nicht eingetreten, wird entgegnet, dass anscheinend noch nicht genug Regularien abgeschafft wären (Piketty, 2020, S. 1089ff).

Bekämpfung von globalen Ungleichheiten (Ripple et al., 2020, S. 11). Hinzu können eine konsequente CO2eq-Bepreisung sowie multilaterale Abkommen Druck auf globalisierte Konzerne und ausweichende Staaten ausüben (Nordhaus, 2015, S. 1341).

Stärkere, progressive Besteuerungsmodelle können die nötigen Investitionen für den Aufbau einer solchen Infrastruktur in Gang setzen und dabei vielen Staaten hohe Schulden und eine ggf. ansteigende Inflation ersparen. Große Summen, die sich dem Wirtschaftszyklus entziehen und als Rente abgeschöpft werden, können als Subventionen mit Skaleneffekten (siehe 2.2.1) wettbewerbsfähige nachhaltige Technologien massentauglich machen (Damgaard et al.,2019,S.12f; Saez & Zucman, 2021).

Da Fortschritte in sozialer Gerechtigkeit und Umweltfragen miteinander korrelieren und sich beidseitig unterstützen können, sind staatliche Eingriffe wirksame Bausteine im Wettlauf gegen die Zeit (Chancel et al., 2021, S. 10f). Eine gerechtere Verteilung der ökonomischen Mittel hat positive Effekte auf die Stabilisierung der weltweiten Geburtenrate und wirkt einer andauernden Überbevölkerung entgegen (Ripple et al., 2020, S. 11).

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Berthold Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ (1928)

Dass sich viele Menschen moralisch im Sinne der Gesellschaft engagieren, setzt ein finanzielles Auskommen in der Bevölkerungsmehrheit voraus. Verordnete Maßnahmen für den Klimaschutz erscheinen als gesellschaftlich tragfähig, wenn sie Verständnis fördern und für das Umstoßen von sozialen Kipppunkten9 ein breites Bündnis mobilisieren. Mit gezielten Anreizen und sozialen Ausgleichsmechanismen (Stern & Valero, 2021, S. 28f) kann die Legitimität von klimapolitischen Entscheidungen als fair und angemessen empfunden werden (Otto et al., 2020, S. 2361f). Nach Wilkinson & Pickett (2012) haben Nationen mit einer geringeren Einkommens- oder Vermögenskonzentration gesellschaftlich sowie volkswirtschaftlich immense Vorteile, die auch die Akzeptanz von Umweltmaßnahmen steigern. Auf dieser Kenntnis können Gesetze Anreize dahin entwickeln, dass sich die wirtschaftlichen Interessen der verschiedenen öffentlichen, privaten und individuellen Akteure eher überschneiden als entgegenstehen (Stern & Valero, 2021, S. 30).

2.2 Effekte und Mechanismen im globalisierten Handel

Die Struktur des Welthandels unterliegt systemimmanenten Mechanismen, die die Logik von Angebot und Nachfrage für Herstellung, Vertrieb und Verwertung von Produkten und Dienstleistungen beeinflussen. Danach erscheinen Handlungen entlang der Wertschöpfungsketten ökonomisch reizvoller, wenn sie höhere Renditen abwerfen und Kosten gesenkt oder gar auf andere Akteure abgeschoben werden können (Dohmen, 2021, S. 14f). Damit diese Effekte für einen kapitalistischen Wettbewerb greifen, muss der Grad an Marktimperfektionen möglichst gering sein. Wenn sich einflussreiche Bevölkerungsschichten oder Konzerne Privilegien aneignen und Mittel aus dem Zyklus entziehen, werden kapitalistische Mechanismen aufDaueruntergraben (Piketty, 2020, S. 580, 1136).

Seit Beginn der Massenproduktion brachte die maschinelle Nutzung und Arbeitsteilung einen aufstrebenden Welthandel mit Skaleneffekten hervor (Kocka, 2013, S. 20f). Deren Realisierung sorgt seit ihrer Umsetzung bis heute für weitreichende Folgen beim technischen Fortschritt oder der Bekämpfung von materieller Unterversorgung, birgt aber auch Konsequenzen für die Klimaentwicklung. Dieses Kapitel stellt ausgewählte Mechanismen und Effekte im WWS vor, die der Bearbeitung der Fragestellung dienen.

2.2.1 Skaleneffekte

Die Wirtschaftslehre beschreibt Skaleneffekte wie folgt: Je mehr Einheiten von einer Ware auf gleiche Weise produziert werden, desto günstiger können diese hergestellt werden, um global wettbewerbsfähiger zu sein (Adam, 2015, S. 505). Das Eintreten der Skaleneffekte setzt kapitalistische Massenproduktion voraus. Da durch standardmäßige Herstellung ein und desselben Produkts die absoluten Kosten und der Zeitaufwand für dessen Entwicklung oder Maschinenbeschaffung (Fixkosten) pro Einheit (Durchschnittskosten) immer weiter sinken, kann ein Unternehmen mit größerer Produktionsmenge effektiv höhere Skalenerträge realisieren (Perkins & Neumayer, 2012, S. 12, 15). Eine steigende Produktionsmenge kann sich damit nicht nur für heimische, sondern auch für ausländische Märkte anbieten. Diese potenziell größere Absatzmenge senkt den Fixkostenanteil der Produktion durch dasselbe Herstellverfahren (ergo standardisierte Produktion) weiter. Diese Bedingungen fördern u. a. die Entstehung weniger, größerer Unternehmen, deren Marktanteil weiter zunimmt und können einen Verdrängungswettbewerb hervorrufen, der Monopolbildungen begünstigt - sofern dies keine politischen Institutionen verhindern (Kocka, 2013, S. 89f).

Standardisierung, technologischer Fortschritt und letzten Endes Skaleneffekte haben die globalen Warentransportkosten auf den Hauptrouten bei voranschreitender Globalisierung enorm verringert und kostentechnisch nahezu vereinheitlicht. Damit herrscht ein globaler Kostendruck vor allem auf die Produktherstellung entlang der Wertschöpfungskette (Adam, 2015, S. 128f; Dohmen, 2021, S. 18ff). Bei zunehmender Weltwirtschaftsverflechtung wird die Umsetzung von Skaleneffekten umso wichtiger, um weltweit konkurrenzfähige Produkte zu einem geringen, kostendeckenden Preis anzubieten. Es besteht somit der Anreiz für Produzenten, neu getätigte Investitionen auf so viele Produkteinheiten wie möglich anzuwenden. Wenn ein wichtiger Absatzmarkt gewisse Auflagen bei der Produktion vorgibt, rentiert sich ggf. bei der Kostenabwägung die Übernahme des strengsten Produktstandards auf die ganze Produktionsmenge, um diese durch Skaleneffekte so günstig wie möglich zu realisieren (Vogel, 1997). Es ergibt daher ökonomisch wenig Sinn, ein gleiches Produkt in Masse mit unterschiedlichen Standards für verschiedene Märkte herzustellen10 (siehe 2.2.3).

Skaleneffekte sind ein Grundpfeiler für das Funktionieren und die Rentabilität globaler Wertschöpfungsketten.

So ermöglichte die EEG-Umlage mit staatlichen Anreizen und vergünstigten Investitionen der deutschen Solarindustrie die Realisierung von Skaleneffekten. Als China bei der Massenproduktion einstieg, trat eine enorme Kostendegression für Endverbraucher weltweit in Kraft (Usman et al., 2021, S. 17). Dieser Vorstoß und die staatliche Förderung machte nachhaltige Energie zugänglich und löste globale Spillover-Effekte für Strommärkte und Umweltschutzmaßnahmen aus (Adam, 2015, S. 505f; Gillingham & Stock, 2018, S. 64f).

2.2.2 Spillover-Effekte

Spillover-Effekte11 beschreiben die Ingangsetzung von Ereignissen, die mit dem Ursprungsereignis oder dessen Sphäre nicht direkt, bspw. geografisch, sachlich oder fachgebietstechnisch verbunden sind. Diese Folgeeffekte auf andere Bereiche, Subjekte oder Märkte sind zum Großteil in ihrer Reichweite schwer kalkulierbar und können, aber müssen nicht beabsichtigt sein. In der Wirtschaftswissenschaft meint Spillover hauptsächlich ein räumlich übertretendes Phänomen (Feess, 2018). Im Kontext kann die europäische Politik in Brüssel von weitreichenden nationalen Wirtschaftsentscheidungen, sozialen Entwicklungen oder Umweltkatastrophen anderer Regionen beeinflusst werden (Bradford, 2020, S. 56f).

Spillover-Effekte sind für diese Arbeit deshalb relevant, weil Entscheidungen in Europa, die auf regionaler, aber vor allem auf internationaler Ebene getroffen werden, zwar allein intern rechtlich bindend sind, aber über die europäischen Grenzen hinaus extern eine Wirkung entfalten können. Nach Vogel (1997) und Bradford (2020) kann Europa, dank seiner Handelsmacht und historisch gewachsenen Bedeutung, mit politischen Entscheidungen, wirtschaftlichen Entwicklungen oder Gesetzen, weltweit in anderen Regionen Folgeeffekte in Gang setzen (siehe Kapitel 4). Wegen der Entwicklung des globalisierten Handels, spezialisierter Wertschöpfungsketten und international verflochtener Abhängigkeiten sind globale Spillo- ver-EffektejedwederForm und Intensität erkennbar12 (Adam, 2015, S. 89ff).

2.2.3 Der California-Effekt

Der „California-Effekt“ beschreibt die Übernahme strikterer Auflagen aus (politisch) untergeordneter Ebene auf eine bislang weniger strikte, übergeordnete Gesetzgebung, wie z.B. die Angleichung von nationalstaatlichen Produktstandards auf eine weltweite Norm. So bewirken ambitionierte Umweltstandards des Bundesstaates Kalifornien deren Übernahme auf die nationale Gesetzgebung der USA: Der kalifornische Clean Air Act von 1970 führte in dem Bundesstaat weitaus strengere Abgasnormen ein, als bislang national oder in anderen Bundesstaaten galten. Einige Jahre später passte die Legislative der Vereinigten Staaten die bundesweiten Vorschriften an die des Staates Kalifornien an. Ausschlaggebend für den Einfluss des einzelnen Staates auf die ganze Nation waren vor allem seine starke wirtschaftliche Rolle und sein politisches Gewicht (Vogel, 1997, S. 561f).

In den letzten Jahrzehnten gingen die stärkere Verflechtung ökonomischer Interdependenzen und wirtschaftliche Integration über Ländergrenzen hinweg mit steigenden nationalen sowie regionalen Umweltstandards einher (Adam, 2015, S. 129f). Da Firmen und Zulieferer in einer zunehmend globalisierten Welt ihr Produkt auf umsatzversprechenden Märkten anbieten wollen, müssen sie für den Zugang zu einigen Märkten gewisse Standards erfüllen und Vorgaben nachweisen. Der California-Effekt, also die Anhebung der Regulierungsstandards in konkurrierenden politischen Zuständigkeitsbereichen, oder zumindest eine nachhaltigere Produktion in einzelnen Stätten stützt sich auf folgende Zusammenhänge:

Wenn Zulieferer befürchten, mit ihrer weniger nachhaltig produzierten, konventionellen Ware dem Absatzmarktzugang verwehrt zu bleiben, müssen sie entscheiden, das Produkt woanders zu vertreiben (ergo Umsatz einzubüßen und ggf. alte Geschäftsbeziehungen aufzugeben) oder Maßnahmen einzuleiten, um für den Verkauf auf dem regulierten Markt die Vorschriften zu erfüllen. Letzteres wiederum stiftet Produzenten zu Investitionen für die Produktentwicklung an, um die höheren Standards einzuhalten. Damit diese Mehrinvestition im Vergleich zur nationalen Konkurrenz nicht als Wettbewerbsnachteil im eigenen Land führt, haben die Zulieferer einen starken Anreiz, sich politisch für die Einführung des höheren, externen Standards im eigenen Produktionsland einzusetzen (Vogel, 1997, S. 561f).

Kapitalistische Marktmechanismen spielen bei der Verflechtung der Weltwirtschaft eine zentrale Rolle und drängen Produktions- und Zuliefererstaaten dazu, Standards und Umweltauflagen von „grüneren“ reicheren Handelspartnern zu übernehmen (Vogel, 1997, S. 556). Dabei spielt das schiere Volumen der Absatzmärkte, von denen der California-Effekt ausgeht, die Hauptrolle für die mögliche Übernahme von Standards. Ist allein der drohende (künftige) Absatzverlust weitaus höher als die Umsetzung von Investitionen für eine vorschriftkonforme Massenproduktion, greift der ökonomische Anreiz des California-Effekts (Bradford, 2020, S. 26f). Hinzu kommen neben der Gewinnkalkulation weitere diffuse Risiken, wie eventuell dem globalen Konkurrenzdruck zu weichen, mögliche Arbeitsplatzverluste oder veränderte Handlungsanreize. Der California-Effekt regt zu Investitionen in Form von Profit an und erschwert die Abschöpfung von Renten (Elsenhans, 2020a, S. 161f).

Ähnlich funktioniert dieser Prozess, wenn eine Firma ihr Monopol ausnutzt, um Konsumoder Abnahmepreise quasi diktieren zu können (wie einige Discounter auf dem deutschen Milchmarkt) - bloß, dass beim California-Effekt der Hauptabnehmer (nationaler Markt) keine Preise drückt, um das Geschäft aufrechtzuerhalten, sondern Produkteigenschaften (Umweltstandards) vorschreibt. Beide Mechanismen beruhen perfiderweise auf einem wirtschaftlich starken Akteur, der mehrere Zulieferer durch globalen Druck von sich abhängig macht, um ihnen (unilateral) die Konditionen für den Handel aufzuerlegen, weil letztere keine Wahl oder Mitspracherecht haben, auf andere Abnehmer auszuweichen.

Trotz der älteren Quellenlage haben sich die Beobachtungen und Analysen von Vogel (1997) im akademischen Diskurs etabliert und wurden mehrmals empirisch bestätigt. Seither sind grünere Technologien durch Skaleneffekte weiter auf dem Vormarsch; mehr und mehr Länder errichten neue Umweltstandards und schließen multilaterale Klimaschutzabkommen ab (Tuschhoff, 2015, S. 214). Perkins & Neumayer (2012) untermauern durch ihre empirische Untersuchung das trading up 13 von internationalen Auto-Emissions-Standards. Bei starker ökonomischer Verflechtung zeigt der California-Effekt entlang der globalen Wertschöpfungsketten Wirkung, wenn vorgegebene Standards realistisch umsetzbar sind und keine ähnlich umsatzversprechende Alternative zum regulierten Absatzmarkt besteht (Urpelainen, 2011, S. 172ff). Wenn dazu die Kosten für eine Investition zur Standarderfüllung durch die erwarteten Gewinne kompensiert werden und das Absatzmarktvolumen eventuelle Aufpreise trägt, kann eine Aufwärtsspirale von Umweltvorschriften eintreten (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 56f; Perkins & Neumayer, 2012, S. 25).

Der California-Effekt beschreibt damit einen verheißungsvollen Mechanismus (Stewart et al., 2013, S. 298), den sich die Europäische Kommission (EK) mit EUBM-Standards im Sinne des Klimaschutzes bereits zunutze macht und aktiver ausschöpfen will (EC, 2022a).

2.3 Der Europäische Binnenmarkt in der Weltwirtschaft

Der gemeinsame Markt der 27 EU-Mitgliedstaaten ist der Europäische Binnenmarkt (EUBM). Der europäische Wirtschaftsraum (EWR) weitet den EUBM auf Island, Liechtenstein und Norwegen aus. Die Schweiz hat ebenfalls darauf Zugriff. Die ökonomischen Außengrenzen der Zollunion schließen darüber hinaus die Türkei, Andorra, Monaco und San Marino mit ein (siehe Abb. 1). Der EUBM schafft einen „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital“ (Art. 26 Abs. 2 AEUV) gewährleistet wird. Er ist einer der größten zusammenhängenden Wirtschaftsräume der Welt. Mehr als 60 Prozent des gesamten Handelsvolumens der Mitgliedstaaten entfallen allein auf den Handel innerhalb derEU (Adam, 2015, S. 110f; BMWI, 2021).

„Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die aufVollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Um- weltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftli- chen und technischen Fortschritt.“ (Art. 3 Abs. 3 EUV)

Der EUBM bezweckt die Integration wirtschaftlicher Aktivität durch Verbote von Maßnahmen mit protektionistischer bzw. marktseparierender Wirkung und erlaubt den Schutz bzw. die gesteuerte Eröffnung des Marktzugangs. So soll eine optimale Ressourcenallokation ermöglicht werden und Skaleneffekte infolge der Herstellung eines einheitlichen, größeren Marktes den Wohlstand fördern. Die Umsetzung des EUBM leisten seine vier Grundfreiheiten (negative Integration) und die Rechtsangleichung für EUBM-internen Handel für seine Mitglieder (positive Integration) mit den Rahmenbedingungen seiner Wettbewerbsregeln

(Art. lOlff. AEUV).

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Bestehende Freihandelsabkommen und Handelsbeziehungen der EU mit Drittstaaten im Jahr 2020 (Lippert, 2020)

Die EU unterhält weltweit multi- und bilaterale Freihandelsabkommen (siehe Abb. 1). Sie mobilisiert die meisten Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit von Drittstaaten und baut auf starke Handelsbeziehungen mit den emergingpowers 14 (Lippert, 2020). Die weltweiten Handelsbeziehungen, das große Absatzvolumen, die Diversität der Volkswirtschaften und das politische Gewicht der EU machen den EUBM zu einem attraktiven Investitionsstandort und einem einflussreichen, zentralen Akteur im WWS (Müller-Brandeck- Bocquet et al., 2018, S. 23ff).

Mit dem EGD soll der Binnenmarkt und Europa als erster Kontinent bis 2050 als klimaneutral umgebaut sein. Die Transformation klimaschädlicher Wirtschaftszweige wird mithilfe von öffentlichen und privaten Investitionen geplant, die Anreize für nachhaltigen Handel und nachhaltiges Handeln mithilfe ökonomischer und politischer Gestaltung beinhalten (EC, 2021a). Die Mitgliedstaaten sind von der Klimakrise zwar milder getroffen als Äquatorregi- onen,jedoch machen sich Umweltkatastrophen zunehmend auch vor Ort bemerkbar: In den Jahren 1980 bis 2020 verursachten klimabedingte Wetterextreme einen geschätzten Schaden von 500 Mrd. € für die Mitglieder des EUBM15. Von diesen Summen war maximal ein Drittel über Versicherungen abgedeckt. In der Zeitspanne sind fast 150.000 Todesfälle auf klimabedingte Ursachen zurückzuführen (EEA, 2022).

Zusätzlich zum Einfluss des Klimas ist der EUBM trotz starker wirtschaftlicher und politischer Position nicht gefeit von globalen Systemmechanismen. Er unterliegt demselben ökonomischen Kostendruck und konkurrenzgetriebenen Wettbewerb im WWS wie andere Marktregionen. Darüber hinaus stellt er sich internen Herausforderungen mit Blick auf das weitere Zusammenwachsen der Mitgliedsstaaten, die diffuse Entscheidungstransparenz in Brüssel, institutionelle Demokratiedefizite und die Folgen des Brexits16 (Piketty, 2020, S. 688). Der Binnenmarkt der „alten Welt“ steht vor neuen Herausforderungen. Seine Anteile im WWS und der damit verbundene Einfluss stehen im Wandel einer sich entwickelnden, multipolaren Weltordnung (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 5ff; WEF, 2019).

2.3.1 Europäische Anteile am Welthandel

Die EU unterhält 130 Handelsabkommen und ist mit einem Anteil von 22% der Weltwirtschaftsleistung (gemessen am BIP) eine der größten Handelsmächte der Welt. Im Jahr 2019 entfielen auf den EUBM ca. 30% der weltweiten Im- und Exporte, obwohl die EU-Staaten allein 7% der Weltbevölkerung ausmachen. Auf sie fallen 9% des globalen CO2eq-Aussto- ßes und ein Energieverbrauch von 12%17 (siehe Abb. 2; Lippert, 2020). Die EU gilt international als Vorreiterin für Umweltschutz dank sichtbarer Erfolge im Erreichen der Klimaziele (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 11). Dennoch bleibt der historische Anteil an den weltweiten Emissionen enorm (siehe 2.1.2). Dazu addieren sich CO2eq-intensive Importe aus Zuliefererländern, die den EU-Konsum zu stillen (siehe Anhang 7) und die Klimabilanzen anderer Länder auf den ersten Blick verzerren (Zhang et al., 2020, S. 1096f).

Der europäische Anteil am Weltkonsum beträgt aktuell ca. ein Drittel und wird voraussichtlich auf ein Fünftel im Jahr 2030 sinken, was mit dem Aufschwung der emerging markets zusammenhängt (Dohmen, 2021, S. 155). Als international führende Entwicklungshelferin unterhält die Union Einfluss auf ebendiese Marktregionen (siehe 4.1.2). Die zunehmenden

Emissionen in Schwellenländem sind nicht exklusiv auf ihren steigenden Wohlstand und Massenkonsum zurückzuführen (siehe Anhang 7), da häufig exportierte Waren für den Konsum im globalen Norden bestimmt sind (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 12ff).

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Globale Anteile der EU-Länder (einschließlich Großbritanniens) in der Welt anhand verschiedener Indikatoren im Jahr 2019 (jeweils in %) (Lippert, 2020)

Neben dem EU-internen Handel sind die wichtigsten Handelspartner für den EUBM vor allem die USA und China (siehe Abb. 3), wobei Volumen und Anteile von weiteren Drittstaaten zunehmen. Der EUBM will den Wohlstand seiner Mitglieder durch die weitere Intensivierung von globalen Handelsbeziehungen gewährleisten (BMWI, 2021) und in ZukunftKlimaschutzmaßnahmen global fördern (EC, 2021a).

Die Mitglieder des EUBM profitieren von dessen Schutzbereich, der wie eine „Membran“ funktioniert: Diese soll den einzelnen Staaten intern zu freiem Handel, Kompromissanregung und Mitgestaltung befähigen und extern als Schutzhülle eines größeren, kumulierten Staatengebildes eine höhere Durchsetzungskraft in unstetigen Zeiten gewährleisten. Zusammen will die EU mithilfe ihres Binnenmarkts extern ihre wirtschaftlichen und politischen Anteile im Weltgeschehen festigen, um das WWS mit Blick auf das Klima nachhaltiger zu gestalten (Lippert, 2020; Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 11ff).

Die Kommission erkennt Europas historische Klimaschulden (siehe Anhang 4) auf Basis des massiven Ressourcenverbrauchs und will im Zuge dessen einen maßgeblichen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten. Aus dieser Verantwortung leitet sie den EGD ab. Er soll das Wirtschaftsgeschehen zukunftsfähig mithilfe diverser Maßnahmen und Regulierungen in Etappen umbauen. Der EUBM soll mithilfe einer Taxonomie18 zu Investitionen in umweltfreundliche Technologien anregen (EC, 2021a).

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die wichtigsten Handelspartner der EU im Jahr 2019 in Mrd. Euro (Lippert, 2020)

Die EU erhofft sich, die Klimaauswirkungen auf ihrem Binnenmarkt zu reduzieren und mithilfe der Beseitigung verursachter Klimaschäden auf „netto null“ zu kompensieren, um weiterhin global als Vorreiterin im Klimaschutz zu gelten (EC, 2021a). Dafür sind immense Summen geplant, die vorläufig als Kosten und wirtschaftliches Risiko wirken. Die Umstrukturierungen sollen sich mittel- bis langfristig auszahlen - sowohl für die globale Umwelt als auch für die europäische Wirtschaft. Als first mover (bzw. Pionier) können Firmen in der EU in gewissen Technologien und wirtschaftlichen Prozessen Lerneffekte als erste umsetzen, um so angestrebtes „grünes“ Wirtschaftswachstum zu erreichen (Stern & Valero, 2021, S. 14). Bereits etablierte Strukturen, erprobte Technologien und eine damit zukunftsgewappnete Industrie können zu Anfang monopolartig ins Ausland exportieren und mit diesen Lerneffekten einen langfristigen Vorteil realisieren (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 57).

Der europäische Anteil am Welthandel ist besonders aus Konsumsicht in der Textil-, Technik- und Nahrungsbranche mitverantwortlich für klimaschädliche und sozialökonomische Spillover-Effekte entlang der Lieferketten. Laut des europäischen Nachhaltigkeitsentwicklungsberichts fördere die EU trotz SDG-Vorreiterrolle19 durch die internationalen Abhängigkeiten von seinem Absatzmarkt im Ausland Umweltkatastrophen. Beispielsweise ist der europäische Hunger nach (billigem) Fleisch abseits seiner enormen Verschwendung20 mitverantwortlich für den Sojaanbau auf gerodeten Flächen im Amazonas-Regenwald, enormen Wasserverbrauch für die Herstellung und starker Transportemissionen. Der europäische Konsum von Textilien fördere demnach durchschnittlich 375 tödliche Vorfälle am Arbeitsplatz und weitere 21.000 Verletzungsfälle pro Jahr (SDSN & IEEP, 2021). Eine Internalisierung des CO2eq-Verbrauchs bei importierten Waren in die hiesige Klimabilanz der eigentlichen Endverbraucher verschlechtert die positiven EU-Werte beträchtlich. Kumuliert haben multinationale Firmen aus den EU-Ländern den größten handelsbereinigten CO2eq- Verbrauch in 2016, noch vor den USA und Hong Kong (Zhang etal., 2020, S. 1096f).

Der Vorstoß des EGDs und folglich tiefgreifende Reformen lassen die Interpretation zu, dass sich die EU über ihren maßgeblichen Anteil am WWS und autonome, wirtschaftliche Resi- lienz bewusst ist (Lippert, 2020). Darauf ruht die Annahme, dass die akuten, immensen Kosten der Umstellung und Investition auf Dauer kein Wettbewerbsnachteil bleiben. Sie sollen zu neuer Beschäftigung und nachhaltigem Konsum anregen sowie den EUBM als zukunftsorientierten, konkurrenzfähigen grünen Wirtschaftsraum im WWS umbauen (EC, 2021a). Damit sollen diese angestoßenen Entwicklungen auf die Nachbarregionen und substanzielle Teile des WWSs übertreten, damit der europäische Markt nicht allein nachhaltig wird.

Marktimperfektionen im WWS behindern die Funktionen von klimafreundlichen Institutionen, die auf Anreize für effiziente und dezentrale Marktmechanismen setzen. Kapitalismus untergrabende Tendenzen bestehen auch innerhalb der EU und setzen die Entscheidungsträger in Brüssel mit kurzfristigen Anreizen unter Druck. Dabei können Maßnahmen für den Klimaschutz kurzsichtig als wirtschaftsgefährdend erscheinen (Götze, 2021).

Märkte und deren Mechanismen können am besten wirken, wenn sie weitestgehend störungsfrei funktionieren. So bieten intakte Marktstrukturen institutionelle Gestaltungsspielräume, kapitalismusuntergrabende Tendenzen zu korrigieren, um die Effizienz von Angebot und Nachfrage für ein nachhaltiges Wirtschaften auszunutzen (Piketty, 2020, S. 1089ff). Wie diese Marktimperfektionen das Auslösen klimaförderlicher Spillover-Effekte auf das WWS von EUBM-Produktstandards beeinträchtigt, verdeutlicht der nächste Abschnitt.

2.3.2 Rentenstrukturen gefährden den globalen Einfluss des EUBMs

Der EUBM soll als großer Markt vor allem die Wettbewerbsfähigkeit im globalisierten Kapitalismus herstellen, indem er sich dank seines Absatzvolumens in Kombination mit seinem politischen Gewicht mit den USA, China oder Indien messen kann (Vogel, 1997, S. 557). Die einzelnen europäischen Staaten sind mit der Synergie des EUBM robuster gegen äußere Einflüsse, die eine alleinige nationale Entscheidungshoheit beeinträchtigen können. Durch weitere Marktregulierungen und finanzielle Ausgleichsmechanismen sind die EU-Staaten gegen Spillover-Effekte andererRegionenwiderstandsfähiger(Elsenhans, 2020b, S. 4f).

Das WWS funktioniert heute nicht nachhaltig, weder für das Klima (Ripple et al., 2020), noch für die kapitalistische Funktionalität. Der signifikante EUBM-Anteil am WWS gestaltet sich dynamisch in der Entwicklung der Globalisierung (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 23f). Er steht unter dem Druck von Klimaveränderungen, wachsendem Einfluss anderer Regionen und Marktimperfektionen, die von Rentiers ausgenutzt werden.

Die übermäßige Extraktion von Ressourcen, ein verschwenderischer Umgang von Wasser, das irreparable Einwirken auf Umweltgebiete und vor allem die andauernde, planetare Aufheizung durch historisch hohe CO2eq-Emissionen (IPCC, 2021) werden durch globale Konkurrenz um wirtschaftliche Ressourcen und kapitalismusschädliche Rentenstrukturen befeuert. Die Kostenexternalisierung von Umweltverschmutzung erscheint im bestehenden WWS als ökonomisch rentabel (Adam, 2015, S. 236). Ein globaler Druck zu niedrigen Angebotspreisen lässt im misstrauischen Gefangenendilemma21 der anonymen, globalisierten Konkurrenz hohe Umweltschutzauflagen und Arbeitsvorschriften als absolut kostensteigernden Wettbewerbsnachteil erscheinen (Elsenhans, 2021, S. 206).

Ein vorherrschend neoliberales Dogma im globalisierten Handel entkoppelt die Real- von der stark wachsenden Finanzwirtschaft (Adam, 2015, S. 469ff). Diese Wirtschaftsausrichtung erschwert notwendige Regulierungen, die den Umweltschutz ökonomisch einbeziehen (Stern & Valero, 2021), und untergräbt die kapitalistische Funktionsweise durch die Entstehung stark konzentrierter Vermögen, die sich in großen Teilen einem produktiven Wirtschaftskreislauf entziehen. Mit der spreizenden Einkommens- und Vermögensschere (Chancel et al., 2021, S. 4) „erleben wir eine Rückkehr zu einer Form des Neoproprietaris- mus“ (Piketty, 2020, S. 813), der politische Machtungleichheiten verschärfe und auch westliche Demokratien gefährde. Eine real sinkende Kaufkraft einer breiten Mittelschicht senkt ihre Nachfrage nach neuen, zunächst kostspieligen Gütern, die nachhaltige Technologien erschwinglich machen (Elsenhans, 2021, S. 54f). Die Wirkung klimaförderlicher Skaleneffekte wird beeinträchtigt.

Steigende ökonomische Ungleichheiten, schrumpfende Kapitalinvestitionen in die Realwirtschaft und das vermehrte Abschöpfen von Renten bei wirtschaftlichen Überschüssen unterminieren notwendige Investitionen für kapitalistischen Profit. Kapitalistische Stabilität beruhtjedoch auf steigenden Masseneinkommen, die als Basis einer hohen Nachfrage dazu anreizen, erwirtschaftete Überschüsse in die Entwicklung neuer Technologien zu investieren (Elsenhans, 2021, S. 55ff). Neoliberale Reformen, die Staatsinterventionen zurückfuhren, Finanzmärkte deregulierten, Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge veräußerten (Piketty, 2020, S. 632f) und mit Austeritätsmaßnahmen ein stark simplifiziertes Verständnis von Volkswirtschaft zementierten, warten nach einem IWF-Paper von Ostry et al. (2016) empirisch vergeblich auf unerfüllte Hoffnungen. Es gebe eindeutige Beweise dafür, dass der Rückbau öffentlicher Investitionen die ökonomischen Ungleichheiten arg verschärfe, was kapitalistisches Wachstum in seinem Ausmaß und aufDauer schade.

Das Engagement von Konzernen, ambitionierte Lieferkettengesetze zu verwässern (Laghai & Steiner, 2021), beruhen auf neoliberalen Befürchtungen, zu strikte Umweltstandards würden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft verringern. Diese proklamierte Sorge findet in der Empirie bei einer regulativen „Aufwärtsspirale in der Umweltpolitik“ (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 53) keinen Halt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit beruht nicht auf absoluten, sondern komparativen Kostenvorteilen (Elsenhans, 2020a, S. 160ff). Dazu findet der global attraktive Absatz auf dem EUBM gleichzeitig auf einer der strengsten regulierten Wirtschaftszonen (im Vergleich zu konkurrierenden Märkten wie den USA oder Australien) statt (Bradford, 2020, S. 53f).

Marktimperfektionen und Deregulierungen fördern Rentenstrukturen, die eine wachsende Nachfrage nach einer nachhaltigen Güterproduktion erschweren und eine wirksame Prävention der Klimakrise verhindern (Elsenhans, 2021, S. 37; Stern & Valero, 2021, S. 21f). Globales Phantomkapital22 (Damgaard et al., 2019) entzieht sich einem realwirtschaftlichen Nutzen und schmälert in Form von Steuervermeidung staatliche Investitionen. Die reichen westlichen Volkswirtschaften werden von armen, verschuldeten Regierungen geführt, die im Zuge von Steuerreformen und rückläufiger Interventionen ihre wirtschaftlichen Einfluss verringert haben (Chancel et al., 2021, S. 9ff). Rentiers bringen den Wirtschaftszyklus um immense Summen, zementieren damit Ungleichheiten und deren Konsequenzen. Im Zuge meritokratischer Erfolgsversprechen scheuen sich Steuersysteme davor, dieses brache Kapital milliardenschwerer Philanthropen zu reinvestieren (Piketty, 2020, S. 894; Saez & Zucman, 2021). Ökonomische Ungleichheiten spiegeln sich zudem in ihrem ökologischen Fußabdruck23 wider. Eine gleichere Gesellschaft kann den exzessiven CÖ2eq-Vebrauch einer immens wohlhabenden Minderheit (siehe Anhang 5) präventiv durch Vermögenssteuern einschränken, da ihre CÖ2eq-lastigen Konsumgewohnheiten von bisherigen Maßnahmen unverändert blieben. In Europa verbrauchen Personen des reichsten Zehntels mit deren Konsumverhalten fast sechsmal so viel CÖ2eq wie jemand aus der ärmeren Hälfte (Chancel et al., 2021, S. 10ff). Abgeschöpfte Renten verringern somit nicht nur eine gestalterische Prävention der Klimakrise, sondern verschärfen auch den Status Quo.

Kapitalistische Marktunvollkommenheiten in Form von Rentenstrukturen können durch stärkere, progressive Besteuerungen und Regulierungen eingedämmt werden (Piketty, 2020; UNCTAD, 2021, S. 66f). Das künftige Wachstum des EUBMs bei einer Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise könnte die öffentliche Gestaltungsfähigkeit stärken, um wirkungsvolle privatwirtschaftliche Investitionen anzuregen und sozialen Ausgleich zu wahren (Hepburn et al., 2020; Stern & Valero, 2021). Zudem stützt nach Wilkinson & Pickett (2012) die Förderung einer gleicheren Verteilung von Einkommen die Systemlegitimität und spart an ausbleibenden Folgekosten im öffentlichen Gesundheits- und Sicherheitswesen. Die europäischen Demokratien wie die EU-Örgane können wachstumsschädliche Austeritätsmaß- nahmen abschaffen und durch die institutionelle Bemächtigung einer breiten Arbeiterschaft eine weitere Konvergenz anstreben (Adam, 2015, S. 246ff; Elsenhans, 2020b, S. 6).

Die Erwartungen an eine EU-Mitgliedschaft sind an steigenden Wohlstand und ein höheres Sicherheitsempfinden geknüpft. Diese haben sich für viele (Briten) nicht gänzlich erfüllt - obwohl der absolute Wohlstand gestiegen ist, ist dessen individueller Zuwachs zunehmend ungleich verteilt (Piketty, 2020, S. 850ff, 992). Institutionelle Marktinterventionen im Sinne breiter Massen sind auf großen Märkten effektiver. Der EU läge es im Sinne einer weiteren internen Kohäsion daran, diese Tendenzen zu vertiefen (Elsenhans, 2020b, S. 4f), um von einer gesteigerten internen Harmonie zu profitieren. Nationalismus-Strömungen als eine Antwort auf eine gefühlt überfordernde Globalisierung gefährden den europäischen Zusammenhalt (Piketty, 2020, S. 689f) oder verringern wie im Falle des Brexits das Binnenmarktvolumen beträchtlich. Damit haben EU-Institutionen ein verringertes direktes Wirkgebiet und weniger gebündelten Einfluss über die europäischen Grenzen hinaus. Allerdings erlaubt der Austritt der marktliberalen Verhandlungspartei Großbritannien eine schnellere Kompro- missfmdung bei neuen Regulierungen in Brüssel (Bradford, 2020, S. 265f).

Strikte Standards für nachhaltige Produktionsverfahren sind das Ergebnis politischer Gestaltung. Kapitalistische Volkswirtschaften haben damit im Sinne des selbstbestimmten Umweltschutzes ein Interesse demokratische Prozesse zu vertiefen und Rentenstrukturen vorzubeugen (Elsenhans, 2020a, S. 155). Der Einfluss des EUBM auf das Weltgeschehen hängt von seiner Handelsmacht ab, die durch einen starken Verbrauchermarkt und ein beständiges Wachstum gekennzeichnet ist (Bradford, 2020, S. 27f). Da seine Wachstumsraten im Vergleich zu aufstrebenden Märkten sinken, kann die Ausrichtung auf ein „grünes Wachstum“ den europäischen Markt zukunftssicher leiten. Dabei besteht die eigentliche Herausforderung im Umbruch der abnehmenden, dezentralen Nachfrage von Privathaushalten hin zu einer gesteigerten Gemeingüternachfrage (Elsenhans, 2020a, S. 159ff). Hohe Absatzvolumen werden mit steigenden Umweltauflagen in Zukunft weniger von quantitativer, sondern von qualitativer Güterproduktion bestimmt (Elsenhans, 2021, S. 205f).

Abgeschöpfte Renten untergraben eine effektive staatliche Lenkung, unterdrücken steigende Masseneinkommen (Elsenhans, 2020a, S. 37) und verringern damit die weitreichende steuernde Wirkung der EUBM-Konsumkraft. Diese Arbeit erklärt im Folgenden, inwiefern Europas Produktstandards durch diverse Spillover-Effekte das WWS nachhaltiger machen. Basierend auf dem California-Effekt ist dafür der ausschlaggebende Faktor ein starker Markt mit einer signifikanten Güternachfrage. Eine deregulierte Abschöpfung von Renten gefährdet die künftige Fähigkeit des EUBM, seine Potenziale intern auszuschöpfen und extern weltweite Standards zu setzen.

3. Die funktionalen Spillover-Effekte von Produktstandards

Mit „Standards“ meint diese Arbeit fokussiert die legalen Anforderungen an vereinheitlichten Produkteigenschaften, die Waren erfüllen müssen, um auf dem EUBM angeboten zu werden. Diese „harmonisierte Normen“ (EC, 2021b) werden von den europäischen Normungsgremien verabschiedet. EUBM-Standards wirken regulativ für Bestandseigenschaften und koordinativ für eine anwendungsfreundliche Kompatibilität. Solange europäische Institutionen den Marktzugang von Produkten für die WTO nicht diskriminieren, können sie Produkte, die europäische Standards unterlaufen, vom Markt ausschließen sowie Sanktionen gegen Unternehmen erlassen (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 95).

Produktzertifizierungen von privatwirtschaftlichen oder politischen Organisationen zur Überprüfung der Standardkonformität (wie bei Bio-Lebensmitteln, Gebäudetechnik oder 25 nachhaltiger Agrarwirtschaft) und weitere Verfahren zur Zulassung von Waren (wie die Regulierung von Lebensmittelsicherheit oder Chemikalien) tragen - auch außerhalb Europas - zum Umweltschutz bei. Wenn die Wettbewerbsbedingungen durch eine institutionelle Steuerung24 für konventionelle und nachhaltig zertifizierte Waren ähnlich sind oder ein Aufpreis durch soziale Normen aufgewogen werden kann, steigt der Konsumanteil nachhaltiger Produkte auf einkommensstarken Märkten deutlich (Lambin & Thorlakson, 2018).

Technische Standards der EU, wie Vorschriften für Energieeffizienz, Gewährleistung oder Recycling, verringern die Entstehung von Elektroschrott und senken den Ressourcenbedarf (EC, 2021b). Standards erleichtern die Reparierbarkeit von Produkten, erlauben die Austauschbarkeit von Komponenten und erhöhen die allgemeine Erfahrung mit dem Umgang standardisierter Waren oder Verfahren. Eine strikte Auslegung eines Standards kannjedoch die Produktangebots- oder Technologievielfalt einschränken (Bradford, 2020, S. 54).

Standards für den EUBM gelten als probates Mittel zur Regulierung von Gütern und genießen mit dem europäischen Vorsorgeprinzip ein hohes Ansehen in der Bevölkerung (Müller- Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 15f; Rodrik, 2011, S. 196). Für die verfasste, liberale Marktauslegung sind gesetzliche Interventionen (mit Ausnahme für einige Bereiche des Agrarsektors) nicht vorgesehen. Daher bietet die Kompetenz zur Einführung von Schutzstandards einen probaten Vorteil für die EU-Organe, Standards zu verabschieden oder anzupassen und damit das Marktgeschehen durch Zugangsbestimmungen etwas zu steuern.

Effektive Standards sollten nach Vogel (1997) realistisch umsetzbar sein, nachvollziehbar kommuniziert sowie stringent auf dessen Einhaltung kontrolliert werden. Angemessene Sanktionen sollten Verstöße präventiv vermeiden können, aber im Falle durchsetzbar sein. Somit steigt der Druck auf die betroffenen Branchen und in den Wertschöpfungsketten, sich diesen Vorschriften anzupassen.

Der Marktzugang Europas ist ökonomisch gewichtig, die politische Durchsetzbarkeit von Sanktionen bei Verstößen durch die politischen Organe ist gegeben und europäische Produktstandards sind in zahlreichen Sprachen online einsehbar25. Damit gilt für Bradford (2020), dass EUBM-Standards den Druck zur Einhaltung auf die maßgeblichen Akteure entlang der Wertschöpfungsketten entfalten, was branchenübergreifend und über die Grenzen des Marktgebiets hinaus Spillover-Effekte ermöglicht.

Klimafreundliche Spillover-Effekte von EUBM-Standards reichen nicht allein, um die Menschheit vor der Klimakrise zu schützen. Paper betonen publikationsunabhängig und wissenschaftsübergreifend die Klimaschutzpotenziale einer CO2eq-Bepreisung. Durch den Preisanstieg von ehemals externalisierten Kosten sind nachhaltig hergestellte Produkte preislich auf den Märkten wettbewerbsfähiger (IPCC, 2021; Ripple et al., 2020).

Ein diskutierter CO2eq-Zoll an der EUBM-Außengrenze kann diesen Ansatz ebenfalls für außereuropäisch produzierte Güter forcieren, damit der ökonomische Preisanreiz abnimmt, klimaschädlich zu produzieren (UNCTAD, 2021, S. 113, 135). Weitere Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungsprojekte, Entwicklungszusammenarbeit sowie soziale Ausgleichmechanismen können regionale und soziale Verschärfungen im Prozess einer Wirtschaftstransformation abfedern (UNCTAD, 2021).

3.1 Produktstandards schaffen Spillover-Effekte für Politik und Wirtschaft

Wenn Produktstandards institutionalisiert werden, haben diese über ihre bloße Anwendung auf das Produkt hinaus eine disruptive Wirkung auf Wirtschaftsprozesse, um ihre Einhaltung zu gewährleisten (Ancygier, 2020). Als Beispiel dürfen Hühnereier für den Handel in der EU nicht gewaschen werden, um den natürlichen Schutz des Lebensmittels aufrechtzuerhalten. Sie sind damit ungekühlt transportierfähig und lagerbar, was Energie und Wassernutzung einspart. Darüber hinaus bergen Produktstandards eines starken Abnehmermarkts geographisch übergreifende Spillover-Effekte, die klimaschützende Auswirkungen und ein race to the top von Umweltregulierungen entfalten können (Vogel, 1997).

EUBM-Standards als legale Produktmindestanforderungen für den Marktzugang betreffen eine Vielzahl von Akteuren und Prozessen in Europa und darüber hinaus, wie Bradfords (2020) „Brüssel-Effekt“ ausarbeitet. Die Gesetzgebung der EU wirkt somit indirekt auf entfernte Wirtschaftsräume und setzt dank global verflochtener Handelsprozesse und einzigartiger Eigenschaften des EUBM Spillover-Effekte in Gang (siehe Abschnitt 4.2.1).

Produktstandards können zwar nicht direkt den exzessiven klimaschädlichen Konsum einer wohlhabenden Minderheit (Schmitt & Hauschild, 2022) einschränken, aber deren Ressourcenverschwendung nachhaltig verteuern. Durch Anreize für die Standardumsetzung müssen wirtschaftlich mehr Investitionen getätigt werden, was Profite der Firmen steigern kann und weniger Rentenabschöpfung zulässt (siehe 3.1.1). Standards allein können keine CO2eq-in- tensive Produktion ausschließen, es aber ökonomisch rentabel gestalten, Umweltaspekte bei der Produktion zu berücksichtigen. Dafür schwächen sie den globalen Druck, ab billige Preise auf Kosten der Umwelt zu erzielen. Standards verbieten nicht die Vernichtung wichtiger Umweltreservate, können mit Gütesiegeln aber gewisse Herstellverfahren und die Verwendung umweltschädlicher Inhaltsstoffe kurzfristig unwirtschaftlich machen (EC, 2022a, 2022b; Stewart et al., 2013, S. 297). Einige dieser Spillover-Effekte können damit Teile der Weltwirtschaft nachhaltiger funktionieren lassen.

Für Stern & Valero (2021) müssen dafür in einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem grundlegende Marktmechanismen funktionieren. Das gehe nicht ohne die adäquaten staatlichen Vorgaben, wie einen CO2eq-Preis, den Unternehmen für ihren Schadstoffausstoß bei der Produktion zahlen müssen. Höhere Standards haben ebenfalls Auswirkungen auf die Verbraucherpreise, die zunächst ansteigen und später aufgrund von Skaleneffekten fallen können, und die reale Kaufkraft der Konsumenten. Eine Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Legitimität politischer Systeme bleibt eine soziale Ausgewogenheit, besonders bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Schwellenländer (UNCTAD, 2021, S. 72). Finanzielle Umverteilungsmaßnahmen und Investitionen können kurzfristige Preissteigerungen abgefedert (Bretschneider & Burger, 2021, S. 24).

Standards für Qualität, Beschaffenheit und Umweltaspekte bieten einen pragmatischen Lösungsbeitrag gegen die Klimakrise, wenn sie eine nachhaltige Herstellung rentabler gestalten und weiterreichende Prozesse anstoßen können. Diese wirken in Teilen auf Basis internationalisierter Interdependenzen entlang der Wertschöpfungsketten (siehe 4.2).

3.1.1 Standards regen Investitionen an

Große Märkte wie der EUBM regen Innovationen an (Elsenhans, 2020b, S. 4f; Rodrik, 2011, S. 137). Die Harmonisierung der EU-Normen und deren negative Integration erwies sich als einer der Wachstumstreiber seit der Entstehung des EUBM. Seitdem wurden zunehmend Produktstandards und eine Ökodesignrichtlinie eingesetzt (EC, 2021b), die Firmen dazu verpflichtet, diese Mindeststandards umzusetzen - wofür Investitionen getätigt werden.

„Viele Unternehmen warten auf klare Signale der Politik, um Investitionen für die ökologische und digitale Transformation zu tätigen.“

Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin (Schmitt & Hauschild, 2022, S. 10)

Institutionalisierte Anforderungen auf einem Zielmarkt sind solche Signale und erfordern, dass sich Produkte und Herstellungsverfahren anpassen. Damit unter dem Druck niedriger Kosten und der Konkurrenz die Abnehmerpreise pro angepasste Einheit nicht zum Wettbewerbsnachteil werden, rechnet es sich, die getroffenen Investitionen auf so viele Einheiten wie möglich anzuwenden - wie auf Produktionsmengen, die auch für einen anderen Markt mit ggf. niedrigeren Standards bestimmt sind (Bradford, 2020, S. 61). Ein vermeintlicher

Wettbewerbsnachteil aufgrund zu strikter Vorschriften besteht somit nicht mehr, wenn alle Marktteilnehmer dazu angeregt werden, diese Investitionen zu tragen. Es kommt vermehrt zu einer angewandten Harmonisierung von Standards, um Kosten zu sparen.

Ein Standard kann darüber hinaus den Wettbewerb um die effizienteste Umsetzung anstoßen und dabei entwickelte Pioniertechnologien als Exportprodukt zum Verkauf entstehen lassen (Sommerer, 2011, S. 74, 143; Stern&Valero, 2021, S. 14).

Das race to the top beschreibt das Phänomen von einer steigenden Umweltgesetzgebung auf Konkurrenzmärkten (Sommerer, 2011, S. 203). Dies bewegt die global agierenden Firmen dazu, für die Umsetzung von Skaleneffekten den striktesten Standard zu berücksichtigen und damit international zu harmonisieren, um F&E Kosten nicht ständig oder kleinteilig anzupassen (Bradford, 2020, S. 59). Dadurch besteht ebenfalls ein Anreiz, künftig zu erwartende Standardanhebung zu übertreffen, um potenzielle zeitorientierte Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu erleichtern (Sommerer, 2011, S. 199f). Die häufiger angewandte Standardharmonisierung erhöht das Erwarten weiterer Standards für die Industrie. Frühe Investitionen können als Lerneffekte Wettbewerbsvorteile in der Zukunft sichern.

Steigende Standards können durch den Anreiz neuer Investitionen das Wirtschaftswachstum für Volkswirtschaften und den Wettbewerb um zukunftsfähige Technologien beflügeln. Der Niedrigpreisdruck entfällt damit kurzfristig und pendelt sich auf einem höheren Niveau ein, bis sich die Investitionen im Massenabsatz amortisiert haben und realisierte Skaleneffekte die Konsumpreise senken. Zunächst höhere Produktionskosten durch zu tätigende Investitionen sind damit kein Wettbewerbsnachteil mehr, da sie alle Konkurrenten tätigen müssen, um ihren Marktanteil zu sichern (Elsenhans, 2021, S. 205). US-Digitalunternehmen erkennen bspw. die Umsetzung des europäischen Datenschutzgesetzes als umfassende Investition, die sich gelohnt habe (Michaels, 2018). Die strikteren EU-Datenschutzrichtlinien werden seitdem freiwillig auch in den USA umgesetzt (Hadjiyianni, 2021, S. 245). Ohnehin sind für Firmen mit zunehmender Größe die Umsetzungskosten strengerer Vorschriften abnehmend gering. Ein aktuelles Beispiel dafür ist, wie ein weitaus strikteres Lieferkettengesetz kaum ein kostensignifikanter Wettbewerbsnachteil für Großkonzerne wäre. Diese Vorschriften würden einen geschätzten Jahresumsatzanteil von 0,005% bis 0,074% beanspruchen (Laghai & Steiner, 2021; Smit et al., 2021, S. 427f).

Langfristig erweisen sich durch die Standardeinführung angestoßene (frühe) Investitionen als Basis für späteren Profit. Diese quasi-Verpflichtung zu investieren schmälert den potenziellen Überschussanteil zur Abschöpfung von Renten (Elsenhans, 2020a, S. 157f). Die Förderung von F&E für nachhaltige Technologien muss sich für die Klimaziele ohnehin weiter beschleunigen (Hepbum et al., 2020, S. 7). Da kapitalistische Profite auf Investitionen beruhen, können Standards eine marktkorrigierende Wirkung entfalten.

Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltige Produktion sind bei der Bekämpfung der Klimakrise unerlässlich (Hepburn et al., 2020). Rein ökonomisch betrachtet, wachsen die Opportunitätskosten, zögerlich und sparsam in Reformen zu investieren. Sollten ineffektive und unausreichende Maßnahmen ergriffen werden, wird erwartet, dass die Kosten der Konsequenzbewältigung der Klimakrise um ein Unschätzbares höher sind als ihre gesteuerte Prävention (EEA, 2022). Zudem bietet eine institutionelle Umstrukturierung der Märkte ein enormes Wachstumspotenzial und ein mögliches Beschäftigungsprogramm, das die Vorreiterrolle der EU als Klimaschützerin zukunftsfest sichern kann (D’Aprile et al., 2020, S. 189; Hepburn et al., 2020, S. 16f). Steigende Standards können diese öffentlichen Maßnahmen mit privatwirtschaftlichen Investitionen begleiten, ohne diese Mehrkosten einen Wettbewerbsnachteil werden zu lassen. Sie dienen daher vordergründig dem Verbraucherschutz, lösen Investitionen aus und entfalten eine marktkorrigierende Wirkung.

3.1.2 Standards schaffenVerlässlichkeit

Die Harmonisierung von Normen ist für den EUBM intern ein Katalysator für beständiges Wachstum. Marktteilnehmer können sich somit auf faire Wettbewerbsregeln, die verlässlich durchgesetzt werden, verlassen (Bradford, 2020, S. 242). Das Vertrauen in große stabile Märkte erlaubt Investitionen und niedrigere Zinsen. Standards, die realistisch umsetzbar eingeführt und sensibel angepasst werden, können zu politikwirtschaftlicher Verlässlichkeit und gestalterischem Vertrauen der Institutionen beitragen.

„Wir würden es sehr begrüßen, wenn ein Gesetz beschlossen würde, das einen höhe- ren Standard bei der Tierhaltung verpflichtend vorschreibt, am besten EU-weit.“ Philipp Skorning, Chefeinkäufer Aldi Süd (Kopatz, 2019, S. 14)

Wäre klimafreundliche Produktion Standard, würde das Scheinargument von vermeintlicher Umweltvernachlässigung als Kostenvorteil obsolet. Das Gefangenendilemma greift nicht mehr und das Ausspielen von Marktunvollkommenheiten wird schwieriger. Befürchtete kurzsichtige Einbußen der individuellen Wettbewerbsfähigkeit wegen eines Kostendrucks der billigen Konkurrenz dienten aus, wenn Standards ein level playing field[26] mit gleichen Spielregeln für alle Wettbewerber schafften (Bradford, 2020, S. 242). Mit einer gewährleisteten Einhaltung verringern Standards großer Märkte den Druck niedriger Angebotspreise für einzelne Betriebe. Sie begünstigen einen nachhaltigeren Handel, der nun kein freiwilliges Marketing, sondern bereits integrierte Grundvoraussetzung eines Marktzugangs ist.

Die Globalisierung prägt eine beschleunigte, wachsende, grenzüberschreitende Vernetzung von Menschen und Politikfeldern, die in Teilen parallel mit einem schleichenden „Verlust an Handlungs-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten einhergeht“ (Tuschhoff, 2015, S. 238). Mindest- und Maximalstandards regeln Bestandsvorschriften für einen Markt. Bei konsequenter Durchsetzung kann sich das Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl einer Bevölkerung erhöhen, die sich auf eine gewisse Qualität verlassen kann und eine tiefe Abwägung beim Konsum nicht selbst treffen muss (EC, 2022a). Generell befürwortet die Mehrheit der europäischen Bevölkerung solche Marktinterventionen, um die eigene Autonomie im Druck unübersichtlicher Wirtschaftsprozesse zu wahren. Institutionelle Steuerung als Schutz fördert zudem die Legitimität der EU-Organe und deren internationale Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Klimakrise (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 15f).

Transparente Standards können die Zukunftsplanung von Betrieben erleichtern, indem sie bspw. eine technologische Pfadabhängigkeit vorgeben. Normen für Digitales erlauben Investitionen in eine absehbar vorgegebene Technologie, wie den 5G-Standard in der Kommunikationsbranche (Bradford, 2020, S. 88f; Finke, 2022). Wenn gewisse Maximalgrenzen an Schadstoffanteilen mit den Jahren gesenkt werden, kann sich die Industrie frühzeitig auf bereits bekannte Vorgaben einstellen, Alternativen erforschen und den Produktionsprozess anpassen. Das Vertrauen in offizielle Vorgaben und wirksame Sanktionen erleichtern frühe Investition und fördern nachhaltiges Wirtschaften. Ferner können Steueranreize und Subventionen das Vertrauen in Interventionen stärken, Kapitalkosten senken und unternehmerisches Risiko reduzieren (Stern & Valero, 2021, S. 22).

Vereinheitlichte Standards senken durch ihre angewandte Harmonisierung internationale Transaktionskosten (Rodrik, 2011, S. 20). Damit steigt die Rentabilität eines einheitlichen Massenprodukts. Standards können ebenfalls volatiles Handeln an Börsen und Finanzmärkten beruhigen, wenn ein erkennbarer Pfad geebnet ist. Wenn feststeht, dass gewisse Verfahren oder Energiequellen in der Zukunft abnehmend genutzt werden dürfen, können Spekulationen mit umweltschädlichen Waren seltener auftreten und sich Konsumpreise eher stetig als abrupt entwickeln (Piketty, 2020, S. 806f, 1082f). Vorausplanende Standards erlauben einen langfristigeren Blick auf nachhaltige Gewinnchancen.

Sie haben ebenfalls Auswirkungen auf eine Kaufentscheidung. Bei zwei scheinbar ähnlichen Endprodukten entscheidet sich der Konsument in der Regel für das günstigere Produkt. Das gilt vor allem, wenn deren Unterschiede nicht ausreichend erkennbar sind, diese die individuelle Präferenz nicht ausreichend beeinflussen oder der Aufpreis monetär nicht zu stemmen ist. Nachhaltige, zertifizierte Fair Trade Waren, die im Endkonsum generell teurer sind, erreichen weltweit einen Marktanteil von unter einem Promille (Dohmen, 2021, S. 122). Die Berücksichtigung des international striktesten Standards gewährleistet die Einhaltung der meisten Regularien darunter, macht den Handel kosteneffektiver (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 99) und erleichtert ethischeres Wirtschaften ökonomisch (EC, 2022b). Institutionalisierte Anforderungen an einen nachhaltigen Herstellungsprozess steigern den Marktanteil ethischerer Waren, der eine größere, skalierte Produktionsmenge verlangt, die mit der Zeit kostengünstiger wird (siehe 2.2.1). Standards fördern nachhaltige Konsumentscheidungen.

3.1.3 Standards vereinen Akteurinteressen

Man kann den Planeten Erde, die Umwelt und seine Ressourcen als Basis für Handel als gigantisches Allmendegut27 betrachten: Alle Parteien profitieren langfristig von einem schonenden Umgang, jedoch besteht in einem globalen Konkurrenzwettbewerb ohne konkrete Kontrollmechanismen der Anreiz, sich individuell übermäßig selbst zu versorgen (Urpelainen, 2011, S. 171). Die wirtschaftlichen und politischen Interessen verschiedener Akteure sind nicht deckungsgleich und unterliegen systemimmanenten Zwängen. Standards haben das Potenzial diese annähern zu können und Synergien zu schaffen.

„Kein Unternehmen ist schwerer und misslicher als der Versuch, eine neue Ordnung zu schaffen. Der Reformer hat alle zum Feind, die von der alten Ordnung profitierten, und nur lauwarme Verteidiger unter denen, die Gewinn aus dem Neuen ziehen könnten.“ Niccolo Machiavelli (Kopatz, 2019, S. 233)

Der folgende Abschnitt zählt die bestehenden Hauptanreize für die maßgeblichen Akteure auf, deren Interessen individuell ökonomisch zwar zuwiderlaufen, sich durch Standards aber annähern lassen. Die Absätze tragen zur Übersicht der Punkte kurze Überschriften.

- Zivilbevölkerung

Die Menschen gehen individuell ihrem Leben nach und haben als Zivilgesellschaft kumuliert Auswirkungen auf das Klima. Allerdings unterliegen privaten Entscheidungen ökonomische Anreize, gegen das kollektive Interesse einer bewohnbaren Umwelt zu handeln. So arbeiten Menschen für Firmen, deren Handlungen die Umwelt belasten, weil sie primär ein finanzielles Auskommen und damit verbundene Freiheiten genießen möchten. Trotz eines Gefühls, großen Konzernen in der Globalisierung ausgeliefert zu sein (Tuschhoff, 2015, S. 238), sollen nach neoliberaler Lesart die Konsumenten über ihr vereinzeltes Kaufverhalten für eine klimafreundlichere Nachfrage sorgen, die sich folglich im Angebot widerspiegeln würde. Allerdings bleibt eine Systemfrage nicht adäquat durch dezentrales Konsumverhalten zu beantworten, das ständig von Werbung und Lobbykampagnen beeinflusst wird (Elsenhans, 2020a, S. 162). Politisches Engagement ist wirksamer als privater Konsumverzicht (Delacote, 2009). Moralische Appelle demotivieren ambitioniertes Verhalten, ändern aber nicht die eigene Routine. Menschliche Handlungen ändern sich nicht allein durch Einsicht (Palm et al., 2020), sondern durch äußere Umstände, die eine richtige oder gute Entscheidung erleichtert (Font Vivanco et al., 2016, S. 119f). Steigende Produktstandards können den Marktanteil der nachhaltigen Waren oder klimafreundlichen Produktionsverfahren ansteigen lassen (D’Aprile et al., 2020, S. 37). So können Kunden sich auf ein ruhiges Gewissen verlassen. Standards stärken zudem die empfundene Qualität von Waren und erhöhen das Vertrauen in Regulierungen (EC, 2022a; Liedtke et al., 2020, S. 20). Die schützende Membran des EUBMs steigert die Popularität europäischer Produktstandards bei den Verbrauchern gegen die Macht internationaler Konzerne (Peltier, 2021).

- Staat und Politik

Gewählte Politiker haben den Anreiz, in der Legislaturperiode ihre Agenda durchzubringen und wiedergewählt zu werden. Unliebsame Gesetzesvorhaben oder schwierig zu vermittelnde Projekte gilt es dabei zu vermeiden, um öffentlich nicht in Ungnade zu fallen. Wenn große Reformen anstehen, kann die Skepsis von Interessensverbänden, organisierter Meinungsmache und großen Teilen der Bevölkerung aufkommen. Ein Beispiel ein flächendeckendes, deutsches Tempolimit, von dem Umwelt, Verkehrsfluss und Sicherheit profitieren. Die Emotionalisierung des Themas macht es heikel, demokratisch rationale Mehrheiten für dessen Umsetzung entgegen der Interessensverbände zu mobilisieren (Jensen, 2021). Standards wiederum sind als probates Mittel für den Verbraucherschutz etabliert. Sie entlasten das Gewissen der Bürger, sind effektiv und genießen eine hohe Akzeptanz (EC, 2022a). Zudem sind sie für alle verpflichtend und benachteiligen in einem großen Wirtschaftsraum ökonomisch kaum einzelne Hersteller, sobald sie in Kraft treten. Auf europäischer Ebene bieten Standards den nationalen Politikern Schutz, auf die höhere Schutzinstanz zu verweisen, da europaweite Produktionsvorschriften nicht mehr regional als Wettbewerbsnachteil eine Wiederwahl gefährden können. Das europäische Vorsorgeprinzip findet ohnehin ideologisch parteiübergreifende Unterstützer für den Verbraucherschutz (Bradford, 2020, S. 41).

- Umweltschutzorganisationen

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) setzen sich im Rahmen des ideologischen Umweltschutzes ohnehin für die Durchsetzung höherer Standards ein. Sie tragen einen maßgeblichen Anteil zum Agenda Setting[28] bei, wenn sie die drängende Priorität von Klimaschutz verständlich öffentlich zugänglich machen und nicht extrem von der Bevölkerungsmeinung abweichen (Elsenhans, 2020a, S. 163). Ihre Klimaschutzambitionen profitieren davon, wenn der Preisdruck als zentrales Argument ihrer Gegenspieler abschwächt, denn die Interessensvertreter der multinationalen Konzerne verfügen über mehr Ressourcen (Tuschhoff, 2015, S. 213f). Höhere Standards auf einem größeren Marktgebiet zu etablieren liegt dann im Interesse derbeiden Akteure (Hadjiyianni, 2021, S. 257).

- Industrie und Wirtschaftsverbände

Akteure der Industrie sehen sich in neoliberalem Wettbewerb benachteiligt, institutionell hohen Auflagen zu folgen und bei deren Umsetzung in neuen Wettbewerb gegen günstigere Konkurrenz zu geraten. Wirtschaftsvertreter lobbyieren daher vor diesem Hintergrund zunächst gegen die Einführung strikterer Standards. Gerne verweisen Loobyisten auf die Einführung freiwilliger Standards (Laghai & Steiner, 2021) oder nutzen Kampagnen zum Greenwashing (EC, 2022b). Eine androhende Einführung von Standards wiederum erübrigt das Argument der Wettbewerbsverzerrung. So engagieret sich die Industrie nun dafür, dass ein levelplayingfield auf einem großem Wirtschaftsraum hergestellt wird (Bradford, 2020, S. 121'). Die Anhäufung nationaler und regionaler Vorgaben erschwert zudem das Ausweichen minderwertiger Produktionen und regen zu einer großflächigen Standardvereinheitlichung an. Diese Harmonisierung gewährleistet eine logistische Übersichtlichkeit und wird von exportorientierten Unternehmen aufgrund von Skaleneffekten bevorzugt (Dohmen, 2021, S. 146). So hemmen Normen das Policy-Interesse von Konzernen, internationalen Wettbewerb als Argument gegen die Umsetzung strikterer Vorschriften anzusehen.

Wenn die Einführung von Standards beschlossen ist, nähern sich die Interessen der augenscheinlich gegenüberstehenden Akteure durch systeminhärente Anreize allmählich an. Sobald Standards diesen „kritischen“ Schwellenwert erreichen, dem sich die Industrie nun beugen und nicht mehr kurzfristig bekämpfen muss, wird sich diese darum bemühen, das internationale Spielfeld zu ebnen und sich für die Umsetzung der strikten Inlandsstandards auf demjeweils höheren Markt einsetzen (Bradford, 2020, S. 212, 253; Tuschhoff, 2015, S. 225). Als sich die deutsche Autoindustrie in den 80er Jahren in der Europapolitik an der Seite von Umweltschutzverbänden für die Einführung von strikteren US-Emissionsstan- dards engagierte, geschah dies nicht (nur) aus Umweltbewusstsein. Sie setzte diese - im Unterschied zur italienischen oder französischen Konkurrenz - bereits für ihren Export nach Kalifornien in der Produktion um und konnte diese getätigte Investition nun als zeitlichen Vorteil ausspielen. Zu diesem Zeitpunkt war Kalifornien, mit den strengsten Abgasnormen der USA, Abnehmer für gut die Hälfte der deutschen Autoexporte in den Vereinigten Staaten (Vogel, 1997, S. 562). Aus ähnlichen Gründen plädiert der stellvertretende BDI Hauptgeschäftsführer Lösch heute für einheitliche CO2eq-Preise auf anderen Märkten wie China und den USA beim Handel mit dem EUBM. So müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, weil die Emissionsabgaben dort geringer seien. So soll es „zu einer vergleichbaren Wettbewerbssituation zu Deutschland und Europa kommen“ (Joachim, 2022).

Die wirtschaftlichen Interessen von Zivilgesellschaft (für Verbrauchersicherheit), NGOs (für Umweltschutz) und Wirtschaft (für gleiche Wettbewerbsbedingungen auf internationalen Märkten) bilden dank Standards eine Symbiose, die die Reichweite und das Ausmaß von klimafreundlichen Spillover-Effekten erhöhen kann. Zudem können Politiker, vor allem in Europa, für den Verbraucherschutz argumentieren und sich auf deren hohe Akzeptanz stützen. Für die Industrie können Standards als Brille gegen eine kurzsichtig irrationale Angst vor Investitionen die Aussicht auf künftige Profite korrigieren. Hersteller in Drittländern können allmählich von einer angeeigneten Gleichgültigkeit befreit werden und nun gewissenhafter wirtschaften, ohne um ihr Brot auf Kosten der Umwelt zu fürchten. Eine beschlossene Einführung eines Standards findet damit zustimmende Mehrheiten, die ihn stützen und den Anreiz haben, sein Wirkgebiet zu vergrößern.

3.2 EU-Standards führen zu Anreizen in klimarelevanten Bereichen

Die Organe der EU besitzen weder umfassende Kompetenzen zur Gestaltung von Marktinterventionen, noch die Fähigkeit der Besteuerung oder direkte Instrumente sozialer Ausgleichsmechanismen, die ihre Mitgliedsstaaten unterschiedlich institutionalisieren (Piketty, 2020, S. 689f, 809). Für die EK bilden Produktstandards, die den Marktzugang ihres Schutzbereichs regeln, daher eine wirkungsvolle Gestaltungkompetenz mit Blick auf das Marktgeschehen und den Umweltschutz (Bradford, 2020, S. 102).

Der Binnenmarkt institutionalisiert sich mit dem Vorsorgeprinzip und geht für Warenstandards „in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus“ (AEUV 114 Abs. 3). Dies bietet eine rechtliche Begründung gegen Diskriminierungsbestreben von Herstellern vor der WTO. Solange EUBM-Standards als präventive Maßnahme nachvollziehbar, verhältnismäßig angewandt und als erforderlich begründet werden, können Waren dem Marktzugang verwehrt und Hersteller sanktioniert werden (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 118f).

EUBM-Standards senken den Ressourcen- und Energieverbrauch für dessen Mitgliedstaaten und haben so bereits Auswirkungen auf das globale Klima (Lippert, 2020). Die quantitative Studie von Sommerer (2011) weist für die Zeitspanne von 1970 bis 2005 auf, dass Standards der EU weitreichende Folgen für die umweltpolitische Gesetzgebung von Nichtmitgliedstaaten aufweisen. Begrenzt kann man davon ausgehen, dass Produktstandards und die Umweltgesetzgebung der EU, Teile des WWS nachhaltiger funktionieren lassen, obwohl eine generell nachhaltig transformierte Weltwirtschaftsweise bislang auf sich warten lässt.

Europäische Standards mit Blick auf Lieferkettenvorschriften zur COLeq-Vermeidung können größere, multinationale Konzerne eher zu umweltfreundlicherem Handel bewegen als die Vorschriften einzelner Nationen: Ein striktes europäisches Lieferkettengesetz für Transparenz und zur Qualitätswahrung der Importe kann umweltverträgliches Handeln großer Konzerne auf den Weg bringen (Smit et al., 2020).

Ein Fünftel der globalen CO?eq-Emissionen gehen auf die Lieferketten multinationaler Konzerne zurück. Diese investieren zunehmend mehr in Entwicklungs- als in entwickelte Länder. Die Produktion in Regionen mit niedrigen Umweltstandards führt zu einem weltweit effektiv höheren CO?eq-Ausstoß (Zhang et al., 2020, S. 1096, 1100). Ein Klimazoll kann laut Nordhaus (2015) für die externalisierten Kosten bei günstiger produzierten Waren außerhalb der EU ein levelplaying field auf dem EUBM errichten und die Auslagerung von Umweltfolgekosten weniger rentabel machen. Dieser könnte, ähnlich wie Standards, den globalisierten Druck zu niedrigstmöglichen Kosten zu produzieren, aufweichen.

Europäische Normen beleben den Zertifizierungswettbewerb privater Audit-Firmen und die Einhaltung freiwilliger Standards in einigen Industriezweigen, wie der Papier-, Kaffee- oder Kakaoproduktion (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 370, 378). EUBM-Standards ermöglichen damit als eine Form der Regulierung die Basis für Spillover-Effekte auf geographisch entfernte Territorien. Sie können, begleitet von weiteren Maßnahmen, die Handelslogik und Anreize so umgestalten, dass eine klimafreundliche Produktion wirtschaftlicher ist. Welche

Bereiche gerade das Klima besonders schädigen, und wie Produktstandards dort einen Beitrag hin zu einer klimafreundlichen Handelsweise leisten könnte, zeigt dieser Abschnitt.

3.2.1 Energie sparen und Gebäudeemissionen senken durch Standards

Der aktuelle Bericht des Weltklimarats erklärt, dass den Bereichen die Emissionen schneller gesenkt und kompensiert werden sollten, die das Klima besonders belasten (IPCC, 2021, S. 36f). Dafür reicht es nicht, als Verbraucher die Steckdosenleiste nach dem Gebrauch auszuschalten. Es benötige eine politische Gestaltung und Ambitionen von Unternehmen, um den immensen Verbrauch der Industrie und die Förderung fossiler Energie als ökonomisch obsolet zu gestalten (Mrasek, 2021). Größter Emittent von Treibhausgasen ist die Energiewirtschaft. Der Stromverbrauch wird in Zukunft durch die Elektrisierung des Verkehrs steigen, weshalb neben der Effizienz des einzelnen Maschinenverbrauchs die Zusammensetzung des Energiemix entscheidend wird (D’Aprile et al., 2020, S. 10).

Energieeffizienzstandards der EU senken die Stromkostenrechnungen der Verbraucher und gestalten die Nutzung von Elektrogeräten umweltverträglicher (EC, 2021b). Wo der Stromverbrauch bei Hausgeräten früher 30 Watt im Standby-Modus verbrauchte, wurde der Grenzwert auf 1 Watt festgelegt (Kopatz, 2019, S. 14). Die neue Herstellungsmethoden brachten weitreichenden Fortschritt und machten effizientere Geräte massentauglich verfügbar, sodass die meisten Endgeräte weltweit mit der Zeit von der neuen Technologie profitieren und damit durch den europäischen Standard weniger Energie verbrauchen.

Bis 2030 kann eine institutionell gestaltete Energietransformation Europas Emissionen um fast zwei Drittel senken (D’Aprile et al., 2020, S. 18ff). Dafür sind öffentliche Subventionen und privatwirtschaftliche Investitionen ausschlaggebend, die u.a. durch Standardanhebungen ausgelöst werden können (siehe 3.1.1). Der steigende Ausbau von Wind- und Solarenergie ist neben staatlichem Handeln über Gebäudestandards zu beschleunigen (Jensen, 2021). Das „Montreal Protocol“ machte das FCKW[28]-Verbot zum Standard für den EUBM. Damit wurde untersagt, Produkte herzustellen oder zu vertreiben, die Ozonschichtschädigende FCKW beinhalten. Diese Regulierung trägt durch die Rückbildung des Ozonlochs seit deren Umsetzung zum Klimaschutz bei. Ohne diesen Standard würde nach Young et al. (2021) die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts um weitere 0,5 bis 1 Grad steigen. Dieser Standard wurde nicht unilateral für den EUBM, sondern zeitgleich auf dem amerikanischen Markt eingeführt. Mit beiden Märkten waren deren kumulierte Zugangsvorschriften bei dem Inhaltsstoffverbot besonders schwierig auszuweichen. Die internationale Suche nach —

[28] FCKW ist die gängige Abkürzung von „Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe“ (Young et al., 2021, S. 384). 37

Alternativen und Investitionen wurde so vorangetrieben (Tuschhoff, 2015, S. 215ff). Wenn die Verwendung klimaschädlicher Inhaltsstoffe im EUBM (und weitere Märkte) über Standards begrenzt wird, hat dies globale Auswirkungen aufLieferketten und Produktion.

Im Gebäudesektor können Standards die Energieeffizienz sowie die Emissionsintensivität von Errichtungsprozessen und der Materialzusammensetzung beeinflussen. Vorschriften können Betonrecycling und die Förderung alternativer Baustoffe beschleunigen (Mrasek, 2021). Standards für Neubauten können gegen den steigenden Energieverbrauch zertifizierte Wärmedämmung vorschreiben (D’Aprile et al., 2020, S. 117ff). Eine Solaranlagenpflicht ab gewisser Gebäudegröße und bei Gewerbebauten werden aktuell von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag angestrebt (Wörrle, 2022). EU-Standards für Solaranlagen setzen auf die Recyclingfähigkeit neuer Panels. Dessen Materialwiederverwertung wird damit zunehmend günstiger (PVCycle, 2021). Standards bedeutender Märkte senken folglich die Preise und Klimaschäden der nachhaltigen Energiegewinnung (Gillingham & Stock, 2018).

Der EGD sieht ein umfangreiches Sanierungsprogramm veralteter Gebäude vor (EC, 2021a). Eine steigende Nachfrage und striktere Standards können Batteriespeicher für Privathaushalte - begleitet von Subventionen - signifikant vergünstigen und effizienter gestalten. Ölheizungen und Kohleöfen können bei Renovierungen oder Neubauten wie die Inhaltsstoffe FCKW verboten werden (D’Aprile et al., 2020, S. 76). Vorschriften zur Installation für zentrale Heizsysteme mit künstlicher Intelligenz senken die Klimafolgen privater Haushalte (Font Vivanco et al., 2016, S. 119). Die Parkplatzvorschrift als Flächenversieglung beim Häuserbau ist politisch gestaltet und kann zeitgemäß angepasst werden. Institutionelle Anreize können effizienzbedingte Renovierungen anstoßen und das Wachstum antreiben (Hepburn et al., 2020, S. 13). Die Preise neuer Technologien senken damit aufDauer.

„Der Schlüssel zur künftigen Emissionsreduktion liegt in der Verfügbarkeit von preiswerten Alternativen zur Fossilenergie, die kaum CO2 benötigen“ (Gillingham & Stock, 2018, S. 62). Klare Produktstandards und international harmonisierte Verpflichtungen erlauben einen leichteren Übergang hin zu erneuerbaren Technologien (D’Aprile et al., 2020, S. 37). Aufbauend auf einer standardmäßigen Solarpflicht in Deutschland kann dies EU-weit die globalen Spillover-Effekte der deutschen Energiewende erneut entfachen: Europa kann die globale Technologieentwicklung mitbeeinflussen, einen umsatzstarken Markt für deren Massenproduktion schaffen und durch deren Nachfrage den europäischen Regulierungsrahmen in Form von Standards exportieren (Bradford, 2020, S. 36f). Subventionen, Ausgleichsmechanismen und steuerliche Anreize in Verbindung mit Entwicklungszusammenarbeit können die Zunahme erneuerbarer Energien innerhalb und außerhalb Europas beschleunigen (IMF, 2021). Zudem löse sich der Kontinent von der Abhängigkeit fossiler Energie (D’Aprile et al., 2020, S. 29) und deren teils autokratischer Produzenten, was die Glaubwürdigkeit der europäischen Werte für die Rolle eines Klimavorreiters unterstützt (Müller-Brandeck- Bocquet et al., 2018, S. 9).

„Alles hat seinen Preis, besonders die Dinge, die nichts kosten.“ Art van Rheyn, niederrheinischer Dichter und Aphoristiker

Mit der Einführung höherer CO2eq-Preise (Ripple et al., 2020, S. 11) würde nachhaltige Energie abermals billiger, da Fossilenergie ihre Folgekosten externalisiert. Neben intensiver Investitionen kann die Internalisierung von CO2eq-Emissionen die Entwicklung nachhaltiger Zukunftstechnologien vorantreiben (Gillingham & Stock, 2018, S. 66). Standards haben keine Auswirkung auf die Zusammensetzung des Energiemix‘. Sie setzen jedoch Anreize für die Endnutzung. Wenn für den EUBM standardmäßig eine Emissions-Kennzeichnungspflicht für Waren eingeführt würde, wird die Verbraucherentscheidung transparenter. Darauf aufbauend kann eine allmählich ansteigende CO2eq-Bepreisung nachhaltiges Produzieren wettbewerbsfähiger machen und umweltfreundliche Waren aus ihrer Nischenrolle (Dohmen, 2021, S. 122) holen. Waren, die auf dem EUBM gehandelt oder importiert werden, müssen dieser Vorschrift unterliegen, was durch einen debattierten Klimazoll umgesetzt werden kann. Deren Umsetzung bietet weltweit Zulieferern für den EUBM den Anreiz, ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten, um bestehende Absatzmarkt- und Lieferbeziehungen nicht zu verlieren (D’Aprile et al., 2020, S. 40; UNCTAD, 2021, S. 135, 156). Dabei empfiehlt sich eine gestaffelte Erhöhung des CO2eq-Preises, um Wechselkurs bedingt günstigere Produzenten weiterhin an den EUBM zu binden. Somit bestünde global weniger der Anreiz für multinationale Konzerne, ihre Produktion in Länder mit geringen Klimastandards zu verlegen, wenn diese umfangreiche Handelsbeziehungen zum EUBM unterhalten.

Standards wie die europäische Solarpanel-Recyclingrichtlinien (PVCycle, 2021) und Ökodesign-Anforderungen (EC, 2021b) erhöhen die Wiederverwertbarkeit von Produkten. Sie geben Impulse für Energieeffizienz und führen zu Investitionen in die F&E neuer Technologien (Stern & Valero, 2021, S. 191'). Standards entfalten bei Produktvorgaben wie bei Infrastruktur- und Gebäudevorschriften, weitreichende Auswirkungen für eine nachhaltige Entwicklung des Energiesektors, wenn sie von weiteren Maßnahmen begleitet werden.

3.2.2 Vorschriften für Verkehr und Logistik

Der Transportsektor verursachte 2017 mehr als ein Fünftel der CO2eq-Emissionen in Europa (D’Aprile et al., 2020, S. 97). Emissionsstandards bilden die Wiege des California-Effekts nach Vogel (1997) und haben Auswirkung auf die direkte Umluft und das Globalklima. Zudem verringern diese den Schadstoffanteil in der Luft und wirken präventiv gegen steigende gesellschaftliche Gesundheitskosten (D’Aprile et al., 2020, S. 101). Diese Effizienzvorschriften betreffen die globale Wertschöpfungsketten in ihrer Produktionsweise. Das race to the top machte diese Produktvorschriften mit der Zeit strenger, was den Nutzungsausstoß klimaschädlicher Gase signifikant reduzierte. Steigende Emissionsstandards sind ein Baustein zu einer nachhaltigeren Weltwirtschaft (D’Aprile et al., 2020, S. 36). Der globale Automobilmarkt ist dank internationaler Verflechtung der Wertschöpfungsketten und umsatzstarken Absatzmärkten mit zunehmend strikter Regulierung für deren Einfluss besonders empfänglich (Perkins & Neumayer, 2012, S. 25).

Ausländische Standards haben ebenfalls Einfluss auf die Förderung nachhaltiger Technologien in Europa. Dass in Zukunft keine reinen Verbrennungsmotoren in China zugelassen werden, treibt die dort investierte deutsche Automobilbranche an, ihre Produktion an diese Vorgaben anzupassen, um weiterhin auf den Absatzmarkt Zugriff zu haben (Dohmen, 2021, S. 81). Die chinesische Autoindustrie legt den Fokus auf Elektromobilität und dessen Unabhängigkeit vom Verkauf auf dem europäischen Markt, wo andere Firmen dominieren.

„Chinesische Zulieferer haben einen strategischen Vorteil. Sie können sich voll und ganz der Elektromobilität widmen. Deutsche Zulieferer dagegen müssen einen schwierigen Spagat meistern: Einerseits müssen sie ihre bisherigen Geschäfte am Laufen halten, andererseits für viel Geld neue Produkte entwickeln.“ (Scherer, 2018) Daniel Duwe, Fraunhofer Institut für System- & Innovationsforschung

Durch den institutionalisierten Antriebsstandard haben chinesische Hersteller (auch dank staatlicher Subventionen) einen Wettbewerbsvorteil, da Investition und Lerneffekte im Gegensatz zu ausländischen Automobilherstellern bereits realisiert wurden. Der Umstieg auf die elektrische Mobilität in Europa wird auch wegen chinesischer Standards beschleunigt. Neue Wettbewerber beleben den EUBM, der aufgrund verzögerter Investitionen, Rentenstrukturen (Elsenhans, 2020a, S. 161f) und technologischer Anpassung für den Individualverkehr besonders in Deutschland viele Arbeitsplätze verlieren wird (D’Aprile et al., 2020, S. 189; Scherer, 2018). Eine steigende Neuzulassungsquote für Elektroantriebe kann als Standard zu Investitionen in der Automobilbranche anreizen, um den Übergang zu weniger Emissionen im Verkehrssektor anzustoßen. Ein institutioneller Rahmen kann den notwendigen Infrastrukturaufbau bei (Ladestationen) und eine nachhaltige Stromerzeugung begleiten (D’Aprile et al., 2020, S. 37).

Neuzulassungen bei Frachtschiffen können ebenfalls Emissionsvorschriften unterliegen, um europäische Häfen anzusteuern. Damit bekämen Reedereien und Kraftstofffabrikanten den Impuls, zunehmend auf weniger schädliche Treibstoffe zu setzen und in F&E für die Suche nach Alternativen zu investieren. Eine skalierte Herstellung von grünem Wasserstoff kann die Emissionen im internationalen Transport maßgeblich verringern (Hepburn et al., 2020, S. 13). Bislang ist grüner Wasserstoff knapp und teuer und benötigt mehr F&E, um im Schiff- oder Flugverkehr mehr genutzt zu werden (D’Aprile et al., 2020, S. 100f). Standards für Tankschiffe vermeiden eine Meeresverschmutzung, indem sie heutzutage mit einer doppelten Hülle das transportierte Öl vor dessen Austritt schützen. Die USA führten diese Vorschrift ein. Da die meisten internationalen Reedereien amerikanische Häfen anlaufen wollen, bleibt bei der Konstruktion der Öltanker kaum Spielraum. Dass danach andere Küstenregionen weltweit ähnliche Vorschriften übernahmen und somit eine Allianz bildeten, beschleunigte die Umsetzung und Akzeptanz der Vorschrift (Adam, 2015, S. 233; Tuschhoff, 2015, S.211,218).

In den letzten zehn Jahren ist der Luftverkehr um 29% gewachsen (Mrasek, 2021). Flugzeuge sind ebenfalls umständlich mit Batteriestrom zu betreiben. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe auf Basis nachhaltiger Herstellung können die Emissionen des Sektors verringern. Dennoch bleibt dieser wegen seiner Internationalität schwierig für Standards empfänglich und ist sensibel mit der Tourismusbranche und globalisiertem Wettbewerb verbunden (D’Aprile et al., 2020, S. 100ff). Striktere Vorgaben, die Zunahme von individuellem Verzicht, die Internalisierung von Emissionen oder der Ausbau von Langstreckenzügen kann einige Flugrouten obsolet machen. Standardmäßig kann auch ein stetig steigender Klima-Kompensationszuschlag aufFlugtickets eingeführt werden und bspw. Kurzstreckenflüge verteuern. Fliegen hat derzeit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Der kommerzielle Kerosinverbrauch nach der Gesetzgebung aller EU-Mitgliedstaaten ist steuerfrei. Allein in Deutschland hätte der Fiskus 2018 nach einem Energiesteuermodell des Umweltbundesamts mit Einnahmen von 8,4 Mrd. Euro nachhaltigere Infrastruktur fördern können (Bretschneider & Burger, 2021, S. 73ff). Der damit einhergehende Preisanstieg hätte einige Flieger am Boden gelassen. Ferner fehlt eine einheitliche Mehrwertsteuer auf EU- Ebene, die einen harmonisierten Rahmen vorgeben kann. Der EU-Emissionshandel hat bei offensichtlichem Anstieg des Flugverkehrs bislang keine Lenkungswirkung in dem Sektor, auch weil Zertifikate zu günstig zu erwerben waren (Dohmen, 2021, S. 152).

Die Stärkung emissionsarmer Mobilität wird wichtiger (Ripple et al., 2020). Die Schiene bietet bei einem nachhaltigen Strommix den umweltfreundlichsten Personen- und 41

Güterverkehr. Das Netz muss flächendeckender ausgebaut und zugänglicher werden, um größere Anteile von maßgeblich emissionsstärkeren Verkehrsalternativen zu übernehmen (D’Aprile et al., 2020, S. 177). Abgesehen von Investitionen in den internationalen Schienenverkehr haben Standards für diesen Sektor meist indirekte Auswirkungen. Allerdings können sie in Form von Limits fungieren und Geschwindigkeitsdrosselung für Autos beschließen, was die Anzahl der Verkehrstoten und die Emissionen (vor allem in Deutschland) senken würde (Jensen, 2021). Volvo führte dies bereits freiwillig vor Jahren ein (Stegmaier, 2020). So kann die Regulierung des Automobilsektors den Umstieg auf die Schiene erleichtern.

Neben der stärkeren Förderung von Rad- und Fußwegen am Beispiel der Niederlande (Bretschneider & Burger, 2021, S. 27), können Qualitätsstandards für Fahrräder und Lastenräder eingeführt werden. Eine stärkere Standardisierung von Einzelbauteilen kann die Austauschbarkeit von Komponenten fördern sowie deren Langlebigkeit verlängern (EC, 2022a). Vorschriften bei der Batterieentwicklung können ein Elektro-Fahrrad für eine größere Zielgruppe als preiswerte Autoalternative bspw. für urbane Pendler attraktiver machen.

Die EU kann mit Investitionen und in öffentlich-privatwirtschaftlichen Projekte die Entwicklung weiterer Weltstandards (siehe 4.2.2) voranbringen, um die Entstehung einer nachhaltigen Wasserstoffproduktion und klimaneutraler Logistiksysteme zu beschleunigen (D’Aprile et al., 2020, S. 196). Standards haben vor allem beim Automobilverkehr per Emissionsbegrenzung den größten direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit des Verkehrssektors. Diese bewirken über den begrenzten Ausstoß von CO2eq hinaus erwiesenermaßen ein regulatives race to the top über Ländergrenzen hinweg (Ancygier, 2020; Perkins & Neumayer, 2012). Sie bilden den Ursprung von Vogels (1997) California-Effekt. In Kombination mit weiteren Maßnahmen wie Subventionen und Gesetzen können sie langfristig die Antriebswende bei dem verbleibenden Flug- und Schiffverkehr förderlich begleiten.

3.2.3 Standards bei Ernährung und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft macht ca. 12% der EU-Emissionen aus. Die Hälfte dessen beansprucht die Aufzucht, Fütterung und Verarbeitung von Tieren für die Lebensmittelproduktion, die emissionsärmer gestaltet werden kann (D’Aprile et al., 2020, S. 128). Weitere Potenziale zur Verringerung der Klimafolgen besitzen die Begrenzung der Lebensmittelverschwendung, der Flächenverbrauch, das Entsorgen, sowie die Anpassung der Pestizidnutzung (Ritchie et al., 2020). Aufgrund der absatzstarken Nachfrage des EUBMs haben Lebensmittelproduzenten einen starken Anreiz, dessen Standards weltweit einzuhalten (Bradford, 2020, S. 49).

Die Rinderzucht verursacht fast 90% der Emissionen tierischer Produkte in der EU (D’Aprile et al., 2020, S. 128). Zudem beschleunigt der europäische Hunger nach billigem Fleisch die Rodung des Amazonas und weiterer natürlicher CO2eq-Speicher (tagesschau.de, 2022). Standards haben Auswirkungen auf die inflationäre Nutzung von Fleischprodukten, in dem Qualitätsvorschriften stetig angehoben, Anbaugebiete jenseits der Naturschutzreservate vorgeschrieben und Ausreißer bei Kontrollen stärker sanktioniert werden (Bradford, 2020, S. 217). Aufgrund des Einflusses der Agrarlobby behindern umweltschädliche Subventionen den Wirkungsgrad bestehender EU-Standards. Diese schreiben bislang unzureichend geringe oder bloß freiwillige Anforderungen vor (Bretschneider & Burger, 2021, S. 89f). Verpflichtende und steigende Qualitätsstandards schlagen sich in einer tierfreundlicheren Haltung mit weniger Tieren pro Fläche, verringertem Einsatz von Antibiotika und Pestiziden sowie erhöhter Naturfuttermittelnutzung nieder (Bretschneider & Burger, 2021, S. 87f). Diese Umstellung verursacht einen Aufpreis, da die Industrie investieren muss und pro konventioneller Einheit weniger Marge erwartet. Zusätzlich zu einer allmählichen Internalisierung von Umweltfolgekosten bei tierischen Produkten müssten Produzenten bei höheren verbindlichen Qualitätsstandards die Herstellungsmenge reduzieren und deren Ertragsausfall mit höheren Preisen kompensieren. Ein kleineres und teureres Angebot macht dessen Nachfrage seltener und Alternativen attraktiver: So investieren die größten Molkereikonzerne Europas massiv in den Wachstumsmarkt für Fleischersatzprodukte und Pflanzenmilch (Business Insider Deutschland, 2021) - nicht wegen plötzlicher Ethikbedenken, sondern weil der Markt sich in Zukunft rentabel gestaltet.

Die größte Hürde beim Erreichen von Europas nachhaltigen Entwicklungszielen liegt in der Wende hin zu einer klimafreundlichen Agrarwirtschaft und Ernährungsweise. Die Produktion für den europäischen Konsum bewirkt enorme Spillover-Effekte, wenn die europäische Nachfrage nicht ausreichend reguliert bleibt oder zu einer nachhaltigen Lebensweise anregt (SDSN & IEEP, 2021). Europäische Vorschriften bei der Tierhaltung bergen ebenso globale Auswirkungen: Seit 2007 erfordert die EU per Vorschrift minimale Gehegeflächen und Zuchtbedingungen für Geflügel, die in Argentinien und Thailand umgesetzt wird. Die Betäubungsvorschrift zur Tierschlachtung von 1993 sowie die EU-Minimalbedingungen zur Kälberzucht von 1997 gelten als Quasi-Weltstandard. Die EU-Zuchtvieh-Transportstandards aus dem Jahr 2005 beeinflussen den Viehtransport bis nach Kasachstan. In Brasilien, dem drittgrößten Herstellungsland für Schweinefleisch, werden Nachhaltigkeitsanforderungen für den europäischen Markt angewandt (Bradford, 2020, S. 60, 217ff).

Wenn die Hälfte der EU-Konsumenten die durchschnittliche Nachfrage nach Rindfleisch und Milchprodukten auf Gelegenheitsgenuss statt täglichem Fleischverkehr reduziert, können die Emissionen des Sektors um 16% sinken (D’Aprile et al., 2020, S. 129). Vegetarische Ernährungsgewohnheiten sind vor allem in den westlichen und nördlichen Ländern auf dem Vormarsch, dass bspw. heute jeder zehnte Liter Milch in Deutschland pflanzlich produziert wird (Business Insider Deutschland, 2021). Der Anbau von Nutzpflanzen ist in Ansätzen reguliert. Die EU-Düngemittelverordnung schreibt Maximalstandards bei der Produktion vor und gewährt zweitweise die Nutzung diverser Pestizide (Bretschneider & Burger, 2021, S. 87f). Eine vorgegebene Steigerung der Qualität oder striktere Schadstoffstandards bei Pflanzenschutzmitteln haben zur Folge, dass umweltfreundliches Obst und Gemüse wachsende Marktanteile von konventioneller Herstellung29 übernehmen kann.

Eine EU-weite Vorschrift zur Stickstoffminderung für Landwirtschaftserzeugnisse kann mit einer steigenden Nutzung von Stickstoffhemmern weniger klimaschädliche Gase freisetzen und die CO2eq-Konzentration in der Atmosphäre mindern (D’Aprile et al., 2020, S. 131). Bisherige Aufpreise dieser Technologie können durch ein somit hergestelltes level playing field nicht zum Wettbewerbsnachteil für einzelne Betriebe werden.

Lieferkettenstandards mit zertifiziertem Waldrodungsverbot können die Regenwaldzerstörung für Sojaanbau in Südamerika, der fast ausschließlich für Tierfutter zur Fleischproduktion verwendet wird (tagesschau.de, 2022), beschränken (Smit et al., 2020, S. 534). Die Futtermittelindustrie beeinflusst den Methanausstoß in der Rinderzucht. Eine Anhebung des Standards für Mastfutter-Inhaltsstoffe kann die Agraremissionen signifikant senken30. Vorschriften für die Verarbeitung von Huftiergülle zur Biogasproduktion können zusätzliche Emissionen einsparen (D’Aprile et al., 2020, S. 130). Biogasanlagen können für Renovierungen oder bei Neubauten standardmäßig verpflichtend, bspw. nach Betriebsgröße eingeführt werden. Striktere Futtervorschriften bergen dabei ein größeres Potenzial, auch von außereuropäischen Zulieferern umgesetzt zu werden.

Der Maschinen- und Fahrzeugbestand zur Bestellung der Felder und der Tierversorgung kann zunehmend durch Neuzulassungsstandards elektrisiert werden, um deren Nutzung je nach Strommix emissionsfrei zu machen (D’Aprile et al., 2020, S. 130). Bislang behindern dies umweltschädliche Subventionen, wie bspw. in Deutschland, sodass Agrardieselmaschinen ökonomisch kurzfristig rentabler wirken (Bretschneider & Burger, 2021, S. 90f).

Eine Produktkennzeichnungspflicht Auswirkungen auf die individuelle Konsumentscheidung. Diese kann über den CO2eq-Verbrauch eines Produkts aufklären und macht verschiedene Lebensmittel oder andere Waren vergleichbar (D’Aprile et al., 2020, S. 133). Käuferpräferenzen orientieren sich an einer CO2eq-Produktkennzeichnung: Feldversuche belegen die Bereitschaft, einen Aufpreis für weniger klimaschädliche Produktalternativen zu zahlen, wenn die Unterschiede für Verbraucher erkennbar und zugänglich sind. Allerdings ist diese Bereitschaft abhängig vom Grad der Mehrkosten (Font Vivanco et al., 2016, S. 119f).

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik zeigt auf, dass klimafreundlichere Hühnerfleischprodukte in Deutschland infolge biologisch angemessener Tierschutzauflagen ca. 15% teurer wären. Trotz der Mehrkosten wäre dieser Preis niedriger als vor 25 Jahren. Milchprodukte würden sich um 3% oder Rindfleisch um 22% verteuern (Kopatz, 2019, S. 159). Wenn Biolebensmittel allmählich zum flächendeckenden Standard würden, könnten Kosten bei der ökologischen Produktion gespart werden, da diese keine Nische mehr bedienten und zunehmend skaliert hergestellt werden können. Der Zertifizierungsaufwand würde entfallen und öffentliche Förderprogramme für Einzelbetriebe nähmen mit der Zeit ab (Bretschneider & Burger, 2021, S. 89). Nachhaltige Produkte sollen in Europa zunehmend zur Norm werden (Mayr, 2022). Das kann das Gewissen der Verbraucher erleichtern und nachhaltigen Konsum nicht mehr vom Einkommen abhängig machen. Zudem gäbe es an der Ladentheke keine umweltschädliche oder ethisch zweifelhafte Alternative mehr. Das Ausspielen von zwei Klassen, die entweder „bewusst“ konsumieren oder gemäß ihres Einkommens und gewohnter Routinen auf billige Waren zurückgreifen, erübrigt sich31 mit einem „sozial gerechten Übergang“ (Bretschneider & Burger, 2021, S. 24). Preise würden moderat ansteigen, aber durch standardisierte Produktion absenken und der übermäßige Verzehr umweltschädlicher tierischer Produkte kann sich gemächlich reduzieren, was zudem gesellschaftliche Gesundheitskosten einspart (D’Aprile et al., 2020, S. 133, 178).

Ein Europäer verursacht durchschnittlich 170 kg Plastikabfall im Jahr (Kopatz, 2019, S. 114f). Strengere Standards für die Lebensmittelverpackung können die Industrie beim Recycling stärker einbinden und den Marktanteil nachhaltiger Verpackungsalternativen fördern. Das Konsumverhalten wird durch Standards in der Lebensrnittel- und Agrarproduktion allmählich nachhaltiger, senkt signifikant Emissionen und spart öffentliche Gelder. Individueller Konsumverzicht auf schleichend angewöhntem Überfluss kann die Lebensmittelverschwendung reduzieren und die Abfallentsorgung erleichtern (D’Aprile et al., 2020, S. 62f, 133). Mehrwertsteueranpassungen können eine nachhaltige Produktion und deren Konsum wettbewerbsfähiger machen (Bretschneider & Burger, 2021, S. 96f).

Die Dekarbonisierung des Agrarsektors birgt eine schwierige Umsetzung, da er vielschichtige Auswirkungen auf die Grundversorgung, Technologie und mannigfache Akteure und Produzenten hat (D’Aprile et al., 2020, S. 129), die sich durch politische Gestaltung von konventionellen Strukturen und Anreizen abhängig gemacht haben. Allerdings wird dies zur Bewältigung der Klimakrise mithilfe von Subventionen, Investitionen und sozialen Ausgleichsmechanismen nötig (D’Aprile et al., 2020, S. 133). Standards sind ein probates Mittel zur Qualitätssicherung, für eine ethischere Tierhaltung und umweltschonende Düngemittel, die bereits angewandt werden. Diese lösen Spillover-Effekte zu deren Umsetzung weltweit aus (Bradford, 2020, S. 217ff). Sie beeinflussen Branchen und Betriebe des WWSs, damit die Verringerung klimaschädlicher Emissionen durch Treibhausgase wie Methan, Stickstoff oder Lachgas sowohl ökologisch sinnvoll als auch ökonomisch rentabel erscheinen. Qualitätsstandards bei tierischen Lebensmitteln haben besondere Auswirkungen auf die Verringerung ihres Angebots. Sie können dessen Verschwendung eindämmen und die Suche nach Alternativen fördern, um eine umweltfreundlichere Ernährung wettbewerbsfähiger und nicht zur Sache des Geldbeutels zu machen (Font Vivanco et al., 2016, S. 119). Ein koordinierter Systemansatz und wirtschaftliche Anreize werden bei den Handlungen dezentraler Akteure zur Bewältigung der Klimakrise wichtig (Elsenhans, 2020a, S. 161).

Ein von klimaschädlichen Subventionen abhängig gewachsener Agrarsektor, der Tierleid-, Ausbeutungs- und Umweltfolgekosten externalisiert (Bretschneider & Burger, 2021), kann im Interesse des Angebots umgestaltet werden: Standards mindern das unternehmerische Wettbewerbsrisiko und fördern das Klimaschutzpotenzial des wachsenden Zukunftsmarkts nachhaltiger Lebensmittel im Agrar- und Ernährungssektor effektiv.

4. Die geografischen Spillover-Effekte von EUBM-Standards auf die Welt

Kapitel 3 bietet einen Einblick, welche volkswirtschaftlichen, sozialen und politischen Spillover-Effekte von Standards ausgelöst werden können. Sie sind für die EK ein rechtliches Gestaltungsinstrument, den Kontinent klimaneutral zu machen, Märkte für grünes Wachstum zu schaffen und die künftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern (EC, 2022a). Eine weitere negative Integration und künftige Standardharmonisierungen als Abbau gegen Handelshemmnisse haben Auswirkungen auf das WWS (Schmidt & Steingress, 2019).

Ungenügende Vorschriften fördern ein Konsumverhalten, das entlang der Wertschöpfungsketten umweltschädliche Entwicklungen und soziale Verwerfungen begünstigt (SDSN & IEEP, 2021). EUBM-Standards sind in der Regel strenger als in ähnlich absatzstarken Konkurrenzmärkten wie den USA, Kanada oder Australien (Bradford, 2020, S. 53ff). Dieses Kapitel zeigt auf, welche geografischen Spillover-Effekte EUBM-Standards auslösen können und wodurch sie bedingt werden.

Voraussetzung für den Export von Vorschriften ist, dass ein Markt als „Nettoimporteur“ (EC, 2022b) beträchtliche Volumen einer Branche zahlungskräftig nachfragt. Ferner ist das künftige Transformationspotenzial von EUBM-Standards abhängig von der Glaubwürdigkeit der EU als Vorbild im Kampf gegen die Klimakrise, europäischer Anteile am Welthandel und der Entwicklung der künftig stark wachsenden Volkswirtschaften. Bradford (2020) skizziert mit dem „Brüssel-Effekt“, wie europäische Normen und deren mehrdimensionale Auswirkungen unilateral weite Teile der Weltwirtschaft regulieren. Die EU setzt dank ihrer einzigartigen Kombination an Alleinstellungsmerkmalen richtungsweisende Weltstandards in vielen Marktsegmenten. Das Gewicht des EUBMs ermöglicht ein öffentlichkeitswirksames Durchsetzungsvermögen gegen mächtige Digitalkonzerne (Michaels, 2018) und stärkt die Verhandlungsmacht Europas bei internationalen Klimagipfeln.

4.1 Der Einfluss des EU-Binnenmarkts auf das Weltwirtschaftssystem

Der Einfluss des EUBMs auf das WWS ist unbestreitbar. Standards des EUBM beeinflussen globale Lieferketten, weit entfernte Produktionsstätten und begünstigen mit einer Tendenz zur Harmonisierung ein regulatives race to the top (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 98). Allein die öffentliche Diskussion um eine Standardanpassung für große Märkte kann als Agenda Setting das Thema Umweltschutz in den Vordergrund rücken und weiterreichende Gesetzgebung veranlassen (Bradford, 2020, S. 231). Um das WWS auf lange Sicht (ergo nachhaltig) mitzugestalten, zeige ich kurz auf, wie der EUBM, dynamischer Entwicklungen und globaler Spannungen zum Trotz, seinen Einfluss in Zukunft wahren kann.

Die Analysen aktueller IPCC-Berichte oder direkte Appelle der Klimawissenschaft, wie von Ripple et al. (2020), warnen deutlich, dass sich etwas grundlegend ändern wird: entweder wird sich das aktuelle globale System reformieren müssen, um die Risiken der Klimakrise präventiv gestalterisch zu minimieren. Oder die rapide Zunahme von Unwetterkatastrophen, Ernteausfällen und dessen weltweite Konsequenzen werden bestehende Systeme in der Konsequenz exogen verändern (UNCTAD, 2021, S. 83ff, 156; WEF, 2019).

Nach Piketty (2020) scheint das aktuelle WWS und der Druck globalisierter Konkurrenz hauptsächlich zu einem kurzfristigen Gewinnstreben anzureizen. Dabei weichen verursachte Klimafolgekosten, der Erhalt gesellschaftlicher Infrastruktur und eine ökonomisch rentable Ausbeutung von Mensch und Natur der Gleichgültigkeit. „Die Doktrin des Shareholder-Values [als] Kern des Problems“ (Schmitt & Hauschild, 2022, S. 8) verhindert im Neoliberalismus mit dogmatischen Prämissen (Ostry et al., 2016) umfangreiche Investitionen und steigende Masseneinkommen als Basis für Profit anzuerkennen (Elsenhans, 2021, S. 55), um einen nachhaltigen Wettbewerb ohne Verschärfung der Klimakrise herzustellen (Hepburn et al., 2020, S. 7ff). Ein grundlegender Umbau hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft kann für ein grünes Wachstum der Zukunft sorgen, wobei Umweltschutz keinen Widerspruch zu kapitalistischem Erfolg bilden muss (Elsenhans, 2020a; Stern & Valero, 2021, S. 30f).

Eine zunehmend multipolare Weltordnung, in der aufstrebende Märkte und politische Mächte wie Indien, Brasilien oder Südafrika mit China oder Russland konkurrieren, fordert den starken Einfluss des EUBMs im WWS heraus (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 5f). Eine wachsende Weltbevölkerung, künftige Probleme in der Welternährung und der globalen Wasserversorgung können neue Konflikte anheizen (WEF, 2019) oder mit Fluchtbewegungen den politischen Fokus von einer angestrebten Wirtschaftstransformation auf Eis legen (Piketty, 2020, S. 1072), wie der aktuelle Angriffskrieg Russlands zeigt. Ein stabil wachsender EUBM hat dank seines Marktvolumens das Potenzial, präventiv unternehmerisches Risiko zu minimieren, Investitionen zu fördern und gestalterisch den Umbau der Wirtschaftvoranzutreiben (Elsenhans, 2020b, S. 12; Stern & Valero, 2021, S. 30f).

Eine aufkommende Europaskepsis in Polen und Ungarn, Populismusströmungen in Frankreich, Deutschland und Italien sowie ein empfundener Autonomieverlust beim Brexit stellen die EU vor umfangreiche interne Herausforderungen (Piketty, 2020, S. 689, 985ff). Lippert (2020) erkennt zwar ein Legitimitätsproblem der Brüsseler Institutionen, wobei Europas starker Binnenmarkt dank eines effektiven Multilateralismus als Quelle der Resilienz beständig bleibt. Bradford (2020) sieht den Einfluss des EUBMs auf das WWS zwar in dynamischer Entwicklung, aber nicht signifikant gefährdet. Piketty (2020) betrachtet Europa ebenfalls als zukunftssicher einflussreich, aber bedingt dies mit einer mittelfristigen (Wieder-) Herstellung stärkerer Vermögensgleichheit mithilfe progressiverer Besteuerungsmodelle, um drängende Investitionen für den Infrastrukturausbau zu tätigen.

2020 stellt die EU die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt mit einem BIP von ca. 17 Billionen US-Dollar. Dieser Anteil am WWS liegt bei über einem Fünftel des weltweiten BIPs. Der EUBM ist zudem der zweitgrößte Importeur von Gütern und der größte Importeur von Dienstleistungen. Damit stellt die EU laut Bradford (2020, S. 27f) den inoffiziell wichtigsten Verbrauchermarkt der Welt. Der hohe Anteil an zahlungskräftigen Konsumenten ist ein weltweit attraktives Exportziel bei ca. 516 Millionen Einwohnern und einem pro Kopf BIP von 40.900 US-Dollar. Die USA haben ein absolut höheres pro Kopf BIP, sind jedoch zahlenmäßig unterlegen; das genaue Gegenteil trifft (noch) auf China zu.

EU-Chefdiplomat Josep Borell fordert, die Mechanismen der Globalisierung neu zu gestalten, um verschärfte Ungleichgewichte in Wirtschaft, Gesellschaft und Klima zu überwinden. Dabei sei eine Koordinierung zwischen den USA, China und der EU wichtig. Mit ihrem politischen Einfluss und dem global vernetzten, einflussreichen Binnenmarkt gibt die Union sich den Anspruch, die Weltordnung mitzugestalten und positioniert sich als Vorreiterin für das Klima und Kämpferin für den Frieden. Internationale Strahlkraft besitzt der neue EGD, der den EUBM klimaneutral unter den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN) umgestalten soll (Lippert, 2020).

Europas Rolle, Weltstandards für Chemie, Ernährung, Digitalrecht oder Verbraucherschutz zu setzen (Bradford, 2020, S. 137, 192; Usman et al., 2021, S. 9), beruht u.a. auf seiner Vorbildfunktion für glaubwürdigen Klimaschutz, der weltweiten Vernetzung und Handelsbeziehungen zu aufstrebenden Zukunftsmärkten und letzten Endes auf seinem wichtigen Absatzmarkt. Wie sich das Potenzial von EUBM-Standards für dessen nachhaltigkeitsfördernde Spillover-Effekte daraufin Zukunft stützen können, soll dieser Abschnitt zeigen.

4.1.1 Die EU als Vorbild für Klima und Handel

Wenn sich bei internationalen Gipfeln die EU für Klimaschutz einsetzte, war die Wahrscheinlichkeit bedeutend höher für eine internationale Kooperation (Tuschhoff, 2015, S. 227f). Die EU füllt beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle aus, die jedoch nicht uneingeschränkt rezipiert wird. Entwicklungsländer können sich am europäischen Weg orientieren und auf bereits günstigere, nachhaltige Technologien zurückgreifen, um bei voranschreitender Industrialisierung das Klima zu schonen (UNCTAD, 2021, S. 110). Im Falle einer gelingenden Energiewende mag dies auch die günstigere Lösung sein, was einen zügigen Vorstoß erneut motiviert. Europas Standards für Umweltschutz und Ökodesign fördern das Bild eines glaubwürdigen Klimaschützers, wobei dieses Ansehen wiederum Anreize für die Berücksichtigung von EUBM-Richtlinien schafft (Usman et al., 2021, S. 2ff).

Die Entstehung großer Märkte kann Innovationen und Investitionen fördern, da diese einen größeren Umsatz versprechen (Rodrik, 2011, S. 137). Einen solchen umsatzversprechenden nachhaltigen Markt will der EGD schaffen. Aus dem EUBM stammen bereits 28% aller weltweiten Patente für umweltbezogene Technologieinnovationen, was den europäischen Fortschritt zu einer verlässlichen Beitragskonstante zur grünen Transformation charakterisiert (Usman et al., 2021, S. 8). Mit einem Anteil von ca. 38,8% an Exporten von „umweltrelevanten Waren“ (UNCTAD, 2021, S. 138) ist Europa Weltmarktführer. Der EGD gilt als Aushängeschild für die Prioriät und Kontinuität der Klimakrisenbekämpfung Europas. Er soll durch massive Investitionen und Strukturreformen Europa als ersten Kontinent bis 2050 klimaneutral umgestalten, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen, Europas Wettbewerbsfähigkeit garantieren und mit dem EUBM internationale Transportwege und Lieferketten zur Emissionsreduktion anregen (EC, 2021a).

Mit ihrem Vorpreschen übernimmt die EU die Verantwortung für ihre historischen fossilen Emissionen (siehe Anhang 3, 4), welche ihr den wirtschaftlichen und technologischen Vorteil gegenüber Drittländern heute mitermöglichte. Der EGD motiviert Zulieferer wie Nachahmer zu einer Umstellung hin zu nachhaltigerem Wirtschaften (Lippert, 2020; UNCTAD, 2021, S. 71f). Die Werte der EU, die ihr Handeln laut EUV bestimmen und bei der Umsetzung des EGD leiten sollen (EC, 2021a), erhöhen bei einer geringeren Import-Abhängigkeit von autokratisch geführten Drittstaaten intern wie extern ihre Glaubwürdigkeit. Die Ziele und bereits vorgestellten Maßnahmen des EGDs erlauben es wirtschaftlichen Akteuren, sich auf höhere Standards und planbare Investitionen zu dessen Umsetzung einzustellen.

Die EU steht als supranationaler Staatenbund wie kein anderer für Fortschritt, Demokratie und Klimaschutz (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 4). Sollten Klimaschutzambitionen dort nicht gelingen, wird es schwierig, andere Regionen von der Umsetzung großer Strukturreformen und deren Rentabilität zu überzeugen. Bei umfangreichen und frühzeitigen Reformen können außereuropäische Nachzügler von den Erfahrungen der Experimente im „natürlichen Labor EU“ profitieren (Ancygier, 2020, S. 2). Die EU kann ihr Profil schärfen, indem sie allmählich tiefgreifendere Maßnahmen einleitet, um die Systeme in Zukunft nicht zu gefährden (D’Aprile et al., 2020, S. 189). Ein skeptisches Hinauszögern veralteter Industrien kann sich im Zeitdruck der Klimakrise gefährlich und wachstumshemmend auswirken.

„Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“

Erich Fried, österreichischer Lyriker und Essayist, in „Lebensschatten“ (1981)

Ein umfassender Umbau bietet starke ökonomische Potenziale für den EUBM, damit sein Einfluss im WWS stark bleibt, wie er ist. Frühe Entwickler von umweltfreundlichen Technologien realisieren Pioniervorteile, wobei sich Nachhaltigkeitstechnologie made in Europe als Exportschlager etablieren kann (Stern & Valero, 2021, S. 14). Bei oligopolem Wettbewerb tendieren weltweite Vorreiter der Konkurrenz zu folgen, was eine weitere Konvergenz von höheren, bereits erprobten Standards zur Folge haben kann (Elsenhans, 2020a, S. 161f). Ein europäisches leadby example bedient damit nicht allein Marketingzwecke, sondern kann sich als ein starker Wachstumstreiber für zukunftsträchtigen Wettbewerb etablieren (D’Aprile et al., 2020, S. 35). Neben einer höheren Glaubwürdigkeit auf internationalem Parkett kann durch den EUBM archetypisch vorgemacht werden, dass sich eine grüne Umrüstung der Wirtschaftsweise rentabel auszahlt und strikte Standards privatwirtschaftliche Investitionen auslösen (Elsenhans, 2020a; Hepburn et al., 2020). Zur Bekämpfung der Klimakrise wird publikationsübergreifend die Bedeutung von F&E, umfangreichen privatwirtschaftlichen Investitionen und Subventionen als Policy-Empfehlungen deutlich. Dazu können Anreize und Vorgaben die Industrie einbinden und soziale Ausgleichmechanismen mittelfristig steigende Konsumkosten abfedern (Bretschneider & Burger, 2021; Chancel et al., 2021; D’Aprile et al., 2020; Ripple et al., 2020; SDSN & IEEP, 2021).

Obwohl eine „moralische Integrität Europas“ (Dohmen, 2021, S. 157) nach humanistischen Krisen32 schwinde und das EU-Image mit der Zeit einige Dämpfer erhalten hat, können Europas Regulierungen und Standards wirksam die Intention institutionalisieren, einen Kontinent, seinen Markt und die Handelspartner bei einer wirtschaftlichen Transformation anzuleiten (Bradford, 2020, S. 37). Wenn danach der Umbau des EUBMs gelingt, festigt er zukunftsgewappnet einen Einfluss auf globale Dynamiken (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 11ff; SDSN & IEEP, 2021). So kann die EU als gelingendes Laborexperiment dem zögerlichen Zweifeln von Nachzüglern die Argumente verknappen.

4.1.2 Der europäische Einfluss auf die Märkte von morgen

Die aufstrebenden Märkte von morgen, die sich mit steigenden Wachstumsraten und Bevölkerungszahlen nach einem höheren Lebensstandard für die Massen sehnen, streben nach einem größeren Stück vom Kuchen. Damit das WWS auf Dauer nachhaltig funktioniert, müssen alle Emittenten ihren Ausstoß verringern - unabhängig von deren Ambitionen. Dass EUBM-Standards darauf nachhaltig (also in Zukunft) im Sinne der Klimakrisenbewältigung einwirken können, soll dieser Abschnitt zeigen.

Die emerging powers und ihre Märkte werden in der künftigen Bewältigung der Klimakrise und der Entwicklung des WWSs ausschlaggebend sein. Die EU verfolgt seit Jahrzehnten eine Außenpolitik, bei der sie den Kontakt zu den emergingpowers aufbaut und durch Handelsbeziehungen und Entwicklungszusammenarbeit ihren Einfluss zu festigen versucht. Sie stemmt mit insgesamt 14 Mrd. Euro jährlich die weltweit größte Investition. Dabei verschränken die EU und ihre Mitgliedstaaten entwicklungspolitische Ziele mit den eigenen geopolitischen Interessen (Lippert, 2020). Über die Zeit haben bilaterale Handelsabkommen sowie steigende Import- und Exportvolumina die Abhängigkeiten diverser Erdregionen an den EUBM intensiviert (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 16ff).

Die Berücksichtigung von EUBM-Standards spielt in der Produktion vor allem in emerging markets eine entscheidende Rolle. So haben afrikanische Nationen gar US-Nahrungsmit- telspenden abgelehnt, um die örtlichen Ernten nicht mit vermeintlich genmodifizierter Ware zu kontaminieren und aus Angst ihren EUBM-Zugang zu verlieren. Der sambische Präsident würde laut eigener Aussage im Jahr 2003 „lieber verhungern“ (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 109) als dieses Risiko für die sambische Exportwirtschaft einzugehen. Brasilien und weitere südamerikanische Staaten halten sich an strengere EU-Tierfuttervorschriften und vermeiden ebenfalls genmodifiziertes Futter aus den USA (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 380). Das Einhalten von EU-Standards bei Rohmaterialien und deren preisstärkere Nachfrage kann in Afrika asiatische Lieferketten ersetzen, um die Zusammenarbeit zwischen dem Kontinent und Europa zu intensivieren (Usman et al., 2021, S. 2).

Wenn Staaten und Firmen über Staatsgrenzen hinweg Handelsbeziehungen aufgebaut haben, sinkt das Risiko für Betrug und es steigt der Grad an internationalen wirtschaftlichen Interdependenzen. Je höher, vielfältiger und dichter der Verflechtungsgrad der wechselseitigen Beziehungen ist, desto stärker pochen die involvierten Akteure auf die Fortsetzung oder Intensivierung der etablierten Kanäle. Es gibt weniger Anreize für Betrugsfälle beim Einhalten gegenseitiger Regulierungen und Abkommen (Tuschhoff, 2015, S. 34f). Einige emerging powers erhoffen sich durch den Absatz auf und Zugang zu zahlungsfreudigen Märkten einen beträchtlichen Anteil zur eigenen (Markt-) Entwicklung. Der EUBM positioniert sich dabei vorteilhaft durch bereits bestehende Beziehungen (Lippert, 2020).

Die BRICS33 Staaten werden gebündelt in absehbarer Zukunft die USA als stärkste Wirtschaftsmacht ablösen und bis 2040 die Wirtschaftsleistung der G6 übertreffen (Müller- Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 18). Das schließt ein, dass ihre Emissionen prognostiziert weiter steigen (siehe Anhang 6). Der europäische Absatzmarkt ist mit einem Anteil von 23% am Handelsvolumen der wichtigste Partner für Indien; der EU-Handel mit China wird mittlerweile allein durch das Volumen mit den USA übertroffen (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 21f). Hier wird die Wichtigkeit des EUBMs mitsamt seinen Vorgaben für einen Marktzugang in unmittelbarer Zukunftje nach Branche eher steigen (siehe Abb. 4).

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Trotz moderater Aussichten für konventionelles Wachstum der EUBM-Staaten verdeutlicht der Blick auf die heutigen Handelsbeziehungen, dass europäische Standards absehbar weiterhin tonangebend sein werden: Der EUBM ist der wichtigste Exportmarkt für Russland, Südafrika, Indien (und die USA), der zweitgrößte Exportmarkt für China, Kanada und Brasilien und der drittgrößte Exportmarkt für Japan und Südkorea. Europa ist das absatzstarke Exportziel für indische Textilien (45 % der Exporte), chinesisches Spielzeug (40 %), koreanische Arzneimittel (78 %), russische Mineralbrennstoffe (65 %), kanadische Flugsysteme (24 %), brasilianischen Kaffee (51 %), südafrikanische Früchte und Nüsse (74 %), japanisches Spielzeug (50 %) und verschiedene Samen und Früchte aus Australien (64 %). Für viele weitere Erzeugerländer bleibt der EUBM-Zugang ausgesprochen wertvoll, so dass er einen starken Druck auf deren Geschäftstätigkeit ausübt (Bradford, 2020, S. 29, 267ff).

Selbst wenn die EUBM-Anteile oder das europäische Wachstum weiter sinken, erkennt der aktuelle Forschungsstand bislang keine Tendenzen, dass ein anderer Akteur die Rolle für globale Standards absehbar in ähnlichem Maße übernimmt oder EUBM-Standards ihre Spillover-Effekte hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise signifikant abnehmen (Bradford, 2020, S. 265ff; Hadjiyianni, 2021, S. 264).

Die multilaterale Strategie der EU kann sich langfristig etablieren, wenn die emerging markets als verlässliche Partner auf Augenhöhe integriert werden - wobei letztere für ihre Wachstumsentwicklung ebenfalls von den Wirtschaftsbeziehungen zum EUBM und seinen Standards profitieren (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 23f).

Die emerging markets sind wachsende Emittenten von CO2eq (siehe Anhang 6, 7) und pochen auf ein historisch begründetes Argument, dass sie sich (dank kolonialer Entfesselung) selbst industriell entwickeln dürfen (Tuschhoff, 2015, S. 225). Es liegt in dem Klimaschutzinteresse der EU, dass diese Märkte während ihres beschleunigenden Entwicklungsprozesses auf Dauer nicht ein Patentrezept der europäischen Industriestaaten imitieren: Zunächst eine wachsende Industrialisierung aufBasis billiger, CO2eq-intensiver Energie durchzuführen (siehe Anhang 4), um sich im Nachhinein mit dem Zugewinn an Technologie und Marktstruktur effizienter an der Klimakrisenbewältigung zu beteiligen (Müller-Brandeck-Bocquet etal.,2018, S.21f;UNCTAD, 2021, S. 110).

EUBM-Standards können erst ab einer gewissen Marktstruktur mit wachsendem Exportanteil auf ihre Umsetzung hoffen. Da dies branchenabhängig in den wachsenden Volkswirtschaften absehbar der Fall ist, können Marktzugangsvorgaben bis zu einem gewissen Zeitpunkt als zu kostspielig erscheinen. Sobald diese Entwicklungsschwelle überwunden ist, setzen kapitalistische Mechanismen ein: Für Produktionsstätten von umweltschädlicher Ware in vormals Niedriglohnländern besteht mit steigender Entwicklung der Anreiz, Waren (vermehrt) zu exportieren. Für einen potenziellem Verkauf auf dem EUBM steigt die Rentabilität, strikte EU-Vorschriften für eine größere Absatzmenge umzusetzen, anstatt konventionell billiger umweltschädlich zu produzieren (Elsenhans, 2020a, S. 161). Dabei kann Adaption von EUBM-Standards von einer sektoralen Anwendung bis hin zu institutioneller Imitation im Produktionsland führen.

Die aufstrebende multipolare Weltordnung bietet eine Chance, im Zuge der wachsenden Volkswirtschaften steigende Handelsvolumen mit Europa an klimaförderliche Regularien zu binden. Als ein wichtiger Absatzmarkt von vielen vermag der EUBM durch den Druck von Skaleneffekten seine Regulierungen zu exportieren. Sobald aufstrebende Märkte mit höheren Masseneinkommen ausreichend entwickelt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, zunehmend für den Export zu produzieren und damit die Rentabilität, europäische Standards für den Weltmarkt zu übernehmen.

4.1.3 Standards als unilateraler Vorteil der EU

In einer Welt, in der viele mächtig sind, ist kein Land mächtig genug, um allein etwas zu erreichen, geschweige denn gegen eine diffuse Klimakrise. Allein bei Klimaschutz voranzuschreiten, birgt ein ökonomisches Risiko (Adam, 2015, S. 236f). Als Region die Steuern für öffentliche Subventionen zu erhöhen, kann Investoren verschrecken. Zu hohe Umweltauflagen können mit hohen Preisen Verbraucher und Firmen vergraulen. In der globalisierten Welt können betroffene Akteure leicht auf alternative Lieferanten, Märkte oder Produkte ausweichen, anstelle vermeintliche Mehrkosten oder Risiken bei strikten Auflagen aufkleineren Märkten zu tragen. Diese Form der Abwanderung, die vor allem bei der Steuervermeidung zu beobachten ist, nennt man race to the bottom (Vogel, 1997, S. 556). Als Musterbeispiel schränkt der internationale Steuerwettbewerb die Handlungsfähigkeiten von staatlichen Interventionen finanziell ein (Damgaard et al., 2019). Er wird zunehmend, wenn auch bislang wenig effektiv, von der EU bekämpft (Piketty, 2020, S. 1256f).

Zahlreiche politische Systeme mit unterschiedlichen ökonomischen Anreizen, Zielen oder Abhängigkeiten gestalten eine effektive Verhinderung einer Krise ungreifbaren Ausmaßes offensichtlich als außerordentlich schwierig. Globalisierte Konkurrenz, politische Konflikte und ein ökonomischer Wettbewerb um Ressourcen erschweren eine einigende Umsetzung der meisten Staaten im Sinne der Umwelt. Dabei schlagen international renommierte Berichte wie IPCC (2021) oder Ripple et al. (2020) Szenarien und eindeutige Maßnahmenkataloge vor. Trotz dieser Erkenntnisse bleibt eine einfache multilaterale Lösungsfindung kompliziert und gestaltet sich bei größerem Umfang als langwierig (Rodrik, 2011, S. 199ff). Im Gegensatz zu diesen konventionellen Kanälen der Einflussnahme ist die Regulierungskompetenz bedeutender Märkte daher einer der wenigen Bereiche, in denen Unilateralismus noch effektiv funktioniert (Bradford, 2020, S. 24f). Produktstandards können als Marktzugangsvoraussetzung ein regulatives race to the top nach Vogel (1997) auf Basis globalisierter Interdependenzen sowie ökonomischer Mechanismen (siehe Abschnitt 2.2) entfachen und einen Teil zum Umweltschutz beitragen.

Der ausschlaggebende Vorteil von EUBM-Standards ist, dass die EU diese Form der Regularien unilateral intern beschließen kann und bloß dessen Einhaltung kontrollieren muss (die in Teilen die Mitgliedsstaaten umsetzen). Dabei müssen die Entscheidungsträger in Brüssel nicht auf Klimagipfeln verhandeln oder langwierige Kompromisse mit anderen Nationen erarbeiten. Sie sind allein damit gut beraten, einzuführende Standards international auf ihre Realisierbarkeit abzustimmen. Solange das EU-Vorsorgeprinzip bei der WTO als Verbraucherschutz keine Marktteilnehmer diskriminiert, was bislang kaum der Fall war (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 111), können EUBM-Standards Spillover-Effekte in Gang setzen.

Standards können vorsorglich nachhaltige Produkte für den Endverbrauch wettbewerbsfähiger machen. So bietet eine umweltschädliche Produktion keinen signifikanten Preisvorteil mehr. Klimaschädliche Einkäufe nähmen damit ab. Somit lebe man nach Adorno moralisch zunehmend ein richtiges Leben im richtigen System34. Das Vorsorgeprinzip der EU genießt ohnehin eine enorme demokratische Beliebtheit. Standards finden Fürsprecherjedweder politischen Couleur in Brüssel (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 15f):

“Ich werde weder europäische Sicherheits-, Gesundheits-, Sozial- und Datenschutz- standards noch unsere kulturelle Vielfalt auf dem Altar des Freihandels opfern.” Jean-Claude Juncker (EPP) im Jahr 2014 (Bradford, 2020, S. 41)

Wettbewerbsregulative Institutionen sind auf großen Märkten resilienter (Elsenhans, 2020b). Wie wichtig es ist, als geeinter starker wirtschaftlicher Akteur aufzutreten, zeigt sich in den aktuellen Verhandlungen über globale digitale Angelegenheiten: Hohe europäische Standards dienen als weltweiter Maßstab und regulieren die Macht der internationalen Tech- Giganten (Peltier, 2021). Ohne die politische Synergie und das Gewicht der EU könntejeder Staat für sich allein nicht erreichen, der Lobbyarbeit findiger Unternehmen und ihrem monetären Einfluss effektiv entgegenzuwirken (Bradford, 2020, S. 29ff). Selbst digitalen Monopolisten drohen beim Rückzug aus dem EUBM gewaltige Opportunitätskosten: Der Konzern Meta (Facebook, WhatsApp und Instagram) drohte im Zuge von Datenschutzrichtlinien für Nutzer des EUBMs seine Dienste in Europa, seinem zweitwichtigsten Markt, einzustellen - und damit das Feld für neue Konkurrenten zu räumen. Meta entschied sich unter dem Druck potenzieller Umsatzverluste dagegen und setzt nun die Datenschutzstandards der EU auch außerhalb Europas um (Schwarzer, 2022).

Standards sind für die EU-Organe ein erprobtes Werkzeug und finden eine absehbar schnelle Umsetzung, solange sie nicht gegen Präferenzen eines Mitgliedstaates oder internationales Recht verstoßen (Vogel, 1997, S. 565). Sobald sie in Kraft treten, üben sie eine quasi-monopolartige, unilaterale Macht aus: Durch die Androhung von Nachfrageverlusten des EUBMs werden einer Vielzahl an abhängigen Zulieferern einseitig und ohne Mitsprache die europäischen Konditionen für das Abkaufen der Ware „aufgezwungen“. Eine ähnliche Form diktierter Bedingungen kennt man bspw. aus dem Milch- oder Kakaomarkt, auf dem wenige Anbieter fast die gesamte Nachfrage abdecken und ihren Abnehmerpreis den zahlreichen, in Konkurrenz stehenden Bauernbetrieben vorgeben (Dohmen, 2021, S. 55ff).

Der EUBM muss nicht einmal der Hauptabnehmer sein, um einen Großteil an Produktionsstätten oder Wertschöpfungsketten an seine Normen zu binden (Hadjiyianni, 2021, S. 245). Das gilt bspw., wenn sich die Investition für die Umsetzung des strengsten Exportstandards für die gesamte Produktionsmenge eher lohnt als mehrere Produktionsreihen für diverse Anforderungen herzustellen (Bradford, 2020, S. 54). Statt einer Marktsegmentierung hat die Wirtschaft ein Interesse an der Standardharmonisierung, um Skaleneffekte zu realisieren (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 55f). Diese fast perfide, aber effektive Form einer zunehmenden Kosteninternalisierung garantiert ein level playing field mit Spielregeln für den EUBM, an die sich alle Marktteilnehmer darauf - intern wie extern ohne Benachteiligung oder Vorzug - halten müssen. Da der internationale Druck niedriger Kosten dazu anreizt, im race to the top den strengsten Standard in seiner Anwendung zu harmonisieren, leisten unilaterale Vorgaben des EUBM einen pragmatischen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise (Bradford, 2020, S. 229ff). Von dessen Spillover-Effekten können am Ende auch außereuropäische Länder, deren Verbraucher und die Klimaentwicklung als Ganzes profitieren.

4.2 EU-Standards schwappen über im Weltwirtschaftssystem

Je größer der Absatzmarkt, desto attraktiver ist es für Unternehmen, den Marktzugang zu wahren und dessen Vorschriften erfüllen zu wollen (Vogel, 1997, S. 561f). Die EU hat dies geschafft und kann so mit den USA, China und anderen Regionen auf Augenhöhe verhandeln, indem sie die Synergie der einzelnen Wirtschaftsräume und Absatzmärkte bündelt (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018). Der EUBM fungiert dabei wie eine Membran, die intern eine Mitgestaltung erlaubt, die eigene Autonomie der inneren Akteure vor äußeren Einflüssen schützt und durch seine kumulierte Größe das globalisierte WWS mit beeinflussen kann (Elsenhans, 2020b, S. 5). Dies setzt auch Anreize in der ansässigen Industrie: Wirtschaftsvertreter erliegen bei der Verschärfung nationaler Vorschriften dem Anreiz, Druck auf politische Vertreter auszuüben, der zu „Vereinbarungen mit anderen Ländern führ[t], damit wieder ein Gleichgewicht der internationalen Wettbewerbsbedingungen entsteht“ (Tuschhoff, 2015, S. 225). Somit setzen sich einflussreiche Unternehmen für die Internationalisierung neuer Auflagen für Umweltschutz ein und befeuern das race to the top. Dank der wirtschaftlichen Verflechtung entlang der Wertschöpfungsketten rentiert es sich häufig ökonomisch wie ökologisch, europäische Produktvorgaben auch außerhalb Europas umzusetzen. Die EUBM-Standards „schwappen über“ und entfalten über den geographischen legislativen Rahmen der EU einige Spillover-Effekte, die Verbraucher schützen, die Umwelt stärken oder gar die Wirtschaftsweise nachhaltiger gestalten (Bradford, 2020, S. 246, 249f). Dabei werden die Standards von einzigen Produzenten oder Branchen für den Export nach Europa angewandt oder gar von Regierungen emuliert, da einige Normen ohnehin eine weltweite Anwendung finden.

Aus welchen Gründen genau EUBM-Standards Spillover-Effekte im WWS auslösen, ist im Einzelfall diffus und schwierig zu isolieren. Jedoch setzen sie weltweit übermäßig Anreize, weniger verschwenderisch, umweltfreundlicher oder fairer zu handeln (Font Vivanco etal., 2016, S. 119f). Anu Bradford der Columbia Law School forscht seit Jahren zu diesem „Brüssel-Effekt“ (2020), der auf Vogels Werk zum California-Effekt (1997) aufbaut. Sie erarbeitet die Grundvoraussetzungen dafür, wie die europäische Gesetzgebung ihre globale Anwendung findet. „Wie die Europäische Union die Welt regiert“ (Untertitel des Werks) und warum nicht alle EU-Gesetze überschwappen, wird im Folgenden kurz zusammengefasst. Anschließend zeige ich auf, wie EUBM-Standards die Verhandlungsmacht Brüssels bei Klimagipfeln stärken und weitere klimaförderliche Entwicklungen begünstigen können.

4.2.1 Der Brüssel-Effekt: Die EU reg(ul)iert die Welt

Bradfords (2020) Brüssel-Effekt beschreibt den Prozess unilateraler Globalisierung von EU- Institutionen, der dadurch entsteht, dass diverse Brüsseler Gesetze ihre Anwendung dank Marktmechanismen auch außerhalb Europas finden. Über Vogels (1997) Argument der schieren Marktgröße als Basis für den California-Effekt hinaus erarbeitet Bradford weitere Bedingungen, die eine globale Anwendung eines EU-Gesetzesvorhabens wahrscheinlich machen. Dabei unterscheidet sie zwischen einer defacto und einer de jure 35 Umsetzung. Der Brüssel-Effekt beschreibe eher die Fähigkeit einer dominanten Gerichtsbarkeit (der EU), sich über andere hinwegzusetzen, als ein regulatives race to the top auszulösen. Nichtsdestotrotz sei der Trend einer globalen regulativen Konvergenz entwickelter, wettbewerbsbasierter Märkte deutlich erkennbar (Bradford, 2020, S. 5f).

Ihr Werk beschreibt detailreich vereinzelte Spillover-Effekte von EU-Regulierungen. Allerdings bleibt Bradford bei ihrer Analyse bei einer systematischen Anpassung einzelner Produktionsstätten oder Lieferländer ohne Fokus auf den Umweltaspekt. Trotz erwiesen positiver Auswirkungen auf den Kampf gegen die Klimakrise (Bradford, 2020, S. 226ff) untersucht sie nicht, inwiefern diese (kumuliert) genug Moment entwickeln, um das WWS als Ganzes nachhaltiger funktionieren zu lassen. In der Erarbeitung dieser Fragestellung liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit.

Obwohl es neben einer starken Nachfrage im chinesischen oder US-amerikanischen Markt andere aufstrebende Märkte gibt, die weltweiten Einfluss ausüben, charakterisiert der Brüssel-Effekt den EUBM mit einigen Alleinstellungsmerkmalen, der einen Washington-Effekt oder Peking-Effekt ausbleiben lässt. Diese Merkmale sind für Bradford (2020) gleichzeitig die notwendigen Bedingungen für den globalen Einfluss der EU-Regulierungen:

1) Marktmacht (zahlungskräftige Nachfrage vieler Konsumenten)
2) Regulatorische Durchsetzungsfähigkeit (Kontroll- und Sanktionskompetenz)
3) Präferenz für striktere Regulierungen (Vorsorgeprinzip der EU)
4) Prädisposition zur Regulierung unelastischer Ziele (Hersteller können die Verbraucher des EUBMs nicht ohne Einhalten der EU-Vorschriften erreichen)
5) Unteilbarkeit von Standards (die strengste Vorschrift weltweit harmonisiert die standardisierte Herstellung einer einzigen Produktionslinie für alle Märkte)

Ungeachtet dieser notwendigen Bedingungen sind ihre Erfüllung nicht hinreichend für das Einsetzen des Brüssel-Effekts beijeder neuen Gesetzgebung (Bradford, 2020, S. 25ff).

Die EU hat durch die institutionelle Gestaltung ihres großen Markts einen konkreten regulatorischen Einfluss auf das WWS ermöglicht. Dazu haben die Schlüsselakteure zunehmend zu einer strikteren Regulierung des EUBM ermutigt (Bradford, 2020, S. 25). Chinas Markt besitzt keine vergleichbare regulative Tradition international gehandelter Güter und bleibt häufig eher netto Exporteur als ausschlaggebender Hauptimporteur entlang globalisierter Wertschöpfungsketten. Trotz der weltgrößten Bevölkerung mit einer aufsteigenden Mittelschicht hat das Land (noch) keine vergleichbare massenhafte Kaufkraft. Der US-Verbrau- chermarkt besitzt zwar eine höhere Durchschnittskaufkraft (die real weitaus ungleicher verteilt ist) als die EU, fasst jedoch knapp 200 Millionen Menschen weniger. Zudem herrscht in den USA mit dem Risikoprinzip eine eher schwache Präferenz zur strikten Regulierung vor (Bradford, 2020, S. 27, 64).

Bradfords (2020) Brüssel-Effekt beschreibt nicht allein die geografischen, sondern auch Pro- zess-verändernde Spillover-Effekte europäischer Gesetzgebung: Für einzelne Märkte oder deren Sektoren verspricht der Export nach Europa ein attraktives Absatzwachstum. Dies regt zu Investitionen an, um die Vorschriften einzuhalten und setzt vor Ort (abseits der direkt von der EU-Regulierung betroffenen Branche) eine steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Gütern oder Technologien in Gang. Die Transformation einer nachhaltigen 59

Marktwirtschaft wird ohnehin von Investitionen abhängen und kurz- wie langfristig entsprechende Marktsegmente wachsen lassen (Stern & Valero, 2021, S. 6, 25).

Für etliche Betriebe haben EU-Regulierungen eine derartige Relevanz, dass es sich ökonomisch rentiert, die gesamte Produktion nachhaltiger zu gestalten. Umweltschädliche Herstellverfahren weichen einem abgeschwächtem Preisdruck und Naturreservate wie bspw. der brasilianische Regenwald können besser erhalten oder gar aufgeforstet werden (Bradford, 2020, S. 53f; Lambin & Thorlakson, 2018, S. 380). Obwohl ein defacto Brüssel-Effekt bereits Emissionen einsparen oder einen schonenden Umgang mit der Umwelt für einige Betriebe fördern kann, birgt die de jure Umsetzung langfristig mehr Potenzial, die Marktmechanismen vor Ort nachhaltiger funktionieren zu lassen.

Bradford beschreibt die EU trotz Herausforderungen als beständigen, globalen Hegemon. Das relative Schrumpfen seines Handelsvolumens mit dem Aufstreben der emerging markets bei einer dynamischen Entwicklung des Weltgeschehens können eine Hauptbedingung des Brüssel-Effekts in Zukunft etwas abschwächen. Ferner kann das Aufkommen neuer Technologien für kostengünstige Produktpersonalisierungen entgegen einer rentablen Standardisierung, sowie interne Krisen der EU nach dem Brexit und antieuropäischer Populismus, weitere notwendige Bedingungen unterminieren. Dennoch bescheinigt Bradford dem Brüssel-Effekt robuste Zukunftsaussichten (Bradford, 2020, S. 263ff, 287f).

Für sein Eintreten müssen nicht alle genannten Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen. Zudem ist eine Begrenzung des Brüssel-Effekts durch internationales Recht, bspw. vor der WTO, nicht empirisch nachweisbar (Holzinger & Sommerer, 2012; Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 118f). Der Brüssel-Effekt birgt trotz ambivalenter Kostenauswirkungen zahlreiche Vorteile weltweit, vor allem für eine gesteigerte Verbrauchersicherheit, einen stärkeren Datenschutz sowie eine saubere Umwelt. Er generiert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen positiven Nutzen, auch wenn dieser nicht gleichmäßig und für alle zugänglich wird (Bradford, 2020, S. 262f; Hadjiyianni, 2021, S. 248ff).

Diese Arbeit baut auf dem Brüssel-Effekt auf, aber untersucht fokussiert die transformativen Spillover-Effekte von EUBM-Standards im Kampf gegen die Klimakrise. Dabei wird deutlich, inwiefern aus deren gebündelten Auswirkungen eine Tendenz hin zu einem nachhaltigen funktionierenden WWS erkennbar ist. Wenn EUBM-Standards auf weiteren, bedeutsamen Märkten eine de jure Anwendung finden, verstärken sich die Spillover-Effekte mit einer additiv gewachsenen Marktmacht und es kommt vermehrt zu europäischen Weltstandards.

4.2.2 Europäische Weltstandards

Anders als bei anderen Einflussmöglichkeiten im WWS muss die EU niemanden zur Anwendung ihrer Standards überzeugen - die Marktkräfte allein reichen oft aus, um einen EUBM-Standard in einen tonangebenden Weltstandard zu verwandeln, da es sich für global agierende Unternehmen ökonomisch rentiert, die Vorgaben auf ihre weltweiten Aktivitäten auszudehnen, Nach Bradford (2020) führt der Brüssel-Effekt unter gewissen Bedingungen zu einer unilateralen regulatorischen Globalisierung, So durchdringen einige EU-Vorschriften viele Aspekte des wirtschaftlichen Treibens und deren Einfluss „schwappt über“ auf das alltägliche Leben, wie auf das persönliche Umfeld vieler Menschen weltweit,

Die EU erkennt in vielen Bereichen ihre Fähigkeit, globale Standards zu etablieren, Für Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Medikament-Entwicklung, Umwelt- und Datenschutz, öffentliches Beschaffungswesen, Finanzregulierungen wie Buchführungsvorgaben sehe sie bereits ihre Dominanz (Bradford, 2020, S, 21, 48), Eine Pressemitteilung der Europäischen Kommission im Februar 2022 verdeutlicht die Kenntnisnahme der weltweiten Wirkung von EUBM-Standards und unterbreitet darauf aufbauend Vorschläge, diese Vorherrschaft im Sinne des Verbraucher- und Klimaschutzes zukunftsfest auszubauen, Die EK sieht in ihren Standards „ein unauffälliges Fundament des EU-Binnenmarkts und der globalen Wettbewerbsfähigkeit“ (EC, 2022a), ohne deren Wirkung auf die Wirtschaftsprozesse die europäischen Ambitionen hin zu einer Klimaneutralität nicht erreicht werden könnten,

Die EK möchte zur Wahrung dieser Fähigkeit ein hochrangiges Forum einrichten, um künftige Standardpotenziale frühzeitig zu erkennen, Dazu sollen öffentlich-private Partnerschaften die Realisierbarkeit von Standards garantieren und das Vertrauen der Zivilgesellschaft stärken, Allianzen sollen in europäischer Nachbarschaft, afrikanischen und weiteren Nationen, mitunter finanziell, gestärkt werden, um durch einen effizienteren Informationsaustausch Potenziale für den Klimaschutz zu wahren, Standards und Normierungen sollen zunehmend in Forschungsprojekten untersucht und gefördert werden, um Sachverständige auszubilden und Innovationen zu fördern (EC, 2022a; Finke, 2022),

Die de facto Anwendung der EUBM-Vorgaben als Weltstandards kann allein schon dabei helfen, durch normierte Maßvorgaben Verschwendung vorzubeugen sowie die Kompatibilität von Produkten und Dienstleistungen zu fördern (EC, 2022a), Meist abhängig vom jeweiligen Handelsvolumenanteil entwickeln europäische Normen je nach Wirtschaftssektor geografische und funktionale Spillover-Effekte, Die globale Berücksichtigung der EU-Normen forciert die Rolle einer glaubwürdigen Vorreiterin im Klimaschutz und kann globale Prozesse effizienter wie ressourcenschonender funktionieren lassen, Offen bleibt dabei, 61 inwiefern dieser Effizienzgewinn an Zeit, natürlichen Ressourcen oder Geld auf Dauer durch Rebound36 -Effekte gemindert werden.

Mit der REACH37 -Rechtsvorschrift aus dem Jahr 2007 gibt die EU quasi den Weltstandard für chemische Produktherstellung vor (Bradford, 2020, S. 196ff). Neben Baustoffen, Kosmetik- und Medizinartikeln schützen EUBM-Standards auch Spielwaren, Plastikflaschen oder Hygieneartikel. Die EU gibt u.a. das Verbot von gesundheitsschädlichen Stoffe vor oder definiert Maximalwerte (Finke, 2022), die global eine Bevorzugung von umweltschonenden Herstellprozessen haben.

Die RoHS38 -Richtlinie der EU grenzt seit 2011 effektiv die Nutzung von gesundheits- und umweltgefährdenden Substanzen ein und reduziert die Entstehung von Elektroabfall. Sie hat sich als striktester und damit harmonisierender Weltstandard durchgesetzt, der weltweit umweltschädliche Herstellverfahren reduziert (Bradford, 2020, S. 222f).

Ferner reguliert die EU streng Vorschriften für genmodifizierte Lebensmitteln, was Auswirkung auf die globalisierte Agrarwirtschaft entfaltet (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 108f). EUBM-Emissionsstandards für Verbrennungsmotoren gelten bereits seit Vogels (1997) Forschung zum California-Effekt als weltführend. Mehrere europäische Tierwohlvorschriften für die Lebensmittelproduktion (und das Verbot von Tierversuchen für Kosmetikartikel) haben sich als globale Richtlinien etabliert, die von Produzenten weltweit in signifikantem Maße berücksichtigt werden. Zusammen mit dem Europäischen Emissionshandel gibt die EU zwar nicht effektiv den meistangewandten Standard vor, dient aber weltweit als Maßstab, an dem sich andere Regulierungen orientieren (Bradford, 2020, S. 209f).

Die EU schafft gegen die Interessen der multinationalen Oligopole aus dem Silicon Valley aktuell neue Weltstandards als konsequente Datenschutz-Vorreiterin. Damit statuiert sie ein Image-trächtiges Exempel über die Hegemonie, Resilienz und Autonomie des EUBMs (Bradford, 2020, S. 29ff), dessen Vorschriften von Digitalkonzernen in Teilen aus Marketingzwecken weltweit ihre Umsetzung finden (Michaels, 2018). Dieses Durchsetzungsvermögen findet international Beachtung bei Konzernen und Regierungen.

Die EU kann mit ihrer Erfahrung als mehrfache Weltstandard-Anführerin ihre proklamierten Werte glaubwürdig kommunizieren. Die EK will weiterhin federführend in Zukunft mit steigenden Mindestanforderungen den Klimaschutz voranbringen und einen „resilienten, grünen und digitalen Binnenmarkt“ (EC, 2022) schaffen, der sein Gewicht für soziale und klimafreundliche Entwicklungen einsetzen soll. Sie versucht sich im liberalisierten Welthandel mit der Durchsetzung von Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsprinzipien (Lippert, 2020). Europäische Weltstandards und eine starke Sanktionskompetenz wirken als warnendes Aushängeschild gegen einen kurzsichtigen Übereifer von Produzenten, Umweltkosten zu externalisieren. Sie stärken einen integren Führungsanspruch der EU für künftige Regulierungen und schärfen das Profil Brüssels (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 15f), sich unilateral oder in multilateralen Verhandlungen durchsetzen zu können. Dass Weltstandards existieren und als orientierungsgebende Ausrichtung globalen Produktionsprozessen dienen, ist bereits ein Indiz, dass sich das WWS durch EU-Normen aufDauer verändert.

4.2.3 Produktstandards stärken die EU-Verhandlungsmacht im Multilateralismus

Um das WWS nachhaltiger zu gestalten, zeigt sich wie beim Montreal-Protocol eine Stärke des Multilateralismus. Policies aus internationalen Klimaabkommen haben neben einem gesteigerten Umweltschutz weitere Vorteile, da sie Prozesse effizienter gestalten, Ressourcenverschwendung eindämmen, den Gesundheitssektor entlasten und Ökosysteme stabilisieren (Hepburn et al., 2020, S. 8). Die Klimaverhandlungen enden mit ambitionierteren Zielen für die Parteien, wenn sich die Vertreter in Brüssel geschlossen stark für eine Einigung engagieren (Tuschhoff, 2015, S. 227f). Der folgende Abschnitt zeigt, wie EUBM-Standards die EU-Verhandlungsmacht stützen können: Sie fördern die europäische Nachfrage nach klimafreundlicher Technologie und Produktionsweise, initiieren Klimaabkommen und einen die Interessen meinungsbildender Akteure.

Grünes Wachstum durch die Förderung von nachhaltigen Technologien wird sich kurz- und langfristig auszahlen und einen wachsenden Markt schaffen, auf den eine wachsende Anzahl an Akteuren Zugriff haben wollen (Elsenhans, 2020a; Hepburn et al., 2020, S. 8ff). Anforderungen des EU-Marktzugangs üben auf ihn gerichtete Exportfirmen einen Druck aus, sich in deren Ursprungsregionen für förderliche Wettbewerbsbedingungen in Form von institutioneller Unterstützung einzusetzen. So erscheinen ihre bereits getätigten Investitionen gegenüber der Konkurrenz in der heimischen Wirtschaft nicht als kostenintensiver Wettbewerbsnachteil (Hadjiyianni, 2021, S. 257). Die dadurch in Gang gesetzte Entwicklung von zunehmend erschwinglichen klimafreundlichen Alternativprodukten macht diese wettbewerbsfähig und lässt in Europa einen kaufkräftigen Markt für ihre Massenproduktion entstehen. Die wachsende Nachfrage dieses Marktes führt zu einem steigenden Angebot entlang der globalen Wertschöpfungsketten, um ein Marktgleichgewicht anzustreben. Pioniermärkte mit großem Absatzvolumen senken mit ihrer globalisierten Verflechtung ihr unternehmerisches Risiko und können signifikante Wachstumsraten erwarten (Stern & Valero, 2021, S. 14). Für die Bewältigung der Klimakrise wichtige Investitionen in nachhaltige Technologien können somit planbarer getätigt werden (D’Aprile et al., 2020). Andere Märkte und Staaten reagieren auf positive Entwicklungen und können Strukturen des pionierenden EUBMs emulieren (Ancygier, 2020)

Eine nachhaltigere Wirtschaft mit höheren Standards und grünem Wachstum in Europa wird als vorausziehender Zukunftsmarkt attraktiv für Firmen weltweit. Auch eine steigende Nachfrage nach Gemeingütern bei sinkendem Privatgüterkonsum im globalen Norden verhindert keinen kapitalistischen Wettbewerb, sondern kann ihn sogar fördern (Elsenhans, 2020a, S. 159ff; Stern & Valero, 2021, S. 21ff). Unilaterale EUBM-Standards für unelastische grüne Technologieprodukte können ihre Marktschaffung in Europa begleiten. Die EU kann durch ihren ökonomischen Druck Allianzen in anderen Nationen gewinnen, die Regierungen ökonomische Anreize bieten, sich an der Seite Brüssels öffentlichkeitswirksam zu engagieren und sich für höhere Standards auf dem Weltmarkt zu engagieren.

Wenn multilaterale Verhandlungen zu scheitern drohen, kann die EU unilateral den globalen Druck ihres Marktvolumens ausnutzen, alleine globale Veränderungen anzustoßen. Gleichzeitig kann die Androhung eines unilateralen Vorgehens der EU ausreichen, um multilaterale Verhandlungen einzuleiten. Dies führte bspw. zu einem internationalen Abkommen zur Regulierung der Emissionen in der Luftfahrtindustrie - ein Ergebnis, das ohne die regulativen Vorstöße Brüssels nicht möglich gewesen wäre (Bradford, 2020, S. 219, 231).

EU-Verhandlungen, die Emissionen des internationalen Luftverkehrs durch unilaterale Richtlinien zu reduzieren, sahen vor, verursachte CO2eq-Folgekosten bei Flügen aus oder in das EU-Gebiet monetär von den Fluggesellschaften auszugleichen. Ein wirkungsstarker Sanktionenkatalog sollte das Gesetz zu seiner Anwendung forcieren. Das Vorhaben stand starker Gegenwehr von Lobbyvertretern internationaler Konzerne und deren unter Druck geratenen politischen Vertretern gegenüber. Deren koordinierter Aufruf, den Vorstoß der EU auszubremsen, brachte die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. Das geplante EU-Gesetz wurde unter der Bedingung eingefroren, dass bis 2016 eine äquivalente Lösung ausgearbeitet sein müsse. Die Verhandlungen endeten in der Institutionalisierung der internationalen CORSIA[39]-Vereinbarung. Diese sieht u.a. striktere Emissionsstandards für die künftige Flugzeugproduktion vor (Bradford, 2020, S. 219ff).

Diese provozierten multilateralen Einigung orientiern sich zwar an europäischen Vorschriften, sie sind aber in offiziellen Verträgen verankert und werden als Ausdruck eines internationalen Konsens[4] angesehen. So können einseitige Klimaschutzinitiativen der EU den Weg für eine multilaterale Zusammenarbeit ebnen, indem sie die zugrundeliegende Verhandlungsdynamik zugunsten der EU verändern. So war beispielsweise die Ankündigung durch den unilateralen Vorstoß ein wichtiger Faktor für die Herbeiführung von CORSIA. Die teilnehmenden Länder hatten einen großen Anreiz, sich darauf zu einigen, weil sie befürchteten, dass die EU ohne eine internationale Vereinbarung die Branche einseitig regulieren würde. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie die EU bisweilen in der Lage ist, den Unilateralismus zur Förderung multilateraler Abkommen zu nutzen (Bradford, 2020, S. 90).

Die Beobachtungen dieses Brüssel-Effekts treffen in der Überlegung ebenfalls für Produktstandards für Herstellverfahren zu (Sommerer, 2011, S. 278). Sie bergen ein ähnliches Potenzial, wenn sie realistisch kalibriert die Anpassungskapazitäten bedeutender Zulieferermärkte ausreizen. Sollten EUBM-Standards signifikante Abnahmemengen von Zulieferern durch eine erforderte Anpassung überfordern, können anderweitige Vereinbarungen getroffen werden. Strikte Produktionsvorschriften können zudem gestaffelt oder mit Ausgleichszahlungen verbunden, ihre Umsetzung auf den emerging markets vereinfachen (UNCTAD, 2021, S. 113, 156). Zudem können höhere Anforderungen an F&E im Ausland die dortige Rentenabschöpfungen durch die erforderten Investitionen erschweren.

Andersherum können Verhandlungen über bi- oder multilaterale Handelsabkommen, wie TTIP oder das Mercorsur-Abkommen, Proteste einer engagierten Zivilbevölkerung in Sorge um die Absenkung europäischer Sicherheits- und Produktstandards hervorrufen (Lippert, 2020; Tuschhoff, 2015, S. 97f). Standards können die Themen Umwelt und Klima auf die politische Agenda setzen. Dabei bemühen sich meinungsbildende Akteure um das Durchsetzen ihrerEinzelinteressen, die Standards vereinen können (siehe Abschnitt 3.1.3).

Sobald EUBM-Standards kostspielige Anpassungen der Produktion auslösen, liegt es im Interesse einer international agierenden Industrie, diese Normen global, bzw. auf den Hauptmärkten anzugleichen, damit ihre Investitionen in Europa keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz darstellen. So bilden die Interessen der EU-Industrievertreter mit [39] Abkürzung für “Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation” (Bradford, 2020, S. 221), zu deutsch „CO2-Ausgleichs- und Reduktionsvereinbarung für den internationalen Flugverkehr“. 65 denen der Umweltaktivisten anderer Nationen eine Synergie, den Druck zu strengeren Regulierungen (nach EU-Vorbild) in außereuropäischen Nationen zu erhöhen (Bradford, 2020, S. 12). Ökonomisch garantiert dieser Vorgang ein levelplayingfield, indem die Transferkosten zum Handel auf andere Märkte reduziert wird. Außereuropäische Betriebe haben durch eine Anpassung an eine dejure Umsetzung von EUBM-Standards quasi eine sofortige Marktzugangsberechtigung für Europa und können einen Export in Betracht ziehen.

Zusammenfassend stärken Standards die Verhandlungsmacht Brüssels vielseitig: Es entfällt der Druck um die niedrigsten Preise als Argument der Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen werden angetrieben. Interessen von Akteuren werden vereint. Die EU kann Länder, die ihre Standards anwenden, bei multilateralen Klimaschutzverhandlungen eher für darauf aufbauende Maßnahmen gewinnen. Diese haben im Vergleich zur standardfreien Konkurrenz erforderliche Investitionen bereits getätigt und könnten mit strikteren, internationalen Ambitionen einen anfänglichen Wettbewerbsvorteil in einem harmonisierten Markt realisieren. Die Spillover-Effekte von EUBM-Standards sind geografischer und funktionaler Natur. Sie „schwappen“ weltweit auf Akteure und Ökosysteme über und gelten als das Maß der Dinge für chemische Waren, Umwelt- oder Datenschutz. Bradfords (2020) Brüssel-Effekt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Klimaschutz auf die politische Agenda gesetzt und angegangen wird. Spillover-Effekte entfalten dabei eine eher umweltfreundliche Wirkung, die den meisten Betroffenen (wenn auch nicht in gleichem Maße) zugutekommt. Inwiefern ist diese Entwicklung tendenziell systemverändernd, sodass das WWS nachhaltiger funktioniert? Aufbauend auf dem theoretischen Gerüst und der argumentativen Herleitung in den letzten Abschnitten, soll Kapitel 5 die Begrenzungen der globalen Auswirkungen von EUBM-Standards aufzeigen, sowie abschließend ihr Klimaschutzpotenzial für die Zukunft skizzieren.

5. Machen EU-Standards das Weltwirtschaftssvstem nachhaltig nachhaltiger?

Wie schön und einfach wäre das, wenn das Wirken einer einenden moralischen Instanz das WWS von allen Akteuren dahingehend verändern könnte, dass die Klimakrise signifikant ausgebremst würde. Und wie verkürzt wäre es, diesen Wunsch auf die EU und ihre Produktstandards zu projizieren. Diese Arbeit versucht nicht, EUBM-Standards als Allheilmittel gegen die Klimakrise vorzustellen. Es untersucht deren Potenzial, als ein Instrument von vielen, die Funktionsweise des WWSs in Bezug auf die Klimakrise nachhaltiger zu gestalten. Dabei erfasst diese Arbeit die wirkungsmächtigsten Spillover-Effekte der EU-Normierungen und führt Bedingungen auf, wie ihr punktuell förderlicher Einfluss beim Klimaschutz in Zukunft gewahrt bleiben kann.

Ein trading up von Umweltregulierungen (Vogel, 1997) ist erkennbar und entfaltet nachweislich global Einflüsse auf das Ausmaß klimafreundlicher Herstellverfahren, Emissionsreduktionen im Transportsektor (Perkins & Neumayer, 2012) und verringert präventiv das Eintreten von Umweltkatastrophen (Lambin & Thorlakson, 2018). Nach Bradford (2020) spielen Regulierungen der EU dabei eine herausragende Rolle, die auch in absehbarer Zukunft beständig wirksam den globalisierten Handel unilateral mitgestaltet.

Dennoch haben europäische Standards nicht gleichmäßig Auswirkungen auf alle Produkte, Firmen oder Weltregionen und sind in ihrer Klimaschutz initiierenden Wirkung begrenzt. Erlauben die erfassten Fortschritte die Folgerung, dass sie kumuliert das WWS (zunehmend) nachhaltiger funktionieren lassen? Die Evidenzlage dazu ist nicht eindeutig und die einzelnen globalen Auswirkungen sind dank ihrerNatur schwierig isoliert zu quantifizieren. Umfangreiche empirische Studien zu eingesparten CO2eq-Emissionen als temporäre Folge auf die Einführung von EUBM-Standards existieren bislang nicht. Die EK scheint jedoch zuversichtlich, dass deren klimaschützendes Potenzial noch nicht gänzlich ausgeschöpft ist und will ihre Vorreiterrolle als Weltstandardsetzerin zukunftssicher ausbauen (EC, 2022a).

Nach Sommerer (2011) und Ancygier (2020) führen neue Umweltschutzmaßnahmen der EU dazu, dass diese in der Tendenz zeitverzögert auch außerhalb Europas zu ähnlichen Maßnahmen führen. Die Produktstandards des großen europäischen Marktes spielen beim Umbau der Wirtschaft eine bedeutende Rolle, bilden jedoch kein führendes Instrument für das Erreichen der gesetzten Klimaziele (EC, 2021a).

Dieses Kapitel soll zusammenführen, auf welche Grenzen die klimaförderlichen SpilloverEffekte von EUBM-Standards stoßen und inwiefern diese eine nachhaltige Entwicklung des WWS (rechtzeitig) ermöglichen.

5.1 Die eingeschränkte Wirkung von EU-Regulierungen

Spillover-Effekte von EUBM-Standards wirken weitreichend und können punktuell Wirtschaftsprozesse nachhaltiger gestalten. Bislang wirken diese nicht umfassend genug, um einen erkennbaren tipping point hin zu einem nachhaltig funktionierenden WWS auszumachen. Bei den potenziell mehrdimensionalen und weltweiten Auswirkungen wird die klimaschützende Wirkung von EUBM-Standards von mehreren Aspekten begrenzt.

Marktgröße, regulatorische Kompetenz, Drang zu strikten Regulierungen, unelastische Ziele und eine Unteilbarkeit von Standards bilden die notwendigen Bedingungen für den BrüsselEffekt (Bradford, 2020, S. 25). Dabei kommt es besonders für EUBM-Standards darauf an, wie sich diese Bedingungen in Europa im Vergleich zu anderen Märkten entwickeln. Eine Abhängigkeit von chinesischen Importen kann die EU-Fähigkeit, Weltstandards zu setzen, in Zukunft unterminieren (Finke, 2022). Eine steigende Regionalisierung gewisser Wirtschaftsbranchen dank neuer Technologien, wie dem 3D-Druck, oder Trends wie die zunehmende Digitalisierung, technologische Gemüseanbau-Verfahren40, erschwingliche Maschinenproduktion, eine steigende Wiederverwendung von Gütern oder die strukturelle Ausrichtung auf eine europäische „kreislauforientierte Wirtschaft“ (EC, 2022a) können in Zukunft die Interdependenzen auf Wertschöpfungsketten entflechten und einen quantitativ massenhaften Export an den EUBM verringern. Damit sinkt potenziell seine Fähigkeit und Reichweite, zumindest neu aufkommende Standards für andere Märkte relevant oder skaliert für alle Produktionslinien rentabel zu gestalten.

Der Wandel von quantitativ preiswerten hin zu eher qualitativ hochwertigen Produkten, ein wahrscheinlicher Rückgang der Privatgüternachfrage und ein Trend hin zu mehr Gemeingüterproduktion muss das monetäre Umsatzvolumen des EUBM nicht absinken lassen (Elsenhans, 2021, S. 206f). Allerdings kann dies Auswirkungen auf skalierte Produktionskapazitäten in Zulieferländern haben. Mit einer zunehmenden Autonomie Europas in einigen Wirtschaftssektoren, könnten etablierte Zulieferer nun auf andere Märkte ausweichen, die weniger bis gar nicht reguliert werden (Bradford, 2020, S. 62). So könnte man eine kostspielige Aufrüstung nach EU-Vorschrift für die eigene Maschinerie vermeiden und routiniert konventionell für andere Marktregionen mit aufstrebender Nachfrage produzieren.

EUBM-Standards müssen für ihren de facto oder de jure Export realistisch umsetzbar und nicht abrupt in Kraft treten. Dies könnte Produzenten abschrecken, den Güterexport nach Europa schmälern oder auf andere Märkte ausweichen lassen (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 99). Wenn EUBM-Standards zu schwach ausfallen, sind deren Spillover-Effekte hin zu mehr Nachhaltigkeit in ihrer Anwendung ebenfalls begrenzt. Dies ist bspw. bei der Entstehung eines europäischen Lieferkettengesetzes zu beobachten (Laghai & Steiner, 2021).

Juristisch können EUBM-Normierungen beeinträchtigt werden. Im Rahmen der WTO können Nationen klagen, wenn europäische Standards juristisch nicht eindeutig artikuliert Handelsbarrieren errichten und Importe diskriminierend ausschließen. Jedoch konnte bislang keine unrechtmäßige Marktzugangsbehinderung von der WTO erkannt werden oder die Wirkungen von EUBM-Standards einschränken (Sinopoli & Purnhagen, 2016). Wie dies bei einer Klimazollabgabe an der Außengrenze aussieht, ist noch nicht abschließend geklärt.

Rentenstrukturen erweisen sich trotz ihrer wachstumshemmenden Wirkung als beständig. Kapitalistische Mechanismen erlauben die profitstiftende Umsetzung von EUBM-Standards auf komplette Produktionsreihen aufgrund von Skaleneffekten. Ähnlich wie in Kapitel 2.3.2 beschrieben, können bestehende Rentenstrukturen inner- und außereuropäisch die Wettbewerbslogik behindern (Piketty, 2020, S. 852ff). Damit ist die ökonomische Rentabilität der notwendigen Investitionen zur Einhaltung der EU-Vorschriften gestört und macht eine de facto Anwendung unwahrscheinlicher. Zudem können interne Konflikte der EU oder ein ungleichmäßiger Nutzen höherer Produktvorgaben für ältere Industriezweige die Entwicklung neuerEUBM-Standards beeinträchtigen (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 99f).

In Brüssel sind Standards als essenzielles Instrument gegen die Klimakrise etabliert (EC, 2022a); sie spielen im EGD allerdings eine untergeordnete Rolle (EC, 2021a). Ihr Einfluss für den Klimaschutz ist mehrfach belegt, aber (noch) führen sie nicht signifikant zu einer nachhaltigeren Funktionsweise im WWS durch eine flächendeckende Änderung der ökonomischen Anreize. Spillover-Effekte von EUBM-Standards treten nicht automatisch ein. Außerdem werden sie nicht überall angewandt und nicht alle profitieren von ihnen. Selbst wenn sie mit einer klimaschützenden Wirkung über die europäischen Grenzen übertreten, kann ihre klimabedingte Prozessverbesserung nur marginale Auswirkungen haben oder durch einen Rebound-Effekt weiter geschmälert werden. Die folgenden zwei Abschnitte zeigen einige begrenzte funktionale und geografische Wirkung der Spillover-Effekte.

5.1.1 Klimafreundliche Spillover-Effekte sind nicht für alle Standard

Nicht alle Branchen richten sich gleichermaßen nach den EU-Produktvorgaben oder zielen primär auf einen Absatz auf dem europäischen Verbrauchermarkt ab. In Fällen, wo der EUBM-Anteil am Exportgeschäft eines Produkts weniger gewichtig ist, spielt seine Marktgröße eine untergeordnete Rolle. Wegen strikter Standards für medizinische Produkte hat der japanische Arzneimittelhersteller Takeda 2008 seine Marktpräsenz in Europa aufgegeben. Die Investition für die Anpassung der Schlafmittelproduktion erschien entgegen erwarteter Absatzmengen unrentabel. Das Mittel wird seither (unter anderem Namen) weiterhin in Japan und den USA vertrieben, wo niedrigere Anforderungen gelten (Bradford, 2020, S. 29f). Ein weiteres Beispiel ist die Sonderabfallentsorgung, bei der häufig eine illegale Handhabung üblich ist. Die Erzeuger haben einen erheblichen Anreiz, kostspielige EU-Vorschriften zu umgehen, indem sie sich Länder suchen, in denen die Abfallstandards nicht durchgesetzt oder weniger streng kontrolliert werden. Da Abfälle elastisch (ergo leicht beweglich) sind, haben Hersteller die Möglichkeit und den kurzfristigen ökonomischen Anreiz, sie außerhalb Europas zu entsorgen. Dies veranschaulicht, dass es bedeutend schwieriger ist, Exporte in bestimmte Drittländer zu begrenzen, als Importe in den eigenen Markt zu verhindern (Bradford, 2020, S. 30). Europäische Ambitionen, die Abfallwirtschaft strikter zu kontrollieren hätte ambivalente Auswirkungen auf Wertschöpfungsketten und professionelle Wiederverwertungsdeponien in Afrika (Usman et al., 2021, S. 16).

Wenn eine umsatzversprechende europäische Nachfrage in Zukunft bspw. durch striktere Standards sinkt, kann eine darauf ehemals ausgerichtete Wertschöpfungskette auf andere Märkte ausweichen, die (noch) keinen äquivalenten Standard bspw. durch weniger Sanktionskompetenz, forcieren (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 381). In diesem Fall kann eine vom EUBM gewachsene Abhängigkeit mit der Zeit ein relevantes Produktionsausmaß mit Umweltauswirkungen (Ressourcenverbrauch und Emissionen) entwickelt haben. Ein solches Unternehmen mit einhergehenden Arbeitsplätzen41 und bestehenden Verträge kann sich bei einer geringeren Absatzabhängigkeit von Europa und seinen umweltschutzförderlichen Maßnahmen abwenden, um die wirtschaftlichen Strukturen und seine Verflechtungen vor Ort einigermaßen zu erhalten:

Europas Hunger nach billigen Konsumwaren hat weltweite Auswirkungen (tagesschau.de, 2022). So wuchs die malaysische und indonesische Palmölindustrie enorm an, weil sie günstig und zunächst ohne strikte Umwelt- oder Arbeitsschutzstandards produzierte. Die abnehmende Nachfrage nach Palmölprodukten (als Reaktion auf die Herstellungsbedingungen) in Kombination mit strikteren Anforderungen des EUBMs bringen die abhängig gewordenen Bauern vor Ort in Zugzwang. In kurzer Zeit können weder Anbaugebiete umfunktioniert werden noch eine erforderliche Aufforstung stattfinden. Die maßgeblich durch die Nachfrage Europas gewachsene Industrie orientiert sich nun an den schwächer regulierten russischen und chinesischen Märkten (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 381). Der steigende Massenkonsum von Nutella ist damit auf lange Sicht nicht nur für die Verbrauchergesundheit, sondern auch für die Umwelt im Abbaugebiet schädlich. Die weit verbreiteten Palmölplantagen hinterlassen gerodete Regenwälder, auf die Europas Verbrauchermarkt und dessen Regulierungen in Zukunft kaum klimaförderliche Spillover-Effekte entfalten können.

Wenn EUBM-Standards in der Welt bspw. Emissionsverbesserungen in Gang setzen, profitieren nicht alle davon. Preissteigerungen aufgrund zunächst kostspieliger Herstellungsanforderungen können einen Teil der Verbraucher auf weniger klimaförderliche Alternativprodukte ausweichen lassen (Bradford, 2020, S. 236). Signifikant höhere Preise können die Gesamtnachfrage senken und den standardangebenden EUBM als wichtigen Abnehmermarkt eines Produkts weniger ausschlaggebend für exportorientierte Unternehmen machen.

Der sinkende Fleischkonsum bei jüngeren Europäern und höhere Tierwohlstandards können in Zukunft bestehende, enorm skalierte Kapazitäten verbilligt auf die steigende Nachfrage anderer Nationen ausweichen lassen. So wäre die Fleischindustrie zumindest nicht mehr de jure auf EUBM-Standards angewiesen und könnte klimabedingte Fortschritte bei der Produktion, wie kostspielige Tierwohlauflagen oder Futtervorgaben rückgängig machen. Eine langfristig auf den Konsum Europas ausgerichtete Fleischproduktion ist von sensibel umsetzbaren Standards beeinflussbar (Bradford, 2020, S. 217ff). Es birgt Ungewissheiten, wie sich vor allem der drastisch gewachsene Sektor der Tierindustrie mit seinen immensen Auswirkungen auf Klima und Umwelt in Zukunft ohne gesteuerte Vorgaben und Anreize entwickelt (D’Aprile et al., 2020, S. 130ff).

Klimafreundliche Spillover-Effekte von EUBM-Standards finden weltweit wenig Beachtung, wenn die Kosten von Produktdiversifizierungen einer bestimmten Branche oder Produktkategorie trivial werden, um bspw. kundenspezifische Individualisierungen zunehmen (im Gegensatz zu standardisierter Massenproduktion). So rechnet sich stellenweise eine Aufteilung der Produktionsreihen für mehrere Standards (Bradford, 2020, S. 63).

Selbst wenn ein EUBM-Standard angewandt wird, muss er auf Dauer entlang der Wertschöpfungskette nicht zwingend ein nachhaltiges Wirtschaften fördern. Gewisse Produktvorgaben können zusätzliche Zulieferer entlang des Produktionsprozesses erfordern, die mit mehr logistischem Aufwand seine CO2eq-Intensität ansteigen lässt. Die Szenarien und Beispiele zeigen, dass nicht alle Branchen, Produkte oder Menschen durch angeregte SpilloverEffekte die Wirtschaftsprozesse effektiv nachhaltiger gestalten. Die wirtschaftlichen Anreize von europäischen Standards auch im europäischen Ausland klimafreundlicher zu produzieren, hängen von der regulierten Branche ab und der künftigen Entwicklung ihrer zahlungskräftigen Nachfrage und Abnehmer. Der Export nach Europa kann durch Auflagen kostspielig werden und ein Ausweichverhalten fördern, das eher Umweltschäden hervorruft. Preisliche Auswirkungen auf die Verbrauchernachfrage in Europa schränkt funktional die steuernde Wirkung des EUBM ein.

5.1.2 Umweltfördernde Spillover-Effekte sind nicht überall Standard

Die umweltförderlichen Auswirkungen von europäischen Standards schwappen nicht immer oder überallhin über, Dieser Abschnitt arbeitet aus, unter welchen Voraussetzungen die geografische Reichweite von Standards eingeschränkt wird,

Selbst wenn Spillover-Effekte von EUBM-Standards umweltfreundliche Entwicklungen in einem Land fördern oder klimaschädliche Verfahren anderer Orts eindämmen, muss dies nicht überall (in ähnlichem Ausmaße oder auf Dauer) geschehen, Bei bestehenden Handelsabkommen mit der EU steigt gewöhnlich das Interesse einer nationalen Industrie, die Vorteile abgebauter Handelshemmnisse und Zölle auszunutzen (Schmidt & Steingress, 2019, S, 20; Tuschhoff, 2015, S, 34f), Die Hürde, auf dem EUBM zu handeln, ist nun geringer und die Berücksichtigung der dortigen Standards erscheint attraktiver, Die Abwesenheit von Handelsabkommen oder eine geschichtlich anderweitig entwickelte Exportbeziehung macht die Anwendung europäischer Standards in anderen Ländern unwahrscheinlicher (Lambin & Thorlakson, 2018, S, 380), Damit können EU-Regulierungen nicht auf jedem Markt regionale Wirtschaftsprozesse nachhaltiger beeinflussen,

Ein Rebound-Effekt der erzielten Effizienzgewinne schränkt die möglichen effektiven Vorteile im Klimaschutz von EUBM-Normen ein (Font Vivanco et al,, 2016, S, 114), So hat in Europa das zunehmend kraftstoffsparende Durchschnittsauto dank strengerer Emissionsstandards gleichzeitig an Gewicht zugenommen, was am Ende die Gesamtemissionen im Automobilsektor seit Jahrzenten gewissermaßen konstant hält (Dohmen, 2021, S, 123), Die Investition für eine skalierte Normanpassung hängt davon ab, ob sie ökonomisch rentabel erscheint, In der Regel ist dies nicht für weniger produktive Hersteller der Fall, Die Berücksichtigung von EUBM-Standards ist häufiger für größere Betriebe attraktiv, die Skaleneffekte auf große Absatzmengen herstellen können (Schmidt & Steingress, 2019, S, 2), Sobald Unternehmen Exporterfahrung gesammelt haben oder langjährig international agieren, wird der Absatzmarkt Europa zusätzlich attraktiver, Umweltfördernde Spillover-Effekte realisieren sich zudem leichter, wenn eine Volkswirtschaft einen entwickelten Grad an kapitalistischem Wettbewerb vorweist, der zu Investitionen anregt (Elsenhans, 2020a, S, 157f). Subventionen können zudem organisatorische und monetäre Investitionen für Exportvorgaben verringern, So haben kamerunische Behörden den regionalen Bauern bei der Umsetzung chemischer Kakaobohnen-Anforderungen Europas unterstützen müssen, Ohne eine solche Möglichkeit kann ein EUBM-Standard in nicht ausreichend entwickelten Märkten oder liquiden Staatsregierungen wirken (Bradford, 2020, S, 185),

EUBM-Standards werden eher de facto von einzelnen Betrieben angewandt als de jure in ausländischem Recht institutionalisiert (Bradford, 2020, S. 3). Eine starke Binnennachfrage eines regulierten Produkts kann dabei ein international agierendes Unternehmen dazu bewegen, den EU-Standard auf dem Heimatmarkt gesetzlich verankern zu wollen. Wenn die Marktpreise signifikant unterschiedlich sind und ein anspruchsvolleres Produkt die durchschnittliche Verbraucherkaufkraft vor Ort übersteigt, bleibt dieser Anreiz aus. Dann orientiert sich das Unternehmen exklusiv auf den Absatz in Europa und das Ausmaß an verbundenen Klimaschutzmaßnahmen bleibt gering.

Umweltauflagen oder generell kostspielige Produktanpassungen können kurzfristig als unrentabel erscheinen (Adam, 2015, S. 236f; Elsenhans, 2021, S. 206) und Teile der Produktion, bzw. des Verkaufs außerhalb des EUBMs stattfinden lassen. EU-Normierungen können multinationale Konzerne dazu bewegen, ihre klimaschädlichen Produktionsschritte geografisch zu verlagern. Nach Zhang et al. (2020) führen europäische Unternehmen dabei das Ranking an. Die Verlagerung solcher Investitionen von entwickelten hin zu sich entwickelnden Volkswirtschaften legt ärmeren Ländern eine höhere Emissionslast auf, während im globalen Norden die direkte Umgebungsumwelt profitiert (Dohmen, 2021, S. 21).

Zusätzlich können EUBM-Standards für umweltfreundliche Ambitionen unterlaufen werden, wenn diese trotz Zertifizierung nur schwer kontrollierbar eingehalten werden. So beeinflussen Vertreter multinationaler Konzerne europäische Gesetzgeber, um ein Lieferkettengesetz abzuschwächen, dass das Produktangebot auf dem EUBM betrifft. Große Firmen verkomplizieren die eigene Verantwortungen entlang diffuser Wertschöpfungsketten und argumentieren, dass Transparenzvorschriften für eine Kennzeichnungspflicht als Wettbewerbsnachteil zuteuerumzusetzen sei (Dohmen, 2021, S. 41f; Laghai & Steiner, 2021).

Tatsächlich adaptierte de jure EUBM-Standards helfen nur so weit, wie sie tatsächlich angewandt, kontrolliert und im Zweifelsfalle sanktioniert werden. Medienwirksame Verstöße gegen Tierwohlauflagen für den Transport oder Herstellvorschriften im fleischverarbeitenden Gewerbe finden gar im zentraleuropäischen Deutschland statt (Dohmen, 2021, S. 74ff). Abgesehen von mangelndem Vertrauen in die seltenen Kontrollvorgänge kann eine geografische Distanz gewisse Hersteller in Sicherheit wägen, für die Einhaltung europäischer Produktanforderungen unsaubere Methoden anzuwenden.

Standards können auch aus formellen Gründen keine weltweite Anwendung finden. Die bürokratischen Anforderungen Europas gestalten sich für einige Zulieferer als unzugänglich formalistisch (Finke, 2022). Bei ähnlich strengen Vorgaben kann ferner ein horizontaler Unterschied zweier Marktzugangsvorschriften den europäischen Standard in seiner Reichweite einschränken. Bei der Nutzung von Konfliktmineralien haben amerikanische und EU-Vorgaben unvereinbare Schwerpunkte, sodass es durch wirtschaftliche Mechanismen zu keiner dominierenden Standardharmonisierung kommen kann (Bradford, 2020, S. 47; Dohmen, 2021, S. 130ff). Ideologische Gründe können bspw. aufgrund kolonialer Vergangenheiten einige Produktvorschriften aus der EU als auferlegt empfunden (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 99) oder als imperialistisch abgelehnt werden (Bradford, 2020, S. 235ff).

Spillover-Effekte von EUBM-Standards treten nicht überall automatisch ein. Es profitieren nicht alle Branchen davon. Selbst wenn sie eintreten, kann ihre klimabedingte Prozessverbesserung nur marginale Auswirkungen haben oder durch einen Rebound-Effekt weiter geschmälert werden (Font Vivanco etal., 2016).

Die Gründe liegen in mangelnden Wettbewerbsstrukturen, der Ineffizienz von Exportbetrieben oder geringer Liquidität für notwendige Investitionen (Schmidt & Steingress, 2019). Dazu werden EUBM-Standards eher von einzelnen Betrieben als nationalen Volkswirtschaften umgesetzt. Multinationale Konzerne beeinträchtigen klimaförderliche Effekte von EU- Vorgaben, wenn sie diese nicht auf ihre ganze Produktionsmenge anwenden oder emissionsintensive Fertigungsprozesse in schwächer regulierte Regionen verlagern (Bradford, 2020; Zhang etal., 2020). Hochwertige Kontrollen, drohende Sanktionsmaßnahmen und bürokratische Hürden haben weiteren Einfluss auf die Wirksamkeit von EUBM-Standards.

Ungewiss bleibt, wie es der europäischen Wirtschaft in einer multipolaren Welt gelingt, die Handelsbeziehungen mit den aufstrebenden Zukunftsmärkten zu intensivieren (Müller- Brandeck-Bocquet et al., 2018). Aktuelle Sanktionen gegen Russland können unmöglich absehbar machen, wie sich der funktionale und geografische Einfluss von EUBM-Standards entwickeln kann. Standards führen unabhängig davon nicht immer zwingend dazu, dass das WWS nachhaltig (ergo langfristig) nachhaltiger (ergo klimaneutral) funktionieren muss.

5.2 Das Klimaschutzpotenzial von EU-Standards

Das Zeitfenster zur präventiven Bekämpfung der Klimakrise schließt sich (IPCC, 2021). In Kapitel 3 und 4 wird aufgezeigt, welche umfangreichen Mechanismen einige Standards auslösen (können), wenn kapitalistischer Wettbewerb herrscht und welche potenziellen Einflüsse dies auf klimaschädliche Wirtschaftssektoren hat. Inwiefern europäische Produktstandards ihre Klimaschutzpotenziale effektiver ausschöpfen können, um ökonomische Anreize im WWS mit der Ökologie in Einklang zu bringen, sollen folgende Abschnitte und ein kurzer Ausblick zusammenfassen.

Abgesehen davon, dass nicht alle Standards überall und in jeder Branche signifikante, klimaförderliche Auswirkungen haben, sieht die EK ihre Normen als essenziell für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem an (EC, 2022a). Die Literaturrecherche dieser Arbeit lässt eine umfassende, substanzielle Umstrukturierung für einen signifikanten, nachhaltigen Trend im globalen Handel (noch) nicht erkennen, der (isoliert) aufEUBM-Standards zurückzuführen ist. Diese ermöglichen nachweisbar Spillover-Effekte, die von einer zunehmend offensiveren Einführung erwartet werden (siehe 5.2.1.), sowie ihre Reichweite und Schlagkraft mit der Synergie von Allianzen ausbauen können (siehe 5.2.2). Dieses Potenzial will die EK in Brüssel zunehmend aktiv ausschöpfen (EC, 2022a).

Standards und weitere Maßnahmen begünstigen sich in ihrem Klimaschutzpotenzial gegenseitig. Aus großen Märkten können solche Policys auf weitere Regionen übertreten (Ancygier, 2020, S. 2ff). Staatliche Interventionen eines einzigen Landes können globale sowie soziale Spillover-Effekte hervorrufen und nachhaltige Technologien fördern (Gillingham & Stock, 2018, S. 64f). Demnach ändern sich allmählich die Handlungsanreize und Umweltverschmutzung wird in den Herstellverfahren weniger externalisiert. Als Vorbild können staatliche Behörden verpflichtend zertifizierte Produkte nutzen. Solche subventionierte Bauvorschriften können die nachhaltige Holzproduktion mit FSC Siegel zunehmend „global, aber nicht überall“ (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 380) antreiben.

Ein weiteres Argument gegen unilateralen, frühzeitigen Klimaschutz ist die Befürchtung, für Trittbrettfahrer mitzuzahlen. Nordhaus (2015) plädiert dafür, dass engagierte, ökonomisch wirkungsmächtige Volkswirtschaften sich als „Klimaclub“ zusammenschließen, um als kleiner Kreis den weniger ambitionierten Nationen Klimaschutzmaßnahmen aufzuzwingen. Per Androhung von Sanktionen sollen Trittbrettfahrerstaaten zu Klimaschutz, wie einem CO2eq-Preis motiviert werden, da globale, multilaterale Verhandlungen wie das Kyoto- Protocol nicht rechtzeitig oder adäquat umgesetzt würden. EUBM-Standards, die auf anderen Märkten de jure institutionalisiert werden, funktionieren wie ein ähnlicher Club, sind jedoch erfahrungsgemäß WTO-konform und haben einen erwiesenen de facto Einfluss auf weltweite Wirtschaftsprozesse. Sie bauen, wie Nordhaus (2015) darauf, dass ein internationaler Druck ambitionierter Vorschriften weltweit Anwendung finden muss. Veränderte Anreize führen dann in Produktionsverfahren dazu, Umweltschäden durch Maßnahmen wie einen CO2eq-Preis zu internalisieren.

Bindende Transparenzvorschriften entlang der Wertschöpfungsketten können mithilfe von EUBM-Standards die Nachfrage von nachhaltigen Produkten ansteigen lassen (Liedtke et al., 2020, S. 19ff). Einzelne, nationale Lieferkettengesetze, die zu einem „regulatorischen 75

Flickenteppich“ (Dohmen, 2021, S. 146) in Europa führen, reizen die Industrie, sich in Brüssel für eine international harmonisierte Norm zu engagieren. Bislang fällt diese dank Lobbybestreben zu schwach aus, um positive Spillover-Effekte hervorzurufen (Laghai & Steiner, 2021). Eine Studie der Kommission zeigt auf, dass die Einhaltung bindender Standards und Kennzeichnungsvorgaben, die Arbeitsbedingungen und Umweltaspekte erfassen, große Unternehmen bloß 0,005% ihres Jahresumsatzes kosten würde (Smit et al., 2020, S. 426f). Ambitionierte Produktstandards legen den Herstellern die Präventionskosten für klimagerechte Produktionsprozesse auf, die von Käufern in Form von Aufpreisen anteilig mitgetragen werden. Unreguliert werden die Nachsorgekosten der Umweltbelastung in Gänze auf den Fiskus abgewälzt - ungewiss welcher nationale Fiskus diese Kosten trägt.

Die folgenden Abschnitte sollen zeigen, wie das Klimaschutzpotenzial weiter erschlossen werden könnte und wie EUBM-Standards, als ein begleitendes Instrument effektiver Klimaschutzmaßnahmen, die Funktionsweisen innerhalb des WWSs beeinflusst, um global zunehmend nachhaltiger zu handeln.

5.2.1 Der europäische California-Effekt

Der Binnenmarkt Europas ist der entscheidende Faktor für den weltweiten Einfluss klimaförderlicher EU-Vorschriften (Bradford, 2020, S. 26ff; Vogel, 1997, S. 565f). Die globalen Marktmechanismen sind stark genug, um unfreiwillige Handlungsanreize für Unternehmen zu schaffen, sich an strengeren Standards zu orientieren. Auch wenn exportierende Betriebe niedrigere Vorschriften vorziehen, übernehmen sie die EU-Vorgaben aufgrund gewaltiger Opportunitätskosten, dies nicht zu tun (Sinopoli & Purnhagen, 2016, S. 98). Das Klimaschutzpotenzial eines EUBM-Standards schwappt dank eines „europäischen California-Effekts“42 über den Globus.

Anders als Kalifornien besitzen die EU-Organe keine weitreichenden Kompetenzen, anderweitig in das Marktgeschehen einzugreifen. Standards bieten sich als ein etabliertes und wirksames Werkzeug an. Sie treffen zudem bei der Bevölkerung auf breite Zustimmung und gelten als parteiübergreifender Konsens (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 15f). Die EK erwägt aus ihrer Erfahrung, die Potenziale dieser vertrauensfördernden und umweltfreundlichen Regulierungsform weiter auszuschöpfen und will die Rolle ihrer Standards als „ein unauffälliges Fundament des EU-Binnenmarkts und der globalen Wettbewerbsfähigkeit“ (EC, 2022a) künftig festigen.

Die eher auffällige EU-Krümmungsnorm für Gurken wurde zwar de jure abgeschafft, hat sich aber in standardisierten Prozessen des Großhandels dermaßen internalisiert, dass sie nach wie vor angewandt wird. Die Verordnung mit dem Namen 1677/88/EWG hat sich - bürgerlichem Spott zum Trotz - als ökonomisch rentabel erwiesen (Dierks, 2018) und erspart bspw. Emissionen durch einen effizienteren Transport und eine bessere Lagerung.

Die Ausarbeitung der globalen Klimaschutzpotenziale von EUBM-Standards beruht auf den Bedingungen des Brüssel-Effekts (siehe 4.2.1) und dem Umweltschutzfokus des California- Effekts (siehe 2.2.3). Bradford (2020) erweitert Vogels (1997) Theorie von einem föderalen US-System auf den globalen Kontext. Sie umreißt spezifischer die notwendigen Bedingungen, die eine aufwärts gerichtete regulatorische Konvergenz ermöglichen, und bestätigt Vogels Argumentation, dass sich tendenziell die strengste Norm als harmonisierend etabliert. Aufbauend auf dieser Forschung zeigt meine Arbeit mit dem Fokus auf ein tatsächliches Klimaschutzpotenzial auf, wie EUBM-Standards über diverse funktionale und geografische Spillover-Effekte ihren Beitrag zu einem nachhaltigeren WWS leisten (können).

Ein solcher europäischer California-Effekt fördert eine regulative Konvergenz, welche die Industrie bevorzugt, um pragmatisch allein einen Standard umsetzen zu müssen, der alle diversifizierten Regularien darunter abdeckt. Dieser Weltstandard entspringt meist der europäischen Feder (Bradford, 2020, S. 47). Erkenntnisse über diverse klimaförderliche Wirkungen von Standards haben EU-weit bereits effektive Konzepte für Standards auf wissenschaftlicher Basis entstehen lassen. Diese sind bislang für die freiwillige Ausrichtung bestimmt, könnten aber rechtlich bindend umfangreichere Konsequenz entwickeln, um Geschwindigkeit im Kampf gegen die Klimakrise aufzunehmen (Liedtke et al., 2020, S. 19ff). Ein unübersichtlicher, privatwirtschaftlicher Zertifizierungsmarkt untergräbt u.a. mit Greenwashing die Glaubwürdigkeit und Effektivität gutmütiger privatwirtschaftlicher Initiativen. Diese Fair Trade Unternehmen symbolisieren jedoch, dass die Umsetzung strikterer Standards mit Blick auf Umwelt- oder Arbeitsschutzstandards entlang der globalen Wertschöpfungsketten möglich ist (Dohmen, 2021, S. 123).

Die Stationen entlang der Wertschöpfungsketten üben ebenfalls einen Druck aufeinander aus. Selbst wenn bestehende und in Teilen global angewandte Standards keine signifikanten Nachhaltigkeitstrends auslösen, ist ihre juristische Nachbesserung leichter möglich als die Einführung neuer Standards. Durch die unilaterale Eigenschaft kann die EU dies unabhängig von langwierigen multilateralen Klimagipfeln umsetzen. Es bestehen zudem bereits 77 gewachsene Lieferketten, die für einen EUBM-Standard sensibilisiert sind und eine empfundene Verlustaversion entwickeln können, bereits getätigte Investitionen als „versunkene Kosten“43 verloren zu glauben. So hat Apple bereits mehrfach auf EUBM-Standards reagiert. Als weltweit erfolgreichstes Unternehmen hat es kürzlich potenzielle EU-Standards vorahnend umgesetzt und bietet erstmals die neue iPad Serie mit dem harmonisierten markenübergreifenden USB-C-Stecker an. Davon erhofft sich die EU weltweit eine breitere Anwendung und eine Reduktion von Elektroschrott (Peltier, 2021). Weit verzweigte Wertschöpfungsketten bei der Weiterverarbeitung von Rohmaterialien oder Spezialtechnik, wie in der Automobilbranche, können den Druck zur Berücksichtigung neuer EUBM-Standards zusätzlich erhöhen (Perkins & Neumayer, 2012). Bei einem Zögern kann aufgrund niedriger Transportkosten weltweit ein standardkonformes Konkurrenzangebot drohen, dass die eigene Position in der verflochtenen Lieferkette ersetzen kann.

Ein europäischer California-Effekt kann eher heute als morgen weitere Weltstandards in emissionslastigen Sektoren etablieren. Neben dem Zeitdruck der Klimakrise sinkt die Lenkungsmacht des Marktvolumens, da der europäische Anteil am Weltmarkt mit dem Aufstreben anderer Märkte von einem Drittel heute auf ein Fünftel bis 2030 schrumpfen soll (Dohmen, 2021, S. 155). Im Sinne des ambitionierten Klimaschutzes liegt es im Interesse der EU, das WWS verstärkt unilateral zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Standards unterstützen eine nachhaltige Wirtschaftsausrichtung und erlauben Betrieben planbare Anpassungen, um Prozesse kostengünstig frühzeitig umzustrukturieren. Eine Abstimmung aller Akteure würde durch öffentliche Verlässlichkeit erleichtert und förderte durch eine „planbare Flexibilität“ (Stern & Valero, 2021, S.30f) notwendige Innovationen.

Multilaterale Klimaschutzvereinbarungen werden von EUBM-Standards ebenfalls angeregt (Bradford, 2020, S. 219, 231; Tuschhoff, 2015, S. 227f). Allerdings bringen solche internationalen Verträge selten ein konsequent angewandtes Maßnahmenpaket hervor. Im Gegensatz dazu bietet die marktgesteuerte Harmonisierung oft die effizienteste Form der regulatorischen Konvergenz, da sie sich auf das dezentrale Eigeninteresse der Unternehmen stützt, um EUBM-Standards weltweit durchzusetzen. Ein unilateraler Vorstoß erfordert die Kooperation ausländischer Firmen, die bereit sind, auf dem europäischen Markt zu handeln, und nicht die Kooperation ausländischer Staaten oder die Interessen diverser Regierungen. Die marktgesteuerte Harmonisierung der EU kann ihre Lobbyarbeit an ausländische Unternehmen auslagern, die sich auf ihren eigenen Märkten für höhere Standards einsetzen, nachdem sie die Kosten für die Einhaltung der EUBM-Vorschriften getragen haben. Auf diese Weise muss die EU wenig politisches Kapital aufwenden, um ihre Vorschriften im Ausland angewandt oder gar eine Adaption institutionalisiert zu wissen (Bradford, 2020, p. 83f).

Die EU kann sich die weltweiten Interdependenzen und den Konkurrenzdruck im globalisierten Wettbewerb zu Nutze machen, um Klimaschutzpotenziale eines europäischen California-Effekts auszuschöpfen. Dafür kann sie entsprechend weitere EUBM-Standards institutionalisieren oder bestehende Vorschriften konsekutiv verschärfen. Klimaförderliche Effekte sind durch die Veränderung der ökonomischen Anreize auf inner- wie außereuropäischen Wirtschaftsprozessen zu erwarten. Im Zusammenschluss weiterer Märkte könnten europäische Standards das WWS voraussichtlich effektiver nachhaltig gestalten.

5.2.2 Allianzen stärken eine weitreichende Wirkung

Eine vertragliche Harmonisierung von Normen ist international schwierig zu koordinieren, obwohl die meisten Staaten einheitliche Standards als wünschenswert erachten. Regierungen vertreten dabei unterschiedliche Ansichten, welche Variante optimal wäre, da neue Standards unterschiedliche Konsequenzen zur Folge haben können. Eine marktgesteuerte Harmonisierung löst solche Koordinationsprobleme: Die strengste Vorschrift wird zum Referenzpunkt für global tätige Unternehmen. Der Vorteil der EU, ihren Standard bei internationalen Diskursen resilient beibehalten zu können, forciert ihre Verhandlungsmacht (Bradford, 2020, p. 83). Ihre Fähigkeit, einen europäischen California-Effekt anzustoßen, fundiert auf der Lenkungskraft ihrer Verbrauchermarktnachfrage (Vogel, 1997). Wenn dieser Markt an Volumen, Kaufkraft und Konsumenten signifikant zunähme, könnten sich klimaförderliche Spillover-Effekte längerfristig und weitreichender entwickeln. Denn so würden die Opportunitätskosten weiter steigen, als Betrieb oder Exportmarkt, zögerlich einer flächendeckenden Norm des gewachsenen Marktvolumens auszuweichen.

Das meint nicht, den EUBM um neue Mitglieder zu erweitern. Man kann aber eine de jure Standardharmonisierung auch diplomatisch begleiten, wie die EK über Foren der Entwicklungszusammenarbeit oder in privatwirtschaftlichen Kooperationen angestrebt (EC, 2022a, 2022b). Eine verstärkte Zusammenarbeit mit Unternehmen, Umweltorganisationen und anderen Regierungen entlang der Wertschöpfungsketten kann weltweit bis zu 22 % der COFeq- Emissionen mitsamt signifikanten Kosten einsparen (Liedtke et al., 2020, S. 23).

Eine engere Kooperation im Kampf gegen die Klimakrise wird zudem im Europäischen Nachhaltigkeitsentwicklungsbericht erwartet, besonders mit dem Fokus auf die afrikanischen Länder (SDSN & IEEP, 2021). Standards bieten eine niedrige Schwelle in der Kompromissbildung, auch weil sie für den EUBM bereits bestehen und im Ausland de facto angewandt werden. Europäische Standards können, gebunden an finanzielle und strukturelle Unterstützung (Usman et al., 2021), gemeinsame Interessen institutionalisieren und in der Konsequenz das Wirkgebiet europäischer Standards auch auf einige aufstrebende Verbrauchermärkte erweitern. Mehr bindende (als freiwillige) Vorschriften für Lieferketten, die auf dem EUBM enden, bergen ein enormes Potenzial, negative Spillover-Effekte Europas zu verringern, sowie die Entstehung von klima- und umweltfördernden Wirtschaftsprozessen zu erleichtern (Dohmen, 2021, S. 157f; SDSN & IEEP, 2021). Afrikanische Volkswirtschaften könnten so ihre Handelsbeziehungen mit Europa durch ähnliche Agrarvorschriften und einer Adaption neuerer Standards vertiefen (Usman et al., 2021, S. 9):

„Eine Partnerschaft zwischen Afrika und Europa könnte allein durch
die schiere Größe der gemeinsamen Märkte zu einer Preissenkung führen
und so zu einem globalen wirtschaftlichen Gemeinwohl beitragen - wenn
die Investitionen sorgfältig getätigt werden.“ (Usman et al., 2021, S. 17)

In diesem Sinne erwägt die EK bei künftigen Standards auch über europäische Grenzen hinaus weniger produktive, klein- und mittelgroße Unternehmen bei deren Umsetzung strukturell und finanziell zu unterstützen (EC, 2022a, 2022b).

Oft wirkt eine Standardharmonisierung im Wesentlichen als Nachfrageverschiebung. Während die Standardisierung negative externe Effekte reduziert, kann ihre Harmonisierung zu einer steigenden Nachfrage führen, wenn sie Informationsasymmetrien reduziert oder positive externe Auswirkungen (wie Netzwerkeffekte) schafft (Schmidt & Steingress, 2019, S. 9). Im Falle solcher erwarteter Netzwerkeffekte - der mit dem Standard verbundene Nutzen steigt mit jedem weiteren Land, das dieselbe Richtlinie einführt - steigen die Anreize für Brüssel, vertragsgestützte Harmonisierungen ihrer Normierungen anzustreben, um deren umfassende Wirkung und Reichweite zu verstärken. So soll ihr Engagement für die globale Anwendung des 5G-Mobilfunkstandards die digitale EU-Wirtschaft (EC, 2022a) für die nächste Dekade wappnen (Bradford, 2020, S. 88 ff). Andere Länder profitieren wiederum, wenn sie durch EU-ähnliche Standards Handelshemmnisse abbauen (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 56f) und erleichtert bilaterale Abkommen aushandeln können.

Wenn der EUBM mit anderen Ländern Standards institutionell harmonisiert, kann dies internationale Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise bündeln. Wenn mehrere 80 Absatzmärkte mit denselben Standards einen kombinierten Druck auf internationale Wertschöpfungsketten ausüben, wird ein Kipppunkt für deren Berücksichtigung von einer Firma oder Regierung eher erreicht. Die Opportunitätskosten eines Unternehmens steigen zusätzlich mit einem verzögerten Markteintritt im Vergleich zur Konkurrenz. Investitionen in künftige Technologien werden durch großflächig anerkannte Standards angeregt und erscheinen nicht als risikoreiche versunkene Kosten. So erwägt die EU bei neuen Standards eine engere Abstimmung mit den USA, nachdem sie 2021 bereits einen Handels- und Technologierat mitunter dafür gründete (Finke, 2022).

Bei Produktionsvorschriften und -zertifizierungen besteht bereits weltweit ein reichhaltiges politisches Ökosystem im Zusammenspiel von Regierungen, NGOs und Privatunternehmen (Lambin & Thorlakson, 2018, S. 386). Potenzielle Allianzen können somit auch abseits von Behörden oder in inner- und außereuropäischer Industrie gefunden werden. Deren Interessen vereinen sich in der Durchsetzung höherer Standards, wenn ein globales level playing field im Wettbewerb erreicht, der Marktzugang in Europa ermöglicht oder der generelle Umweltschutz gefördert wird. Ein voranschreitender technischer Fortschritt kann die Investitionen für die skalierte Umsetzung von EUBM-Standards weiter erleichtern, wenn der F&E Aufwand sinkt und bspw. digitaler Natur ist.

Im Sinne der internationalen Weltgemeinschaft ist, dass das Klima sich stabilisiert und dies nach Erkenntnissen der Klimaforschung eher heute als morgen geschieht, da präventives Handeln statt akutem Reagieren auf Umweltkatastrophen kosteneffektiver ist (EEA, 2022; IPCC, 2021; Ripple et al., 2020). Mitjeder neuen Standard-Allianz verlängert sich Europas „unilateraler Hebel“ und man demonstriert, dass wirtschaftlicher Erfolg ökologisch umsetzbar ist. Im Rahmen der Anreize einer grüneren Wirtschaft sparen frühe Pioniere an Anpassungskosten (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 57) und Regierungen an künftigen Investitionen (Hepburn et al., 2020, S. 8ff). Es bessern sich Arbeitsbedingungen entlang der Wertschöpfungsketten (EC, 2022b), Gesellschaftssysteme können sich autonomer und resi- lienter entwickeln (Liedtke et al., 2020, S. 13ff), Verbraucher profitieren von einer größeren ethischen Produktauswahl (EC, 2022a) in einer intakten Umwelt und von einer langfristig nachhaltigeren Wirtschaft (Ripple et al., 2020, S. 11), die darin eingebettet ist.

Die Argumente basieren mit Blick auf eine notwendig nachhaltige Wirtschaftszukunft klar auf der Erhöhung von Standards. Mit ihrer Institutionalisierung in zusätzlichen Ländern wächst der Druck auf Nachzügler (Ancygier, 2020, S. 2). Sollte es der EU gelingen, mit den USA oder anderen aufstrebenden Märkten Standards zunehmend institutionell zu harmonisieren, schwinden die Wettbewerbsgründe für klimaschädliche Herstellverfahren weltweit 81

(Bradford, 2020, S. 28, 70f). Eine Vertiefung von internationalen Bemühungen, wie verstärkte öffentlich-privatwirtschaftliche Kooperationen, sind nach D’Aprile et al. (2020) und Stern & Valero (2021) für das Erreichen der EU-Klimaziele unausweichlich. Allianzen für EUBM-Standards staatlicher, privatwirtschaftlicher oder zivilgesellschaftlicher Natur sorgen dafür, dass weitreichende Folgen Standard sind und ihr Klimaschutzpotenzial steigt.

5.2.3 Ein kurzer Ausblick

Sollten Standards in den besonders klimaschädlichen Wirtschaftsbereichen allein die Auswirkungen des EUBMs deutlich absenken, wäre ein signifikanter Anteil der globalen Emissionen bereits verringert (Ritchie et al., 2020). Dennoch analysiert diese Arbeit den globalen Einfluss von EU-Produktrichtlinien mit dem Fokus auf deren Potenzial für eine nachhaltigere Weltwirtschaftsweise. Der darauf zurückgeführte Emissionsrückgang oder Umweltfortschritt ist bislang nicht empirisch oder quantifiziert erfasst.

Ein europäischer California-Effekt stützt klimafördernde Initiativen und die Schlagkraft der EU auf Basis ihrer herausragenden Handelsmacht des Verbrauchermarkts (Bradford, 2020). Mit Blick auf den EGD sollen weitere Maßnahmen der EU ihre Fähigkeit ausbauen, federführend Weltstandards zu setzen (EC, 2021a). Dies soll Europa in der dynamischen Entwicklung des WWS resilienter und wettbewerbsfähiger machen, damit der Umbau hin zu einer ,,kreislauforientierte[n] Wirtschaft“ (EC, 2022a), unterstützt von vielfältigen Effekten der Produktstandards, gelingen kann. EU-Unternehmen sollen so einen weltweiten Wettbewerbsvorteil erarbeiten können, während die Bürger von sicherer Produktqualität profitieren und Forschungsinitiativen Europas Zukunftsflexibilität planbar machen. Es wird erwartet, dass eine nachhaltige europäische Wirtschaftsweise dank globalisierter Interdependenzen allmählich auf ausländische Branchen und Regionen, wie z.B. Afrika (Usman et al., 2021), übertritt. Neben einer handelsbasierten Harmonisierung können Staaten erfolgreiche Klimakonzepte emulieren (Ancygier, 2020; D’Aprile et al., 2020, S. 189) und dank Vorreitern „voneinander lernen“ (Sommerer, 2011, S. 15). Europäische Technologievorstöße können internationale Pfadabhängigkeiten durch Netzwerkeffekte zementieren (Stern & Valero, 2021, S. 7, 14). Zukunftsgerichtete Standards wiederum ermöglichen Investitionen, sobald ein Pfad vorgegeben wird (Finke, 2022). Daraufhin können Firmen first mover Vorteile ausschöpfen (Holzinger & Sommerer, 2012, S. 57) und dank eines globalen Konkurrenzdrucks die Opportunitätskosten für zögernde Investitionen und Firmen erhöhen.

Im Sinne europäischer Werte ist die EU für ihren Binnenmarkt als strikter Regulator bekannt, der Standards für Produktqualität, aber auch Klima- und Verbraucherschutz für den

Zugang zum Absatzmarkt institutionalisiert (Lippert, 2020). Diese Normen erfreuen sich einer langen Geschichte, parteiübergreifender Unterstützung und einer hohen Legitimität der Bevölkerung (Bradford, 2020, S. 253; EC, 2022a). Standards fordern Investitionen, können Rentenstrukturen erschweren und andere funktionale Spillover-Effekte anstoßen, um wirtschaftliche Interessen von augenscheinlich konkurrierenden Akteuren zu vereinen (siehe 3.1). EUBM-Richtlinien verdanken dem Brüssel-Effekt eine weltweite Beachtung, werden in Teilen rechtlich adaptiert (Bradford, 2020) und erschließen mit weiteren Allianzen ein wachsendes Netzwerk (Finke, 2022; Schmidt & Steingress, 2019, S. 9). Dies ermöglicht Europa neben einer vertiefenden Kooperation mit den emerging markets (Müller-Brandeck- Bocquet et al., 2018), einer zügigen Umsetzung des EGDs und einer Ausweitung verpflichtender Standards (EC, 2022a, 2022b), als Vorreiterin global zunehmend wirksame Anstöße zu geben, um das im WWS nachhaltig nachhaltiger44 funktionieren zu lassen.

Klimaschutz muss sich in einem dezentral organisierten, globalisierten Wirtschaftssystem ökonomisch rentieren, um nicht allein auf multilaterale Maßnahmen setzen zu müssen. Standards verändern ökonomische Anreize und vermindern den Kostendruck, Umweltschäden zu externalisieren (Elsenhans, 2021, S. 205). Der EUBM ist vermehrt darauf ausgerichtet, diese Funktionsweise unilateral auf internationalem Parkett zu harmonisieren. Umfangreiche Investitionen in nachhaltige Technologien öffentlicher (EEA, 2022; IPCC, 2021; Ripple et al., 2020) wie privatwirtschaftlicher Natur (D’Aprile et al., 2020; Stern & Valero, 2021) bilden publikationsübergreifend die wirksamste Maßnahme, um die Klimakrise effektiv abzumildern. Diese können Produktstandards allein nicht ersetzen, aber anregen. Es spricht damit wenig dagegen, dass EUBM-Standards über mehrere Kanäle und Effekte den angestrebten Umbau hin zu einem nachhaltigen WWS nicht nur in einigen Regionen und entlang gewisser Wertschöpfungsketten (Liedtke et al., 2020) ermöglichen, sondern diese Entwicklung begleitend zu anderen Maßnahmen als Ganzes fördern. Klima- und Umweltschutz können mitsamt einer koordinierten Neuausrichtung des EUBMs (Mayr, 2022) der Wachstumstreiber der Zukunft werden (Elsenhans, 2021, S. 205ff).

Die EU hat parallel zum Entstehungsprozess dieser Arbeit das Klimaschutzpotenzial ihrer Produktstandards offensiv präsentiert und sieht sie als nützliches Werkzeug bei der Transformation hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem. Als „neuer Ansatz“ (EC, 2022a), um den EUBM resilient, grün und zukunftsfähig zu gestalten, blickt die EK auf die lokalen und globalen Potenziale ihrer Standards. Dabei seien die demokratischen europäischen

Werte in den Normen reflektiert, die Europas Wettbewerbsfähigkeit im WWS sichern sollen. Die EK kündigt darauf an, die wirtschaftstransformierende Entwicklung durch EUBM-Standards in der Textilindustrie45 in Gang zu setzen (EC, 2022b), wo der exzessive Konsum Europas bislang hauptsächlich negative Spillover-Effekte hervorbringt (SDSN & IEEP, 2021). Man sieht eine stärkere Wiederverwertbarkeit von Kleidung, das allmähliche Verbot von umweltschädlichen Stoffen und Herstellverfahren sowie Transparenzvorschriften für den Verbraucherschutz vor (EC, 2022b).

Das darauf aufbauende Gesetzespaket soll nach Vize-Kommissionschef Timmermans „nachhaltige Produkte in der Europäischen Union zur Norm machen“ (Mayr, 2022). Vorstöße wie diese sollen in Zukunft Energie und Rohstoffe einsparen sowie länger haltende und reparierbare Warenjedweder Form wettbewerbsfähiger gestalten. Dank den ÖkodesignAnforderungen (EC, 2021b) hätten europäische Verbraucher letztes Jahr 120 Milliarden Euro gespart. Die Kommission beruft sich darauf, dass das die Gütervorschriften durch ihr Gesetz bis 2030 gut 150 Mrd. m[3] Erdgas einsparen sollen, um auch unabhängiger von russischen Energieimporten zu werden. Mit der Zeit sollen Vorschriften für beinahe alle gehandelten Waren auf dem EUBM institutionalisiert werden, um Ressourcen zu schonen, Energie zu sparen und Abfälle zu reduzieren (Mayr, 2022).

Darauf aufbauend ist der kurze Ausblick erwartungsvoll, in welchem Umfang sich klimaförderliche Spillover-Effekte auf der Basis neuer EU-Ambitionen entfalten und inwiefern das WWS den europäischen Handelsanreizen tatsächlich hin zu mehrNachhaltigkeit folgt.

6. Schlussbetrachtung

Ziel war es herauszufinden, inwiefern Produktstandards des EU-Binnenmarkts globale Spillover-Effekte hin zu einem nachhaltigem WWS ermöglichen.

Diese Arbeit zeigt zunächst über aktuelle Befunde auf, dass das aktuelle WWS aufgrund diverser Anreize nicht nachhaltig funktioniert. Bestehende Mechanismen regen dezentral zu einer klimaschädlichen Produktionsweise an. So besteht der kurzsichtige ökonomische Anreiz für Unternehmen im globalen Konkurrenzkampf, Umweltverschmutzung und ihre Folgekosten räumlich und zeitlich zu externalisieren. Die Klimaforschung empfiehlt daher eine Umstrukturierung des globalisierten Handelns mit umfangreichen Interventionen und Investitionen, um die globalen Emissionen drastisch zu reduzieren.

Der California-Effekt erkennt hierfür, wie ein regulatives Trading up von Umweltstandards ökonomische Anreize schaffen kann, nachhaltigere Produktionsprozesse in gewissen Branchen international zu etablieren. Die Produktanforderungen für einen absatzversprechenden Marktzugang können bei einer standardisierten Massenproduktion einige Spillover-Effekte auslösen, die zum Teil auf weitere Marktregionen „überschwappen“. Der EUBM als ein solch‘ einflussreicher Verbrauchermarkt übt mit seiner Handelsmacht steuernden Einfluss auf Entwicklungen im WWS aus. Rentenstrukturen nutzen Marktimperfektionen, mindern kapitalistischen Profit durch das Abschöpfen von Überschüssen und gefährden mit der Unterdrückung steigender Masseneinkommen die steuernde EU-Verbrauchernachfrage.

Produktstandards verändern über ihr reguliertes Gut hinaus Mechanismen in Politik und Wirtschaft, erschweren die Rentenabschöpfung und bergen Vorteile für den Klimaschutz. Ihre Anforderungen regen Firmen zu Investitionen an, um den Zugang zum EUBM zu wahren, da sein Ausweichen schwierig kompensiert werden kann. So stärkt Europa den Verbraucherschutz und macht nachhaltige Produkte mit der Zeit erschwinglicher. Standards schaffen einen verlässlichen Rahmen für die Konsumsicherheit, erlauben eine vorausschauende Betriebsplanung und schaffen aufMärkten ein levelplayingfield mit Mindestanforderungen. So können sie ursprünglich gegensätzliche Akteur-Interessen von Zivilbevölkerung, Umweltschutzverbänden und der Industrie im Sinne des Umweltschutzes vereinen. Klimaschädliche Produktionsprozesse oder eine Verwendung von Schadstoffen sparen nun nicht mehr Kosten, sondern werden vom Wettbewerb in Europa ausgeschlossen. Ferner schaffen Standards potenzielle Anreize, die das Erreichen europäischer Klimaziele in emissionslasti- gen Sektoren fördern und nachhaltige Wirtschaftsprozesse wettbewerbsfähiger machen.

Aufgrund der herausragenden Stellung des EUBMs und seiner starken Importnachfrage treten Folgeauswirkungen auf andere Regionen über. Dabei fördern die EU-Vorbildfunktion im Klimaschutz und stabile Handelsbeziehungen zu den emerging markets diese SpilloverEffekte. Der Brüssel-Effekt beschreibt, wie die EU ökonomische Interdependenzen entlang der Wertschöpfungsketten ausnutzt, unilateral ihre Regularien marktgesteuert zu harmonisieren. Die Präferenz der Industrie für international einheitliche Normen richtet sich meist nach den striktesten und damit häufig nach den EU-Vorschriften, die sich als angewandte Weltstandards etablieren. So ist Brüssel bei seinen Ambitionen nicht allein auf eine langwierige multilaterale Kompromissfindung angewiesen. Diese Unabhängigkeit unterstützt die internationale Verhandlungsmacht Europas und schärft sein politisches Profil.

Ein einfacher Produktstandard kann schon die Materialverschwendung eindämmen und eine längere Nutzung ermöglichen. Die europäische Bevölkerung befürwortet stärkeren 85

Klimaschutz und setzt sich für ihre Verbraucherstandards ein, die auch in Brüssel parteiübergreifende Unterstützung genießen. In bestehenden Branchen kann das Klimaschutzpotenzial von steigenden EUBM-Standards weiter die ökonomischen Interdependenzen ausnutzen und ihre Reichweite mit zusätzlichen ähnlich regulierten Märkten ausbauen. Damit steigen in Zukunft die Opportunitätskosten für wachsende Volkswirtschaften und zögernde Exportunternehmen, höheren europäischen Normen auszuweichen.

Die Abwägung über die Effektivität solcher klimaförderlichen Effekte verdeutlicht im Angesicht zunehmender Klimakatastrophen den Zwiespalt dieses Potenzials: Einerseits stoßen EUBM-Standards profitorientierte Entwicklungen an, die den Anreiz zur Umweltkostenex- ternalisierung enorm abschwächen und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Produkte fördern. Andererseits tritt dieser Effekt nicht immer, überall oder in dem signifikanten Ausmaß auf, dass das WWS bereits effektiv nachhaltiger funktionieren würde.

Trotz weitreichender Abhängigkeiten von Europas kaufkräftiger Nachfrage benötigt die Umstellung hin zu einer nachhaltigen Welt offensichtlich mehr und umfangreichere Anstöße. Fair gehandelte Produkte bleiben ein weltweites Nischenprodukt, während der Amazonas, trotz weiträumig angewandter EU-Normen in Brasilien und Argentinien, vor einem gefährlichen Kipppunkt steht. Einige Weltstandards bedürfen einer strikteren, andere möglicherweise eher einer flexiblen Anpassung, damit sich die Industrien der aufstrebenden Märkte frühzeitig an den ambitionierten EU-Normen der Zukunft orientieren.

Dennoch ist der potenziell vielversprechendste Effekt von EUBM-Standards, dass sie im globalisierten Freihandel den stummen Handlungszwang des (Gefangenen-) Dilemmas gegen Klimaschutz aufweichen: Als Pionier-Betrieb oder -Markt birgt es ein offenbar unternehmerisches Risiko, sich allein in anonymer Konkurrenz notwendige Mehrkosten und Investitionen aufzubürden. Dieser Anreiz folgt der Befürchtung, der Abnehmer honoriere die Ambition durch die Mehrkosten nicht oder man bezahle gar für Trittbrettfahrer, die weiterhin günstiger klimaschädlich wirtschaften. In Freiräumen fehlender Institutionen schrecken selbst multinationale Konzerne vor einer minimalen Überschussinvestition zurück, um hohe Margen und Marktanteile für den eigenen Aktienkurs zu wahren. Der Vorstoß eines EGD mit weiteren EUBM-Standards schafft sukzessiv und dezentral einen Sockel für den Binnenmarkt und Exporteure nach Europa, umweltschädliches Verhalten darunter mit steigenden Opportunitätskosten zu belegen. Ein sensibel ausgestalteter Klimazoll wirkt ähnlich, aber auf eine protektionistischere Weise, indem er für den Marktzugang klimaschädlichere Produktionen für ein levelplayingfield nachträglich verteuert. Unilateral kann eine koordinierte Anstrengung eines „Klimaclubs“ (Nordhaus, 2015) auf Initiative der EU die 86 notwendige Trendwende für ökonomische Anreize erleichtern und allmählich kapitalistisches Wachstum an klimafreundliches Wirtschaften in einem nachhaltigeren WWS knüpfen. Die Recherche zu diesem umfassenden Thema zog einen großen Lernprozess mit sich, der vielschichtige Aspekte verschiedener Wissenschaftsbereiche umfasst und strukturiert zugänglich macht. Die Quintessenz nach all den Kapiteln soll nicht darauf reduziert werden, dass EUBM-Standards die Blaupause zur Klimarettung innerhalb kapitalistischer Systeme verkörpern, sondern sich vielmehr als ein unterschätztes, unauffälliges Instrument auf dem Weg zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft mit zahlreichen Vorzügen für die Ambitionen der EU anbietet. Die sich zuspitzende Lage des Weltklimas im Zusammenhang der komplexen multilateralen Kompromissfindung bedarf einer gesteigerten Aufmerksamkeit, um akademisch wie pragmatisch Lösungsansätze zu untersuchen. Meine Arbeit soll als fundierter Einstieg in das Klimaschutzpotenzial von EUBM-Standards weitere Untersuchungen anregen und sich der Kritik stellen. Sie bietet einen Überblick über mögliche Anstöße, die dezentral, aber innerhalb der Wettbewerbsmechanismen Umweltschutz rentabler gestalten. Ferner gibt sie Beispiele und Impulse zu einer Diskussion über ein Thema, was neben einer Pandemie und eines neuen Krieges in Europa, einer gesteigerten Aufmerksamkeit bedarf.

Zur Beantwortung der Fragestellung deutet die Einordnung der diskutierten Befunde daraufhin, dass europäische Produktstandards als eine Maßnahme von umfangreichen Reformprogrammen die Transformation hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsräumen fördern. Im multipolaren Zeitalter aufstrebender Märkte kann eine wirtschaftsbasierte Normharmonisierung aus der europäischen Feder ihren Beitrag leisten und für einige Teile des WWSs Effekte auslösen, die zu Anwendung, Imitation und Inspiration anregen. Ob die EK in Zukunft dieses Potenzial unter den dynamischen Umständen weiter ausschöpfen kann, sei dahingestellt. EUBM-Standards bietenjedoch im Druck der Klimakrise ein pragmatisches Werkzeug, das wirkungsschnell umgesetzt, schon in der Produktion zu Umweltschutz anregt, Investitionen fördert und den Anreiz der Kostenexternalisierung umjeden Preis abmildern kann.

Meine argumentative Herleitung auf Basis empirischer Studien und theoretischer Erkenntnisse aus Wirtschafts- und Politikwissenschaft führt bestärkt zu dem Schluss, dass sich Europa für einen effektiveren Klimaschutz zeitbedingt wegen der Klimakrise und schrumpfender relativer Anteile am WWS zügiger engagieren sollte. Die unilateral ausgelösten Spillover-Effekte auf Produktionsstätten weltweit könnten für diesen Umbau der globalen Wirtschaftssysteme potenziell stärker ausgeschöpft werden. An der Seite des EGDs und der Kooperationen weiterer Märkte kann der Druck auf kleinere Volkswirtschaften und Betriebe weltweit steigen, emissionsärmer und umweltfreundlicher zu produzieren. Dies schließt 87 kapitalistischen Wettbewerb entgegen neoliberaler Befürchtungen nicht aus und kann im Gegenteil ein Wachstumstreiber der Zukunft sein. Kapitalismus ist sehr wandlungsfähig und kann sich weiteren Institutionen anpassen. Dennoch spielen vor allem bei begrenzten Spillover-Effekten von Standards weitere Maßnahmen und massive Investitionen eine bedeutende Rolle in der Transition hin zu einem nachhaltigen WWS.

Die Relevanz des Themas wurde während ihres Entstehungsprozesses von der Realität eingeholt und in ihrer Aktualität von der EK bestätigt. Brüssel will beim Umbau des Binnenmarkts die Vorzüge seiner Standards aktiver ausnutzen. Umweltfreundliche Produkte sollen zur Norm werden. Deren Herstellung soll durch die initiative Nachfrage in Europa sowie den Anreiz von Skaleneffekten auch andere Märkte erreichen und zunehmend klimaschädliche Konsumwaren vertreiben. Die EK baut bei höheren Effizienzstandards auf eine autonomere Energieversorgung und eine stärkere Resilienz in einer multipolaren Weltordnung. Dabei will die EK die Fähigkeit weltweite Wirtschaftsprozesse an ihren Standards auszurichten, strategisch und mit neuen Foren ausbauen. Eine Förderung von Forschungsprojekten greift zukunftsgerichtet die Fragestellung dieser Arbeit auf, um Handlungsbedarf zu antizipieren und sich global allmählich einer nachhaltigen Wirtschaftsweise europäischer Lesart zu nähern. Dies erleichtert der akademischen Welt, die bestehende Literatur um quantifizierte Untersuchungen von Klimaschutzauswirkungen der EUBM-Standards zu ergänzen. Im Rahmen meiner theoriebasierten Recherche erweist es sich als schwierig, die realen, prozessbedingten Verbesserungen isoliert zu erfassen und - jenseits der potenziellen Veränderungen, Grenzen oder Multiplikatoren - ihre genaue Reichweite abzustecken.

Aufbauend auf Bradfords Forschung können die geplanten EU-Forschungsinitiativen ihren Fokus auf die Elastizität regulierter Güter setzen. So kann man bspw. die Effektivität stärkerer, EU-Mindeststeuersätze austarieren, um die erforderlichen Mittel für Investitionen in Klimaschutzprogramme zu generieren. Für den Ausbau der strategischen europäischen Vorherrschaft bietet es sich an, die Faktoren zu erforschen, die eine defacto Anwendung zu einer de jure Implementierung begünstigen. Zudem können weitere Studien untersuchen, welche Standards das Vertrauen der Zivilgesellschaft in die EU-Organe besonders fördern oder dem Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten neuen Aufschwung verleiht.

Die Rolle des Klimaschutzpotenzials europäischer Produktstandards rückt seit Vogel von einer Randnotiz in der Umweltökonomie in aktiv danach ausgerichtete Programme der EK. Die nächsten Dekaden werden - neben akuten Herausforderungen der Weltgemeinschaft - teils unterschwellig, aber gewiss zunehmend und dauerhaft von der Klimakrise bestimmt. Unilaterale Vorstöße werden dabei nicht die einzig rettenden Maßnahmen oder gar eine 88 moralisch faire Ausrichtung bieten, sich über andere Staaten hinwegzusetzen, aber am Ende profitieren alle Menschen, Regierungen und Märkte von einem nachhaltiger bewirtschafteten Planeten. Kritisch wird dabei unter anderem die Rolle Chinas. Seine regulativen Vorstöße im WWS stützen sich auf einen dynamischen Verbrauchermarkt und eine staatliche Nachfragekraft, der es noch weniger Kompromissfindung bedarf als der EU. Europäische Normen sollten im Auge neuer Blockentwicklungen besonders sensibel eingeführt werden, um Drittländer nicht frühzeitig von weniger klimaförderlichen Marktanforderungen abzustoßen. In welchem Ausmaß Produktstandards für umweltschonende Herstellprozesse die Transformation hin zu einem nachhaltigen WWS in der Realität erleichtern, wird sich nach der Implementierung mehrerer EUBM-Standards beobachten lassen.

Die Forschung zur Bewältigung der Klimakrise endet kongruent mit dem Aufruf, fundamentale Reformen der Wirtschaftsprozesse zu implementieren. Diese globalen Anstrengungen vergleichen sie mitunter mit einem neuen Marshallplan. Europas Green Deal dürfte sich zumindest rhetorisch an Roosevelts New Deal anlehnen, der auf Maßnahmen keynesianisch geprägter Interventionspolitik setzte. Durch massive Investitionen und die Steuerungseffekte einer breiten Nachfrage kann eine Wende hin zu einem nachhaltigen WWS gestaltet werden. Standards können diese Entwicklung mit europäischen Ambitionen fördern.

Das Zeitfenster zur Eindämmung der Klimakrise schließt sich und die verschiedenen Lösungsansätze sollten dringend erforscht und in ihrem Sinne drängend umgesetzt werden. Vielleicht werden mit den eingeleiteten EU-Ambitionen und nach der weltweiten Berücksichtigung der europäischen Produktstandards, nun allmählich die Erkenntnisse über gerade Gurken der blauen Banane46 für grünes Wirtschaften der nächste Exportschlager Brüssels.

Anhang

Zur Einordnung der heutigen Ausgangslage und weiterer, wichtiger Zusatzinformationen zum Verständnis des Sachverhalts folgen anbei ausgewählte aktuelle Daten zur klimatischen Entwicklung, Emissionsverbrauch (heute und historisch kumuliert) von Europa und einiger weiterer Volkswirtschaften sowie eine Übersicht zu individuellen CO2eq-Fußabdrücken verschiedener Vermögensklassen weltweit.

Im Anschluss sind Zitate aus dem Fließtext in ihrem englischen Original abgedruckt.

Verwendete Gesetzesauszüge aus dem EUV und AEUV sind ebenfalls als Referenz lesbar.

Anhang 1: Szenarien für den globalen Durchschnittstemperaturanstieg aufBasis der Wirtschaftsausrichtung und seiner künftigen CO2eq-Emissionen (ab 2021)

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ritchie et al. (2021)

Anmerkungen: Das Pariser Klimaschutzabkommen orientiert sich an dem 1,5°C Ziel bis ins Jahr 2100 und scheint schon heute aufgegeben. Das realistischere 2°C Ziel verlangt eine ähnlich drastische Reduktion der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Diese Szenarien schließen nicht Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle oder Artensterben mit ein.

Anhang 2: Die stärksten Emittenten von fossilen CO2eq-Emissionen und deren prozentualer Anteil in der Welt im Jahr 2017

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Die Größe der einzelnen Rechtecke entspricht den jährlichen CO2eq-Emissio- nen des jeweiligen Landes im Jahr 2017 (alle zusammen stellen den globalen Gesamtwert dar). Die hier gezeigten Emissionen beziehen sich auf das Land, in dem CO2eq produziert wird (produktionsbasiert), und nicht auf das Land, in dem die Waren und Dienstleistungen, letztendlich verbraucht werden (ergo nicht handelsbereinigt).

Asien ist mit 53% der weltweiten Emissionen der bei weitem größte Emittent. Dass dort ca. 60% der Weltbevölkerung leben, bedeutet, dass die Emissionen pro Kopf in Asien etwas niedriger als im weltweiten Durchschnitt liegen. China ist mit deutlichem Abstand der größte Emittent der Welt: Es stößtjährlich mehr als ein Viertel der weltweiten Emissionen aus.

Nordamerika ist mit 18% der weltweiten Emissionen der zweitgrößte regionale Emittent, dicht gefolgt von Europa mit 17%. Afrika und Südamerika sind beide relativ kleine Emittenten: Sie machenjeweils 3 bis 4% der weltweiten Emissionen aus.

Anhang 3: Historische CO2eq-Emissionslast nach Regionen und Staat (2019)

North America

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ritchie (2019a)

Anmerkung: Das Diagramm zeigt den Emissionsbeitrag von Ländern und Regionen im Verhältnis zu anderen Regionen und zum Gesamtwert. Die Größe jedes Rechtecks entspricht der äquivalenten Summe der CO2eq-Emissionen eines Landes zwischen 1751 und 2017.

Die USA haben bisher mehr emittiert als jedes andere Land: Sie sind für ein Viertel der historischen Emissionen verantwortlich; das ist doppelt so viel wie China - der weltweit zweitgrößte nationale Verursacher. Die 28 Länder der Europäischen Union (EU-28, inklusive Großbritannien) sind mit 22 % ebenfalls ein großer historischer Verursacher. Afrikas regionaler Beitrag - im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl - ist sehr gering. Dies ist das Ergebnis der sehr niedrigen Emissionen pro Kopf - in der Vergangenheit als auch heute.

Anhang 4: Kumulierte CO2eq-Emissionen nach Weltregion (2019)

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ritchie (2019a)

Anmerkung: Bis 1950 wurde mehr als die Hälfte der historischen Emissionen von Europa ausgestoßen. Der weitaus größte Teil der europäischen Emissionen entfiel damals auf das Vereinigte Königreich; wie die Daten zeigen, stammte bis 1882 mehr als die Hälfte der kumulierten weltweiten Emissionen allein daher.

Im folgenden Jahrhundert stieg der Anteil der USA durch die Industrialisierung rapide an. Erst in den letzten 50 Jahren hat das Wachstum in Südamerika, Asien und Afrika den Anteil dieser Regionen ihren Gesamtausstoß erhöht.

Anhang 5: Globale CO2eq-Ungleichheit beim Verbrauch und die Beiträge verschiedener Vermögensgruppen zu denjeweiligen Emissionsanteilen (2019)

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Der dargestellte CO2eq-Fußabdruck beinhaltet Emissionen aus dem Inlandsverbrauch, privaten und öffentlichen Investitionen inklusive Im- und Exporte (nutzungsbasierte und handelsbereinigte Emissionen). Es wird angenommen, dass Emissionen sich zu gleichen Teilen auf alle Mitglieder eines Haushalts verteilen. Der Wert der vermögendsten 1% ist bereits im Wert der oberen 10% enthalten.

Es wird ersichtlich, dass einige wenige (1%) der Weltbevölkerung durch ihr Konsumverhalten exzessiv auf Kosten der breiten Mehrheit leben. Die vermögendsten 10% der Erde (keine homogene Gruppe, Konsumemissionen pro Kopf steigen innerhalb des Dezils exponentiell) verursachen ca. die Hälfte aller Konsumemissionen. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung liegt bei einem Verbrauch von 12%.

Anhang 6: Weltweite pro Kopf CO2eq-Emissionen von 2010 bis 2050 in Tonnen (2011)

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Quelle: OECD (2011)

Anmerkung: Der pro Kopf Verbrauch wird gerade im prognostizierten Aufschwung der BRICS Staaten auf lange Sicht ins Gewicht fallen. Im Interesse der westlichen Staaten gilt es, grüne Technologien auch im Ausland günstig zu vertreiben, um Emissionen präventiv einzuschränken.

Anhang 7: Handelsbereinigte CO2eq-Emissionen nach Regionen in Relation zu deren Emissionsimporten und -exporten (von 1990 bis 2019)

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ritchie et al. (2020)

Anmerkungen: Dieser Graph veranschaulicht den Anteil der im Handel eingebetteten CO?eq-Emissionen, gemessen an exportierten oder importierten Emissionen als Prozentsatz der inländischen Produktionsemissionen. Positive Werte (rot) stehen für Nettoimporteure, negative Werte (blau) stehen für CO2eq-Nettoexporteure. 15% würde bedeuten, dass ein Land Emissionen in Höhe von 15% seiner inländischen Emissionen importiert.

Die 27 EU-Staaten sind damit deutlich seit 1990 Nettoimporteure gewesen ohne tendenziell ihren Anteil zu senken. Die europäischen Staaten außerhalb der EU holen dabei langsam auf, bleiben aber Nettoexporteure.

Dies trifft auch auf die meisten BRICS-Staaten zu, deren Werte allerdings kumuliert und in der Tendenz steigen. Dies bedeutet, dass ihr emissionslastiger Verbrauch steigt und weniger ausschließlich von den verursachten Emissionen vor Ort gedeckt wird (bei 0%).

Englischsprachige Originalzitate aus dem Fließtext

Im Text auf Seite 10:

„Excessive extraction of materials and overexploitation of ecosystems, driven by economic growth, must be quickly curtailed to maintain long-term sustainability of the biosphere. We need a carbon-free economy that explicitly addresses human dependence on the biosphere and policies that guide economic decisions accordingly. Our goals need to shift from GDP growth and the pursuit of affluence toward sustaining ecosystems and improving human well-being by prioritizing basic needs and reducing inequality.“ (Rippleetal.,2020, S.11)

Im Text auf Seite 39:

„As a result, the key to reducing emissions in the future is to have low-cost alternatives to fossil fuels that are zero- or low-carbon. The true total cost of investments or interventions today therefore must include both their static or face-value cost, and any spillovers those investments have for future costs of emissions reduction.“

(Gillingham & Stock, 2018,S. 62)

Im Text auf Seite 56, hier vollständig:

„It is illustrative that the Commission President Jean-Claude Junckerwho represents the conservative EPP Party—vowed during his candidacy speech to the European Parliament: “I will not sacrifice Europe’s safety, health, social and data protection standards or our cultural diversity on the altar of free trade.” Thus, even the most pro-market, center-right parties endorse the EU’s regulatory agenda that balances free trade with extensive protections for its citizens.“

(Bradford, 2020, S.41)

Im Text auf Seite 75, hier vollständig:

„Under these policies, the production and consumption of certified wood increases globally, but not everywhere.“

(Lambin & Thorlakson, 2018, S. 380)

Im Text auf Seite 78, hier vollständig:

„While institutional stability is required, policies must also be dynamic and able to adapt as new evidence emerges. We require predictable flexibility^ in policies so that expectations are strong and stable enough to support investment and innovation whilst also building in the learning which will be a crucial part of the process of change.“

(Stern&Valero, 2021,S.30f)

Im Text auf Seite 80:

„Partnership between Africa and Europe could drive down prices just by the sheer size of the combined markets, contributing to an economic global public good — if investments are carefully made.“

(Usmanetal.,2021, S. 17)

Zitierte Gesetzestexte aus dem EUV und AEUV

Art. 3 Abs. 3 EUV (Ziele der Union):

Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.

Art. 26 AEUV (Binnenmarkt):

(1) Die Union erlässt die erforderlichen Maßnahmen, um nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise dessen Funktionieren zu gewährleisten.

(2) Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.

(3) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission die Leitlinien und Bedingungen fest, die erforderlich sind, um in allen betroffenen Sektoren einen ausgewogenen Fortschritt zu gewährleisten.

Art. 114 AEUV (Reaktionsmöglichkeit des EU-Gesetzgebers: Harmonisierung der Produktstandards)

(1) Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die nachstehende Regelung. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. [...]

(3) Die Kommission geht in ihren Vorschlägen nach Absatz 1 in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Im Rahmen ihrerjeweiligen Befugnisse streben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an.

Ein persönliches Schlusswort

Das Schreiben dieser Arbeit erinnert mich an meine Bachelorarbeit über die Postwachstumsökonomie als mögliche, nachhaltige Wirtschaftsform in Zeiten einer sich zuspitzenden Klimakrise. Damals stimmte mich meine Recherche mulmig: Einerseits nehmen beschleunigte klimatische Veränderungen, die das menschliche Leben auf diesem Planeten bedrohen, rasant zu; ein eigener Beitrag zum Klimaschutz erscheint schwierig, unbequem und international irrelevant. Es verhärtet sich der Eindruck, dass sich möglichst schnell etwas grundlegend im System ändern muss. Andererseits wird die Frage nach dem „wie“ auch mit dem Abschluss dieser Arbeit über das Klimaschutzpotenzial europäischer Produktstandards zwar beispielhaft greifbarer, bleibt wenn auch final unbeantwortet. Dabei wächst die Erkenntnis, dass sich - trotz besseren Wissens der meisten Akteure - Klimaschutz weltweit erst ökonomisch rentieren muss.

Es ist Krieg in Europa, dabei haben wir doch grundlegend besseres zu tun. Viel Geld wird in das Auslöschen von Menschenleben investiert, in das Zerstören von Tanklagern, in die Störung weltweiter Lieferketten für Grundnahrungsmittel und in die Abschreckung, aus akuter Angst vor einer greifbaren Bedrohung. 100 spontane Milliarden hätten auch in nachhaltige Technologien gesteckt werden können, die im Unterschied zur Bundeswehr auf Dauer einen Return on Investment versprächen. Die Klimakrise wächst unbeeindruckt von autoritärer Geschichtsrevision im Hintergrund weiter und der Preis für effektive Waffen gegen sie steigt mit jedem weiteren Tag des unterlassenen Handelns. In dieser Hoffnung wird die Klimawissenschaft bald so häufig um Rat gebeten, wie in den vergangenen Jahren die Virologen in den Talkshows.

Mir bleibt Grund zur Sorge, ob bei einer neuen Block-Dynamik, die ausgearbeiteten positiven Effekte von europäischen Standards in Zukunft bestehen. Ich habe in der Wirkweise von Standards und der handelsgetriebenen Normharmonisierung das Potenzial erkannt, die Hauptmotivation für Umweltexternalisierung einzudämmen: Im Dilemma des internationalen Kostendrucks bleibt ein alleiniger klimaschützender Vorstoß gefangen - vor allem im globalen Süden. Ich bin mir sicher, dass die Menschen nicht allein aus Komfort, angewöhnter Gleichgültigkeit und gefühlter Ohnmacht vor der Weltwirtschaft die Umwelt verschmutzen, sondern weil es sich lange gerechnet hat und belohnt wurde; auch, weil wir uns schleichend an ein illusorisches Privileg des billigen Überflusses der allverfügbaren Sofortbefriedigungen gewöhnt haben.

Der globale Süden wird die größten Klimaschäden zuerst tragen. Er tut dies bereits. Ich hoffe, dass neue Fluchtbewegungen Richtung Norden nicht die Wahlergebnisse der antwortlosen Populisten beflügeln. Ich hoffe, dass sich einige wenige nicht in ihrem Exzess verlieren oder in der Philanthropie reinwaschen und von geblendeten Massen vergöttert werden. Ich hoffe, dass nachhaltige Produkte bald die Norm werden und klimaschädlicher Konsum mitsamt der Fossilenergieabhängigkeit von Autokraten schneller als weitere Tierarten aussterben. Ich hoffe, dass mit der allmählich erkennbaren Umsetzung des WGDs das Fass überläuft und sich große Investition risikofreier in nachhaltiges Wirtschaften lohnen. Ich warte darauf, dass das zügig geschieht

Ein Gespenst geht um die Welt: Eigentlich wissen alle, dass es nicht so weitergehen kann. Die alten Industriellen, Rentiers und Autokraten werden sich mit zunehmender Not der Massen nicht auf ewig an ihre Paläste klammern können. Ich frage mich, wann nach all den Erkenntnissen, eine solche Politik und die Gesellschaft den Mut packt, sich ihres Verstandes zu bedienen. Wir Nordeuropäer haben nichts zu verlieren als unseren verschwenderischen Überfluss. Geben wir der Welt den Anstoß und zollen ihr den Respekt, den sie verdient!

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Zitationen und Literaturverzeichnis erstellt mit Zotero for Mac

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1 Rente meint den abgeschöpften Teil des wirtschaftlichen Überschusses, der (anders als Profit) nicht als Investition genutzt wird, bspw. für Forschung und Entwicklung (F&E) (Elsenhans, 2021, S. 36).

2 Die Verfilmung des Romans zeigt die zersplitterte, italienische Monarchienlandschaft im Umbruch vor der Einführung der Republik. Tancredi schließt sich den Rebellen an und warnt seinen aristokratischen Onkel, präventiv Reformen anzustoßen, um das zu schützen, was ihm lieb ist, bevor der nahende, gesellschaftliche Umbruch die gewohnte Lebensweise seiner Familie gefährdet.

3 Beim Pariser Klimaabkommen 2015 verständigten sich die Staaten der Weltgemeinschaft, mit gemeinsamen Maßnahmen den Durchschnittstemperaturanstieg bis 2100 auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen (Ripple et al., 2020, S. 11).

4 „Externalisierte Kosten“ werden beim (ersten) Hersteller verursacht aber von anderen Parteien oder der Gesamtgesellschaft getragen. Der Produzent profitiert davon, dass verursachte Kosten nicht sofort auftreten oder in diffusen Wertschöpfungsketten nicht explizit zurückzuverfolgen sind. Vereinfacht kann ein

5 Konzern Abwasser kostenfrei in einen Fluss leiten. Weiter flussabwärts muss die Lokalverwaltung zu einem anderen Zeitpunkt das verschmutzte Wasser reinigen. Kosten, die diese Fabrik verursacht, aber (mit Ausnahme einiger Steuern) nicht trägt, werden im Produktpreis dieser Firma nicht berücksichtigt. Die meisten Produkte tragen einen „ökologischen Rucksack“ an versteckten Umweltfolgekosten, die in ihrem Marktpreis unberücksichtigt bleiben (Dohmen, 2021, S. 14; Tuschhoff, 2015, S. 209). 7

6 Konzern Abwasser kostenfrei in einen Fluss leiten. Weiter flussabwärts muss die Lokalverwaltung zu einem anderen Zeitpunkt das verschmutzte Wasser reinigen. Kosten, die diese Fabrik verursacht, aber (mit Ausnahme einiger Steuern) nicht trägt, werden im Produktpreis dieser Firma nicht berücksichtigt. Die meisten Produkte tragen einen „ökologischen Rucksack“ an versteckten Umweltfolgekosten, die in ihrem Marktpreis unberücksichtigt bleiben (Dohmen, 2021, S. 14; Tuschhoff, 2015, S. 209). 7

7 Der Earth Overshoot Day bezeichnet rechnerisch den Tag, an dem die Welt ihr Budget an natürlichen Ressourcen für ein Kalenderjahr aufgebraucht hat. Demnach lebt die Erdbevölkerung ab diesem Datum ökologisch „auf Pump“, da bereits mehr Rohstoffe verbraucht und Triebhausgase ausgestoßen wurden als im selben Jahr noch nachwachsen oder absorbiert werden können (Global Footprint Network, 2021).

8 Deutschland verbraucht knapp 2% des weltweiten jährlichen Ausstoßes und ist mit 7,71 pro Kopf weit über dem Durchschnittsverbrauch und seinen eigenen Klimazielen. Der Anteil der geschichtlichen Klimaschulden beträgt ca. 5,4%. Bei Berücksichtigung all der Importe aus China (und anderen Ländern) ist das Scheinargument eines unbedeutend kleinen deutschen Klimaschutzbeitrags einer rationalen Diskussion obsolet. 40% des weltweit jährlichen CO2eq-Ausstoßes wird von Ländern verursacht, die allein unter 2% der Weltbevölkerung stellen (Chancel et al., 2021; Ritchie et al, 2020).

9 Gesellschaftliche Veränderungen bauen sich langsam auf. Im Unterschied zum Klima ist das Umstoßen sozialer Kipppunkte erwünscht, um eine Systemänderung herbeizuführen: Neue Technologien, nachhaltige Verhaltensweisen und soziale Normen etablieren sich als neuer Trend, wenn sie von der Dynamik eines kritischen Anteils der Bevölkerung getragen werden (Otto et al., 2020, S. 2354).

10 Eine Ausnahme bilden international agierende Unternehmen, die als Quasimonopol auf unterschiedlichen Märkten höhere Gewinne bei mehreren Produktvarianten erwarten können. Wenn sich eine signifikante Anzahl an weniger kaufkräftigen Konsumenten in einem Absatzmarkt die Kostensteigung durch die Standardübernahme des Produkts nicht leisten kann, können ausreichend große Konzerne ein Produkt mit mehreren Produktionsweisen herstellen und in verschiedenen Ausführungen vertreiben.

11 Auch „Spill-over-Effekt“ geschrieben und meint „Übertragungseffekt“, von spill over = „überschwappen, überquellen“ (eigene Übersetzung).

12 Die internationale Konnektivität baue heutzutage auf fragile Lieferketten in einem komplexen WWS, auf dem sich Ereignisse schnell übertragen (Liedtke et al., 2020, S. 10f). Beispielhafte weitreichende unvorhergesehene globale Folgen hatten in jüngerer Vergangenheit das ansteckende Virus einer chinesischen Fledermaus, ein verkantetes Schiff im Suezkanal oder die autoritäre Willkür in Osteuropa.

13 Eigene Übersetzung: „Hoch handeln“. Diese Bezeichnung meint eine erkennbare Aufwärtsspirale von Umweltregulierungen verschiedener Marktregionen als ein race to the top (Vogel, 1997, S. 556).

14 Sie sind gekennzeichnet durch ein starkes ökonomisches Potenzial, ein hohes BIP-Aufholwachstum und einen noch nicht abgeschlossenen Entwicklungsprozess, wobei sie nach einem steigenden internationalen politischen Einfluss streben (Müller-Brandeck-Bocquet et al., 2018, S. 17).

15 Bei den Schäden mitgezählt sind ebenfalls Norwegen, Schweiz, Island, Liechtenstein und die Türkei. Deutschland traf es in diesem Zeitraum mit 110 Mrd. € Schaden am härtesten (EEA, 2021).

16 Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) ist das Handelsvolumen des EUBMs deutlich zurückgegangen. Die europäische Marktmacht bleibt dennoch weltweit führend. Somit kehren die blauen Pässe gefeiert zurück ins UK, obwohl man unter dem Druck der EU-Konformität steht, auf die London keinen direkten Einfluss mehr ausübt: Die bilateralen Verträge mit der EU werden das UK nicht von europäischen Standards befreien, da sie auf den Marktzugang angewiesen sind (Bradford, 2020, S. 277f).

17 Beide Werte beinhalten Großbritannien, sindjedoch exklusiv importierter Güterund Dienstleistungen.

18 Die EU-Taxonomie kategorisiert Finanzprodukte nach ihrer Nachhaltigkeit, um mit dieser Kennzeichnung privatwirtschaftliche Investitionen in klimafreundlichen Sektoren zu fördern (IMF, 2021).

19 Die Sustainable Development Goals (SDGs) bilden die einzige integrierte Rahmenordnung für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung, die von allen UN-Mitgliedstaaten angenommen wurde (SDSN & IEEP, 2021). Sie zeigen u.a., welche Effekte (erforderliche) EU-Regulierungen weltweit haben.

20 Gut ein Drittel aller Lebensmittel in Europa werden ungenutzt entsorgt (Ritchie et al., 2020). Bei bestehenden Systemmechanismen ist es billiger, mehr zu produzieren und einen größeren Anteil zu vernichten als weniger herzustellen und dies klimafreundlich effektiver zu vertreiben.

21 Ein Szenario aus der Spieltheorie: Zwei Gefangene müssen unabhängig und ungesehen voneinander über ihr gemeinsames Schicksal entscheiden und dabei auf die Handlung des anderen spekulieren. Im Kontext könnte eine Kooperation zu einer gemeinsamen Lösung führen, die alle besser stellt, aber es besteht für alle die Neigung, im Misstrauen die eigene Position zu verbessern (Sommerer, 2011,S. 28).

22 Der IWF publizierte in Kooperation mit der Universität Kopenhagen einen Bericht, nachdem fast 40% der weltweiten Investitionen der Steuerflucht und „keinerlei echtem, produktivem Zweck dient“ (Damgaard et al., 2019). Diese Renten entziehen dem Wirtschaftszyklus Kapital für zukunftsgerichtete Investitionen zur Erforschung erneuerbarer Energien oder umweltfreundlicher Technologien.

23 Die reichsten 10% der Emittierenden verantworten fast die Hälfte aller weltweiten Emissionen, während die ärmere Hälfte ca. 12% der Gesamtemissionen produziert (siehe Anhang 5).

24 Diese können Importverbote für Produkte bestimmter Herstellungsverfahren (bspw. der Ausschluss von Kinderarbeit), Regulierungen (wie Importvorschriften) oder Subventionen sein.

25 Siehe https://ec.europa.eu/growth/single-market/european-standards/harmonised-standards en

26 Die EU garantiert auf ihrem Binnenmarkt ein geebnetes Spielfeld, auf dem für alle die gleichen Wettbewerbsregeln gelten und keine Benachteiligungen stattfinden sollen (Bradford, 2020, S. 242)

27 Ein Kollektivgut, wie eine „saubere Umwelt“, kann von allen genutzt, aber nicht verkauft werden und es hat keinen Preis pro Einheit. Kollektivinteressen stehen den eigenen, individuellen Handlungsanreize entgegen, ein solches Allmendegut in Konkurrenz zueinander übermäßig zu beanspruchen und ggf. aus Angst vor Trittbrettfahrern nicht allein schützen zu wollen (Adam, 2015, S. 235f).

28 Agenda Setting meint hier die Fähigkeit, die gesellschaftlichen Themenschwerpunkte zu setzen.

29 Die mittlerweile vorherrschende Weise der Agrarbewirtung verschärft die Bodenerosion und gefährdet die Artenvielfalt mit negativen Konsequenzen für das Klima (Bretschneider & Burger, 2021, S. 87f).

30 Bei der Verdauung von Mastfutter entsteht in Rindermägen Methan, das als Treibhausgas vielfach klimaschädlicher ist als CO2 (Bretschneider & Burger, 2021, S. 87, 96). Die Futterzusammensetzung hat Auswirkung auf die Methanbildung. Dabei hilft konventionelles Mastfutter hauptsächlich zur Gewichtszunahme und vernachlässigt einen geförderten Methanausstoß (D’Aprile et al., 2020, S. 130).

31 Der Bericht zur weltweiten Ungleichheit entkräftet dieses populistische Argument ohnehin, indem er aufzeigt, dass das reichste Perzentil der Erde durch dessen exzessiven Konsum und schädlicher Investitionen für ca. die Hälfte aller Emissionen verantwortlich ist, wobei die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung 12% emittiert (Chancel et at., 2020, S. 10; siehe Anhang 5).

32 Das internationale Image Europas leide nach Dohmen (2021) unter humanitärem Versagen bei der Fluchtkrise und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen für Migranten auf Gemüsefeldern oder in Textilfabriken. Er plädiert im Kampf gegen die Klimakrise für eine gestärkte Vorbildfunktion Europas im Systemwettstreit mit vermeintlich effektiveren, autoritären Lösungsansätzen chinesischer Prägung.

33 BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (UNCTAD, 2021, S. x). 53

34 Frei nach Theodor W. Adomo’s Minima Moralia (1947): “Es gibt kein richtiges Leben im falschen“.

35 Ein „de facto“ Brüssel-Effekt meint hier, die praktische Anwendung einer EU-Institution. Deren außereuropäische gesetzliche Adaption erfasst der „dejure“ Brüssel-Effekt (Bradford, 2020, S. 2).

36 Dieser Effekt beschreibt das Missverhältnis zwischen dem Effizienzgewinn pro Einheit (relative Auswirkung) und dem maximal kumuliertem Effektivgewinn aller Einheiten (absolute Auswirkung).

37 “Registration, Evaluation, Authorisation, and Restriction of Chemicals” (Bradford, 2020, S. 193) meint nach eigenerÜbersetzung: “Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien“.

38 „Restriction of Hazardous Substances“ meint die Vorgabe zur Verwendungs-„Beschränkung gefährlicher Stoffe“ (Bradford, 2020, S. 49).

39 Durch chemische Verfahrensoptimierungen, die Verwendung von UV-Strahlern, Aquaponing oder vertical Farming, können bisher geringe Kapazitäten saisonunabhängig und relativ autark in Produktionshallen in Stadtzentren Gemüse und Obst angebaut werden.

40 Das deutsche Förderungsverbot von Kohle (als Quasi-Energiegewinnungsstandard) zeigt auf, wie komplex es ist, eine lang gewachsene Industrie rückzubauen. Die offensichtlich klimaschädigende Branche steht nun wie das Ruhrgebiet vor gewaltigen strukturellen Umbrüchen nachdem die Region identitätsstiftend und langfristig auf den Kohleabbau ausgerichtet wurde (Adam, 2015, S. 498ff).

41 Zusammenfassend soll ein „europäischer California-Effekt“ das Phänomen beschreiben, wie auf Basis von EUBM-Standards weltweit Spillover-Effekte ausgelöst werden, die kumuliert klimaschützend wirken. Im weitesten Sinne soll dies durch die Internalisierung von Umweltfolgekosten geschehen, die ökologischere Wirtschaftsprozesse ökonomisch rentabel und damit wettbewerbsfähig gestaltet.

42 In der Ökonomie sind „versunkene Kosten“ von einem Akteur bereits ausgegeben, können aber unabhängig von Umsatzerlösen nicht mehr amortisiert werden (Schmidt & Steingress, 2019, S. 16).

43 „Nachhaltig“ meint sowohl zeitlich andauernd, als auch nicht systemgefährdend, ergo klimafreundlich. 83

44 Der europäische Textilkonsum ist nach der Nahrungsmittelherstellung, dem Bauwesen und dem Verkehr der viertschädlichste Sektor bei Umwelt und Klima. Beim Wasserverbrauch und der Landnutzung steht er an dritter Stelle (EC, 2022b).

45 Die „Blaue Banane“ beschreibt das geografische, wirtschaftliche Zentrum Europas (blaue Flagge), was sich, in Form einer Banane, von Südengland bauchig über Westdeutschland bis nach Norditalien erstreckt. 89

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Título: Das Potenzial von EU-Binnenmarkt-Standards für den globalen Klimaschutz

Tesis de Máster , 2022 , 116 Páginas , Calificación: 1,3

Autor:in: Thomas Lorenz (Autor)

Política - Tema: Gobalización, economía política
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Detalles

Título
Das Potenzial von EU-Binnenmarkt-Standards für den globalen Klimaschutz
Universidad
University of Leipzig  (Global and European Studies Institute (GESI))
Calificación
1,3
Autor
Thomas Lorenz (Autor)
Año de publicación
2022
Páginas
116
No. de catálogo
V1610892
ISBN (PDF)
9783389153536
ISBN (Libro)
9783389153543
Idioma
Alemán
Etiqueta
EU-Binnenmarkt Klimaschutz Produktstandards Spillover-Effekte Brüssel-Effekt Nachhaltigkeit Weltwirtschaftssystem Unilaterale Regulierung Wirtschaftspolitik
Seguridad del producto
GRIN Publishing Ltd.
Citar trabajo
Thomas Lorenz (Autor), 2022, Das Potenzial von EU-Binnenmarkt-Standards für den globalen Klimaschutz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1610892
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