Ethisch moralische Aspekte der Stammzellforschung - die Würde des Embryos


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

27 Pages, Note: sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Zur Menschenwürde

3. Bioethik

4. Ethische Ansätze – mögliche Antworten auf die Frage des Lebensbeginns

5. Standpunkte zur Frage nach dem Beginn der Schutzwürdigkeit

6. Ab wann ist der Mensch also Mensch ?

7. Ursprünge unserer eigenen Wertevorstellungen

8. Einfluss auf die Bioethik

9. Postmodernes Menschenbild

10. Resümee und Ausblick in die Zukunft

1. Einführung

Wann beginnt das Leben ? Diese Frage ist wahrscheinlich fast so alt wie die Menschheit selbst. Zwar haben sich frühere Generationen mit der Frage beschäftigt, doch wäre die Tragweite einer möglichen Antwort kleiner gewesen als heute.

In Folge der Diskussion um die Freigabe embryonaler Stammzellen zur Forschung, hat der Zeit-punkt des Lebensbeginns eine wahrscheinlich nie dagewesene Bedeutung gewonnen. Von For-scherseite wird zu einer Festlegung des Lebensbeginns gedrängt, die möglichst schnell große Freiräume in der Forschung an Embryonen eröffnen soll. Die Kirchen sehen christliche Werte schwinden und kämpfen für die „Beibehaltung“ der Verschmelzung von Ei und Samenzelle als Lebensbeginn. Forschung an Embryonen wäre damit ausgeschlossen.

Menschen, die an Parkinson, Multipler Sklerose, Alzheimer oder bestimmten Krebsarten leiden, hoffen auf künftige Stammzelltherapien. Sollten sich auf embryonalen Stammzellen beruhende Verfahren als die Erfolgreichsten erweisen, müssten nicht nur in der Forschung sondern auch in Therapien laufend Embryonen verbraucht werden.

Ist der winzig kleine Zellhaufen schon Mensch ? Hat er eine Menschenwürde ? Kann seine Würde gegen das der Parkinson- und MS-Kranken aufgewogen werden ? Wie sind materielle Interessen, wie Standortvorteile oder Arbeitsplätze zu gewichten ? All diesen Fragen müssen wir uns stellen. Es gilt eine Lösung zu finden, die all unseren Wertevorstellungen zumindest naheliegt.

Zunächst einmal möchte ich auf die verschiedenen Stammzelltypen und mögliche Therapieformen eingehen. Bei den Stammzelltherapien, die Biologen und Medizinern zur Zeit vorschweben, werden "vordifferenzierte" Zellen in geschädigtes Gewebe kranker Menschen eingebracht. Diese Zellen sollen das kranke Gewebe ergänzen oder - wenn nötig - ein vollständiges neues Organ bilden. Man erhofft sich, dass so Schäden am Gehirn von Parkinsonkranken regeneriert und rückgebildete Nerven von MS-Patienten wieder aufgebaut werden könnten.

Wenn „Originalteilzellen“ oder „Originalorgane“ erzeugt werden sollen, müssten die zugrundelie-genden Stammzellen DNA des Patienten enthalten. Jedoch enthält nicht jede Körperzelle eines Menschen die exakt gleiche DNA. Sogenanntes Imprinting sorgt für unterschiedliche Methylierungsgrade und die Telomerregionen sind je nach Alter des DNA-Spenders unterschiedlich lang. Therapeutische Klone könnten in so fern nur eine scheinbare Lösung bieten. Dennoch erhofft man durch therapeutisches Klonen mögliche Abstoßungsreaktionen unterdrücken zu können.

Besondere Formen von Stammzelltherapien sind die Xenotransplantation oder das mehr als umstrittene Erzeugen reproduktiver Klone zu Organentnahme.

Bei der Xenotransplantation sollen Zellen, Gewebe oder Organe aus teils gentechnisch veränderten Tieren entnommen und auf Menschen übertragen werden. Bisher sind auf diesem Gebiet fast nur Tierversuche durchgeführt worden. Von konkordanter Transplantation spricht man bei Übertragung von Organen naher Verwandter des Menschen (Primaten), von diskordanter Transplantation, wenn die übertragenen Organe aus weniger nahen Verwandten des Menschen (z. B. Schweinen) stammen. Abstoßungsreaktionen werden durch Immunsuppresiva oder durch gentechnische „Tarnung“ der Organe zu unterdrücken versucht. Ein großes Problem besteht in der Übertragung von Tierkrankheiten auf den Menschen. Neue Seuchen könnten ausgelößt werden. Der HI-Virus wurde - wie man inzwischen sicher weiß - von Primaten auf den Menschen übertragen.

Die Erzeugung eines Klons zur Organentnahme ist ethisch bedenklich. Höchstens um etwa einen „Bruder“ mit einer fehlenden Niere zu versorgen wäre dies denkbar. Die Herstellung von Klonen zur Ausschlachtung ist ethisch nicht vertretbar.

Es gibt verschiedene Arten von Stammzellen. Unterschieden wird an Hand des Differenzierungsgrades zwischen totipotenten, pluripotenten und multipotenten Stammzellen. Alle Stammzellen zeichnen sich durch zwei Merkmale aus. Sie können sich zu identischen Zellen vermehren (Replikation) und sie können zu Körperzellen ausreifen (Differenzierung).

Totipotente Zellen stehen am Beginn der Keimbahn und können sich in jede erdenkliche Körperzelle verwandeln. Beim Durchlaufen der Keimbahn entwickelt sich eine Stammzelle zu einer voll ausdifferenzierten Körperzelle. Der Begriff Keimbahn ist veraltet und irreführend, da er den Eindruck vermittelt, die Differenzierung laufe ohne Verzweigungen ab. Konsequenterweise müsste von einem Keimbaum gesprochen werden. Sobald sich eine Zelle in Richtung eines Astes entwickelt hat, stehen nicht mehr alle Zweige zur Ausdifferenzierung zur Verfügung. (Transdifferenzierung wurde aber auch schon beobachtet).

Totipotente Zellen können sich zu einem vollständigen Organismus entwickeln. Im 1,2,4,8-Zellzustand sind die Zellen im allgemeinen totipotent, danach pluripotent. Pluripotente Zellen sind vielseitig entwicklungsfähig. Sie können sich in viele verschiedene Zelltypen und Gewebe differenzieren, jedoch nicht zu einem ganzen Individuum. Bei multipotenten Zellen ist das Spektrum an Körperzellen, die in anschließenden Replikations- und Differenzierungs-schritten entstehen können nicht mehr so breit als bei pluripotenten Zellen.

Neben des Differenzierungsgrades werden Stammzellen auch nach deren Herkunft eingeteilt. Unterschieden wird zwischen gewebsspezifischen adulten Stammzellen, embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) und embryonalen Keimzellen (EG-Zellen). Adulte Stammzellen werden aus den verschiedensten Geweben eines erwachsenen Organismus gewonnen. ES-Zellen stammen aus undifferenzierten Zellen früher Embryonalstadien und EG-Zellen aus Vorläufern von Keimzellen früher Föten oder Embryonen. In den 3 Stammzelltypen sind Replikations- und Differenzierungspotenzial in unterschiedlichem Maße ausgeprägt. Aus therapeutsicher Sicht ideal wäre die Entnahme von adulten Stammzellen, Umwandlung in den gewünschten Zelltyp und anschließende Behandlung des Patienten. Dies ist jedoch Zukunftsmusik. Die Erforschung möglicher Einsatzgebiete der verschiedenen Stammzelltypen ist noch nicht weit genug vorangeschritten, als dass hierüber präzise Aussagen getroffen werden könnten.

Merkmale der drei genannten Stammzelltypen:

Adulte Stammzellen:

- Reparaturwerkzeug des Körpers, welches Schäden in Geweben durch Replikation und Differnziation behebt
- Hoher Stammzellanteil in Organen mit großem Zellumsatz (Haut, Blut etc.), niedriger SZ-Anteil in Organen mit niedrigerem Zellumsatz (z. B. Nerven)
- Es gibt schon Therapien mit adulten SZ: (Bestimmte Leukämiefomen, Verbrannte Hautpartien)
- Manche adulte Stammzellen können auch in andere Gewebe, als ihr Ursprungsgewebe ausreifen
- Bestimmte adulte Stammzellen können kurz nach der Geburt aus Nabelschnurblut gewonnen werden.

ES-Zellen:

- Gewinnung aus bestimmtem Zelltyp der ca. 4 Tage alten Blastocyste. Er kann in Vitro ohne Differenzierung vermehrt werden. Herstellung von Thomson und Mitarbeitern erstmals 1998 publiziert
- Kultivierungserfahrungen an entsprechenden Mäusezellen lassen schließen, dass eventuell auch menschliche ES-Zellen ohne zu differenzieren nahezu unendlich vermehrt werden können. Hier müssen noch Erfahrungen gewonnen werden.
- Mögliche Therapien u. a. für:

Myelinmangelkrankheiten, (z.B. MS) à Brüstle et al., 1999;

Parkinson à Lee et al., 2000;

Ersatz von Herzgewebe à Klug et al. 1996

EG-Zellen:

- Gewinnung aus sogenannten primordialen Zellen (Vorläuferzellen von Ei- und Samenzellen). Sie stammen aus abgetriebenen Föten (Shamblott et al., 1998, 2001)
- Über „embroyd-bodies“ als Zwischenstufe kann eine Vielzahl spezialisierter Zellen (Herz- und Skelettmuskelzellen, Nervenzellen, Zellen des blutbildenden Systems) gebildet werden.
- Vermutlich gibt es u. a. auf imprinting beruhende Unterschiede zu ES-Zellen bezüglich des entwicklungsbiologische Potenzials.
- Mögliche Therapien à ähnlich den in unter ES-Zellen erwähnten

Bei Therapien mit ES- und EG-Zellen kommt es zu Problemen durch Abstoßungsreaktionen. Es müssten bei Verwendung fremder Stammzellen die selben Medikamente eingenommen werden, die heute nach herkömmlichen Transplantationen Abstoßungsreaktionen unterdrücken. Therapeutische Klone bieten hier einen Lösungsansatz, allerdings muss unter anderem das unterschiedliche Imprin-ting der DNA und die unterschiedliche Länge der Telomerregionen beachtet werden. Auch die mitochondriale DNA könnte Probleme bereiten. Sie stammt von der Eizellspenderin. Die un-bedenklichste Stammzelltherapie ginge von Adulten Stammzellen aus. Ethische Bedenken und ungewollte Immunreaktionen wären ausgeschlossen.

2. Zur Menschenwürde

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stehen Schutz der Würde des Menschen und Freiheitsrechte an erster Stelle. Dies ist nicht zuletzt Folge der Kriegsverbrechen des 2. Weltkriegs.

Art. 1. (Schutz der Menschenwürde)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Art. 2. (Freiheitsrechte) (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Wie ich in der Einführung bereits erläuterte ist der Zeitpunkt des Lebensbeginns im Zusammen-hang mit der Forschung an embryonalen Stammzellen heute von großer Bedeutung. Ab diesem Zeitpunkt ist der Mensch durch das Grundgesetz geschützt. Die Interessenkonflikte zwischen Forschern und Kirchen, zwischen Embryonen und Kranken, verlangen heute mehr denn je nach Klärung der Frage der beginnenden Schutzwürdigkeit.

Schon im Mittelalter setzte man sich mit der Frage des Lebensbeginns auseinander. Als Beginn der Schutzwürdigkeit galt die Beseelung. Doch – wie sollte man anders vermuten - damals schon gab es verschiedene Meinungen. Die Würde des Menschen war mehr eine Würde des christlichen Menschen. Der Mensch konnte seine Würde auch verlieren. Ein Mensch ist zu töten, wenn er sich wie eine „Bestia“ verhält (Thomas von Aquin).

Thomas von Aquin ging von sukzessiver Beseelung aus. Der Embryo hat bereits ab der Empfängnis Leben, wird aber sukzessive beseelt. Das männliche Kind am 40. Tag, das weibliche am 90. Tag. Der Beginn des Lebens und der Beginn der Schutzwürdigkeit fallen bei Aquin nicht zusam-men. Im Gegensatz fingen aus Sicht Albertus Magnus Geisteslebens und Leben zusammen an.

Für die Reformatoren Calvin und Luther fielen Beseelung und Befruchtung zusammen. Papst Innozenz XI (1679) vertritt eine ähnliche Meinung. Er verurteilt den Satz: „Es ist erlaubt vor der Beseelung des Fetus eine Abtreibung vorzunehmen“. Pius IX übernimmt die Theorie, dass mit der Befruchtung die Beseelung stattfindet im Jahre 1869 offiziell. Abtreibung wird im römisch-katholischen Gesetzbuch ab 1917 mit Exommunikation bestraft.

Als der Befruchtungsvorgang im 19. Jahrhundert genauer beschrieben worden war, setzte sich die Idee der Simultanbeseelung durch. Nachdem Haeckel die Theorie verbreitete, jedes Lebewesen durchlaufe in seiner Ontogenese seine Phylogenese, also in der Entwicklung des Einzeltieres die evolutive Entstehung der Spezies, wurde die Sukzessivbeseelung wieder beliebter. Bis heute wird in Teilen des Judentums und der anglikanischen Kirche von dieser Theorie ausgegangen. Die Beseelung findet demnach ca. 50 Tage nach der Fertilisation statt.

Mit der Widerlegung Haeckels Theorie begann eine Diskussion über die Beseelung als solche. Die Anerkennung der Menschenwürde durch die Kirchen weitete die Frage der Beseelung auf den Zeitpunkt des Erlangens der Menschenwürde aus. Die Bioethik setzt sich heute mit dem moralischen Status des Embryos und anderen biologie- und medizinnahen Bereichen der Ethik auseinander.

[...]

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Ethisch moralische Aspekte der Stammzellforschung - die Würde des Embryos
Université
University of Constance  (Fachbereich Philosophie)
Cours
Vorlesung + Seminar
Note
sehr gut
Auteur
Année
2002
Pages
27
N° de catalogue
V16109
ISBN (ebook)
9783638210492
Taille d'un fichier
523 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ethisch, Aspekte, Stammzellforschung, Würde, Embryos, Vorlesung, Seminar
Citation du texte
Johannes Beck (Auteur), 2002, Ethisch moralische Aspekte der Stammzellforschung - die Würde des Embryos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16109

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