In der Forschung zu Schnitzlers Novelle 'Spiel im Morgengrauen' wurde diskutiert, was die treibende Kraft hinter dem Erzählstrang ist, der zum Suizid der Hauptfigur führt. Eine der größten Problematiken von Willi Kasda ist unstrittig seine Tendenz zum Selbstbetrug, was bspw. Nils Ekfelt in 'Free Will Fate and Chaos' aufgezeigt hat. Die Forschung hadert damit, ob das Schicksal des Leutnant unausweichlich war und zieht es teilweise vor, alternative Sichtweisen zum Fatalismus zu entwickeln. Peter Krahé geht davon aus, dass der Zufall die treibende Rolle übernimmt, während das Schicksal vor allem das äußere Bauprinzip abgebe. Matthias Schöning kritisiert den fatalistischen Gedanken eines unaufhaltsamen Abstiegs des Leutnants, den Iréne Cagneau im Schnitzler Handbuch ausformuliert, indem er darlegt, wie der Text dem Leser „die Alternativen zum Selbstmord mit größtmöglicher Deutlichkeit vor Augen“ führt. Beispielhaft nennt er dafür die Figur Bogner, die als „personifizierte Möglichkeit [steht], den Dienst unehrenhaft zu quittieren und ein anderes Leben zu beginnen“. Das Schicksal als Hauptmotiv scheint von der Forschung keineswegs allgemein anerkannt zu sein, weshalb die Erzählung wohl nicht als Schicksalsnovelle bezeichnet und das Spielmotiv in Doppelfunktion stärker priorisiert wurde. Bei genauerer Betrachtung kann Schnitzler aber die auffällige Verwendung eines bestimmten Stilmittels zugesprochen werden, das enorm zur Vorstellung der schicksalsbedingten Novelle beiträgt. Weniger Beachtung fanden in der Forschung bislang die Sprichwörter, welche in der Novelle mal mehr und mal weniger explizit genannt werden. Während man die Novelle laut Krahé als „eine Abfolge von Variationen zu dem trivialen Sprichwort 'Glück im Spiel, Pech in der Liebe' lesen“ kann, was unter dem Aspekt der Vorausdeutung zu beweisen sein wird, können weitere Sprichwörter als möglicherweise vorausschauend für den Handlungsverlauf ermittelt werden. Ebenso kann Kasdas Selbstbetrug wie auch sein Umfeld prophetischen Charakter aufweisen. Diese Hausarbeit widmet sich daher der Frage, wie Schnitzler durch Mittel der Vorausdeutung das Motiv des Schicksals entwickelt. Durch den Ansatz, die Handlung unter dem Motiv der Vorausdeutung zu betrachten, soll die Hypothese gestärkt werden, dass es sich bei Schnitzlers zweiter Offiziersnovelle zugleich um eine weitere Schicksalsnovelle handelt.
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- Dennis Münnich (Author), 2024, Mittel der Vorausdeutung in Arthur Schnitzlers "Spiel im Morgengrauen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1611435