In den ersten Jahren nach der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit zählten die Androhung und Anwendung physischer Gewalt in den Untersuchungshaftanstalten zum Zwecke der Geständniserpressung zur gängigen Praxis. Immer wieder drangen Berichte ehemaliger politischer Häftlinge, die in die Bundesrepublik geflohen waren, über die Menschenrechtsverletzungen in den Untersuchungshaftanstalten an die internationale Öffentlichkeit. Das durch diese nach außen gedrungenen Informationen im Ausland geschaffene Bild von der DDR widersprach jedoch dem von der SED propagierten sozialistischen Menschenbild. Aus diesem Grund wurden offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen, die noch in den 50er Jahren durch die Anwendung physischer Gewalt an den Häftlingen verübt wurden, in den 60er Jahren mehr und mehr durch psychische Folter ersetzt. Zudem hatte es in diesen Jahren innerhalb der Staatssicherheit Diskussionen über die Effektivität beider Methoden zum Zwecke der Geständnisgewinnung gegeben.
Ziel der Verhöre in den Untersuchungshaftanstalten war nicht mehr ausschließlich die Verurteilung des Beschuldigten, sondern die Gewinnung von Informationen zum gesamten gesellschaftlichen Umfeld des Häftlings. In den 60er Jahren stieß die Erkenntnis, dass die unterschiedlichen Methoden der psychischen Folter besser dazu geeignet waren, die Aussagebereitschaft des Beschuldigten zu steigern und zu steuern, in den 60er Jahren auf allgemeinen Zuspruch innerhalb der MfS. Fortan wurden psychologische Strategien zum festen Bestandteil der geheimdienstlichen Lehre.
In dieser Arbeit soll auf die psychologischen Zersetzungsmethoden, die in den Untersuchungshaftanstalten des MfS angewandt wurden, genauer eingegangen werden. Dabei werden sowohl die Einlieferung in die Haftanstalt, als auch die Haftbedingungen und die Verhöre genauer beleuchtet, da die psychologischen Strategien des MfS alle drei Bereichen zu erkennbar sind. Wie konnte es den Vernehmern gelingen, den Beschuldigten zu einer Aussage zu bewegen, die möglicherweise gar nicht der Realität, sondern lediglich den Vorstellungen des MfS entsprach? Was konnte den Verhörten dazu bringen, dass er dem Vernehmer intimste Details seines Lebens verriet? Schließlich wird im weiteren Verlauf auch die Frage nach dem in den Mittelpunkt der Arbeit treten, inwiefern das Geschlecht des Häftlings in der Untersuchungshaft eine Rolle gespielt haben mag. Wurden Frauen anders behandelt als Männer?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zu den Inhaftierungsmethoden des Mfs
- Die Haftbedingungen und ihre Auswirkungen
- Das Verhör
- Weibliche Häftlinge in der Untersuchungshaft des MfS – Überlegungen zur Geschlechterfrage.
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die psychologischen Zersetzungsmethoden, die in den Untersuchungshaftanstalten des MfS angewandt wurden. Sie beleuchtet dabei die Einlieferung in die Haftanstalt, die Haftbedingungen und die Verhöre, um die psychologischen Strategien des MfS zu analysieren.
- Effektivität der psychologischen Foltermethoden zur Geständnisgewinnung
- Strategien des MfS zur Manipulation der Psyche der Häftlinge
- Einfluss der Haftbedingungen auf die Aussagebereitschaft der Häftlinge
- Mögliche Unterschiede in der Behandlung von männlichen und weiblichen Häftlingen
- Kritik an den menschenverachtenden Methoden des MfS
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Kontext der Untersuchungshaft in der DDR dar und beleuchtet die Entwicklung von physischer zu psychischer Folter als Mittel der Geständniserpressung. Sie hebt den Fokus der Arbeit auf die psychologischen Strategien des MfS hervor.
- Zu den Inhaftierungsmethoden des MfS: Dieses Kapitel analysiert die Inhaftierungsmethoden des MfS und zeigt, wie sie die legale Grundlage der DDR-Strafprozessordnung unterliefen. Es beschreibt die Vorgehensweise bei Festnahmen und die psychologischen Aspekte dieser Prozedur.
- Die Haftbedingungen und ihre Auswirkungen: Dieses Kapitel beleuchtet die menschenunwürdigen Haftbedingungen in den Untersuchungshaftanstalten des MfS und erklärt, wie diese zur Zersetzung der Psyche der Häftlinge beitrugen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Untersuchungshaft, MfS, psychologische Folter, Zersetzungsmethoden, Geständnisgewinnung, Haftbedingungen, Verhörmethoden, Geschlechterfrage, DDR, Menschenrechtsverletzungen.
- Quote paper
- Antje Weckmann (Author), 2009, Zu Zwangsmaßnahmen in der MfS-Untersuchungshaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161400