Leseprobe
Inhalt
Die Anfänge Amerikas
Die Menschen- und Bürgerrechte bei John Locke
Die Menschen- und Bürgerrechte in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
Die Debatte um die Aufnahme der „Bill of Rights“ in die amerikanische Verfassung
Der Einfluss der Amerikanischen Revolution auf die Französische Revolution
Die Menschen- und Bürgerrechte während der Französischen Revolution
Die Unterschiede der Menschenrechtserklärungen in den USA und Frankreich
Literaturverzeichnis
George Washington, Thomas Jefferson, John Adams oder auch Benjamin Franklin werden sofort mit der amerikanischen Gründungszeit in Verbindung gebracht. In der Tat spielen sie eine wichtige Rolle beim Kampf der Kolonien, sich vom Mutterland Großbritannien zu separieren. Die Gründung der Vereinigten Staaten wird von Anfang an von einer intellektuellen Elite begleitet. Sie eint der Wunsch nach einem freien, demokratischen Amerika, welches auf Volkssouveränität und Achtung der Menschen- und Bürgerrechte basiert. Doch wer beeinflusste die amerikanischen Gründerväter in ihrem Denken? Welche Unterschiede gibt es hinsichtlich der Deklaration der Menschenrechte zwischen amerikanischer und französischer Revolution? Denn auch in Frankreich wurde nahezu zur gleichen Zeit versucht, die politischen und sozialen Verhältnisse zu ändern und eine Republik zu etablieren.
Dies soll mit Hilfe dieser Arbeit aufgezeigt werden. Dazu ist ein kurzer Überblick die Geschichte Amerika bis zur Verfassung von 1787 notwendig.
Die Anfänge Amerikas
Seit der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus im Jahre 1492 ist Amerika ein Einwanderungsland. Die ersten englischen Siedler landeten 1620 an der Küste von Massachusetts. Die „Pilgrim fathers“ waren religiöse Flüchtlinge, die in dem neuen Land ihren Glauben verwirklichen und ganz von vorne beginnen wollten. Überhaupt trug das Pathos des Neuen, die Pioniergesellschaft, das Bewusstsein einer offenen Grenze oder später das „manifest destiny“ viel zur amerikanischen Identität bei. All diese Ideen prägen die amerikanische Politik bis heute (Ottmann: 2008, S. 2f).
Bis in etwa Mitte des 18. Jahrhunderts erhöhte sich die amerikanische Bevölkerung auf etwa 1,2 Millionen und die Zahl der Kolonien stieg auf 13. Die englische Krone gewährte den Kolonien eine gewisse Autonomie, besaß aber zu allen Gesetzen eine Zustimmungspflicht. Zwar besaß jede Kolonie enge Verbindungen zum Mutterland, zwischen den einzelnen Kolonien gab es jedoch nur geringe Beziehungen. Gleichzeitig konnte sich innerhalb der Kolonien ein politisches System entwickeln. Viele der späteren Gründungsväter der Vereinigten Staaten begannen ihre politische Karriere auf der Ebene der Einzelstaaten.
Ab 1760 wuchs die Unzufriedenheit in den Kolonien mit der britischen Herrschaft. Der englische König erhöhte die Steuern in den Kolonien. Gleichzeitig jedoch wurde den amerikanischen Kolonien eine ständige Vertretung im britischen Parlament verwehrt. Es formierte sich reger Widerstand, der unter der Maxime „no taxation without representation“ stand (Heideking: 1990, S. 33). 1774 wurde daher in Philadelphia der erste Kontinentalkongress einberufen, der die britischen Steuererhebungen als rechtswidrig bezeichnete und den Handel mit dem Mutterland aussetzte. Der Ruf nach Gleichberechtigung ging mit der Stärkung der eigenen Zugehörigkeit zum Britischen Empire einher. Bis zur Unabhängigkeitserklärung drängten die Kolonisten daher darauf, als britische Staatsbürger mit britischen Freiheitsrechten akzeptiert zu werden (Kelleter: 2002, S. 434).
1775 eskalierte der Streit zwischen den Kolonien und Großbritannien im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Nicht zuletzt durch das Pamphlet „Common Sense“ von Thomas Paine, einem Engländer, der erst wenige Jahre zuvor nach Amerika eingewandert war, wurden die Forderungen einer amerikanischen Unabhängigkeit immer lauter. Am 4. Juli 1776 wurde daher vom Kontinentalkongress die „Declaration of Independence“ verabschiedet, welche die amerikanische Unabhängigkeit vom Mutterland Großbritannien besiegelte. Die Unabhängigkeitserklärung enthielt neben Anklagen an den englischen König George III. auch einen Grundrechtskatalog, der die Rechte des Menschen deklarierte (Oldopp: 2005, S.12 ff.).
1781 wurden in der ersten amerikanischen Verfassung, den „Articles of Confederation“, die Zusammenarbeit der einzelnen Kolonien festgeschrieben. Die Union hatte nun die Gestalt eines Staatenbundes. Der Kongress besaß die Aufgabe einer Bundesregierung, wobei die Souveränität der Einzelstaaten nicht angetastet wurde (Zehnpfennig: 1993, S.2).
Die Folgejahre waren geprägt von wirtschaftlichen Problemen in den Kolonien sowie dem Ruf einer stärkeren Rolle des Kongresses, um den Handel innerhalb der Staaten und mit dem Ausland zu verbessern. Daher sollten 1787 die Konfessionsartikel in der „Federal Convention“ von Philadelphia überarbeitet werden. Der Arbeitsauftrag und des Ergebnis klafften jedoch weit auseinander, da eine komplett neue Bundesverfassung konzipiert wurde, die bis heute Gültigkeit besitzt. Die Delegierten waren sich einig, eine republikanische Staatsform mit dem Volk als Souverän einzuführen. Strittig hingegen waren das Verhältnis von Bundesregierung und Einzelstaaten sowie das Gewaltenteilungsmodell. Die Federalists plädierten für eine enge Föderation und eine starke Zentralregierung, Anti-Federalists hingegen setzten sich für eine bloße Revision des bestehenden Status ein. Gleichzeitig galt es, die unterschiedlichen Interessen von Nord- und Südstaaten, aber auch von großen und kleinen Staaten unter einen Hut zu bekommen (Oldopp: 2005, S.16). Am Ende der Verhandlungen stand eine Verfassung, die eine Abtretung der Souveränität der Einzelstaaten an den Bund sowie eine Dreiteilung der Gewalten nach dem Prinzip der „Checks and Balances“ vorsah. Da sich die Delegierten nicht über die Form der Legislative einigen konnten, verabschiedete man einen Kompromissvorschlag, den „Great Compromise“. Demnach sollte die Legislative aus zwei gleichberechtigten Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, bestehen, die zusammen den Kongress bilden.
In den einzelnen Bundestaaten entbrannten heftige Debatten über die Annahme der neuen Verfassung. In New Yorker Zeitungen versuchten die Verfassungsbefürworter James Madison, John Jay und Alexander Hamilton für eine Ratifizierung der Verfassung zu werben. In diesen Artikeln, besser bekannt als die „Federalist Papers“, wird erstmals die Idee einer modernen, pluralistisch organisierten republikanischen Ordnung entworfen (Zehnpfennig: 1993, S.1). Im Mai 1790 ratifizierte mit Rhode Island der letzte der 13 Gründungsstaaten die amerikanische Verfassung.
Die Menschen- und Bürgerrechte bei John Locke
John Locke gilt als Begründer eines liberalen Weltbilds. Er entwarf eine bürgerliche Gesellschaftsordnung, die „civil society“ (Waschkuhn: 1998, S. 211), die von Arbeit und Handel geprägt ist. Freiheitsrechte müssen durch politische Institutionen geschützt werden. Kann ein politisches Regime diesen Schutz nicht gewährleisten, ist es nach Locke illegitim und muss abgesetzt werden. Locke hatte daher entscheidenden Einfluss auf das Entstehen einer revolutionären Verfassung in Amerika (Euchner: 2004, S. 28f.).
Jeder Mensch hat im Naturzustand eine Reihe von subjektiven Rechten. Neben materialen Rechten wie Leben, Freiheit und Eigentum („life, liberty and estates“) (Ottmann: 2008, S. 12) besitzt er auch instrumentelle Rechte wie die Auslegung des Naturrechts oder die Möglichkeit der Selbstjustiz. Durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrages - der hier nicht weiter ausgeführt werden soll - werden letztere Rechte an die „civil society“ übertragen. Demnach ist der Schutz der Rechtsgüter der Bürger die alleinige Aufgabe des „Body Politick“. Dieser ist für die Herstellung von Rechtssicherheit und Gerechtigkeit verantwortlich (Brocker: 2007, S. 266f.).
Diese Rechte sind für Locke unveräußerlich. Er begründet dies, da sie von Gott gegeben sind und dem Menschen somit auch nicht zur Disposition stehen. Locke schreibt dazu in seiner „Zweiten Abhandlung über die Regierung”: „that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights” (Ottmann: 2008, S. 11). Zudem fordert Locke ein Widerstandsrecht für die Bevölkerung, wenn durch die Regierung in diese Grundrechte eingegriffen oder die Souveränität des Volkes angetastet wird. Der Widerstand der Bürger ist nach Locke kein Vertragsbruch oder Rückfall in den Naturzustand, da einzig die Regierung zur Niederlegung des Amtes gezwungen wird. Die „civil society“ bleibt dabei weiterhin erhalten (Bracker: 2007, S. 269f.).
Die Menschen- und Bürgerrechte in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
Wie bereits erwähnt, hatte John Locke großen Einfluss auf das Denken der Gründungsväter der Vereinigten Staaten. Die Erklärung der natürlichen Rechte des Menschen in der „Declaration of Independence“ ist nahezu eine identische Abbildung seiner Ideen. Doch nicht nur er, sondern auch der Amerikaner George Mason geht der Menschenrechtsdeklaration in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung voraus. Mason gilt als Schöpfer der ersten modernen Rechtsdeklaration, der „Virginia Declaration of Rights“, die nur wenige Wochen vor der Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht wurde. Darin verwirft er jegliche erbliche Ämter und Privilegien und plädiert für die Souveränität des Volkes als Grundlage von Verfassung und Regierung. Er entwirft einen Grundrechtskatalog, an dem sich Thomas Jefferson bei der Unabhängigkeitserklärung und später auch James Madison beim Entwurf der „Bill of Rights“ orientierten (Ottmann: 2008, S. 22). Dieser enthält nicht nur die Rechte auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück, sondern auch Presse- und Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit oder der Anspruch eines Angeklagten auf ein Geschworenengericht aus der Nachbarschaft. Damit verbunden propagiert Mason auch einen Verfassungsentwurf, der Volkssouveränität, Gewaltenteilung und die Rechte des Menschen vereint (Heideking: 1990, S. 37).
Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung selbst ist ein dreigliedriges Werk, verfasst von einem Komitee aus fünf Personen: Benjamin Franklin, Roger Sherman, Robert Livingston, John Adams und Thomas Jefferson, der als Hauptautor gilt. Jefferson verstand die Unabhängigkeitserklärung nicht als sein persönliches Werk, sondern vielmehr als Ausdruck der Stimmung in der Bevölkerung zu dieser Zeit (Heideking: 1990, S. 36). Die „Declaration of Independence“ knüpft an die großen englischen Rechtsdokumente, wie die „Petition of Rights“ oder die „Bill of Rights“, an (Ottmann: 2008, S. 9). Jedoch werden in der Unabhängigkeitserklärung nicht mehr nur die Rechte eines Engländers oder die Interessen des Heimatlandes propagiert, sondern die Rechte aller Menschen deklariert (Howard: 2001, S. 112). Im Gegensatz zur „Virginia Declaration of Rights“ findet sich hier kein Verfassungsentwurf wieder, sondern vielmehr nur die theoretische Rechtfertigung der Separation vom englischen Mutterland (Hartung: 1972, S. 14).
Die Erklärung der Rechte des Menschen innerhalb der „Declaration of Indepence“ beginnt mit folgenden Worten: „ Wir halten diese Wahrheiten für in sich einleuchtend: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, darunterLeben, Freiheit und Streben nach Glück; “(Jefferson: 1981, S.90)
Jeder Mensch besitzt ein Recht auf Gleichheit, Leben, Freiheit und Streben nach Glück. Weiter geht aus der Erklärung hervor, dass Regierungen gegründet werden, welche diese selbstverständlichen Wahrheiten schützen und sichern sollen. Die Macht der Regierungen beruht jedoch immer auf der Zustimmung der Regierten. Sollte eine Regierung diesen Zielen nicht dienen dann ist „es das Recht des Volkes[...], sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen“ (Jefferson: 1981, S. 90). Dieses Motiv des Widerstands wird in den 18 Anklagen an König George III. wieder aufgegriffen (Fenske: 1997, S. 369). Die Berufung auf diese neuen Rechte war in Amerika gar nicht anders möglich. Im Gegensatz zu europäischen Freiheitskämpfern hatten sie keine alten Rechte oder Privilegien und eine Übernahme der englischen Freiheitsrechte hätte die Amerikaner wieder an England gebunden (Schulin: 2004, S. 73).
Der besondere Charakter dieser Rechte begründet sich darin, dass sich Ursprung und Gültigkeit nicht vom Staat ableiten lassen. All diese Rechte sind angeboren und unveräußerlich und damit Grundlage des Staates und seiner gesellschaftlichen Ordnung. Sie sind vor staatlichen Eingriffen geschützt und können nicht einfach außer Kraft gesetzt werden (Hartung: 1972, S. 14).
Die Parallelen zu John Locke sind unübersehbar. Auch hier werden die natürlichen Rechte theologisch begründet und die Herrschaft aus dem Konsens der Beherrschten abgeleitet. Auch wird dem Volk ein Widerstandsrecht gegen unrechtmäßige Regierungen zugeschrieben. Aber nicht nur inhaltlich herrscht nahezu Einigkeit, sondern auch auf sprachlicher Ebene. So verwenden Locke und Jefferson nahezu identische Begriffe, um die Selbstverständlichkeit dieser Wahrheiten herauszustellen. Bei der theologischen Begründung der Menschenrechte greift Thomas Jefferson sogar komplett auf John Locke zurück (Ottmann: 2008, S. 11).
Der einzige größere Unterschied ist die Triade der natürlichen Rechte des Menschen. Während Locke neben den Rechten auf Leben und Freiheit das Recht auf Eigentum ausruft, verzichteten die Autoren der „Declaration of Independence“ auf dieses Recht und ersetzten es durch das Recht auf Streben nach Glück. Das Streben nach Glück ist individualistisch zu sehen. Jeder Mensch besitzt das unveräußerliche Recht, das zu tun, was sein persönliches Glück vermehrt, solange er sich innerhalb des geltenden Rechts bewegt und gegen keinerlei Gesetze verstößt. Das Recht auf Streben nach Glück ist demnach viel umfassender als das Recht auf Eigentum.
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- Arbeit zitieren
- Benedikt Kellerer (Autor), 2010, Menschenrechte und Verfassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161437
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