Bereits in Frühzeiten der Kafka-Forschung schrieb Walter Benjamin an Gershon Scholem: „Dem würde der Schlüssel zu Kafka in die Hände fallen, der der jüdischen Theologie ihre komischen Seiten abgewönne.“ Gemeint ist letztlich wohl folgendes: Es ist nicht zu übersehen, wie kaballistische, aber auch chassidische Gedankengänge Kafkas literarische Produktion beeinflussten. Am deutlichsten wird dieser Einfluss, der natürlich nur eine der Kraftquellen der Kafkaschen Produktion ist, in jenem Roman, der explizit ein der himmlischen Gerichtsbarkeit nachempfundenes Verfahren darstellt: der Prozess. Die Parallelen zwischen jüdischer Mystik und dem Roman sind zum Teil sehr viel tiefgehender und deutlicher, als es im Rahmen dieser Arbeit darstellbar sein wird. Doch nicht an jenen reinen Lehren der religiösen Bücher orientierte sich Kafka hier, vielmehr schöpfte er reich aus einer Vielzahl von Sagen und Legenden sowie Überlieferungen, die mittlerweile Teil der Volksbildung waren – das ist jedenfalls die in dieser Arbeit nicht ohne Grund vertretene These. Allerdings übernimmt er diese Themen nicht einfach. Er schafft durch seine scheiternden Helden und gebrochene Sichtweisen einen parallelen Entwurf, der gerade die Halt- und Ziellosigkeit des assimilierten Juden ausdrückt, der über eben dieses Material nicht mehr verfügt und den Forderungen des Gesetzes deshalb nicht genügen kann, da er seine Schuld schon aus Unkenntnis leugnet. Damit soll keineswegs gesagt werden, das Kafka ausschließlich kaballistisch oder chassidisch schrieb (was eine reichlich unsinnige Folgerung wäre). Gerade bei Abwägung von Gerichtsthemen bei Kafka kommt man jedoch m.E. nicht an jenen religiösen Deutungsmustern vorbei.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Mühlen des Gesetzes
- Die Alltäglichkeit des Religiösen
- Die Bezüge zum Chassidismus
- Die Zugänglichkeit des Gesetzes
- Der biblische Kontext und die mythische Überlieferung
- Die himmlischen Gerichte
- Die Gegenwärtigkeit des Gerichts
- Kollektive Leugnung der Schuld
- Gerichtliche Abläufe
- Ansammlung von Schuld
- Möglichkeiten der Beeinflussung
- Die andere Seite
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Franz Kafkas Werk im Kontext der jüdischen Mystik und insbesondere des Chassidismus, um die Darstellung von Gericht und Hierarchien in seinen Werken zu beleuchten. Die Arbeit untersucht, wie Kafkas literarische Produktion von kabbalistischen und chassidischen Gedanken beeinflusst wurde und wie diese Einflüsse in seinem Roman "Der Prozess" zum Ausdruck kommen.
- Die Beziehung zwischen jüdischer Mystik und Kafkas literarischem Werk
- Die Darstellung von Gericht und Hierarchien in Kafkas Werken
- Die Bedeutung der Alltäglichkeit des Religiösen in Kafkas Roman "Der Prozess"
- Die Rolle der Schuld und der Unkenntnis in Kafkas Werken
- Die Ambivalenz von Recht und Gerechtigkeit in Kafkas literarischem Universum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Verbindung zwischen Kafkas Werk und der jüdischen Mystik her. Kapitel 2 widmet sich dem Thema "Die Mühlen des Gesetzes" und untersucht die Alltäglichkeit des Religiösen, die Bezüge zum Chassidismus und die Zugänglichkeit des Gesetzes in Kafkas Werken. Kapitel 3 analysiert "Die himmlischen Gerichte" und betrachtet die Gegenwärtigkeit des Gerichts sowie die kollektive Leugnung der Schuld. Kapitel 4 beleuchtet "Gerichtliche Abläufe" und untersucht die Ansammlung von Schuld, Möglichkeiten der Beeinflussung und die andere Seite des Gerichts.
Schlüsselwörter
Franz Kafka, jüdische Mystik, Chassidismus, Gericht, Hierarchie, Alltäglichkeit, Schuld, Unkenntnis, Recht, Gerechtigkeit, "Der Prozess", Kabbala.
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- Stefan Scheiben (Author), 2003, Die Mühlen des Gesetzes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16182