Auschwitz, Holocaust, Shoah: der akribisch geplante, sorgfältig verwaltete, arbeitsteilig organisierte und im Kollektiv ausgeführte Massenmord an den europäischen Juden ist ob seiner
Dimensionen, seiner grausamen Details und Strategien und seiner perfiden inneren Logik singulär. Das Geschehen ist so unfassbar, erscheint oftmals so irreal, dass ein Begreifen – ja
selbst nur: ein Glauben – schwer fällt.
Welche Rolle kann und soll Literatur dabei spielen, das Geschehen der Nachwelt glaubhaft und zumindest annähernd begreifbar zu machen?
Wie kann Shoahliteratur der Irrealität des Geschehens und den Abwehrinstinkten der Rezipienten begegnen? Können Menschen, die die Schrecken von Ausschwitz erlebt haben, überhaupt eine gemeinsame Sprache mit Außenstehenden und Nachgeborenen finden? Was
hätte die übergroße Zahl jener Zeugen zu berichten, die keine Möglichkeit mehr hatten, Zeugnis abzulegen? Und gibt es überhaupt angemessene Formen der literarischen Ästhetisierung, oder
gilt das Diktum Theodor W. Adornos, wonach „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben barbarisch” sei?
Diese Fragen stellt und erläutert der Autor und skizziert dann mögliche Antworten und Lösungen auf der Grundlage des Berichts „Se questo è un uomo” aus der Feder des italienischen Auschwitzüberlebenden Primo Levi (Kapitel vier). Diesem dezidiert literatur- und sprachwissenschaftlichen Teil sind zwei hinführende Kapitel vorangestellt, die die Relevanz der soeben aufgeworfenen Fragen plausibilisieren: In Kapitel zwei thematisiert der Autor die tieferliegende Zweckebene der Konzentrationslager innerhalb
des Systems der nationalsozialistischen Herrschaft, da, so die Argumentation, nur so verständlich werde, warum und in welchem Ausmaß in Auschwitz das „gesamte Leben nach dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Quälerei systematisch durchorganisiert” war (Hannah
Arendt). Kapitel drei skizziert die Unfassbarkeit und Irrealität des Geschehens: Es erinnert an das Erlebte Primo Levis und verdeutlicht so die Herausforderungen, die eine literarische Verarbeitung darstellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kontext und Agenda
- Primo Levi, Zeuge von Auschwitz
- Das System Auschwitz
- Die Fabrikation von Leichen
- Funktionen und Logik des Lagers
- Die Vernichtung der Person
- Primo Levi: Alltag im Lager
- Behandlung als Vieh und anonymes Stückgut
- Unzureichende Nahrung und Kleidung bei harter Arbeit
- Überlebensstrategien, die Solidarität zerstören und Opfer korrumpieren
- Allgegenwärtige Beschimpfungen, Schläge und Selektionen
- Besonders perfide Schikanen und intime Demütigungen
- Unwissenheit, Willkür und Sinnlosigkeit
- Eine absurde Welt aus Geboten und Verboten
- Der totale Orientierungsverlust
- Schreiben nach Auschwitz: Zur Sagbarkeit des Unsagbaren
- Unsagbarkeit
- Die Aporie des unvollständigen Zeugen
- Die Unglaubwürdigkeit des Berichtes und die Abwehr der Rezipienten
- Das Fehlen einer gemeinsamen Sprache
- Das Problem der angemessenen Ästhetisierung
- Sagbarkeit
- Nähe und Distanz
- Identifikation und Empathie
- Metaphern und Analogien der Unsagbarkeit
- Relativierung von Auschwitz?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert Primo Levis Bericht "Se questo è un uomo" und untersucht die Frage, wie die Sprache der Literatur dem Grauen der Shoah gerecht werden kann. Das Ziel ist es, die Herausforderungen der Sagbarkeit des Unsagbaren zu beleuchten und die literarischen Strategien zu analysieren, die Primo Levi in seinem Werk einsetzt.
- Die spezifische Funktionsweise des Lagers Auschwitz und seine Rolle im System der nationalsozialistischen Herrschaft
- Die Zerstörung der menschlichen Identität durch die unmenschlichen Bedingungen des Lagers
- Die Aporie des unvollständigen Zeugen und die Schwierigkeiten, das Unvorstellbare sprachlich zu fassen
- Die Rolle der Literatur bei der Bewältigung von Trauma und dem Verhindern von Vergessen
- Die Suche nach angemessenen Formen der Ästhetisierung des Holocaust
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die zentrale Frage der Hausarbeit: wie kann Literatur die Shoah für die Nachwelt verständlich machen und die Erinnerung an das Geschehen bewahren? Kapitel zwei analysiert das System Auschwitz und seine Funktion als Werkzeug der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Kapitel drei schildert den Alltag im Lager aus der Perspektive von Primo Levi und veranschaulicht die unmenschlichen Bedingungen und die brutale Entmenschlichung der Häftlinge.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit befasst sich mit den Themen Shoah, Literatur, Sprache, Erinnerung, Zeugnis, Auschwitz, Primo Levi, "Se questo è un uomo", Identitätsverlust, Entmenschlichung, Ästhetisierung, Sagbarkeit, Unsagbarkeit, Trauma, und Abwehrmechanismen.
- Arbeit zitieren
- Sascha Ackermann (Autor:in), 2008, Schreiben nach Auschwitz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161990
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