Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Jane Austens ‚Pride and Prejudice‘
2.1 Historischer Hintergrund des Romans
2.1.1 Die Lebens- und Liebessituation der Frauen zwischen dem Ende des 18. bis zum Anfang des 19. Jhd. in Großbritannien aus historischer Sicht
2.1.2 Beweggründe Austens für die Wahl jener Zeit und der Handlung des Romans
2.2 Die Liebe und Leidenschaft innerhalb des Romans
2.2.1 Die Verheiratung und die Rolle der Liebe
2.2.2 Austens Darstellung der Liebe und der aus Liebe entspringenden Problematiken
2.2.2.1 … bei Jane Bennet & Charles Bingley
2.2.2.1.1 Die Charaktere Jane und Charles
2.2.2.1.2 Die Inszenierung der Liebe und deren negativen Aspekte
2.2.2.1.3 Fazit
2.2.2.2 … bei Elizabeth Bennet & Fritzwilliam Darcy
2.2.2.2.1 Die Figuren Elizabeth und Fritzwilliam
2.2.2.2.2 Die Darstellung der Liebe und der aus Liebe und Vorurteilen resultierenden Problematiken
2.2.2.2.3 Fazit
2.3 Die zeitlose Modernität des Romans
3. Schlusswort
4. Literatur- und Internetquellenverzeichnis
1. Einleitung
« Happiness in marriage is entirely a matter of chance. »1
Jane Austen
Bereits seit vielen Jahrhunderten setzen sich die unterschiedlichsten Personen mit der Thematik auseinander, die uns Menschen am meisten fasziniert, berührt und fesselt: die Liebe. Eine Vielzahl von Autoren schrieb und schreibt über die Liebe, über die Leidenschaft, über das Beflügelnde und das Zerschmetternde des Verliebtseins und in kaum einem Werk findet die Liebe- sei es zwischen zwei Verliebten, zwischen Bruder und Schwester, zwischen Freunden auf platonischer Basis, oder zwischen Vater und Tochter- keinen Platz. Eine dieser Autorinnen aus der Vergangenheit, die sich mit der Liebe und der Problematik des Verliebtseins auseinandersetzte, war die britische Autorin Jane Austen. Im Mittelpunkt ihrer Literatur stehen beinah ausnahmslos junge Frauen aus einem gehobenen idyllischen Bürgertum, die nach unterschiedlichen Problematiken und Lernprozessen den Mann, den sie lieben, finden und anschließend heiraten.2
Dass die Liebe gerade in Jane Austens Augen eine wesentliche Rolle im Leben eines Jeden spielen sollte, wirft jedoch die Frage auf, wieso diese im oben genannten Zitat daraufhin deutet, dass die Liebe in der Zeit, in der Austen lebte, nur selten Teil einer Ehe war. Ist es tatsächlich zu Lebzeiten Jane Austens und zu den Zeiten der Protagonistinnen ihrer Werke im Zentrum der Handlungen und Leben der jungen Damen gewesen, zu heiraten, ohne Rücksicht auf die Gefühle und auf die Liebe zu nehmen? Um dieser Frage im Detail nachgehen zu können, verwende ich in meiner Argumentation zur Frage nach der Bedeutung der Liebe, der Signifikanz der Ehe und deren Zusammenwirken, eine der wohl bekanntesten Werke Austens, das im Jahre 1813 erschienene Buch ‚Pride and Prejudice‘, das sich für diese Thematik am besten eignet.
Zunächst einmal wird darauf eingegangen, wie- aus historischer Sicht- das Leben in der Zeit, in der das Buch handelt, aussah, welche Rolle die Frau, das Heiraten und die Liebe zu dieser Zeit besaßen und inwieweit eine Verbindung zwischen dem Heiraten und Lieben der betroffenen Person bestand. Anschließend werden Gründe dafür gesucht, warum sich Austen gerade für diese Zeit entschied und welche Beweggründe sie nicht nur für die Wahl der Orte und der Zeit, sondern vor allem für die ganz spezielle Handlung innerhalb des Werkes hatte.
Gibt es aufgrund ihrer Wahl Parallelen zwischen dem tatsächlich Geschehenen der Vergangenheit und dem Dargestellten im Roman? Der Hauptteil dieser Bachelorarbeit bezieht sich hingegen auf Jane Austens Darstellung der Liebe im Roman, unter der zentralen Frage, inwieweit und durch welche Art und Weisen Austen die Liebe und Gefühle im Roman verdeutlicht und wieso sich Austen dazu entschloss, die Liebe nicht so klar und deutlich darzustellen, wie es in weltbekannten Liebesklassikern- so zum Beispiel bei Shakespeares ‚Romeo and Juliet‘- ist. Doch ist die dargestellte Liebe im Roman aufgrund ihrer Darstellungsweise weniger intensiv, als bei jenen Romanen, die offen und deutlich die Gefühle der Personen ausdrücken? Um herauszuarbeiten, wie Austen die Liebe und Leidenschaften im Buch darstellt und welche Problematiken in Verbindung zu Gefühlen in jener Zeit entstehen, werde ich eine Vielzahl an Sekundärliteratur zur Unterstützung verwenden. Im Vordergrund soll hierbei jedoch meine eigene Erarbeitung anhand des Werkes stehen, einschließlich meiner Gedanken zum Text. Nachdem herausgearbeitet wurde, wie Austen die Liebe innerhalb von ‚Pride and Prejudice‘ darlegt, wird zum Schluss auf die zeitlose Modernität des Romans eingegangen.
2. Jane Austens ‚Pride and Prejudice‘
In den Jahren zwischen 1796 bis 1798 schrieb Jane Austen, im Alter von etwas über Zwanzig Jahren, drei Romane, darunter auch ‚Pride and Prejudice‘, veröffentlichte diese jedoch erst Jahre später, nachdem sie diese überarbeitete. ‚Pride and Prejudice‘ veröffentlichte sie im Jahre 1813.3 Die beiden Hauptfiguren Elizabeth Bennet und Fritzwilliam Darcy, die in einen unterschiedlichen Stand hinein geboren wurden, müssen innerhalb des Verlaufes des Werkes einige ihrer erlebten Krisen bewältigen, die eigenen Fehler erkennen und Einsicht zeigen, um anschließend in neuer Bescheidenheit und stolz- und vorurteilsfrei den Weg in eine gemeinsame Zukunft finden zu können, den sie am Schluss des Buches auch tatsächlich finden. Austen will durch die Wahl des Buchtitels ‚Stolz und Vorurteil / Pride and Prejudice‘ ausdrücken, dass Stolz und erste Eindrücke zu Vorurteilen führen und damit eine glückliche Zukunft zerstören können, wenn sie nicht bemerkt und beseitigt werden.4
2.1 Historischer Hintergrund des Romans
Um die Geschehnisse und Reaktionen innerhalb des Romans nachvollziehen zu können, muss zunächst herausgearbeitet werden, wie das Leben der Menschen zu Zeiten der Handlung des Werkes, d.h. in der Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert strukturiert war und wie das Verhalten und die Gruppenkultur zu jener Zeit aussahen.
2.1.1 Die Lebens- und Liebessituation der Frauen zwischen dem Ende des 18. bis zum Anfang des 19. Jhd. in Großbritannien aus historischer Sicht
« In nine cases out of ten, a woman had better s h ow more affection than she feels. » 5
Jane Austen
Das Leben im 18. und 19. Jahrhundert ähnelte ganz und gar nicht dem Leben, das wir im 21. Jahrhundert führen. Christian Friedrich Sintenis, ein deutscher evangelischer Theologe, der in jener Zeit lebte6, versuchte ein Bild der durchschnittlichen kleinbürgerlichen Familie zu entwerfen, um zu verdeutlichen, wie die Familien zu seiner Zeit funktionierten: Der Mann übernahm innerhalb der Familie die Führungsposition, sowie innerhalb der Ehe und konnte, wenn es seinem Willen entsprach, der Frau einen Part der Führung der Familie bzw. Ehe übergeben, indem sie beispielsweise die Rolle einer Ratgeberin seinerseits übernahm. Die Kinder wurden zu jener Zeit von den Eltern weitestgehend zu Hause unterrichtet und der bevorzugten Religion unterwiesen.7 Das, was Vater und Mutter den Kindern sagte, war in den Augen der Kinder „ untrüglich und unverbrüchlich.“8 Obwohl viele Kinder im 18. und 19. Jahrhundert zu Hause ausgebildet wurden, konnten die Töchter mittleren und gehobenen Standes durchaus zur Schule geschickt werden.
Ihre Ausbildung richtete sich jedoch darauf, aus den jungen Mädchen kultivierte und wohlerzogene Damen zu machen, anstatt ihnen akademisches Wissen zu vermitteln. Es war ihnen daher auch nicht gestattet, eine höhere Ausbildung durch private Lehrer, Gouvernanten oder private Schulen zu erlangen, bei denen ihnen ein Ausmaß an strukturiertem Unterricht zukam. Es gab jedoch für die Frauen eine Alternative, um Bildung zu erlangen, denn „[n]aturally, a young woman like Elizabeth Bennet with a lovely, inquisitive mind would have been able to further her education independently through reading.” 9 Des Weiteren konnten sie sich durch die Hilfe anderer unterrichten lassen. Die Gesellschaft billigte es jedoch nicht, dass eine Frau einen akademischen Beruf- wie beispielsweise den eines Arztes oder Anwalts- ausüben konnte und ihnen wurde dabei, ganz gleich wie intelligent und talentiert sie auch waren, keinerlei Chance geboten in solch einen Beruf einzusteigen.
Die Heirat hatte zu jener Zeit eine wesentliche Bedeutung, ganz im Gegenteil zu unserer Gegenwart, denn heutzutage haben Frauen eine Vielzahl an unterschiedlichen Möglichkeiten, denen sie nachgehen können: Sie können heiraten, wenn sie es möchten, oder alleinstehend bleiben, dem Wege der Karriere folgen und/ oder Kinder bekommen. In den Zeiten, in denen Elisabeth Bennet und ihre Schwestern leben, gibt es diese Optionen für Frauen nicht. In der Tat gab es für die Damen jener Zeit nur wenige Wege, sich eine sichere Zukunft zu sichern: Wenn eine Frau unverheiratet blieb, war sie vollkommen abhängig von ihrer Familie und Verwandten und musste auf Kosten des Vaters, Bruders oder Sonstigen leben und in den meisten Fällen auch bei diesen wohnen. Wenn sich eine Frau dafür entschied, nicht auf Kosten anderer zu leben, hatte sie die Chance, die Position einer Gouvernante oder einer Gesellschafterin einzunehmen und dadurch eigenes Geld zu verdienen.
Jedoch die wichtigste Aufgabe, die eine Dame hatte und weshalb sie auch nicht akademisch sondern kultiviert ausgebildet wurde, war, dass diese einen Mann hohen Standes und mit Vermögen heiratete, um sich dadurch nicht nur selbst eine sichere Zukunft zu verschaffen, sondern ebenfalls um ihren Stand beizubehalten oder zu erheben und die Ehre und das Ansehen der Familie durch die Heirat zu sichern.10 Neben der Wichtigkeit als Frau einen Mann gehobenen Standes zu heiraten, spielte bei der Wahl jenes Mannes sein Vermögen eine ebenso wichtige Rolle. Das begründet sich vor allem darin, dass die Frauen zu jener Zeit die Verantwortung trugen, die Familie und die Geschwister durch eine Verheiratung mit einem reichen Mann ebenfalls abzusichern. Wenn der Fall eintrat, dass die Kinder unverheiratet blieben oder nur mit einem armen Partner verheiratet wurden und der Vater der Familie starb, konnten die Hinterbliebenen in den meisten Fällen ihren Lebensstandart nicht mehr halten. Daher spielt das Geld eine signifikante Rolle innerhalb der Auswahl des zukünftigen Ehemannes. Aufgrund dieser Lebenssituation zu jener Zeit kann man Jane Austens Aussage11 nachvollziehen, da sie mit ihren Worten bekunden will, dass die Frauen im 18. und 19. Jahrhundert auch Männer von sich überzeugen und heiratswillig machen sollten, sofern sie Geld und Rang besaßen, auch wenn sie nicht dem äußerlichen Ideal der Frauen entsprachen.
Das bedeutet, auch wenn eine Frau keine Zuneigung gegenüber einem Mann ausdrücken wollte, es aufgrund einiger Umstände dennoch tun sollte.12 Schlussfolgernd spielte die Liebe zu einem Mann in diesem Abschnitt der Geschichte kaum eine Rolle, da das Absichern der Frau und der Familie oberste Priorität besaß und die Heirat aus Liebe nur denen möglich war, die entweder tatsächlich einen reichen Mann liebten, den sie heirateten oder bereits einen hohen Stand besaßen und aufgrund dessen die Wahl hatten.
Um als Frau die Aufgabe nach der Suche eines reichen, angesehenen Mannes folgen zu können, gab es zu jener Zeit etwas Kulturelles, das von großer Bedeutung war: Die Kultur des 19. Jahrhunderts „ was an culture of dance […]“, denn “[…] [l]ike any social institution, the ballroom both affected and reflected elements of the world around it.” 13 Auf sozialen Anlässen, wie den Bällen, war es den Damen am besten möglich, heiratswillige Männer aus gutem Stande kennenzulernen, da auf diesen edlen Tanzveranstaltungen ebenfalls auch der Adel bei Interesse teilnahm. Auf diese Art und Weise konnten sie innerhalb eines Abends eine Vielzahl an heiratswilligen Männern treffen und diese für sich gewinnen, sofern es sich lohnte.14
2.1.2 Beweggründe Austens für die Wahl jener Zeit und der Handlung des Romans
Jane Austen war eine britische Schriftstellerin, die im Jahre 1775 geboren wurde und im Jahre 1817 verstarb.15 Der zunächst offensichtlichste Grund Austens für die Wahl jener Zeit ihres Romans ist, dass Austen in der Zeit lebte, in der der Roman handelt. Dies mag an dieser Stelle zunächst der erste Grund Austens gewesen sein, wieso sie sich diese Zeit für die Handlung ihrer Romane und im Speziellen des Werkes ‚Pride and Prejudice‘ aussuchte. Ein weiterer Grund bzw. eine Parallele zum Inhalt des Romans findet sich weiterhin in ihrem Leben. Denn ein paar Jahre, nachdem sie die Abbey School für angehende Schriftsteller aufgrund mangelnder Geldmittel ihrer Eltern verlassen musste und sich bei ihnen in verschiedenen Sprachen und dem Piano unterrichten lies, traf sie, im Alter von Zwanzig Jahren, auf einen jungen Iren Namens Tom Lefroy, der in Hampshire16 zu Besuch war. Als seine Familie die gegenseitige Zuneigung Austens und Lefroys bemerkte, schickten sie ihn unverzüglich wieder zurück nach Hause, um zu verhindern, dass Tom eine Frau aus ärmeren Verhältnissen, aus denen Jane kam, heiratete. Im Alter von 28 Jahren lernte sie den reichen Mann Harris Bigg- Wither kennen, bei dem sie einen Heiratsantrag annahm17, aber „[t]he next morning, however, Austen changed her mind, giving up the wealth and security inherent in such a match because she did not love him.“18 Es scheint bei näherer Betrachtung ihres Lebens und dem Inhalt des Romans, dass sie das, was sie in ihrem Leben nicht erreichen konnte, innerhalb der Literatur und ihrer Fantasie möglich machte.
Das zeigt sich z. B. darin, dass sie selbst, ebenso wie Elizabeth Bennet ein Freigeist war, der davon überzeugt war, dass die Liebe wichtiger, bei der Wahl des zukünftigen Ehemannes sei, als das Geld oder der gesellschaftliche Stand. Ihre Haltung gegenüber der Liebe und der lieblosen Ehe verdeutlichte Jane nicht nur durch ihre verschiedenen überlieferten Zitate19, in denen sie selbst andeutete, das Geld nicht zentral sei, sondern die Liebe, sondern erschließt sich ihre Haltung ebenfalls aus ihren Romanen, in denen die Liebe immer an erster Stelle steht und triumphiert. Des Weiteren zeigt sich ihre Überzeugtheit von der Liebesehe in ihrem eigenen Leben, dadurch, dass sie den Mann, der sie heiraten wollte und den sie nicht liebte, nicht heiratete und stattdessen auf Reichtum und eine sichere Zukunft verzichtete. Des Weiteren ist auffällig, dass sie all ihren Protagonistinnen ein glückliches Ende inklusive der Heirat des Mannes den sie lieben, verschafft und ihnen dadurch etwas gibt, was sie selbst nie hatte, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wollte.
Daraus lässt sich schließen, dass Austen sich für diesen speziellen Inhalt in ‚Pride and Prejudice‘ entschied, um sich nicht nur mit der Zeit und den Sitten auseinanderzusetzen, die ihr in ihrem Glück im Wege standen, sondern auch, um einen Teil ihrer Lebensgeschichte zu erzählen und daraus jedoch ein glückliches Ende entstehen zu lassen. So werden zwar die beiden Liebenden Mr. Bingley und Jane Bennet in ‚Pride and Prejudice‘ aufgrund ihrer Liebe und ihres unterschiedlichen Standes voneinander getrennt, so wie es bei Jane20 Austen und ihren Lefroy war, jedoch finden die beiden wieder zueinander und finden den Weg in eine glückliche Ehe und Zukunft, die Austen und Lefroy nicht fanden. Jane Austen vertritt demgemäß ein romantisches Ideal. Motive für ihre Romane fand sie nicht nur in ihrem eigenen Leben, sondern in ihrem Alltag und ihrer Umgebung und verwendete sie, weil genau das einem Werk die Realistik verschafft.21 Die Aussage, „ Jane Austen had apparently not taken much notice of the great social changes which began during her lifetime”22 stimmt demzufolge nicht und kann auch nur von einem Menschen stammen, der Austens Werke nicht gründlich genug gelesen hat.23 Austen will mit ihren speziellen Handlungen ihrer Romane, die in der Zeit, in der sie selbst lebte, handeln, Kritik an der Gesellschaft ausüben. Da sie ausschließlich aus der Sicht von Frauen schrieb, zielte ihre Kritik auf die Sitten, Regeln und auf das Verhalten der Männer ab. Sie kritisierte in ihren Roman u. A., dass Frauen nach einem gesellschaftlichen Fehltritt keinerlei Chance bekamen, Buße zu tun und wieder Teil der Gesellschaft zu werden, wohingegen die Männer die gleichen Fehler unentwegt machen konnten, ohne zur Rechenschaft gezogen wurden zu sein. Des Weiteren kritisiert sie, dass Frauen zur Heirat gedrängt wurden, ohne Rücksicht auf die Gefühle, und dadurch ein Leben lang an einen Mann und dessen Haus gebunden waren.24
Jane Austen hatte vermutlich eine Vielzahl an Beweggründen, sich für die Zeit und die Handlung ihrer Romane zu entscheiden, vermutlich bleiben dem Leser sowie Menschen, die Austen nicht nahe standen, einige dieser Gründe vorenthalten. Aber bei näherer Betrachtung der Werke Austens werden dem Leser ihre vermutlich größten Beweggründe innerhalb ihrer Bücher ersichtlich: Sie wollte zum einen dem Leser einen Einblick in die Zeit geben, in der sie lebte und durch die Art und Weise der Darstellung der Geschehnisse und Gespräche, Kritik an der Zeit sowie an der Gesellschaft ausüben. Des Weiteren wollte sie innerhalb ihrer Romane aufzeigen, mit welcher Ungerechtigkeit die Frauen zu kämpfen hatten und welcher historische Wandel sich während ihrer Lebenszeit in England durchzog.
2.2 Die Liebe und Leidenschaft innerhalb des Romans
2.2.1 Die Verheiratung und die Rolle der Liebe
« How little of permanent happiness could belong to a couple w h o were only brought together because their passions
were stronger than their virtue.» 25
J a ne A usten
Wie wenig von Dauer das Glück und die Zufriedenheit innerhalb einer Beziehung sein können, wenn sie aus Liebe und nicht aufgrund von Vorteilen entsteht, verdeutlicht Jane Austen innerhalb der gewählten Handlung und Ereignisse in ihrem Roman. Innerhalb des Romans gibt es jene Personen, die aus gesellschaftlichen Gründen und aufgrund von Vorteilen den Weg der Ehe einschlagen und zum anderen gibt es jene Menschen, die aus Liebe und nicht des Geldes wegen die betroffene Person heiraten wollen. Doch welcher dieser beiden Wege- sei es aus gesellschaftlichen oder aus leidenschaftlichen Gründen heiraten zu wollen- ermöglicht den Personen das dauerhafte Glück und eine besonnene Zukunft? Zunächst einmal muss darauf eingegangen werden, welche Rollen die Liebe und die Ehe innerhalb des Romans einnehmen. Welche Geltung der Liebe und Verheiratung innerhalb des Buches zuteilwird, äußert sich bereits auf der ersten Seite des Romans, innerhalb der ersten Sätze, in denen es heißt:
„It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. However little known the feelings or views of such a man may be on his first entering a neighborhood, this truth is so well fixed in the minds of the surrounding families, that he is considered as the rightful property of some one or other of their daughters.” 26
In diesen ersten Zeilen des Romans verweist Austen auf das Thema, das innerhalb der Handlung des Romans die zentrale Rolle übernimmt: Die Heirat. Des Weiteren leitet Austen mit diesen Sätzen den ironischen Ton ein, den sie sowohl verbal als auch strukturell durchgehend in ‚Pride and Prejudice‘ verwendet und zugleich will Jane Austen einen Blick in ihre Zeit vermitteln, indem sie anspricht, dass es zu ihren Lebzeiten eine anerkannte Wahrheit war, dass ein Mann, der reich und zugleich auch noch alleinstehend war, eine Frau benötigte- nicht um seinetwillen, sondern im Sinne der Frauen, die sich durch die Wahl dieses Mannes nicht nur eine gute Partie, sondern auch eine wohlhabende Zukunft sichern konnten. Wer dieser Mann ist, welchen Charakter er besitzt, ob er liebenswert oder bösartig, schön oder abstoßend ist, spielt hierbei jedoch keinerlei Rolle, wie es in ihren Worten „[h]owever little known the feelings or views of such a man may be on his first entering a neighbourhood[…], that he is considered as the rightful property of some one or other of their daughters […]“ (S.3)27 deutlich wird. Was alleine zählt und von Interesse für heiratswillige Frauen und deren Mütter ist, ist das Vermögen des Mannes und sein Beziehungsstand.
Nach den einführenden Worten Austens folgt weiterhin auf der ersten Seite ein Gespräch zwischen Mr. und Mrs. Bennet, den Eltern der Protagonistin Elizabeth Bennet, die sich über die baldige Ankunft eines reichen Mannes in deren Nachbarschaft unterhalten. In diesem Gespräch erzählt Mrs. Bennet, dass „Mrs Long says that Netherfield is taken by a young man of large fortune from the north of England […]“ (S.3) und dass dieser junge Mann alleinstehend ist und Bingley heißt. Mehr Informationen werden innerhalb dieses Gespräches nicht gegeben, es wird nur entschieden bzw. von beiden Elternteilen angestrebt, dass eines ihrer Töchter die zukünftige Frau Bingleys werden soll.
[...]
1 Michael Moncur: The Quotations Page (Suchbegriff: Jane Austen, 2007). In: http://www.quotationspage.com/quote/40164.html (03.08.2010).
2 Vgl. Detlef Münch: Bibliographie und Rezension der deutschsprachigen Ausgaben von Jane Austen 1822- 2005. Dortmund: synergen Verlag 2005, S. 19ff.
3 Vgl. Marie Kalil: CliffsNotes. On Austen’s Pride and Prejudice. Hoboken, NJ: Wiley Publishing, Inc. 2000, S. 3.
4 Vgl. Ebenda.
5 Michael Moncur: The Quotations Page (Suchbegriff: Jane Austen, 2007). In: http://www.quotationspage.com/quote/40164.html (03.08.2010).
6 Vgl. Michaela Bauer- Jonis, Horst Bernard [u. A.]: Neues großes Lexikon in Farbe. Über 50.000 Stichwörter mit über 3.500 Abbildungen. Sonderausgabe. München: Trautwein Lexikon- Edition 1996, S. 783.
7 Vgl. Helmut Möller: Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert. Verhalten und Gruppenkultur. Schriften zur Volksforschung, hrsg. v. Gerhard Heilfurth, Kurt Ranke [u. A]. Band 3. Berlin: Walter de Gruyter & Co 1969, S. 11f.
8 Ebenda.
9 Kalil: Jane Austen’s Pride and Prejudice, S. 78.
10 Vgl. Ebenda.
11 Siehe Zitat am Anfang des Kapitels: „ In nine cases out of ten, a woman had better show more affection than she feels.“
12 Vgl. Kalil: Jane Austen’s Pride and Prejudice, S. 78ff.
13 Cheryl A. Wilson.: Literature and Dance in Nineteenth- Century Britain. Jane Austen to the New Woman. Cambridge: Cambridge University Press 2009, S. 19.
14 Vgl. Wilson: Literature and Dance in Nineteenth- Century Britain, S. 69ff.
15 Vgl. Bauer- Jonis: Neues großes Lexikon in Farbe, S. 60.
16 Hampshire ist eine Grafschaft an der südlichen Küste Englands, in der Jane Austen aufwuchs.
17 Vgl. Kalil: Jane Austen’s Pride and Prejudice, S.2f.
18 Ebenda.
19 Austen verdeutlichte ihre Haltung zur Liebe bzw. Liebesehe in vielen Zitaten, als Beispiel sollte hierbei ihre Aussagen ‚ Happiness in marriage is entirely a matter of chance‘ aber reichen.
20 Auffällig ist hierbei natürlich auch, dass nicht nur eine Verbindung zwischen dem Geschehnis zu sehen ist, sondern ebenso, dass beide Frauen- die eine
aus der Realität und die andere aus der Fantasie- den gleichen Namen tragen.
21 Vgl. Bettina Debon: Die unbekannte Jane Austen. Ihre Romanfragmente Catharine, The Watsons, Sanditon. Anglistik in der Blauen Eule / Bd. 13. Essen: Verlag Die Blaue Eule 1991, S. 35.
22 Debon: Die unbekannte Jane Austen, S. 38.
23 In verschiedenen Romanen geht sie auf die zeitlichen Veränderungen ein, so beispielsweise in ihrem Buch ‚Persuasion‘, in dem der Adel dem Untergang geweiht ist und das Bürgertum aufkommt.
24 Vgl. Debon: die unbekannte Jane, S. 45ff.
25 Michael Moncur: The Quotations Page (Suchbegriff: Jane Austen, 2007). In: http://www.quotationspage.com/quote/40164.html (07.08.2010).
26 Jane Austen: Pride and Prejudice. Wordsworth Classics. O.A. Hertfordshire: Wordsworth Editions Limited 2007, S. 3.
27 Da Jane Austens ‚Pride and Prejudice‘ im Mittelpunkt der Bachelorarbeit steht, werden die nun folgenden Zitate aus dem Roman nur noch durch Seitenzahlen in Klammern im Anschluss des Zitates gekennzeichnet.