Werbung und der Antagonismus zwischen Marketing und Verbraucherpolitik

Das Fallbeispiel Functional Food


Seminararbeit, 2010

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Informationsökonomische Grundlagen als Teil der Verbraucherpolitik
2.1 Informationsökonomische Gliederung von Wirtschaftsgütern
2.2 Asymmetrische Informationen
2.3 Konsumentensouveränität als Leitbild der Verbraucherpolitik
2.4 Wechselwirkungen zwischen Verbraucherpolitik und Werbung

3. Functional Food
3.1 Begriffsklärung und Entwicklung
3.2 Verbraucherpolitische und anbieterseitige Problematik
3.3 Rechtliche Grundlagen: Die Health Claim-Verordnung

4. Fallbeispiele

5. Zusammenfassung und Ausblick

1. Einleitung

„Gesundheit zum Essen?“, „Fitness aus dem Kühlregal?“, „Leistung aus der Dose?“, „Vitalität aus der Flasche?“ Die eigentlichen Gründe der Nahrungsaufnahme, nämlich schlicht das „Satt- werden“ und die „Nährstoffversorgung“, sind in vielen Teilen der Bevölkerung nicht mehr die einzigen Anreize für den Kauf bestimmter Produkte. Lebensmittel mit Zusatznutzen (Functional Food oder funktionelle Lebensmittel) eroberten in den letzten Jahren den Markt [vgl. Maier et al. (2008, S. 53)] und stellen seither hohe Anforderungen an die Anbieter derartiger Produkte, ins- besondere im Bereich Marketing. Aber vor allem die Verbraucher und deren Informationsmana- gement stehen dadurch einer weiteren Herausforderung gegenüber. Durch eine konfliktäre Kons- tellation von Unternehmen und Konsumenten, wird auch die Gesetzgebung auf den Plan gerufen, um speziell für den Markt von Functional Food ordnungs- und wirtschaftspolitische Rahmenbe- dingungen abzustecken. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich eingegangen. Ziel des Marketings ist es, dem eigenen Unternehmen über das Generieren eines komparativen Konkurrenzvorteils1 einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Das Bewerben der Produkte in jeglicher Art gehört zu einem äußerst wichtigen Instrument der Kommunikationspolitik. Ziel ist es, den Verbraucher von der Vorteilhaftigkeit des eigenen Produktes zu überzeugen. Das vor- herrschende Ziel der Verbraucherpolitik dagegen ist es, die Verbraucher zu schützen sowie deren Kenntnisse zu verbessern und ihre Fähigkeiten zu schulen [vgl. Kuhlmann (1990, S. 75f)]. Dem Verbraucher wird dadurch eine Unterstützung beim Kaufakt zu Teil, die es ihm ermöglicht ein höheres Nutzenniveau zu erreichen.

Die Tatsache, dass Werbung auch positiv auf den Einkaufsprozess wirken kann, bspw. durch Informationen zu Produkt, Preis oder Verfügbarkeit und somit auch als eine mögliche Entscheidungserleichterung bei einem ständig wachsenden und komplexer werdenden Angebot, sollen keinesfalls unterschlagen werden. Diese Aspekte werden aber nicht im Fokus dieser Arbeit stehen. Im Vordergrund wird der Zielkonflikt zwischen Marketing und Verbraucherpolitik analysiert, wobei insbesondere das Thema „Werbung“ herausgestellt wird.

Nach Kroeber-Riel/Weinberg (2008, S. 690) besteht ein Ungleichgewicht der Informationsver- teilung auf den Gütermärkten zu Gunsten der Anbieter. Unstrittig ist wohl die Tatsache, dass kein Konsument über vollständige Information aller vorhandenen Güter verfügt und Anbieter, produktionstechnisch bedingt, besser über ihre eigenen Güter informiert sind als deren Nachfra- ger. Diesbezüglich werden zu Beginn der Arbeit die informationsökonomischen Grundlagen und Problematiken dargestellt, um darauf aufbauend der Frage nachzugehen, wie sich diese Aspekte auf dem Markt für Functional Food verhalten. Auch das, durch die Health Claims-Verordnung entstandene, rechtliche Grundgerüst in der EU, wird im Verlauf der Arbeit aufgezeigt. Abschlie- ßend werden Fallbeispiele aus der Werbung die Praxisrelevanz unterstreichen.

Informationsökonomische Grundlagen als Teil der Verbraucherpolitik

2. Informationsökonomische Grundlagen als Teil der Verbraucherpolitik

Die Verbesserung der Wirtschaftsordnung, und somit das Ziel einer Erhöhung der Bedürfnisbefriedigung der Verbraucher, nimmt im Zielsystem der Verbraucherpolitik den höchsten Rang ein. In sozialen Marktwirtschaften sind somit die Verbraucher, durch regulierende Maßnahmen sowohl auf Anbieter- als auch auf Verbraucherseite, zu schützen. Des Weiteren gilt es den Verbrauchern bessere Kenntnisse und Fähigkeiten zu verschaffen, um die komplexe Welt des Gütermarktes zu überblicken und gemäß deren individuellen Bedürfnissen eine bestmögliche Entscheidung für den Produktkauf zu gewährleisten. Informationen die ein Verbraucher wahrnimmt oder aktiv sucht, spielen dabei eine wesentliche Rolle, wozu im Folgenden die grundlegende Problematik dargestellt wird [vgl. Kuhlmann (1990, S. 74-78)].

2.1 Informationsökonomische Gliederung von Wirtschaftsgütern

Nach Adler (1998, S. 342) sind die Unsicherheitsprobleme ein wesentlicher informations- ökonomischer Faktor bei der Analyse des Käuferverhaltens. Abhängig von den individuellen Eigenschaften der Güter, entstehen beim Erwerbsprozess des Nachfragers Qualitäts- unsicherheiten unterschiedlicher Art. Im informationsökonomischen Dreieck (Abbildung 1) wer- den Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Gütern unterschieden [vgl. Hom- burg/Krohmer (2006, S. 24)].

Abbildung 1: Beispielhafte Positionierung von Brot im informationsökonomischen Dreieck

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg/Krohmer (1990, S. 24)]

Durch Informationsrecherche können Nachfrager Sucheigenschaften eines Gutes bereits vor dem Kauf beurteilen. Die dabei entstehenden Kosten sind in aller Regel relativ gering, zumal heute allen voran durch das Internet ein Medium zum Alltag gehört, durch das sich mit sehr geringem finanziellen und zeitlichen Aufwand Sucheigenschaften einholen lassen. Eine schöne Brotkruste [vgl. Adler 1998, S. 342)] oder die Farbe eines Kleidungsstücks aus dem Katalog, sind Beispiele für Sucheigenschaften. Erfahrungseigenschaften hingegen kann ein Verbraucher erst nach dem Kauf oder Gebrauch beurteilen. Neben eigenen Erfahrungen können auch Erfahrungen Dritter Informationsökonomische Grundlagen als Teil der Verbraucherpolitik zur Information über das Gut beitragen [vgl. Homburg/Krohmer (2006, S. 25)]. Um bei den oben gewählten Beispielen zu bleiben, sind der Geschmack des Brotes [vgl. Adler (1998, S. 342)] und der Schnitt des Kleidungsstücks Beispiele für Erfahrungseigenschaften. Existieren des Weiteren Eigenschaften, die der Nachfrager weder vor noch nach dem Kauf beurteilen kann, so wird von Vertrauenseigenschaften gesprochen [vgl. Homburg/Krohmer (2006, S. 25)]. Das biologisch angebaute Getreide [vgl. Adler (1998, S. 342)] oder eine faire Entlohnung der Arbeiter auf den Baumwollfeldern des Textilienherstellers, dienen zur Veranschaulichung. Wie an den Beispielen verdeutlicht, sind bei fast allen Gütern sämtliche drei Eigenschaften in mehr oder weniger starker Ausprägung vorhanden. Güter lassen sich also zwischen den Dimensionen im informationsöko- nomischen Dreieck platzieren, wobei die Einordnung auf der subjektiven Einschätzung des Nachfragers beruht [vgl. Adler (1998, S. 342)].

Durch das sog. Screening-Verfahren2 hat der Nachfrager die Möglichkeit seinen unzureichenden Informationsstand aufzubessern. Auch die besser informierten Anbieter haben durch sog. Signal- ling-Maßnahmen die Möglichkeit, zur Unsicherheitsreduktion der Nachfrager beizutragen. Re- putation, Preishöhe, Garantien, aber auch die Intensität des Werbegrads stellen dabei einige Op- tionen dar [vgl. Adler (1998, S. 342-344)]. Im Fokus der Verbraucherpolitik stehen dabei die Möglichkeit zur Information, Richtigkeit der Informationen, sowie Aufklärung und Beratung des Verbrauchers. Qualitätsunsicherheit ist somit die Folge asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Anbieter und Verbraucher, welche im Folgenden genauer beleuchtet wird.

2.2 Asymmetrische Informationen

Obwohl bei der Annahme vollständiger Konkurrenz in der ökonomischen Theorie Konsumenten mit vollkommener Information ausgestattet sind, so ist es ersichtlich, dass eine solche Annahme der Realität nicht standhalten kann [vgl. Donges/Freytag (2009, S. 204)]. Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen haben gegenüber Anbietern ein Informationsdefizit, woraus eine ineffizientere Marktsituation oder gar Marktversagen resultieren kann. Die Folge ist ein gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrtsverlust, der staatliche Interventionen rechtfertigt.

Ist die Qualität3 eines bestimmten Produktes das der Verbraucher erwerben möchte vor Vertrags- schluss nicht beobachtbar, oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand festzustellen, so ist der Nachfrager im Informationsnachteil, sofern der Anbieter die Qualität richtig zu beurteilen vermag. Unter diesen genannten Umständen kann das Problem der adverse Selektion4 au]ftreten. Durch einen Prozess der Erwartungsbildung beim Nachfrager entsteht ein Marktpreis, wobei keine Produkte mehr angeboten werden, die eine entsprechend höhere Qualität haben, obwohl diese eventuell gewünscht sind. Durch den weiteren Prozess der Erwartungsbildung verbleiben am Ende nur sog. „Lemons“5, d. h. Produkte geringerer Qualität, im Markt [vgl. Donges/Freytag (2009, S. 207f)].

Informationsökonomische Grundlagen als Teil der Verbraucherpolitik Die Problematik von „Moral Hazard“6 dagegen tritt auf, wenn das Informationsdefizit nach Ver- tragsschluss besteht. Dies ist der Fall, wenn die schlecht informierte Marktseite die Nichteinhal- tungen von bestehenden Vertragsbedingungen nicht beurteilen oder nachweisen kann [vgl. Don- ges/Freytag (2009, S. 209f)]. Als praktisches Beispiel dazu kann Werbung für Güter herangezo- gen werden, die bestimmte Eigenschaften oder Qualität vorgibt, diese aber ungeachtet des Verbrauchers nicht vorhanden sind. Der Verbraucher hat oftmals keine Möglichkeit das Anbie- terverhalten zu kontrollieren - dabei von Konsumentensouveränität zu sprechen, wird häufig in Frage gestellt7.

2.3 Konsumentensouveränität als Leitbild der Verbraucherpolitik

Konsumentensouveränität oder doch Konsumidiot? Bereits 1776 schreibt Adam Smith, dass der einzige Zweck der Produktion im Konsum und somit in der Nachfrage durch die Verbraucher liege [vgl. Krol (2008, S. 83)]. Ein solches Leitbild des souveränen Konsumenten lässt die wahre wirtschaftliche Macht beim Verbraucher vermuten. Sicher ist der Verbraucher in Deutschland frei von Zwängen, die ihm bestimmte Güter auferlegen. Angebote von Produkten und Dienstleis- tungen können in völliger Selbstbestimmung vom Verbraucher angenommen oder abgelehnt werden. Doch auf welche Argumente sich die Entscheidung des einzelnen Verbrauches stützen können, ist vielseitig diskutierbar [vgl. Kroeber-Riel (2008, S. 685f)]. Wird von einem rationa- len, nutzenmaximierenden Menschen ausgegangen, so müsste dieser vollständig über seine Be- dürfnisse und das komplette Güterangebot informiert sein. Bereits diese Annahme lässt die ab- solute Konsumentensouveränität in der Realität scheitern [vgl. Kuhlmann (1990, S. 30f)]. Ob es der freie Wille eines Konsumenten ist, sich Werbung oder anderen Marketingmaßnahmen auszu- setzen, ist ebenfalls eine häufig kritisch betrachtete Frage. Dichtel (S. 25) zitiert bereits 1975 J. K. Galbraiths Ausführungen aus seinem Werk von 19688, in der er die Behauptung aufstellt, die Konsumenten seien durch Werbung derart vorprogrammiert, dass sie diejenigen Güter nach- fragen, deren Nachfrage von den Unternehmen gewünscht ist und nicht die Güter, die die Kon- sumenten selbst zu haben wünschen. Unbestritten ist sicherlich die These, dass Werbung in der heutigen Konsumwelt einen noch weitaus höheren Intensitätsgrad aufweist und dadurch eine Verhaltenssteuerung und Beeinflussung der Verbraucher nicht von der Hand zu weisen ist. Nach Kroeber-Riel/Weinberg (2008, S. 687) besteht eine Verhaltenssteuerung wenn der Verbraucher eine Beeinflussung von außen nicht willentlich kontrolliert. Durch Werbung werden Eingriffe in die Reiz-Reaktions-Beziehungen vorgenommen. Dabei ist es durchaus möglich, dass ein Verbraucher z. B. die Werbewirkung nicht durchschaut oder keine Gegenwehr bei der Beeinflus- sung durch die vorgespielten Reize zeigt, da ihm diese gefallen. Ohne produktpolitische Infor- mationen und Eigenschaften der Produkte anzusprechen, kann durch Werbung eine positivere Einstellung gegenüber einem Produkt oder einer Marke entwickelt werden [vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2008, S. 686-688)]

[...]


1 Ein sog. KKV liegt vor, wenn die Nachfrager ein Leistungsangebot wahrnehmen und dieses gegenüber den 1 Konkurrenzprodukten als überlegen einstufen und der Anbieter dennoch einen Gewinn erzielt [vgl. Back- haus/Voeth (2007, S. 15f)].

2 Das heißt die schlecht informierte Marktseite, hier also der Nachfrager, informiert sich aktiv über die tatsächliche Qualität des Gutes.

3 Oder auch eine bestimmte Eigenschaft oder deren Ausprägung.

4 Auch als „negative Auslese“ bekannt.

5 Weitere Ausführungen dazu gibt Akerlof (1970).

6 Moralisches Risiko kann durchaus ökonomisch rationales Verhalten widerspiegeln. Konträre Meinungenliegen jedoch darüber vor, ob diese Handlungen verwerflich sind (oder sein können) [vgl. Schneider (2008,S. 2)].

7 Weitere Ausführungen dazu v. a. in Kroeber-Riel/Weinberg (2008, S. 685-689).

8 Weitere Ausführungen dazu v. a. in Kroeber-Riel/Weinberg (2008, S. 685-689).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Werbung und der Antagonismus zwischen Marketing und Verbraucherpolitik
Untertitel
Das Fallbeispiel Functional Food
Hochschule
Universität Hohenheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V162449
ISBN (eBook)
9783640772407
ISBN (Buch)
9783640772803
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Functional Food, Wirtschaftswissenschaften, Konsumentenverhalten, Verbraucherpolitik und Marketing
Arbeit zitieren
Nico Titze (Autor:in), 2010, Werbung und der Antagonismus zwischen Marketing und Verbraucherpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162449

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