Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments in Descartes´ Meditationes de Prima Philosophia


Seminararbeit, 2010

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments in Descartes` Meditationes de Prima Philosophia

1. Relevante Begriffe der Philosophie des Geistes

2. Descartes´ Meditationes de Prima Philosophia

3. Das Teilbarkeitsargument in Descartes´ Meditationes

4. Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments

5. Einwände

6. Reflexion

7. Literaturverzeichnis

Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit ist die Rekonstruktion von Descartes´ Teilbarkeitsargument. Zuerst führe ich relevante Begriffe der Philosophie des Geistes ein. Danach werde ich Descartes´ Teilbarkeitsargument zuerst kommentieren sowie aussagenlogisch aufgliedern und darstellen. Im Anschluss daran werden verschiedene Einwände gegen Descartes´ Argument behandelt. Diese Arbeit schließt mit allgemeinen geistesphilosophischen Konsequenzen, die sich aus Descartes´ Position ergeben.

1. Relevante Begriffe der Philosophie des Geistes

Die Philosophie des Geistes bietet eine Fülle an Begriffen und Theorien. Im Folgenden möchte ich relevante Begriffe aus der aktuellen, geistesphilosophischen Diskussion erläutern, um so den Gegenstand dieser Arbeit vor dieser begrifflichen Folie weiter zu betrachten und untersuchen zu können.

In der Philosophie des Geistes gibt es zwei Varianten des Dualismus: den Substanzdualismus und den Eigenschaftsdualismus. Dem Substanzdualismus zufolge sind Körper und Geist zwei verschiedene Substanzen. Substanzen sind hier nicht als Stoffe zu verstehen, sondern als Träger von bestimmten Eigenschaften.[1] Dieses „Nebeneinander“ von körperlicher und geistiger Substanz ist eine dualistische Position und daher nennt man diese Substanzdualismus. „Dem Substanzdualismus zufolge sind die Zustände des Geistes Zustände eines nichtphysischen Gegenstandes.“[2]

Der Eigenschaftsdualismus kennzeichnet sich durch die Auffassung, dass mentale Zustände nichtphysikalische Eigenschaften des (physischen) Geistes sind.[3] Der Eigenschaftsdualismus macht somit zwar Aussagen über die Eigenschaften von Substanzen, nämlich dass Körper und Geist verschiedene Eigenschaften haben. Er macht jedoch keine Aussagen über die Substanzen selbst. Er ist somit eine schwächere Position des Substanzdualismus.

Beckermann führt vier Positionen über den Zusammenhang zwischen Körper und Geist an:[4] Dem Interaktionismus zufolge sind Geist und Körper zwar völlig voneinander getrennt, wirken jedoch wechselseitig aufeinander ein. D.h. Zustände im Körper einer Person verursachen Zustände in ihrem Geist und umgekehrt. Es handelt sich somit um kausale Beziehungen zwischen Körper und Geist in der sich Körper und Geist gegenseitig beeinflussen.

Eine weitere Variante des Substanzdualismus stellt der Parallelismus dar. Ihm zufolge gibt es einen systematischen Zusammenhang zwischen Körper und Geist, jedoch ohne dass hier kausale Kräfte wirken. Den Zusammenhang zwischen Körper und Geist, dass also körperliche Zustände geistigen entsprechen und umgekehrt, begründet diese Position mit einer „prästabilierten Harmonie“. Dieser prästabilierten Harmonie zufolge hat Gott es so eingerichtet, dass körperliche Zustände geistigen entsprechen und umgekehrt ohne dass ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen bestünde wie z.B. bei zwei synchron laufenden Pendeluhren, bei denen man den Eindruck gewinnen könnte, das eine Pendel beeinflusse aufgrund der Synchronität das andere kausal, was ja tatsächlich nicht der Fall ist.

Die dritte Position nennt sich Okkasionalismus. Der Okkasionalismus ist eine Theorie der Kausalität, die besagt, dass es niemals eine natürliche Ursache ist, die eine Wirkung entweder im Körper oder im Geist hervorruft, sondern dass es immer Gott ist, der diese Ursache hervorbringt. Daher ist Beckermann beizupflichten, dass der Okkasionalismus eine Variante des Interaktionismus ist.[5]

Die vierte und letzte Position, wie man sich den Zusammenhang zwischen Körper und Geist erklären kann, ist die des Epiphänomenalismus. Ihm zufolge verursachen Zustände des Körpers Zustände im Geist, allerdings können geistige Zustände niemals Zustände im Körper verursachen. Geistige Zustände sind demnach nur Begleiterscheinungen von körperlichen Zuständen. Es liegt ein kausales Verhältnis von Körper und Geist vor, bei dem nur der Körper auf den Geist wirkt, aber nie umgekehrt, der Geist auf den Körper. Der Epiphänomenalismus ist somit eine Variante des Eigenschaftsdualismus.

2. Descartes´ Meditationes de Prima Philosophia

Als einer der wichtigsten Texte der Philosophie des Geistes dürfen René Descartes´ „ Meditationes de Prima Philosophia “ angesehen werden. Descartes beschäftigt sich in diesem Werk mit der Frage, was wir mit Sicherheit wissen können. Descartes Methode hierbei ist der Zweifel: Er zweifelt zunächst alles an, was nicht absolut gewiss ist, indem er annimmt, dass alles, was er wahrnimmt, falsch sei.[6] Der Text ist in sechs Abschnitte – die sechs Meditationen – gegliedert. In der ersten Meditation führt Descartes Gründe an, warum der menschliche Geist besonders an den materiellen Gegenständen zweifeln kann.[7] In der zweiten Meditation stößt der Geist durch seinen methodischen Zweifel auf eine absolute Gewissheit, nämlich seine eigene Existenz, da sich diese im Vollzug des Zweifelns diesem Zweifel entzieht und somit bestätigt.[8] Der Geist ist somit Ausgangspunkt und zentrales Moment der cartesischen Philosophie. Der Geist ist nach Descartes frei sowie unräumlich und wird von ihm als res cogitans, d.h. als denkendes Ding, bezeichnet.[9] „Ein denkendes Ding. Was ist das? – Ein Ding, das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint, will, nicht will, das auch bildlich vorstellt und empfindet.“[10] Das Gegenstück zur res cogitans ist die Körperwelt, die sich durch Ausdehnung, Quantität, Ort und Zeit etc. auszeichnet.[11] Die Körperwelt nennt er res extensa, also ausgedehntes Ding. Descartes hat somit eine dualistische Auffassung unserer Welt, die zum einen aus einer körperlichen Substanz (res extensa) und zum anderen aus einer geistigen Substanz (res cogitans) besteht. Descartes´ substanzdualistische Position betrachtet nun auch den Menschen als in Körper (res extensa) und Geist (res cogitans) geteilt. Da Descartes „ den menschlichen Körper als eine Art Maschine“ ansieht, „die aus Knochen, Nerven, Muskeln, Adern, Blut und Haut zusammengepasst ist und auch geistlos all die Bewegungen ausführt, wie sie […] ohne den Geist, ablaufen.“, kommt er zum Schluss, dass sowohl die körperliche als auch die geistige Substanz unabhängig voneinander existieren können bzw. zwei gänzlich verschiedene Substanzen sind.[12] Im Zuge seiner Untersuchungen möchte er den realen Unterschied zwischen Körper und Geist beweisen. Dies versucht er in der sechsten Meditation zum einen mit dem so genannten „modalen“[13] oder „metaphysischen“ Argument, welches verkürzt sinngemäß wie folgt lautet:

(1) Ich kann mir vorstellen, d.h. es ist möglich, dass ich keinen Körper habe.
(2) Ich kann mir nicht vorstellen, d.h. es ist nicht möglich, dass ich keinen Geist habe.
(3) Also ist mein Geist vom Körper verschieden.

Zum anderen versucht Descartes die gänzliche Verschiedenheit von Körper und Geist mit einem weiteren Argument, das im Folgenden als Teilbarkeitsargument bezeichnet wird, zu beweisen, um so seine substanzdualistische Position zu bestärken.

3. Das Teilbarkeitsargument in Descartes´ Meditationes

Da der Gegenstand dieser Arbeit das Teilbarkeitsargument aus Descartes´ Meditationes ist, ist es unumgänglich, das Argument in voller Länge anzuführen:

„Da bemerke ich nun in erster Linie einen großen Unterschied zwischen Körper und Geist, insofern nämlich der Körper seiner Natur nach stets teilbar, der Geist aber durchaus unteilbar ist. In der Tat, betrachte ich meinen Geist, d.h. mich selbst, lediglich als denkendes Ding, so kann ich keine Teile in mir unterscheiden, vielmehr erkenne ich, daß ich ein einheitliches und vollständiges Ding bin.

Zwar scheint der ganze Geist mit dem Körper vereint zu sein, verliere ich aber einen Fuß, einen Arm oder einen andern Körperteil, so merke ich doch nicht, daß etwas dem Geist weggenommen worden wäre. Auch die Vermögen des Wollens, Empfindens, Erkennens usw. können nicht als Teile des Geistes aufgefaßt werden, denn ein und derselbe Geist will, empfindet, erkennt.

Hingegen kann ich mir kein körperliches oder ausgedehntes Ding denken, das ich mir nicht mit Leichtigkeit in Teile zerlegt denken könnte, und so erkenne ich dessen Teilbarkeit.

Dies allein würde genügen, mir die gänzliche Verschiedenheit des Geistes vom Körper klarzumachen, wenn ich es nicht schon aus andern Gründen zur Genüge wüßte.“[14]

4. Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments

Betrachten wir Descartes´ Teilbarkeitsargument nun unter strukturellen Gesichtspunkten und versuchen anschließend, dieses argumentationslogisch zu rekonstruieren:

Zu Beginn formuliert Descartes sein Beweisziel als These: „Da bemerke ich nun in erster Linie einen großen Unterschied zwischen Körper und Geist […]“. Der „große Unterschied“ zwischen Körper und Geist ist die substanzielle Verschiedenheit von Körper und Geist, d.h., dass Körper und Geist zwei verschiedene Substanzen sind.

Unmittelbar im Anschluss – noch im selben Satz – führt er seine Prämissen ein: „[…] insofern nämlich der Körper seiner Natur nach stets teilbar, der Geist aber durchaus unteilbar ist.“ Die Wahrheit der zweiten Prämissen begründet Descartes mit der darauf folgenden Erläuterung: „In der Tat, betrachte ich meinen Geist, d.h. mich selbst, lediglich als denkendes Ding, so kann ich keine Teile in mir unterscheiden, vielmehr erkenne ich, daß ich ein einheitliches und vollständiges Ding bin.“

[...]


[1] Vgl. Beckermann, 2008, S. 6.

[2] Ravenscroft, 2008, S. 46.

[3] Vgl. ebd. S. 39.

[4] Vgl. Beckermann, 2008, S. 48.

[5] Vgl. Beckermann, 2008, S. 45.

[6] Vgl. Descartes, 1641, S. 77.

[7] Vgl. ebd. S. 63-75.

[8] Vgl. Descartes, 1641, S. 79 und S. 83.

[9] Vgl. ebd. S. 86f.

[10] Ebd. S. 87.

[11] Vgl. ebd. S. 69.

[12] Ebd. S. 201 und 203.

[13] Vgl. ebd. S. 189. Das Prädikat „modal” zeigt in diesem Zusammenhang lediglich an, dass es denkbar, also möglich ist, keinen Körper zu haben.

[14] Descartes, 1641, S. 205.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments in Descartes´ Meditationes de Prima Philosophia
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Philosophie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V162461
ISBN (eBook)
9783640762972
ISBN (Buch)
9783640763382
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Drei Aspekte Deiner Arbeit sind besonders positiv: (i) die intensive Auseinandersetzung mit dem Text, (ii) die kritische Herangehensweise an das zentrale Argument und (iii) die Berücksichtigung vieler relevanter Sekundärtexte. Zudem sind Deine Ausführungen gut lesbar und argumentativ nachvollziehbar [...] Unter dem Strich eine sehr gute Arbeit."
Schlagworte
Rekonstruktion, Teilbarkeitsarguments, Descartes´, Meditationes, Prima, Philosophia
Arbeit zitieren
Marcus Gießmann (Autor:in), 2010, Rekonstruktion des Teilbarkeitsarguments in Descartes´ Meditationes de Prima Philosophia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162461

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