Raum und Geschlecht als dichotome Konstruktionen


Trabajo Intermedio/Parcial, 1999

40 Páginas, Calificación: sehr gut


Extracto


INHALT

1 Einleitung

2 Die dichotome Setzung von Mann/Frau analog zu Öffentlich/Privat
2.1 Geschlechterdifferenz als soziale und kulturelle Konstruktion
2.2 Privatheit und Öffentlichkeit als ein Konzept des 19. Jahrhunderts

3 „Materialer Raum“ und „gesellschaftliche Sphäre“

4 Kritik androzentrischer Theorien zu Öffentlichkeit und Privatheit
4.1 Kritik androzentrischer Theorien zum Haus
4.1.1 Otto Friedrich Bollnow
4.1.2 Pierre Bourdieu
4.2 Kritik androzentrischer Theorien zur Öffentlichkeit
4.2.1 Jürgen Habermas
4.2.2 Clifford Geertz

5 Theorien zum Raum jenseits der Dichotomien Privat/Öffentlich
5.1 „Andere Räume“
5.2 „Praktiken im Raum“
5.3 „Nicht-Orte“
5.4 „Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum“
5.5 „Gesellschaftliche Produktion des Raumes als Bedingung pätkapitalistischer Umstrukturierung“

6 Die Faktoren Raum und Geschlecht in der ethnologischen Feldforschung
6.1 Sigrid Westphal-Hellbusch: Transvestiten (1956)
6.2 Dorle Dracklé: „Die Frau gehört ins Haus und der Mann auf die Straße“ (1998)

7 Schlussbemerkung und Ideen zu Feldforschung auf der Straße

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Raum und Geschlecht sind zwei Faktoren, die untrennbar miteinander verbunden scheinen. Ich werde im Folgenden zeigen, dass die Dichotomie öffentlich/privat analog zur binären Struktur des Geschlechterverhältnisses männlich/weiblich ein hierarchisches Konstrukt ist, dem die soziale Realität selten oder gar nicht entspricht. Es wird dabei zu erklären sein, wie dieses hegemoniale Modell trotz vervielfältigter und fragmentierter Lebensweisen im Sinne einer Stabilisierung von Machtstrukturen wirksam ist. Zu diesem Zweck werde ich verschiedene androzentrische Theorien aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen kritisch dahingehend untersuchen, wie sie diese Bipolarität reproduzieren. Anschließend werde ich Theorien vorstellen, die m.E. Material für ein Denken jenseits der Dichotomien Frau/Mann, Privat/Öffentlich bereitstellen. Anhand zweier ethnologischer Studien zeige ich dann, wie die Erkenntnis der Existenz von Lebensweisen jenseits des binären Rahmens methodisch umgesetzt werden kann und schließe mit einem Vorschlag für dementsprechende kulturanthropologische Forschung in der Großstadt.

Entsprechend den sich vervielfältigenden und verkomplizierenden Lebensweisen, ist auch meine Arbeit in Teilen fragmentarisch und bisweilen vielleicht widersprüchlich. Vieles wird lediglich angedacht und ohne die Formulierung künstlicher Zusammenhänge nebeneinandergestellt. Und wenn dennoch sprachlich Überschriften und Überleitungen geschaffen werden, so meine ich zwar, dass sie Sinn machen. Dennoch bzw. gerade deswegen sind sie kritisch zu betrachten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch kurz auf die Begriffe Feminismus und Postmoderne eingehen, die in der vorliegenden Arbeit, wenn auch nicht immer explizit und intendiert, eine Rolle spielen. Wenn feministisches Arbeiten sich dadurch auszeichnet, dass androzentrische Erklärungsmodelle als unzulässig verallgemeinernd und hegemonial kritisiert und Ansätze jenseits dessen formuliert bzw. aufgegriffen werden, dann ist meine Arbeit als feministisch zu begreifen. Wenn es aber das Merkmal jeglichen wissenschaftlichen Arbeitens - und insbesondere des sog. postmodernen - ist, unzulässig verallgemeinernde und hegemoniale Erklärungsmodelle zu kritisieren und Ansätze jenseits dessen zu formulieren bzw. aufzugreifen, dann kann meine Arbeit als in der Vorgehensweise postmodern und in Thema und Zielrichtung feministisch betrachtet werden.

Dem wäre entgegenzuhalten, dass das was ich als Prinzip jeglichen bzw. insbesondere des postmodernen wissenschaftlichen Arbeitens formuliert habe, in der feministischen Theoriebildung entwickelt wurde. Dieses Argument führen Frances E. Mascia-Lees u.a. in ihrem Aufsatz über Postmoderne und Feminismus in der Anthropologie aus. Ihrer Ansicht nach ist das, was den „neuen postmodernen Anthropologen neu und aufregend erscheint - daß nämlich Kultur sich aus umstrittenen Bedeutungscodes zusammensetzt, daß Sprache und Politik untrennbar miteinander verbunden sind und daß die Konstruktion des ,Anderen’ Machtbeziehungen mit sich bringt“[1] eine Erkenntnis, die die feministische Theorie seit Jahrzehnten ausführlich untersucht. So gesehen bezieht sich Feminismus keineswegs nur auf Themenwahl und Zielsetzung, sondern auch und ganz besonders auf das wissenschaftliche Vorgehen. In der postmodernen Verzweiflung darüber, dass Wahrheit niemals vollständig erklärbar ist, sehen die Autorinnen denn auch die Reaktion „des weißen Mannes“ auf den Umstand, dass Frauen und nicht-westliche Völker begonnen haben, für sich selbst zu sprechen und damit seine Definitionsmacht in Frage stellen.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Feminismus und dem, was gemeinhin unter dem Begriff Postmoderne zusammengefasst wird, sind allerdings nicht zu übersehen. „Sowohl die postmoderne Anthropologie als auch der Feminismus nehmen eine selbstbewusst reflexive Position gegenüber ihren Forschungsgegenständen ein“[2], meinen Mascia-Lees u.a. Der wesentliche Unterschiede sei indes der, dass feministische Forschung, die sich mit der Erfahrung von Frauen auseinandersetzt, immer aus der Position der „Anderen“ heraus auf Machtstrukturen und den Kampf dagegen Bezug nimmt.

So verstanden, muss meine Arbeit in jedem Fall weniger als auf sog. postmoderne Ansätze zurückgreifend - eine inhaltliche Positionierung innerhalb des Begriffs „postmodern“ würde ich ohnehin umgehen wollen - denn als feministisch aufgefasst werden.

2 Die dichotome Setzung von Mann/Frau analog zu Öffentlich/Privat

2.1 Geschlechterdifferenz als soziale und kulturelle Konstruktion

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“[3] behauptet Simone de Beauvoir und betont, dass die Gestalt der Frau in der Gesellschaft weder biologisch noch psychisch oder ökonomisch determiniert ist, sondern vielmehr als ein Produkt zivilisatorischer Einflüsse gesehen werden muss.

Darauf aufbauend formuliert Judith Butler ihre Frage nach den in den Geschlechterkategorien implizierten Machtverhältnissen. Sie geht davon aus, dass es kein vorkulturelles, natürliches Geschlecht gibt, sondern dass die Geschlechterdifferenz eine soziale und kulturelle Konstruktion ist, die zur Stabilisierung der Geschlechterhierarchie und der Zwangshetero-sexualität dient.[4] Um die hierarchisch strukturierte Binarität des Geschlechterverhältnisses zu sprengen, schlägt Butler „parodistische Praktiken“ vor, die die Geschlechterkategorien stören und „ihre subversive Resignifizierung und Vervielfältigung“[5] hervorrufen.

In der aktuellen feministischen Anthropologie wird der radikale Konstruktivismus in Bezug auf den Körper in Frage gestellt. Die Ethnopsychoanalytikerin Maya Nadig plädiert in ihrer Untersuchung zu Geburtsritualen im interkulturellen Vergleich dafür, die Körper und das Biologische in die soziale Analyse zu reintegrieren. Damit müsse nicht zwangsläufig eine Rückkehr zum biologischen Fundamentalismus einhergehen, der die dualistische Aufteilung der Geschlechter legitimiere. Die Berücksichtigung der Tatsache, „dass Menschen ihre Bedeutungskonstruktionen auch aufgrund körperbedingter physischer und psychischer Erfahrungen machen, die lokal und sozial geformt sind“[6], fördere vielmehr die Auflösung der binären Geschlechterbilder.

Butler nimmt im Vorwort zur deutschen Ausgabe ihres neuen Buches „Körper von Gewicht“ auf diese Kritik Bezug. Sie betont, dass das Infragestellen des biologischen Körpers nicht unweigerlich dazu führen müsse, dass Frauen ihrem Körpern entfremdet würden. Dieses Infragestellen kann ihrer Ansicht nach durchaus ein „Weg zu einer Rückkehr zum Körper sein [...], dem Körper als einem gelebten Ort der Möglichkeit, dem Körper als einem Ort für eine Reihe sich kulturell erweiternder Möglichkeiten.“[7]

Übertragen auf geschlechtsspezifisch konnotierte und hierarchisierte Räume bedeutet dies für die vorliegende Arbeit, die Polaritäten Öffentlich und Privat analog zur Geschlechterdifferenz als binär konstruiert zu beschreiben und die Brauchbarkeit von Theorien und ethnologischen Feldforschungen zum Raum vor diesem Hintergrund zu untersuchen.

2.2 Privatheit und Öffentlichkeit als ein Konzept des 19. Jahrhunderts

In ihren „Überlegungen zum geschlechtsspezifischen Strukturwandel der Öffentlichkeit“ bietet Karin Hausen verschiedene Ansätze an, der Entstehung des Gegensatzpaares Privatheit und Öffentlichkeit sowie der dementsprechenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung auf die Spur zu kommen.

Hausens erster Ansatz bezieht sich auf das Haus als Ort, auf den das Tätigkeitsfeld der Frau seit dem 18. Jahrhundert ideologisch beschränkt wurde. Sie beschreibt, wie Privatheit und Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert aus der Perspektive des bürgerlichen Mannes gedacht wurden. „Für ihn sollte Privatheit nicht nur wie heute ein geschützter Bereich in den eigenen vier Wänden sein, sondern immer auch ein Bereich inklusive fraulicher Beseelung und Belebung.“[8] Es wurde ideologisch festgelegt, dass die „natürliche Seinsweise“ der Frau als Hausfrau, Gattin und Mutter die Privatheit sei und diese als Gegensatz zur Öffentlichkeit definiert. Gleichzeitig wurde Frauen ein eigenständiger Zugang zu Privatheit und Öffentlichkeit prinzipiell abgesprochen. Die Öffentlichkeit war ihnen ideologisch völlig verwehrt, und Privatheit wurde ihnen nur als Gattinnen zugestanden.

In ihrem Aufsatz „Öffentlichkeit und Privatheit“ verweist Hausen auf amerikanische Forscherinnen, die als erste die Tauglichkeit der dichotomen Setzung von public und private zur Beschreibung der Geschlechterbeziehung in historischen Gesellschaften anzweifelten. Sie fasst den 1980 erschienenen Aufsatz der Anthropologin Michelle Rosaldo zusammen, der die Gegenüberstellung von öffentlicher und privater Sphäre als ein Konzept des 19. Jahrhunderts bezeichnet, „welches damals ganz offensichtlich dem herrschenden Bedürfnis nach normativer Fixierung des Geschlechterverhältnisses entsprach. [...] Dieses Programm heute unbesehen als konzeptionelles Instrumentarium für ethnologische und historische Forschungen einzusetzen, habe zur Folge, meint Rosaldo, daß die Aufteilung von Gesellschaften in öffentliche und private Sphären immer mehr als überzeitliche Universalie erscheine.“[9]

Daran anschließend formuliert Hausen ihren Vorschlag für zukünftiges wissenschaftliches Arbeiten. Zunächst müsse das public-private -Konzept prinzipiell angezweifelt werden. Es müsse sogar hinterfragt werden, ob es überhaupt jemals, selbst im 19. Jahrhundert, eine dementsprechende gesellschaftliche Wirklichkeit gegeben habe. Auf der Grundlage der so erzielten Forschungsergebnisse werde dann eine Neuformulierung des tradierten Konzeptes notwendig. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Normen des Frauseins und Mannseins zu keiner Zeit widerspruchsfrei anerkannt waren, fordert Hausen, besondere Aufmerksamkeit auf Grenzübertretungen und -verschiebungen zu richten.

3 „Materialer Raum“ und „gesellschaftliche Sphäre“

Den meisten feministischen Arbeiten zum Raum liegt eine Diskussion der Gegensätzlichkeiten Privat versus Öffentlich zugrunde. Sämtliche Beiträge zur 1. Europäischen Planerinnentagung 1991 in Berlin beschäftigen sich beispielsweise damit. Ziel der von der „Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen“ (FOPA) ausgerichteten Tagung war es, im Austausch mit anderen Disziplinen Hilfen im Umgang mit diesen Polaritäten zu erhalten, „die die patriarchal strukturierte Gesellschaft formen und stützen.“[10]

Die Politikwissenschaftlerin Barbara Holland-Cunz versucht in ihrem Beitrag, zwischen ingenieurwissenschaftlichem und sozialwissenschaftlichem Raumverständnis zu vermitteln. Sie definiert den Ort der Architektin und Planerin als „materialen Raum“, den der Politikwissenschaftlerin demgegenüber als „gesellschaftliche Sphäre“. Wenn diese beiden Orte aus disziplingebundenem Blick auch völlig unterschiedlich schienen, so stünden sie doch in Bezug zueinander. „Materialer Raum und gesellschaftliche Sphäre - gleichsam Bau und soziales Muster - stiften gemeinsam die gesellschaftliche Praxis der in ihnen agierenden Frauen und Männer.“[11]

Was die Dichotomisierung Privatheit/ Öffentlichkeit anbelangt, so betont Holland-Cunz die Existenz von Räumen, die weder dem einen noch dem anderen Bereich zugeordnet werden können. Ihrer Ansicht nach sollte feministische Theoiebildung die Aufmerksamkeit auf derartige Überschneidungen von öffentlichen und privaten Räumen richten und nicht mit einer polarisierten Sichtweise die herrschende patriarchale Realität reproduzieren. In den Planungswissenschaften würden diese Räume meist als „halböffentlich“ bezeichnet, womit z.B. Hauseingänge, Höfe, Treppenhäuser etc. gemeint seien. Sozialwissenschaftlich könne dieser Zwischenbereich jedoch nicht in gleicher Weise ortsgebunden konkretisiert werden. Er entspräche hier vielmehr einem Funktionswechsel von Räumen, die in der praktischen Nutzung mal der privaten und mal der öffentlichen Sphäre zugeordnet würden.

Wie diese Ortsbestimmung durch praktischen Nutzung zustande kommt, macht Holland-Cunz am Beispiel der Hausarbeit deutlich. In kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaften werde Hausarbeit zwar der „gesellschaftlichen Sphäre“ der Privatheit zugeordnet. Praktisch, also auf den „materialen Raum“ bezogen, würden Frauen bei dieser Arbeit jedoch permanent zwischen privaten und öffentlichen Räumen wechseln. „Eine ausschließlich ,sphärische’ wie eine nur ,räumliche’ Ortsbestimmung der Hausfrauenarbeit erwiese sich somit als Verzerrung, gar als widersprüchliche Verkürzung.“[12]

Ich werde deshalb in der vorliegenden Arbeit auch keine strikte Trennung von Theorien zur „gesellschaftlichen Sphäre“ und Untersuchungen zum „materialen Raum“ vornehmen, da mir erst beides zusammen aussagekräftig erscheint.

4 Kritik androzentrischer Theorien zu Öffentlichkeit und Privatheit

Marianne Rodenstein beschreibt in ihrem Beitrag zur 1. Europäischen Planerinnentagung, inwiefern feministische Forschung zum Abbau oder zur Modernisierung patriarchaler Strukturen beigetragen hat und in Zukunft beitragen kann.[13] Dabei macht sie verschiedene Forschungsansätze aus, die sie unter den Begriffen „Dekonstruktionsanalysen“, „Situationsanalysen“ und „Rekonstruktionsanalysen“ subsumiert.

Unter „Dekonstruktionsanalysen“ versteht Rodenstein Forschungen, die die Begriffs- und Hypothesenbildung im wissenschaftlichen Diskurs im Hinblick darauf untersuchen, „ob und wie hier die Lebensrealität von Frauen eingeht.“[14] „Situationsanalysen“ sind ihrer Definition gemäß empirische Forschungen, die den Nachweis erbringen, „daß Frauen in dieser Gesellschaft in spezifischer Weise unterdrückt, besonders belastet und in ihrer Entwicklung behindert werden.“[15] Und mit „Rekonstruktionsanalysen“ meint Rodenstein schließlich, „die Fundierung eines eigenen ,Gegenstandes’“, also „die Rekonstruktion dessen, was Frausein bedeuten kann in einer Gesellschaft, die den Frauen ihre Entfaltung noch prinzipiell verhindert.“[16]

Im Sinne von „Dekonstruktionsanalysen“ möchte ich nun im Folgenden verschiedene „klassische“ Mensch-Raum-Beziehungsanalysen betrachten. In der Vorgehensweise orientiere ich mich an Rodensteins Formulierung: „Der allgemeinste Ansatzpunkt für die Dekonstruktion einer Theorie ist das Faktum, dass sie sich als geschlechtsneutral ausgibt. Es wird dann meistens gezeigt, dass dieses keineswegs so ist, dass vielmehr in ihrer Begrifflichkeit und in ihren Aussagen die Welt der Männer verallgemeinert wird.“[17] Ein weiterer Ansatzpunkt ist ihrer Ansicht nach, das Operieren mit Begriffen wie Öffentlichkeit und Privatheit. Diese scheinbar geschlechtsneutralen Begriffe entsprächen einer Realität, die Frauen aus der politischen Öffentlichkeit ausgrenze und die Politik des Privaten ebenso ausblende wie der herkömmliche Arbeitsbegriff die Hausarbeit.

4.1 Kritik androzentrischer Theorien zum Haus

4.1.1 Otto Friedrich Bollnow

Im dritten Kapitel seiner phänomenologischen Studie „Mensch und Raum“ befasst sich Otto Friedrich Bollnow mit der „Geborgenheit des Hauses“. Er betont die Bedeutung des Hauses für den Menschen als die des Ortes, „wohin er immer wieder ,heimkehren’ kann“[18]. Die Mauern des Hauses begrenzten einen besonderen privaten Raum, der den Innenraum vom Außenraum trenne. Diese Trennung sei grundlegend für das menschliche Leben, da die beiden Räume von völlig unterschiedlichem Charakter seien. Der Außenraum sei der „Raum der Tätigkeit in der Welt, in der es stets Widerstände zu überwinden und sich der Gegner zu erwehren gilt, das ist der Raum der Ungeborgenheit, der Gefahren und des Preisgegebenseins“. Als „Raum der Geborgenheit“ im Gegensatz zum „Raum der Bedrohtheit“ sei es deswegen die Aufgabe des Hauses dem Menschen Ruhe und Frieden zu bieten.[19]

Im weiteren Verlauf des Textes wird deutlich, dass Bollnow zumeist eigentlich Mann meint, wenn er scheinbar geschlechtsneutral vom Menschen spricht. Er sagt beispielsweise „der Mensch muß hinaus in die Welt, um dort seine Aufgaben zu erfüllen“[20] und zitiert dazu den ersten Satz aus Schillers Glocke[21], in dem explizit vom Mann die Rede ist. Was in diesem Zusammenhang mit der Frau ist, bleibt hinter dem scheinbar geschlechtsneutralen Begriff Mensch verborgen.[22]

In seiner Antwort auf die Frage „Was bedeutet Wohnlichkeit und was gehört dazu, sie zu erzeugen?“[23] wird dann unübersehbar, was sich bereits angekündigt hat, dass nämlich Bollnow in seiner Analyse den Mann als sich raumaneignendes Subjekt begreift, während er die Frau als zum Raum gehöriges Objekt denkt. Bollnow ist der Ansicht, dass zu einer „Atmosphäre der Wohnlichkeit und Behaglichkeit, der Intimität“ eine „weibliche Gegenwart“ erforderlich sei. „Dem einzelnen Menschen, dem Junggesellen“ - Mensch wird in dieser Formulierung wieder mit Mann gleichgesetzt - sei eine „wirkliche Wohnlichkeit in seiner Wohnung unerreichbar“.[24]

[...]


[1] Mascia-Lees u.a. 1993, 209

[2] Mascia-Lees u.a. 1993., 224-225

[3] De Beauvoir 1992, 334

[4] Butler 1991, 8

[5] Butler 1991, 12

[6] Nadig 1998, 24

[7] Butler 1997, 10-11

[8] Hausen 1990, 272

[9] Hausen 1989, 23

[10] Ahrend/Miseré 1992/93, 13

[11] Holland-Cunz 1992/93, 36

[12] Holland-Cunz 1992/93, 38-39

[13] Modernisierung findet nach Ansicht von Rodenstein dann statt, wenn im Rahmen der Polaritäten Privat versus Öffentlich Verbesserungen zur Erleichterung der Rolle der Frau vorgenommen werden. Vom Abbau patriarchaler Strukturen wäre demgegenüber zu reden, wenn die Dichotomien an sich in Frage gestellt würden. (Rodenstein 1992/93, 21)

[14] Rodenstein 1992/93, 24

[15] Rodenstein 1992/93, 23

[16] Rodenstein 1992/93, 24

[17] Rodenstein 1992/93, 26

[18] Bollnow 1984, 124

[19] Bollnow 1984, 130

[20] Bollnow 1984, 137

[21] „Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben.“

[22] In der zweiten - von Bollnow nicht zitierten Strophe - von Schillers Glocke heißt es dazu: „Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau.“

[23] Bollnow 1984, 149

[24] Bollnow 1984, 152-153

Final del extracto de 40 páginas

Detalles

Título
Raum und Geschlecht als dichotome Konstruktionen
Universidad
University of Frankfurt (Main)  (Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie)
Calificación
sehr gut
Autor
Año
1999
Páginas
40
No. de catálogo
V16278
ISBN (Ebook)
9783638211734
Tamaño de fichero
433 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Raum, Geschlecht, Konstruktionen
Citar trabajo
Ramona Lenz (Autor), 1999, Raum und Geschlecht als dichotome Konstruktionen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16278

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Raum und Geschlecht als dichotome Konstruktionen



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona