Innerhalb der Jugendhilfe vollzog sich Anfang der 1990er Jahre ein Paradigmenwechsel. Sie sieht sich seitdem weniger als ordnungsrechtliche Kontrollinstanz, sondern vielmehr als „Dienstleister“ für Hilfebedürftige. Zwei große Tendenzen waren im Zuge dieser Entwicklung zu verzeichnen: eine verstärkte Orientierung an der Lebenswelt der Hilfebedürftigen einerseits, andererseits eine damit einhergehende Erweiterung des Leistungsspektrums der „Hilfen zur Erziehung“. Diese Entwicklung reagierte damit folgerichtig auf einen gestiegenen und differenzierteren Bedarf an Hilfen, als auch auf einen zunehmenden Kostendruck. Im Zusammenhang mit den Veränderungen in der Jugendhilfe entstanden neue Hilfekonzepte, zu denen die Aufsuchende Familientherapie (im Folgenden: AFT) zu zählen ist.
Diese Form der Therapie hat ihren Vorläufer in der „Home-Based Family Therapy“ und wird seit den 1990er in zunehmendem Maße in Deutschland praktiziert. Das Wesentliche in der Arbeitsweise der AFT besteht darin, die Klienten in ihrer Lebenswelt zu erreichen. Vor Ort soll mit den Hilfebedürftigen gemeinsam nach Lösungen für bestehende Probleme gesucht werden. Die Therapie ist dabei auf das Klientel der „Multiproblemfamilien“ ausgerichtet. Eine therapeutische Versorgung dieser Zielgruppe ist bisher nur sehr begrenzt vorhanden.
Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit ergibt sich aus dem Drei-Punkt-Verhältnis von Jugendhilfe, Aufsuchender Familientherapie und deren Klientel und lässt sich wie folgt formulieren: In welchem Selbstverständnis und in welchem Kontext arbeitet die AFT mit so genannten „Multiproblemfamilien“? Daraus ergeben sich für die Beantwortung zwei zentrale Schwerpunkte. In einem ersten Teil wird es in den Kapiteln 1 und 2 zum einen darum gehen, den Kontext auszuleuchten, in dem sich AFT bewegt und zum anderen darum, aufzuzeigen wie bisher mit Multiproblemfamilien gearbeitet wird. Ziel des zweiten Teiles ist es, in einem abgerundeten Bild die Arbeitsweise der AFT zu erfassen, die in den Kapiteln 3 und 4 abgehandelt wird. Die hierbei begleitenden Fragen lauten: In welchen Schulen ist die AFT verwurzelt und was sind ihre Prinzipien? Worauf orientiert sie ihr Vorgehen? Wie geht sie mit den Schwierigkeiten in der Arbeit mit Multiproblemfamilien um? Und schließlich: Wie lässt sie sich im Verhältnis zu anderen Hilfeformen einordnen, d.h. was ist das Besondere und „Neue“ an ihr?
Inhaltsverzeichnis
- ABKÜRZUNGEN UND AKRONYME
- EINLEITUNG
- JUGENDHILFE: GEGENWÄRTIGE ENTWICKLUNGEN UND RECHTLICHE BESTIMMUNGEN
- ENTWICKLUNGSTENDENZEN DER JUGENDHILFE UND IHRE IMPLIKATIONEN FÜR DIE AUFSUCHENDE FAMILIENTHERAPIE
- Perspektivenwechsel in der Jugendhilfe: Vom Hilfeempfänger zum Leistungsberechtigten
- Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe
- Aufsuchende Familientherapie im Kontext der Entwicklungen der Jugendhilfe
- DIE RECHTLICHE GRUNDLAGEN DER HILFEN ZUR ERZIEHUNG
- Von Pflichten und Rechten
- Angebotene Hilfen
- Eingreifende Maßnahmen
- Hilfen zur Erziehung
- Verortung der Aufsuchenden Familientherapie im rechtlichen Rahmen
- ENTWICKLUNGSTENDENZEN DER JUGENDHILFE UND IHRE IMPLIKATIONEN FÜR DIE AUFSUCHENDE FAMILIENTHERAPIE
- STAND DER THERAPEUTISCHEN UND SOZIALPÄDAGOGISCHEN ARBEIT MIT „MULTIPROBLEMFAMILIEN“ IN DEUTSCHLAND
- KENNZEICHNUNG VON „(MULTI-)PROBLEMFAMILIEN“
- Problemfamilien
- Multiproblemfamilien
- SIND MULTIPROBLEMFAMILIEN BEHANDELBAR?
- Multiproblemfamilien sind „hoffnungslose Fälle“!
- „Unbehandelbarkeit“ als Mythos
- THERAPEUTISCHE ANSÄTZE IN DER ARBEIT MIT MULTIPROBLEMFAMILIEN
- Eine überschaubare Anzahl an deutschen Therapieansätzen
- Ein psychoanalytisch ausgerichtetes Therapiemodell für Multiproblemfamilien
- Goldbrunners Anregungen zur familientherapeutischen Arbeit mit Problemfamilien
- Gemeinsamkeiten therapeutischer Ansätze in Deutschland
- DIE SOZIALPÄDAGOGISCHEN FAMILIENHILFE UND IHRE ARBEIT MIT MULTIPROBLEMFAMILIEN
- Zwei Gründe Sozialpädagogische Familienhilfe einzubeziehen
- Arbeitsweise der Sozialpädagogischen Familienhilfe
- KENNZEICHNUNG VON „(MULTI-)PROBLEMFAMILIEN“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die aufsuchende Familientherapie als Hilfe zur Erziehung für Multiproblemfamilien. Die Arbeit zielt darauf ab, den aktuellen Stand der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit mit diesen Familien in Deutschland zu beleuchten und die Verortung der aufsuchenden Familientherapie im rechtlichen Rahmen zu klären.
- Entwicklungstendenzen der Jugendhilfe und deren Implikationen für die aufsuchende Familientherapie
- Rechtliche Grundlagen der Hilfen zur Erziehung und die Positionierung der aufsuchenden Familientherapie darin
- Charakterisierung von Multiproblemfamilien und die Frage nach ihrer Behandelbarkeit
- Verschiedene therapeutische Ansätze in der Arbeit mit Multiproblemfamilien
- Die Rolle der sozialpädagogischen Familienhilfe bei der Unterstützung von Multiproblemfamilien
Zusammenfassung der Kapitel
Jugendhilfe: Gegenwärtige Entwicklungen und rechtliche Bestimmungen: Dieses Kapitel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen in der Jugendhilfe und deren Auswirkungen auf die aufsuchende Familientherapie. Es analysiert den Perspektivenwechsel vom Hilfeempfänger zum Leistungsberechtigten und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Praxis. Weiterhin werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe diskutiert und der Kontext der aufsuchenden Familientherapie innerhalb dieser Entwicklungen eingeordnet. Die rechtlichen Grundlagen der Hilfen zur Erziehung bilden einen weiteren Schwerpunkt, wobei die Pflichten und Rechte der Beteiligten, die angebotenen Hilfen, eingreifende Maßnahmen und die genaue Positionierung der aufsuchenden Familientherapie im rechtlichen Rahmen detailliert untersucht werden.
Stand der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit mit „Multiproblemfamilien“ in Deutschland: Dieses Kapitel befasst sich umfassend mit der Charakterisierung von Multiproblemfamilien, wobei zwischen Problemfamilien und Multiproblemfamilien differenziert wird. Es thematisiert kritisch die Frage der Behandelbarkeit solcher Familien, widerlegt den Mythos der "Unbehandelbarkeit" und stellt verschiedene therapeutische Ansätze in Deutschland vor. Der Fokus liegt auf der Analyse psychoanalytischer Modelle und den Anregungen Goldbrunners zur familientherapeutischen Arbeit. Die Gemeinsamkeiten verschiedener therapeutischer Ansätze werden herausgearbeitet und die Rolle der sozialpädagogischen Familienhilfe und deren Arbeitsweise in der Unterstützung von Multiproblemfamilien ausführlich beschrieben, inklusive einer Begründung für deren Einbezug in die Betrachtung.
Schlüsselwörter
Aufsuchende Familientherapie, Multiproblemfamilien, Jugendhilfe, Hilfen zur Erziehung, rechtliche Grundlagen, therapeutische Ansätze, sozialpädagogische Familienhilfe, Behandelbarkeit, Entwicklungstendenzen.
Häufig gestellte Fragen zur Magisterarbeit: Aufsuchende Familientherapie für Multiproblemfamilien
Was ist der Gegenstand dieser Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die aufsuchende Familientherapie als Hilfe zur Erziehung für Multiproblemfamilien in Deutschland. Sie beleuchtet den aktuellen Stand der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit mit diesen Familien und klärt die rechtlichen Grundlagen.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklungstendenzen der Jugendhilfe und deren Auswirkungen auf die aufsuchende Familientherapie, die rechtlichen Grundlagen der Hilfen zur Erziehung im Kontext der aufsuchenden Familientherapie, die Charakterisierung von Multiproblemfamilien und die Frage ihrer Behandelbarkeit, verschiedene therapeutische Ansätze in der Arbeit mit Multiproblemfamilien und die Rolle der sozialpädagogischen Familienhilfe.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Einleitung mit Zielsetzung und Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen zu den Hauptkapiteln "Jugendhilfe: Gegenwärtige Entwicklungen und rechtliche Bestimmungen" und "Stand der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit mit „Multiproblemfamilien“ in Deutschland" sowie eine Liste der Schlüsselwörter.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Kapitels "Jugendhilfe: Gegenwärtige Entwicklungen und rechtliche Bestimmungen"?
Dieses Kapitel analysiert den Perspektivenwechsel in der Jugendhilfe vom Hilfeempfänger zum Leistungsberechtigten und die daraus resultierenden Herausforderungen. Es diskutiert Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe und ordnet die aufsuchende Familientherapie in diesen Kontext ein. Es untersucht detailliert die rechtlichen Grundlagen der Hilfen zur Erziehung, einschließlich Pflichten und Rechte, angebotener Hilfen, eingreifender Maßnahmen und der Positionierung der aufsuchenden Familientherapie.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Kapitels "Stand der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit mit „Multiproblemfamilien“ in Deutschland"?
Dieses Kapitel charakterisiert Multiproblemfamilien, differenziert zwischen Problem- und Multiproblemfamilien und thematisiert kritisch deren Behandelbarkeit. Es widerlegt den Mythos der "Unbehandelbarkeit", stellt verschiedene therapeutische Ansätze (einschließlich psychoanalytischer Modelle und Goldbrunners Anregungen) vor und analysiert deren Gemeinsamkeiten. Die Rolle und Arbeitsweise der sozialpädagogischen Familienhilfe bei der Unterstützung von Multiproblemfamilien wird ausführlich beschrieben und begründet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Aufsuchende Familientherapie, Multiproblemfamilien, Jugendhilfe, Hilfen zur Erziehung, rechtliche Grundlagen, therapeutische Ansätze, sozialpädagogische Familienhilfe, Behandelbarkeit, Entwicklungstendenzen.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Fachkräfte in der Jugendhilfe, Familientherapeuten, Sozialpädagogen, Wissenschaftler und Studierende, die sich mit den Themen Jugendhilfe, Multiproblemfamilien und Familientherapie befassen.
Wo finde ich das vollständige Dokument?
Das vollständige Dokument der Magisterarbeit ist nicht hier verfügbar. Diese FAQ bieten nur eine Zusammenfassung des Inhalts.
- Quote paper
- Ronny Teschner (Author), 2006, Aufsuchende Familientherapie als Hilfe zur Erziehung für Multiproblemfamilien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162844