Nachdem am 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht die Demarkationslinie zur Sowjetunion überschritten hatte, begann der Zweite Weltkrieg nach dem Polenfeldzug endgültig in Osteuropa. Damit setzte bis zur bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches im Mai 1945 das düsterste Kapitel in der deutschen Geschichte ein. Bei dem Angriff auf die Sowjetunion handelte es sich um einen geplanten Angriffskrieg, der das Völkerrecht missachtete und verletzte.
Von einem deutschen Präventivschlag gegen die Sowjetunion kann hier nicht gesprochen werden. Dieser Krieg im Osten - in der Sowjetunion als Großer Vaterländischer Krieg bezeichnet, in Deutschland als Russland-Feldzug oder Unternehmen Barbarossa bekannt – hat im Gegensatz zu den westlichen Feldzügen Hitlers einen ganz eigenen und einmaligen Charakter. Er kann mit keiner militärischen Auseinandersetzung, die die Geschichte der Menschheit von Anfang an begleitet, verglichen werden.
Während bei den militärischen Feldzügen im Westen das Ziel war, den Gegner militärisch zu unterwerfen, verfolgte man im Russland-Feldzug zwei unterschiedliche Ziele, die aber eng miteinander verknüpft waren. Zum einen sind hier strategische Überlegungen zu nennen. Nachdem man Großbritannien in der Luftschlacht im Jahr 1940 nicht zu Friedensverhandlungen bewegen konnte, versuchte man nun, die Sowjetunion als potenziellen Verbündeten Großbritanniens zu entziehen.
Das andere, weit bedeutsamere Ziel war, die ideologischen Vorstellungen Hitlers von der Eroberung von Lebensraum im Osten, der Vernichtung des Bolschewismus, der systematische Vernichtung der Juden und der Zurückdrängung der Slawen, die von den Nationalsozialisten als Untermenschen betrachtet wurden, in die Realität umzusetzen. Damit kann man beim Russland-Feldzug nicht von einem alleinigen militärischen Konflikt sprechen, sondern von einem ideologisch geprägten Vernichtungskrieg.
Es stellt sich hier die Frage, wer die Rolle der Exekutive in diesem Vernichtungskrieg im Osten einnehmen sollte, um die ideologische NS-Ziele vor Ort durchzusetzen. Als Täter im Vernichtungskrieg wurden immer die SS- und Polizeiverbände in den Vordergrund gerückt, die unter dem Befehl des Reichsführer-SS Heinrich Himmler an und hinter der Front bzw. in Konzentrations- und Vernichtungslager die NS-Ideologie durchsetzten. Von der Wehrmacht wurde nur selten gesprochen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- I.1 Vorwort
- I.2 Forschungsstand
- II. Die Wehrmacht im Vorfeld des Unternehmens Barbarossa
- II.1 Formale Regelung der Kompetenzen zwischen Wehrmacht, SS und Polizei
- II.2 Völkerrechtswidrige Befehle
- II.3 Rassistisches Feindbild
- III. Die Beteiligung der Wehrmacht am Judenmord
- III.1 In den Militärverwaltungsgebieten
- III.2 In den Zivilverwaltungsgebieten
- IV. Handlungsspielräume der Wehrmacht beim Judenmord
- V. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Wehrmacht bei der Ermordung der Juden im Russland-Feldzug. Sie beleuchtet den Forschungsstand zum Thema und zeigt, wie die Wehrmacht bereits im Vorfeld des Unternehmens Barbarossa das Fundament für den Völkermord legte. Im Fokus stehen die Formen der Beteiligung der Wehrmacht am Judenmord während des Feldzuges sowie der Handlungsspielraum, der Wehrmachtssoldaten im Vernichtungskrieg zur Verfügung gestanden hätte.
- Die Rolle der Wehrmacht bei der Planung und Ausführung des Unternehmens Barbarossa.
- Die Formale Regelung der Kompetenzen zwischen Wehrmacht, SS und Polizei und die Auswirkungen auf den Judenmord.
- Die Beteiligung der Wehrmacht an der Erfassung, Registrierung und Kennzeichnung von Juden.
- Die organisatorische und logistische Unterstützung der Wehrmacht bei den Massenexekutionen.
- Die direkte Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Tötungen und die Handlungsspielräume, die sie zum Teil gehabt hätten.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet den momentanen Forschungsstand über die allgemeine Beteiligung der Wehrmacht an Massenverbrechen im Osten. Das zweite Kapitel geht auf die Vorfeld des Unternehmens Barbarossa ein, und zeigt wie die Wehrmacht das Fundament für den Völkermord legte.
Kapitel drei behandelt die verschiedenen Formen der Beteiligung der Wehrmacht am Judenmord während des Feldzuges. Es zeigt auf, wie Wehrmachtssoldaten zum Täter im Vernichtungskrieg wurden. Der vierte Kapitel untersucht den Handlungsspielraum der Wehrmacht beim Judenmord und stellt die Frage, ob es für Wehrmachtssoldaten Möglichkeiten gegeben hätte, sich am Genozid nicht zu beteiligen.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der deutschen Militärgeschichte und der Holocaust-Forschung. Sie beleuchtet die Verantwortung und die Beteiligung der Wehrmacht an den Massenverbrechen während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere den Judenmord. Zentrale Themen sind: Unternehmen Barbarossa, Militärverwaltung, Zivilverwaltung, Einsatzgruppen, Kriegsgerichtsbarkeitserlass, Kommissarbefehl, Rassenideologie, antisemitisches und antislawisches Feindbild, handlungsspielräume, Partisanenbekämpfung und die Rolle der Wehrmacht im System der NS-Herrschaft.
- Citar trabajo
- Bastian Keller (Autor), 2010, Verantwortung und Beteiligung der Wehrmacht an der Ermordung der Juden im Russland-Feldzug, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163049