Wenn zwei Neunzigjährige sich im Altersheim kennen und lieben lernen, ist dies heute allenfalls noch dem Lokalblättchen eine Meldung wert. Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung und die große Zahl unternehmungslustiger, ja tatendurstiger Rentner führen langsam zu einem selbstverständlicheren Umgang mit alten Menschen, auch wenn sie ihre »Schrullen« haben mögen. Die Vorstellung, daß alte Leute abgeklärt und ohne eigene Wünsche in ihren Dachzimmern sitzen, entspricht sicherlich nicht den Tatsachen. Derartige Anschauungen sind selbst beträchtlichen Modeschwankungen unterworfen. Zur Zeit Martin Luthers puderten sich die Prostituierten ihr Haar weiß – Greisenhaftigkeit galt damals als anziehend. Schon Kinder wurden wie Erwachsene gekleidet. Heute orientieren sich Großmütter an Teenager-Moden . Dabei hat es noch nie so viele alte Menschen gegeben wie in der Gegenwart. Knapp 16 Prozent der westdeutschen Bevölkerung sind Menschen über 65 Jahre, und dieser Prozentsatz wird in den nächsten Jahren noch ansteigen. Die Hochachtung vor dem Alter scheint in vergangenen Zeiten schon deshalb größer gewesen zu sein, weil der Greis ein selteneres Phänomen war und weil im Durchschnitt auch nur der geistig und körperlich Rüstige ein höheres Lebensalter erreichte. Heute erhält sich – und das ist eine zweifelhafte Folge des medizinischen Fortschritts – auch manche Hinfälligkeit, oft sogar gegen den Willen der Betroffenen. So wird Alter – besonders aus der Sicht der Jugend – nur allzuoft mit Senilität und Rückständigkeit gleichgesetzt, dies um so eher, als die ältere Generation seit dem Zweiten Weltkrieg an einem politischen Schuldkomplex trägt, von dem sich die Jugend frei fühlt. Während die Älteren mit »Vergangenheitsbewältigung« beschäftigt waren, mußte ihre Autorität gegenüber der Jugend natürlich schwinden. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Japan, wo noch vor einem Vierteljahrhundert die Alten besonders verehrt wurden. Heute fühlen sie sich weitgehend überflüssig. Daran ist auch der Aufschwung der Technik schuld – in Fernost wie in Europa oder Nordamerika. Früher wurden handwerkliche Fertigkeiten von einer Generation auf die andere vererbt; und natürlich beherrschte der Alte sie dank langer Erfahrung besser, der Junge hatte von ihm zu lernen. Heute hat jede Generation ihre eigene Technik, die neu erfunden und erlernt wird; was der Alte weiß, ist veraltet.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Das kalendarische Alter
- Das soziale/soziologische Alter
- Das biologische Alter
- Das psychologische Alter
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht die verschiedenen Facetten des Alterns und widerlegt gängige Vorurteile über alte Menschen. Er beleuchtet die Diskrepanz zwischen dem kalendarischen, sozialen, biologischen und psychologischen Alter und analysiert die gesellschaftliche Wahrnehmung und Behandlung älterer Menschen in verschiedenen Kulturen und Kontexten.
- Die unterschiedlichen Dimensionen des Alterns (kalendarisch, sozial, biologisch, psychologisch)
- Gesellschaftliche Einstellungen zum Alter und ihre Auswirkungen auf ältere Menschen
- Der Einfluss von gesellschaftlichen Erwartungen und Rollen auf das Selbstbild älterer Menschen
- Die Bedeutung von geistiger und körperlicher Aktivität im Alter
- Der Vergleich der Behandlung älterer Menschen in verschiedenen Kulturen
Zusammenfassung der Kapitel
Vorwort: Das Vorwort thematisiert die zunehmende Überalterung der Gesellschaft und die damit verbundenen Herausforderungen. Es hinterfragt die gesellschaftliche Wahrnehmung alter Menschen, die oft mit Senilität und Rückständigkeit assoziiert wird. Es wird ein Vergleich zwischen der Behandlung älterer Menschen in verschiedenen Kulturen angestellt, wobei die moderne Leistungsgesellschaft kritisch betrachtet wird, da sie alten Menschen oft keinen sinnvollen Platz einräumt und deren Brauchbarkeit in den Vordergrund stellt.
Das kalendarische Alter: Dieses Kapitel definiert das kalendarische Alter als die gängigste Form der Altersbestimmung, basierend auf dem Geburtsdatum. Es betont jedoch, dass dieses Maß allein nicht ausreicht, um das gesamte Alter eines Menschen zu erfassen. Das kalendarische Alter wird in Verbindung mit sozialen Konsequenzen wie Schuleintritt, Wehrpflicht und Renteneintritt gebracht, wobei die automatische Verbindung von Alter und Reife hinterfragt wird. Das Beispiel des Dienstalters im öffentlichen Dienst veranschaulicht die willkürliche Verbindung von Alter und Beförderung.
Das soziale/soziologische Alter: Dieses Kapitel befasst sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen an verschiedene Altersgruppen (Kind, Jugendlicher, Erwachsener, alter Mensch). Es unterstreicht den Einfluss der sozialen Umgebung auf das Verhalten und die Selbstwahrnehmung im Alter. Der Renteneintritt wird als ein Schlüsselmoment betrachtet, an dem sich das soziale Alter erheblich verändert und mit neuen Rollen und Erwartungen verbunden ist. Es werden auch Abweichungen zwischen sozialem und kalendarischem Alter beleuchtet, beispielsweise beim flexibleren Renteneintritt oder der Anwendung des Jugendstrafrechts auf junge Erwachsene.
Das biologische Alter: Dieses Kapitel beschreibt die Alterungsprozesse des Körpers auf physiologischer Ebene. Es listet verschiedene Anzeichen des Alterns auf, wie den Verlust von Nervenzellen, den Rückgang der Muskelmasse, die Abnahme der Lungen- und Herzkapazität und der Immunleistung. Es betont, dass der Alterungsprozess zwar unvermeidbar ist, aber seine Geschwindigkeit beeinflussbar ist. Das Kapitel verdeutlicht die Auswirkungen des biologischen Alterns auf die Leistungsfähigkeit und die Risikobereitschaft, beispielsweise im Straßenverkehr.
Das psychologische Alter: Das Kapitel widmet sich der subjektiven Erfahrung des Alterns und der Selbstwahrnehmung im Alter ("Man ist so alt wie man sich fühlt"). Es betont die Diskrepanz zwischen dem subjektiv empfundenen Alter und dem kalendarischen, sozialen oder biologischen Alter. Der Renteneintritt wird als möglicher Auslöser für eine Neubestimmung des eigenen psychologischen Alters dargestellt, gepaart mit dem Entdecken biologischer Anzeichen des Alterns und der Auseinandersetzung mit der eigenen gesellschaftlichen Rolle.
Schlüsselwörter
Alter, Altern, Kalendarisches Alter, Soziales Alter, Biologisches Alter, Psychologisches Alter, Gesellschaftliche Wahrnehmung, Altersstereotype, Lebensqualität im Alter, Gesundheit, Lebenserwartung, Senilität.
Häufig gestellte Fragen zum Text: Verschiedene Facetten des Alterns
Was ist der Inhalt des Textes?
Der Text bietet eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema Altern, indem er verschiedene Dimensionen des Alterns beleuchtet: das kalendarische, soziale, biologische und psychologische Alter. Er analysiert die gesellschaftliche Wahrnehmung und Behandlung älterer Menschen, hinterfragt gängige Vorurteile und vergleicht die Situation in verschiedenen Kulturen. Der Text enthält ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselbegriffe.
Welche Arten von Alter werden im Text unterschieden?
Der Text unterscheidet vier Arten von Alter: das kalendarische Alter (Alter basierend auf dem Geburtsdatum), das soziale/soziologische Alter (gesellschaftliche Erwartungen und Rollen an verschiedene Altersgruppen), das biologische Alter (körperliche Alterungsprozesse) und das psychologische Alter (subjektive Erfahrung und Selbstwahrnehmung des Alterns).
Wie wird das kalendarische Alter im Text dargestellt?
Das kalendarische Alter wird als die gängigste, aber nicht umfassendste Form der Altersbestimmung beschrieben. Es wird auf seine Verbindung zu sozialen Konsequenzen (Schuleintritt, Rente etc.) hingewiesen, wobei die automatische Gleichsetzung von Alter und Reife kritisch hinterfragt wird.
Was ist das soziale/soziologische Alter?
Das soziale Alter bezieht sich auf die gesellschaftlichen Erwartungen und Rollen, die an verschiedene Altersgruppen gestellt werden. Der Renteneintritt wird als ein Schlüsselmoment betrachtet, der das soziale Alter stark verändert. Der Text betont den Einfluss der sozialen Umgebung auf das Verhalten und die Selbstwahrnehmung im Alter.
Wie wird das biologische Alter beschrieben?
Das biologische Alter beschreibt die körperlichen Alterungsprozesse auf physiologischer Ebene. Es werden verschiedene Anzeichen des Alterns wie Verlust von Nervenzellen, Muskelabbau und Abnahme der Lungen- und Herzkapazität genannt. Der Text betont, dass der Alterungsprozess zwar unvermeidbar, aber in seiner Geschwindigkeit beeinflussbar ist.
Was ist das psychologische Alter?
Das psychologische Alter fokussiert auf die subjektive Erfahrung und Selbstwahrnehmung des Alterns ("Man ist so alt wie man sich fühlt"). Es wird die Diskrepanz zwischen dem subjektiv empfundenen Alter und den anderen Altersdimensionen hervorgehoben. Der Renteneintritt wird als möglicher Auslöser für eine Neubestimmung des eigenen psychologischen Alters beschrieben.
Welche gesellschaftlichen Aspekte werden im Text behandelt?
Der Text analysiert die gesellschaftlichen Einstellungen zum Alter und deren Auswirkungen auf ältere Menschen. Er untersucht den Einfluss gesellschaftlicher Erwartungen und Rollen auf das Selbstbild älterer Menschen und vergleicht die Behandlung älterer Menschen in verschiedenen Kulturen. Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft und die damit verbundenen Herausforderungen werden ebenfalls thematisiert.
Welche Schlüsselwörter sind im Text relevant?
Wichtige Schlüsselwörter sind: Alter, Altern, Kalendarisches Alter, Soziales Alter, Biologisches Alter, Psychologisches Alter, Gesellschaftliche Wahrnehmung, Alterstereotype, Lebensqualität im Alter, Gesundheit, Lebenserwartung, Senilität.
Für wen ist dieser Text geeignet?
Der Text ist für alle geeignet, die sich wissenschaftlich fundiert mit dem Thema Altern auseinandersetzen möchten, z.B. Studenten, Wissenschaftler und alle Interessierten an gerontologischen und soziologischen Fragestellungen.
- Arbeit zitieren
- Peter Schön (Autor:in), 2002, Soziologie - Die Grundlagen und Entwicklungsformen auf die Generationen bezogen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163067