Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Wald in Rheinland-Pfalz
3. Waldbaukonzeptionen von BUND und NABU und des Landes RLP
3.1 Naturnahe Waldwirtschaft in Rheinland-Pfalz
3.2 Naturgemäße Waldwirtschaft nach BUND und NABU
4. Waldbaukonzeptionen von BUND und NABU und des Landes RLP im Vergleich
4.1 Konfliktpunkt Verkehrs- und Arbeitssicherheit
4.2 Konfliktpunkt Jagd
4.3 Konfliktpunkt Natura 2000 Gebiete
5. Résumé
Literatur
1. Einleitung
Themen wie die Übernutzung und Vernichtung des Waldes durch den Menschen werden heute oft als Probleme der Entwicklungs- und Schwellenländer wahrgenommen. Während der vergangenen Jahrhunderte, insbesondere während der Industrialisierung, litt jedoch auch der Wald auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland unter allzu intensiver Nutzung und Raubbau. Große Gebiete wurden entwaldet, verbliebene Wälder waren nicht selten stark degradiert. Dies hatte erhebliche negative Rückwirkungen auf all diejenigen, die seinerzeit direkt oder indirekt vom Wald lebten. Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen wurde in der deutschen Forstwirtschaft schon vergleichsweise früh das Prinzip der Nachhaltigkeit eingeführt, zufolge dessen dem Wald nur soviel Holz entnommen werden darf, wie nachwachsen kann. Durch Aufforstung stieg der Anteil des Waldes an der Gesamtfläche wieder an und beträgt derzeit etwa 31% im Bundesdurchschnitt und sogar 42,1% im waldreichsten Bundesland Rheinland-Pfalz (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2002, S. 11). Nachhaltigkeit wurde jedoch lange Zeit lediglich als rein wirtschaftliche Nachhaltigkeit verstanden. Ökologische Aspekte blieben außen vor (NABU 2008, S. 12). Aufgeforstet wurde zumeist mit Baumarten, die schnellen ökonomischen Profit versprachen. Insbesondere Nadelholzarten wie Fichte oder Kiefer verdrängten zunehmend Buchen- und Laubmischwälder, welche der potenziellen natürlichen Vegetation in weiten Teilen des Landes eher entsprechen. Allein in Rheinland-Pfalz setzt sich der Wald momentan zu ca. 44% aus Nadelgehölzen zusammen, die hier natürlicherweise kaum vorkommen würden (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2002, S. 40). Standortuntypische Baumarten, oft in Monokultur bzw. in gleichaltrigen Beständen, unökologische Holzernteverfahren sowie unangepasste Jagd prägten vielerorts einen Wald, der als Ökosystem sehr instabil war und ständiger menschlicher Eingriffe bedurfte, um existieren zu können. Die Artenvielfalt solcher Wirtschaftsforste ist gering, ihre Anfälligkeit für Krankheiten, Schädlingsbefall und Naturereignisse wie Stürme hingegen hoch. Mit dem Erstarken der Umweltbewegung in den 1970er Jahren wurden diese Zustände zunehmend kritisiert. Natur- und Umweltschutzorganisationen wie BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) und NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.) forderten eine radikale Umorientierung des Waldbaus nach den Prinzipien einer „naturgemäßen, ökologischen Waldwirtschaft“. Im Zuge mehrerer schwerer Sturmereignisse (z. B. Vivian und Wiebke 1990) und Insektenkalamitäten der letzten Jahrzehnte, von denen die naturfernen Forste überproportional stark betroffen waren, wuchs der Druck auf die Verantwortlichen, die bisherigen Konzeptionen der Forstwirtschaft zu überdenken. Aus den schweren Folgen der Naturereignisse wuchs die Einsicht, dass naturnähere Wälder nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen erstrebenswert sind (Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz 1993, S. 1). Die entsprechenden Ministerien und Landesforstverwaltungen der meisten Bundesländer reagierten und verankerten zu Beginn der 1990er Jahre mehr Ökologie im Waldbau durch Überarbeitung betreffender Gesetze bzw. durch neue Verordnungen und Richtlinien. In Rheinland-Pfalz war der Erlass der waldbaulichen Richtlinie „Ziele und Grundsätze einer ökologischen Waldentwicklung in Rheinland-Pfalz“ 1993 ein entscheidender Schritt zur Etablierung des Konzepts der „naturnahen Waldbewirtschaftung“, an dem sich die Forstwirtschaft des Landes heute orientiert. Das Konzept enthält dabei viele der Grundsätze der von den Naturschutzorganisationen geforderten „naturgemäßen Waldwirtschaft“, die Differenzen beschränken sich oft nur auf die Details. Auf den ersten Blick scheint also im Falle der Waldwirtschaft der Naturschutz seine Ziele weitgehend erreicht zu haben und die Probleme der Vergangenheit scheinen größtenteils gelöst. Im Folgenden soll durch einen differenzierten Vergleich der waldbaulichen Konzepte des Landes Rheinland-Pfalz einerseits und der Naturschutzorganisationen BUND und NABU andererseits geklärt werden, ob dieser Eindruck den Tatsa]chen entspricht und etwaige Unterschiede und Schwierigkeiten herausgestellt werden.
2. Wald in Rheinland-Pfalz
Was die Besitzverhältnisse angeht, so zeichnet sich das relativ waldreichste Bundesland Deutschlands durch einen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sehr hohen Gemeindewaldanteil von 46,7% aus (Bund ca. 30%), während der Anteil des Privatwaldes mit nur 26,5% deutlich unter dem Wert des Bundes von ca. 46% liegt. Mit Landes- (24,3%) und Bundeswald (2,4%) macht der Anteil der Waldfläche, die sich in öffentlicher Hand befindet, somit rund drei Viertel der Gesamtwaldfläche aus (vgl. Abb. 1) (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2002, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigener Entwurf nach Landesforsten 2002, S. 11.
Die Flächenbilanz des rheinland-pfälzischen Waldes ist, wie jene ganz Deutschlands, leicht positiv, die Waldfläche wächst seit Jahrzehnten langsam an.
Wie eingangs erwähnt, liegt der Nadelwaldanteil in Rheinland-Pfalz bei etwa 44% (vgl. Abb. 2). Natürlicherweise wären hingegen Buchen-Eichen-Mischwälder und Buchenwälder auf 90% der Landesfläche vorherrschend (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2008, Zahlenspiegel). Im bundesweiten Vergleich hat das Land jedoch mit 56% den höchsten Laubwald-Anteil aller Flächenländer in der BRD vorzuweisen, der außerdem noch weiterhin zunimmt (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2002, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigener Entwurf nach Landesforsten 2008, Zahlenspiegel
Nur etwa 5% der bewaldeten Fläche ist als dabei Waldbiotop klassifiziert und als besonders geschützt ausgewiesen, was jedoch eine eingeschränkte wirtschaftliche Nutzung nicht ausschließt. Der allergrößte Teil des rheinlandpfälzischen Waldes (ca. 85%) wird als Wirtschaftswald über alle Besitzarten hinweg mehr oder weniger intensiv genutzt (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2002, S. 41). Im folgenden Abschnitt soll aufgezeigt werden, nach welchen Grundsätzen die Bewirtschaftung dieses Waldes heute erfolgt und inwieweit die Waldbaukonzeptionen von BUND und NABU darüber hinausgehen.
3. Waldbaukonzeptionen von BUND und NABU und des Landes RLP
Die gesetzliche Grundlage für die Waldwirtschaft in Rheinland-Pfalz stellt in erster Linie das Landeswaldgesetz von 2000 (im Folgenden LWaldG) dar, welches die Vorgaben des Bundeswaldgesetzes von 1975 (BWaldG) auf Landesebene umsetzt und weitere Einzelheiten regelt. Ferner haben das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz bzw. die Landesforsten Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, die Waldwirtschaft betreffende Verordnungen bzw. Richtlinien zu erlassen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die waldbauliche Richtlinie der Landesforstverwaltung „Ziele und Grundsätze einer ökologischen Waldentwicklung in Rheinland-Pfalz“ von 1993, die ökologische Aspekte bei der Waldbewirtschaftung in bis dato nicht gekanntem Umfang festschrieb. Weiterhin relevant für die Bewirtschaftung des Waldes sind das Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) von 2005 und das Landesjagdgesetz (LJagdG) von 1979, die sich ebenfalls im Rahmen der entsprechenden Bundesgesetze bewegen (Bundesnaturschutzgesetz von 2002, Bundesjagdgesetz von 1952). Betreffende EU- Gesetzgebung wie beispielsweise die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH- Richtlinie) wurden in der nationalen bzw. Ländergesetzgebung umgesetzt.
Aufseiten der Natur- und Umweltschutzorganisationen gibt es eine Reihe von Grundsatzpapieren, welche deren Waldbaukonzeptionen nach strengen ökologischen Regeln beinhalten. Zu nennen sind hier insbesondere die Broschüre „Waldwirtschaft 2020 - Perspektiven und Anforderungen aus Sicht des Naturschutzes“ des NABU (2008) sowie das BUND-Waldprogramm von 1986 und das gemeinsame Papier „Ökologische Waldnutzung“ der Umweltverbände Greenpeace, BUND, Robin WOOD, Naturland, WWF von 1996.
3.1 Naturnahe Waldwirtschaft in Rheinland-Pfalz
Das Konzept der „naturnahen Waldbewirtschaftung“ stellt aus der Perspektive des Landes den bestmöglichen Ausgleich zwischen den teils widerstrebenden Interessen dar, die in Bezug auf die Nutzung der Ressourcen des Waldes existieren. Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Interessen kommt im Ziel der Multifunktionalität des Waldes zum Ausdruck. Danach ist den verschiedenen Funktionen des Waldes, also der ökologischen Funktion (Wald als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Wasserspeicher etc.), der sozialen Funktion (Wald als Erholungs- und Erlebnisraum) sowie der ökonomischen Funktion (in erster Linie Holzgewinnung) gleichermaßen Rechnung zu tragen (Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz 1993, S. 2). Wald wird dabei grundsätzlich als komplexes Ökosystem verstanden. Eingriffe seitens des Menschen in dieses System sollen sich möglichst an den natürlichen Prozessen wie den Wachstumsabläufen im Wald orientieren (Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz 1993, S. 1). Neben der Multifunktionalität ist das wichtigste Ziel der naturnahen Waldwirtschaft eine Erhöhung der Stabilität und Elastizität des Ökosystems Wald, um das Schadensrisiko für die Wälder beispielsweise durch Schadinsekten oder Sturmereignisse weitestmöglich zu senken. Die Waldbewirtschaftung soll sich dabei das Selbstregulierungsvermögen des Waldes zunutze machen. In diesem Punkt fallen ökonomische und ökologische Überlegungen weitgehend zusammen (Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz 1993, S. 1). Um diese Ziele zu erreichen, wurden im Rahmen der naturnahen Waldwirtschaft eine Reihe von Grundsätzen definiert, die sich teils erheblich von den Methoden der Forstwirtschaft früherer Jahrzehnte unterscheiden und die nun in ihren Grundzügen vorgestellt werden sollen.
Essenziell für das Konzept ist die Förderung standortgerechter Baumarten. Im Zuge verstärkter Konkurrenz auf den Weltmärkten hat sich die Gewinnspanne bei Nadelholz erheblich verringert. Aus diesem Grund und wegen der unzureichenden Standfestigkeit der Fichte, die sie allzu anfällig für Sturmwurf macht, hat man sich nach Jahren des Vorratsaufbaus bei Nadelholz dazu durchgerungen, die methodische Verjüngung der Fichte praktisch komplett einzustellen (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2003, S. 2, 5). Unter den noch existierenden Fichten werden nun hingegen junge Buchen gepflanzt. Der Wald soll flächendeckend zu artenreichem Mischwald mit hohem Anteil regionaltypischer Laubbäume, insbesondere Buchen, umgebaut werden. Diese Baumarten gelten als stabil und beeinträchtigen weder die Waldböden noch andere Bestandteile des Ökosystems Wald (Landesforsten Rheinland-Pfalz 2008, Naturnahe Waldbewirtschaftung).
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