Politische Denkmäler im 19. Jahrhundert:
Das Hermannsdenkmal
1. Einleitung
„Er hat die Stadt zum Erben eingesetzt“, erklärte Doktor Scheffelweis wichtig. „Wahrscheinlich bauen wir von dem Geld ein Säuglingsheim.“
„Bauen Sie?“ Diederich feixte verachtungsvoll. „Einen nationaleren Zweck können sie sich wohl nicht denken?“
Heinrich Mann: Der Untertan (1916)
Das 19. Jahrhundert war ein „Jahrhundert der Denkmäler“, nicht nur in Deutschland. Denkmäler galten allgemein als Medien politischer Inhalte, die dauerhaft und öffentlich transportiert werden sollten. Denkmäler beschwören kulturelle und politische Inhalte aus einer mythischen Vergangenheit, schreiben die symbolischen Sinnzusammenhänge in die Gegenwart fort und haben den Anspruch, auch noch in die fernere Zukunft zu wirken. Insbesondere nach 1871 setzte eine regelrechte „Denkmalwuth“ ein, die im Sinne des nation buildings die innere Einheit des jungen deutschen Kaiserreichs symbolisch vorantreiben sollte. „Nationen sind geistige Wesen, Gemeinschaften, die existieren, solange sie in den Köpfen und Herzen der Menschen sind, und die erlöschen, wenn sie nicht mehr gedacht und gewollt werden [...]“ (Schulze 1994, 110). Analog zur Nation gilt für die nationalpolitischen Denkmäler: Die Integration gelingt nur soweit, wie sich die Staatssubjekte freiwillig der Idee anschließen. Die hierbei wirksamen Mechanismen von Inklusion und Ausschluss lassen sich an den Denkmälern selbst, stärker jedoch an der überlieferten Rezeption und Deutung der Zeitgenossen analysieren. Hier liegt der Interessenschwerpunkt der jüngeren Forschung. In welcher Weise werden Mythen gedeutet und in symbolische Politik umgewandelt, welcher soziale Raum wird durch die Denkmäler geschaffen, welche Nation konstituiert sich in welcher Weise? Diese Fragestellung soll auch die vorliegende Arbeit leiten, der Schwerpunkt liegt deshalb auf der politischen Öffentlichkeit, die sich in den Denkmalsfesten entfaltete sowie auf der Rezeption in der Presse. Außerdem soll die Finanzierung untersucht werden, eine Analyseebene, die Reinhard Ahlings in seinem umfangreichen Werk „Monument und Nation“ als „Indiz für die tatsächliche Relevanz eines Projektes“ (Ahlings 1996, 19) anführt.
Ahlings erweitert die Typologie der Nationaldenkmäler, die Thomas Nipperdey in seinem für die Denkmalforschung grundlegender Aufsatz „Nationalidee und Nationaldenkmal im 19. Jahrhundert“ von 1968 entwickelt hat. Nipperdey entwirft fünf Idealtypen der polit. Denkmäler
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Nationalpolitische Denkmäler im 19. Jahrhundert
- Denkmäler bis 1871
- Denkmäler im Deutschen Kaiserreich 1871 - 1914
- Reichsgründungs- und Kaiserdenkmäler
- Bismarck-Denkmäler
- Das Hermannsdenkmal
- Die Subskriptionsbewegung
- Das Hermannsdenkmal in der Öffentlichkeit
- Das Fest zur Schließung des Grundsteingewölbes 1841
- Das Fest zur Fertigstellung 1875
- Die 1900-Jahrfeier der Schlacht im Teutoburger Wald 1909
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Hermannsdenkmal als politischem Denkmal im 19. Jahrhundert. Sie untersucht, welche Nation sich im Denkmal widerspiegelt, welche Mechanismen von Ein- und Ausschluss wirksam werden und wie sich die Rezeption des Denkmals und damit des Mythos in wechselnden politischen Perioden verändert.
- Entwicklung und Typologie nationalpolitischer Denkmäler im 19. Jahrhundert
- Die Bedeutung des Hermannsmythos für die deutsche Nationalbewegung
- Die Rolle des Denkmals als Medium politischer Inhalte
- Die Rezeption des Hermannsdenkmals in der Öffentlichkeit
- Die Finanzierung des Denkmals als Indiz für seine gesellschaftliche Relevanz
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Bedeutung von Denkmälern im 19. Jahrhundert und die Rolle des Hermannsdenkmals im Kontext der deutschen Nationalbewegung. Es wird deutlich, dass Denkmäler nicht nur als historische Relikte dienen, sondern auch als Medien der politischen Kommunikation und als Symbole nationaler Identität fungieren. Das zweite Kapitel bietet einen Überblick über die Entwicklung des Denkmalbaus im „langen Jahrhundert“. Es werden die charakteristischen Typen politischer Denkmäler dargestellt und der historische Wandel der Nationaldenkmäler wie des Nationalbewusstseins in Deutschland aufgezeigt.
Schlüsselwörter
Nationalpolitische Denkmäler, Hermannsdenkmal, Hermannsmythos, Nationalbewegung, deutsche Geschichte, Denkmalbau, Rezeption, politische Kommunikation, Ein- und Ausschluss, Finanzierung.
- Arbeit zitieren
- Jan Tilman Günther (Autor:in), 2002, Politische Denkmäler im 19. Jahrhundert: Das Hermannsdenkmal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16346