Die Institution Jugendgerichtshilfe ist für viele, besonders auch für
Fachfremde, negativ konnotiert. Sie wird häufig verbunden mit
Begriffen wie Jugendkriminalität, Jugendstrafverfahren, soziale Randgruppen
und ‘Fürsorge’. Sie kann als Bestandteil der Jugendhilfe in
den weitläufigen Bereich der Sozialarbeit eingegliedert werden. Die
analytische Abgrenzung der Problematik Sozialarbeit im Hinblick auf
das doppelte Mandat der Jugendgerichtshilfe kann wie folgt
beschrieben werden:
„Sozialarbeit wird auf der Grundlage sozialstaatlich verfaßter Prinzipien
vor allem von öffentlichen und halböffentlichen Institutionen getragen.
Versuche, einzelne analytisch abgrenzbare Dimensionen der Sozialarbeit
einer sozialwissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen, haben
deshalb immer wieder ein für den Sozialarbeiter als grundlegend
erachtetes Spannungsverhältnis thematisiert: das ‘doppelte Mandat’
und die sich für den Einzelnen daraus ergebenden Handlungskonflikte.
Diese gemeinhin als ‘Berufsschicksal’ und ‘zentraler Rollenkonflikt’ des
Sozialarbeiters herausgestellte Problematik, also der mit dem
institutionell-organisatorischen Handlungsrahmen öffentlicher Sozialarbeit
in der Regel implizit gesetzte Zwang, sich in der Divergenz professioneller
und bürokratischer Verhaltenskodizes bewegen und
zurechtfinden zu müssen, scheint im wissenschaftlich vorherrschenden
Verständnis von Sozialarbeit als Paradigma sozialarbeiterischen Tuns
schlechthin zu fungieren und als konstitutiv für spezifische Identitätskonflikte
des Sozialarbeiters angesehen zu werden.“2
Im Verlauf der vorliegenden Arbeit werden zunächst der Begriff
‘Jugendgerichtshilfe’ unter Berücksichtigung der zuständigen Trägerschaft
sowie die gesetzlichen Grundlagen und die Verfahrens rolle im Jugendstrafprozess näher erläutert, um darauf aufbauend tiefer auf
das Hauptthema – Das doppelte Mandat der Jugendgerichtshilfe –
eingehen zu können.
[...]
2 Lothar Böhnisch/ Hans Lösch: Das Handlungsverständnis des Sozialarbeiters und
seine institutionelle Determination, in: Werner Thole/ Michael Galuske (Hg.):
KlassikerInnen der sozialen Arbeit: sozialpädagogische Texte aus zwei Jahrhunderten
– ein Lesebuch. Luchterhand. Neuwied 1998, S. 367
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Definition Jugendgerichtshilfe
- 1.2 Geschichtlicher Hintergrund
- 2. Die Jugendgerichtshilfe in JGG und KJHG
- 3. Das Jugendstrafrecht – ein Sondergesetz
- 4. Der Träger und die Organisation
- 5. Aufgaben der Jugendgerichtshilfe
- 5.1 Ermittlungshilfe: Die Persönlichkeitserforschung
- 5.2 Berichtshilfe: Der Jugendgerichtshilfebericht
- 5.3 Betreuung und Überwachungshilfe
- 6. Verfahrensablauf (vereinfachte Form)
- 7. Die Verfahrensbeteiligten im Strafprozess
- 8. Die Stellung der JGH im Jugendstrafprozess
- 9. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe
- 9.1 Der JG-Helfer als (Sozial-)Anwalt?
- 10. Das Verhältnis zwischen Justiz und JGH
- 11. Das doppelte Mandat der Jugendgerichtshilfe
- 11.1 Die gesetzlichen Ursachen des doppelten Mandats
- 11.2 Rollenkonflikte in der Beziehung zum Jugendlichen
- 11.2.1 Der Rollenkonflikt der Beratung
- 11.2.2 Das doppelte Mandat der Ermittlungstätigkeit
- 11.2.3 Der Rollenkonflikt im Berichtswesen
- 11.2.4 Eine Zeugenaussage vor Gericht?
- 11.3 Der JG-Helfer im staatlichen Kontrollsystem
- 11.4 Grenzen behördlicher Sozialarbeit
- 11.5 Rollenkonflikte durch Sparmaßnahmen
- 11.6 Bedeutung der Rollenkonflikte für den JG-Helfer
- 12. Perspektiven der Jugendgerichtshilfe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Institution der Jugendgerichtshilfe und untersucht insbesondere das "doppelte Mandat", das sich aus den Aufgaben der Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafprozess ergibt. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Rollenkonflikte, die für den Jugendgerichtshelfer aus dieser Doppelrolle resultieren.
- Die Definition und Geschichte der Jugendgerichtshilfe
- Die rechtlichen Grundlagen und Aufgaben der Jugendgerichtshilfe
- Die Position der Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafprozess
- Der Rollenkonflikt des Jugendgerichtshelfers als Berater und Ermittler
- Die Herausforderungen und Perspektiven der Jugendgerichtshilfe
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Institution Jugendgerichtshilfe einführt und deren Bedeutung für die deutsche Rechtsordnung herausstellt. Im Anschluss werden die Definition und der historische Hintergrund der Jugendgerichtshilfe sowie die gesetzlichen Grundlagen in JGG und KJHG erörtert. Es folgt eine Analyse des Jugendstrafrechts und die Darstellung der Organisation der Jugendgerichtshilfe. Die wichtigsten Aufgaben der Jugendgerichtshilfe, wie Ermittlungshilfe, Berichtshilfe und Betreuung, werden detailliert beschrieben. In weiteren Kapiteln werden der Verfahrensablauf im Jugendstrafprozess, die Stellung der JGH im Strafprozess und die Rolle des Jugendgerichtshelfers als Vertreter der Jugendgerichtshilfe betrachtet. Ein zentrales Kapitel befasst sich mit dem "doppelten Mandat" der Jugendgerichtshilfe, welches aus dem Spannungsfeld zwischen Beratung und Ermittlungstätigkeit resultiert. Die Arbeit untersucht die Ursachen des doppelten Mandats und die damit verbundenen Rollenkonflikte sowie die Auswirkungen auf den Jugendgerichtshelfer und die Jugendgerichtshilfe im Ganzen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafprozess, das doppelte Mandat der Jugendgerichtshilfe, Rollenkonflikte, Jugendgerichtshelfer, Ermittlungshilfe, Berichtswesen, Jugendstrafrecht, KJHG, JGG, Beratung, Betreuung.
- Arbeit zitieren
- Miriam Markwart (Autor:in), 2002, Das doppelte Mandat der Jugendgerichtshilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16350