Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Gang der Untersuchung
2 Begriffliche Grundlagen und theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung
2.1 Der Begriff der Markteintrittsbarrieren
2.1.1 Markteintrittsbarrieren im Rahmen der Industrieökonomik-Forschung
2.1.2 Markteintrittsbarrieren als Determinanten der Gefahr des Markteintritts
2.2 Markteintrittsstrategien für Automobilhersteller
2.2.1 Markteintritt über indirekte Vertriebskanäle
2.2.2 Markteintritt über direkte Vertriebskanäle
2.2.3 Markteintritt über hybride Vertriebskanäle
3 Die Gefahr des Markteintritts chinesischer OEM auf dem deutschen Pkw-Markt
3.1 Der deutsche Markt für Pkw-Neufahrzeuge im Überblick
3.2 Pkw-Produktion in China von ihren Anfängen bis heute
3.3 Die chinesischen Automobilhersteller
3.4 Markteintrittsbarrieren für chinesische OEM auf dem deutschen Markt
3.4.1 Betriebsgrößenersparnisse als Markteintrittsbarriere
3.4.2 Produktdifferenzierung als Markteintrittsbarriere
3.4.3 Der Zugang zu Vertriebskanälen als Markteintrittsbarriere
3.4.4 Weitere Markteintrittsbarrieren
3.4.5 Fazit zu den Markteintrittsbarrieren
4 Schlussbetrachtung
4.1 Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse
4.2 Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma der Industrieökonomik
Abb. 2: Stufenkonzept der Internationalisierung am Beispiel eines Automobilherstellers
Abb. 3: Pkw-Neuzulassungen 2009 in Deutschland nach Herkunftsländern
Abb. 4: Entwicklung der Pkw-Produktion in China 1982 - 2009
Abb. 5: Pkw-Produktion in China 2009 nach Herstellern
Abb. 6: Produktportfolio der Volkswagen AG für Westeuropa 2009
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Markteintrittsbarrieren für chinesische OEM auf dem deutschen Markt
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der deutsche Markt für Personenkraftwagen weist eindeutige Sättigungserscheinungen auf, dennoch werden hier aus Gründen des Ersatzbedarfes seit den letzten 20 Jahren mehr als drei Millionen Pkw jährlich neu zugelassen. Zu großen Teilen wird der Markt hierzulande von deutschen Automobilherstellern bedient. Natürlich haben zudem aber auch andere Hersteller vor allem europäische, japanische und koreanische - einen Anteil an den Pkw-Verkäufen. Weder auf Deutschlands Straßen, noch in der Zulassungsstatistik sind gegenwärtig jedoch Pkw-Modelle chinesischer Automobilhersteller vertreten. Die Bundesrepublik Deutschland wurde von der Volksrepublik China als Exportweltmeister mittlerweile überholt. Allein die deutschen Einfuhren aus China konnten für das Gesamtjahr 2009 mit rund 55,4 Milliarden Euro beziffert werden.1 Umso fragwürdiger scheint in diesem Zusammenhang die Tatsache zu sein, dass sich hierunter keine chinesischen Pkw befinden.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit besteht in dem Versuch, den Einfluss von Markteintrittsbarrieren auf das Eintrittsbestreben chinesischer Automobilhersteller in den deutschen Markt zu analysieren und Ansatzpunkte für deren mögliche Markteintrittsstrategie zu entwickeln. Folgende zentrale Fragestellungen werden hierbei zu Grunde gelegt:
- Welchen Markteintrittsbarrieren sehen sich potentielle neue Marktteilnehmer auf dem deutschen Pkw-Markt gegenüber?
- Sind diese Barrieren für chinesische Automobilhersteller schon heute und auch in Zukunft überwindbar?
- Mit welchen Markteintrittsstrategien können potentielle neue Marktteilnehmer einen Aus- landsmarkteintritt bewältigen?
- Wie groß ist schließlich die Gefahr des Markteintritts chinesischer Automobilhersteller auf dem deutschen Pkw-Markt?
1.2 Gang der Untersuchung
Der Gang der Untersuchung gliedert sich in drei Hauptschritte, die jeweils einem Kapitel der vorliegenden Arbeit entsprechen. Im ersten Schritt erfolgt eine Einführung in das Konzept der Markteintrittsbarrieren mit dem Ziel, ein einheitliches theoretisches Grundgerüst zu schaffen, auf das die Bestimmung von Determinanten für die Gefahr des Markteintritts aufgebaut wer- den kann. Es soll ferner theoretisch erläutert werden, welche Markteintrittsstrategien sich für potentielle neue Marktteilnehmer anbieten. Diese theoretische Abgrenzung bildet zugleich den Bezugsrahmen für die sich im zweiten Schritt der Arbeit anschließende Analyse. Hierbei wird zunächst auf die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Pkw-Marktes sowie der chi- nesischen Automobilindustrie eingegangen, auf dessen Grundlage die Untersuchung auf das Vorhandensein der Gefahr des Markteintritts chinesischer Automobilhersteller auf dem deut- schen Markt basiert. Im letzten Schritt wird zusammenfassend auf die wesentlichen Ergeb- nisse der Arbeit eingegangen. Zudem wird ein Ausblick auf die mögliche weitere Entwick- lung der Markteintrittsthematik auf dem deutschen Pkw-Markt gegeben und weiteres For- schungspotential genannt.
2 Begriffliche Grundlagen und theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung
2.1 Der Begriff der Markteintrittsbarrieren
„Eine Markteintrittsbarriere ist alles, was einem potentiellen Anbieter einen Nachteil relativ zu bereits im Markt operierenden Unternehmen verschafft. Es handelt sich dabei also um Fixkosten des Marktzutritts. Je höher diese Kosten sind, desto mehr Macht haben die Unternehmen, die bereits im Markt sind.“2 Hiermit unterstreicht Jerger die Weitläufigkeit des Begriffs der Markteintrittsbarrieren, die im Folgenden begrenzt wird.
2.1.1 Markteintrittsbarrieren im Rahmen der Industrieökonomik-Forschung
Bereits in den 1950er Jahren erkannte der Industrieökonom Bain, dass die Struktur eines (un- vollkommenen) Marktes erheblichen Einfluss auf das Marktverhalten und daraus resultierend auf das Marktergebnis hat.3 Das aus Bains Forschungen hervorgegangene „Marktstruktur- Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma“ setzt die Marktstruktur als Ausgangspunkt für das Marktergebnis fest.4 Die Marktstruktur wird demnach durch die Zahl und Größe der Anbieter, das Ausmaß der Produktdifferenzierung, die Höhe der Markteintrittsbarrieren, Kostenstruktu- ren und das Ausmaß der vertikalen Integration determiniert.5 Hierbei misst Bain folgenden strukturellen Eigenschaften von Märkten zentrale Bedeutung für das Vorliegen von Marktein- trittsbarrieren zu: Größenvorteile, Produktdifferenzierung und absolute Kostenvorteile.6 Da nach Bain das Marktergebnis direkt aus der Marktstruktur abgeleitet werden kann, räumt die- ser Ansatz einer strategischen Unternehmensführung keinerlei Stellenwert ein. Es gilt daher, Bains Ansatz einer direkten Wirkungskette kritisch zu hinterfragen. Porter revidierte in den 1980er Jahren das deterministische Modell Bains, indem er Rückwirkungen des Marktverhal- tens oder des Marktergebnisses auf die Marktstruktur thematisiert, wonach Unternehmen durch strategisches Handeln (Marktverhalten) die Möglichkeit besitzen, Marktstrukturen aktiv zu ihren Gunsten zu gestalten.7 Eine potentielle Möglichkeit, die gegebene Marktstruktur ak- tiv zu gestalten, ist demnach beispielsweise mit dem strategischen Aufbau oder Abbau von Markteintrittsbarrieren gegeben, etwa durch zusätzliche Produktdifferenzierung (vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma der Industrieökonomik
Quelle: Überarbeitete Darstellung in Anlehnung an Porter (1981), S. 616.
2.1.2 Markteintrittsbarrieren als Determinanten der Gefahr des Markteintritts
Um in der Unternehmenspraxis geeignete Strategien aus der Marktstruktur ableiten zu kön- nen, bedarf es eines Analyseinstruments, welches die gegenwärtigen und zukünftigen struktu rellen Bedingungen der Branche, die seiner Konkurrenten und die des eigenen Unternehmens abzubilden vermag. Der Wahl von geeigneten Strategien eine umfassende Branchenanalyse voranzustellen, scheint laut Porter notwendig.8 Porter weicht hiermit erneut von Bains Ansatz ab, indem er nun die Struktur der Branche - statt der des Marktes - als Ausgangspunkt für den Erfolg eines Unternehmens fixiert.9 Gemäß Porters „Strukturanalyse von Branchen“ existie- ren fünf wesentliche Wettbewerbskräfte, welche in der ökonomischen Struktur, die einer Branche zugrunde liegt, wurzeln.10 Deren zusammengefasste Stärke bestimmt die Rentabilität (den Erfolg) der Branche.11 Besondere Bedeutung für den weiteren Verlauf der Untersuchung kommt der Wettbewerbskraft (Strukturkomponente) „Gefahr des Markteintritts“ in Branchen zu, welche von den existierenden Eintrittsbarrieren determiniert wird. Je höher diese Eintritts- barrieren sind, umso geringer ist die Gefahr des Markteintritts neuer Konkurrenten und umge- kehrt.12 Die von Bain abgebildeten strukturellen Eigenschaften von Märkten, welche von zentraler Bedeutung für das Vorliegen von Eintrittsbarrieren sind, werden hierbei von Porter aus der Branchenperspektive herausgearbeitet und ergänzt. Die Ausprägung der für einen Markteintritt relevanten Branchenstrukturkomponente wird ihrerseits durch sieben Einzelfak- toren bestimmt, auf die im Folgenden eingegangen wird.13
Betriebsgrößenersparnisse. Wenn die Stückkosten eines Produkts bei steigender absoluter Menge pro Zeiteinheit sinken, so liegen größenbedingte Kostenvorteile vor, welche in nahezu jedem Bereich eines Unternehmens erzielt werden können. Insbesondere seien hier Unternehmensbereiche wie Einkauf, Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing sowie Vertrieb und Service genannt.14
Produktdifferenzierung. Etablierte Unternehmen - sowohl Pioniere als auch frühe Folger15 - verfügen über bekannte Marken und Produkte. Die über langfristige Marketing-, Vertriebs- und After-Sales-Aktivitäten erzielte Kundenbindung sowie eine hieraus resultierende Marken- loyalität zwingt potentielle neue Anbieter, erhebliche Mittel aufzuwenden, um bestehende Käuferpräferenzen zu überwinden.16 Durch Produktdifferenzierung werden bereits eingeführ- te Produkte um „Ableger“ beziehungsweise neue Produktvarianten erweitert, wodurch zusätz- liche Marktsegmente erschlossen oder freie Marktnischen besetzt werden. Es entsteht ein Im agetransfer von bereits eingeführten Produkten auf zusätzliche Produktvarianten.17 Für potentielle neue Anbieter stellt also nicht nur das Vorhandensein von bestehenden Käuferpräferenzen, sondern ebenso die den veränderten Käuferpräferenzen Rechnung tragende, zunehmende Produktdifferenzierung etablierter Unternehmen eine erhebliche Hürde beim angestrebten Markteintritt dar. Der Versuch, diese Hürde zu nehmen, bringt hohe Einstiegsverluste mit sich (z.B. durch erhebliche finanzielle Investitionen in Werbung oder Verkaufsförderung etc.)18 und nimmt oft längere Zeit in Anspruch.19
Zugang zu Vertriebskanälen. Etablierte Unternehmen verfügen über etablierte Vertriebsnetze, wobei die Vertriebskanäle oftmals gebunden oder belegt sind. Potentielle neue Anbieter stehen entweder vor der schwierigen Aufgabe, Akzeptanz für ihre Produkte in bereits bestehenden Händlernetzen zu schaffen oder - sollte dies keine Option darstellen - vor der gänzlich neuen Schaffung von eigenen Vertriebskanälen.20
Kapitalbedarf. Der Eintritt in einen neuen Markt geht insbesondere dann mit hohem Kapitalbedarf einher, wenn die fokussierte Branche forschungsintensiv und technologieorientiert ist, da hier die Notwendigkeit besteht, hohe Investitionen in das Anlagevermögen sowie in Humankapital zu tätigen.21 Wenn zudem Kapital für unwiederbringliche Einstiegswerbung, Kundenkredite oder zur Deckung von Einstiegsverlusten usw. benötigt wird, stellt dies ein erhebliches Hindernis für potentielle neue Anbieter dar.22
Umstellungskosten. Entstehen für den Kunden beim Anbieterwechsel einmalige Kosten, so spricht man von Umstellungskosten. Sofern diese Umstellungskosten hoch sind, müssen potentielle neue Anbieter ihre Produkte mit einem für den Käufer in einem Preis-/Leistungs- Verhältnis auszudrückenden Vorteil, mit besserem Service oder mit Zusatzleistungen anbieten, um Käufer zum Anbieterwechsel zu bewegen.23
Größenunabhängige Kostennachteile. Potentielle neue Anbieter sehen sich größenunabhängi- gen Kostennachteilen gegenüber, wenn ihre Durchschnittskosten unabhängig von der ausgeb- rachten Produktionsmenge höher sind als die der etablierten Unternehmen.24 Die sogenannten absoluten Kostenvorteile der etablierten Unternehmen sind insbesondere auf deren folgende Errungenschaften zurückzuführen: Know-How (z.B. patentgeschützte Produkttechnologien), günstiger Zugang zu Rohstoffen, günstige Standorte, staatliche Subventionen und erfahrungsbedingte Kostendegression.25
Staatliche Politik. Lizenzzwänge, Reglementierungen, Kontrollen, Sicherheits- und Umwelt- schutzvorschriften etc. seitens der staatlichen Politik, die aus gesellschaftlicher Sicht notwen- dig erscheinen, zwingen potentielle neue Anbieter zu kostenintensiven Maßnahmen zur Erfül- lung gesetzlicher Vorschriften noch vor ihrem Versuch, in einen neuen Markt einzutreten.26
Auf die Einzelfaktoren der weiteren vier Wettbewerbskräfte, welche in ihrer zusammenge- fassten Stärke die Attraktivität der Branche als Ganzes beurteilen, wird im Folgenden nicht eingegangen, da diese für den weiteren Verlauf der Untersuchung nicht von Relevanz sind. Es gilt jedoch anzumerken, dass es gemäß des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis- Paradigma logisch erscheint, der über Porters fünf Wettbewerbskräfte abgebildeten Branchen- struktur die Verfolgung einer bestimmten Wettbewerbsstrategie nahezulegen. Porter selbst unterscheidet hierzu drei Typen (gesamt-) strategischer, marktorientierter Ansätze, welche jedoch für den weiteren Gang der Untersuchung nicht der Erläuterung bedürfen, da in der vorliegenden Arbeit ein Fokus auf die Darstellung von Markteintrittsstrategien zielführender erscheint.27
Kritik an Porters dargelegtem Modell der fünf Wettbewerbskräfte ist insofern zu üben, als dass seine Hypothese zur Abhängigkeit der Rentabilität einer Branche von der Stärke der Wettbewerbskräfte nicht empirisch belegt ist. Es handelt sich vielmehr um Plausibilitätsaus- sagen, die nach Präzisierung verlangen.28 Trotzdem scheint die Strukturkomponente „Gefahr des Markteintritts“ des Porterschen Modells im Rahmen dieser Arbeit als Grundlage der Ana- lyse bestehender Markteintrittsbarrieren geeignet zu sein, da hiermit ein Bezugsrahmen gege- ben ist, welcher eine systematische Erfassung der für den Gang der Untersuchung relevanten Einflussgrößen ermöglicht.
Im Rahmen der neuen Industrieökonomik-Forschung werden - zusätzlich zur statischen Be- trachtung der Marktstrukturen - mögliche Reaktionen der etablierten Unternehmen auf einen Markteintritt und deren Einfluss auf die bestehenden Barrieren behandelt.29 Auf die Darstel- lung der aus diesen Überlegungen hervorgegangenen strategischen Markteintrittsbarrieren (Signalling, Commitment u.a.)30 wird an dieser Stelle verzichtet, da sich die möglichen Reaktionen der am deutschen Pkw-Markt etablierten Unternehmen nicht in der vorgegebenen Kürze dieser Arbeit antizipieren lassen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Markteintrittsbarrieren also als relativ stabile Eigenschaften eines Marktes betrachtet, welche einem potentiellen neuen Marktteilnehmer einen relativen Nachteil zu bereits am Markt operierenden Unternehmen verschaffen, der nur durch finanzielles Engagement des Newcomers ausgeglichen werden kann. Die Gefahr des Markteintritts ist umso geringer, je höher diese Eintrittsbarrieren sind und umgekehrt. An die- ser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass im Folgenden ausschließlich strukturelle Markteintrittsbarrieren, nicht jedoch strategische, Gegenstand der Untersuchung sind.
2.2 Markteintrittsstrategien für Automobilhersteller
In der vorliegenden Arbeit wird unterstellt, dass das internationalisierende Unternehmen als Standort seines Wertschöpfungsschwerpunktes sein Stammland gewählt hat. Daher soll im Folgenden ausschließlich auf Markteintrittsstrategien eingegangen werden, die den Wert- schöpfungsbereich Absatz beziehungsweise Vertrieb betreffen. Um einen anstehenden, ver- triebsseitigen Auslandsmarkteintritt auszurichten, bedarf es der Evaluation aller potentiellen Eintrittsstrategien.
Für den weiteren Gang der Arbeit ist es von grundlegender Bedeutung, die klassische Struktur automobilwirtschaftlicher Distributionssysteme darzustellen. Hierdurch soll fortfolgend der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung um die zahlreichen, in der Fachliteratur dargestellten Möglichkeiten eines Markteintritts aus Gründen einer praxisnahen, vertriebsorientierten Darstellung begrenzt werden.
Die Vertriebssysteme der Automobilbranche werden üblicherweise anhand zweier Gestal- tungsebenen unterschieden. Einerseits wird auf Ebene des Großhandels (Wholesale) geregelt, wie einzelne nationale Märkte beliefert werden (Verkauf an Wiederverkäufer), andererseits befasst man sich auf der Ebene des Einzelhandels (Retail) damit, wie die jeweiligen nationa- len Märkte bearbeitet werden (Verkauf an Endkunden). Klassischerweise findet in der Auto- mobilindustrie auf Großhandelsebene die Anwendung folgender drei alternativer Systeme Verbreitung: der Vertrieb über vertragsgebundene Importeure, der Vertrieb über herstellereigene Tochtergesellschaften sowie der Vertrieb über Joint Ventures. Auf Einzelhandelsebene lassen sich zwei traditionelle Absatzwege unterscheiden: der Eigen-Retail der Hersteller sowie der Vertrieb über rechtlich und wirtschaftlich selbständige Vertragshändler.31
Aus den obigen Ausführungen resultierend ergibt sich der logische Schluss, dass ein rein ver- triebsseitiger Markteintritt eines internationalisierenden OEM durch drei potentielle Markt- eintrittsstrategien (zunächst auf der Wholesale-Ebene) vollzogen werden kann. Das sogenann- te „Stufenkonzept der Internationalisierung“ stellt in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit zur Strukturierung der sich bietenden Alternativen dar.32 Dieses Modell betrachtet die Interna- tionalisierung von Unternehmen als einen Evolutionsvorgang, wobei in der nachfolgenden Abbildung ein vereinfacht dargestellter Verlauf unterstellt wird (vgl. Abb. 2).33
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Stufenkonzept der Internationalisierung am Beispiel eines Automobilherstellers
Quelle: Überarbeitete Darstellung in Anlehnung an Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008), S. 291.
Wie in obiger Abbildung ersichtlich, lassen sich die Möglichkeiten des Markteintritts in einen Auslandsmarkt in indirekte, direkte und hybride Vertriebskanäle klassifizieren.34 Die genann- ten Klassifikationen werden fortfolgend anhand ihrer grundlegenden Charakteristika und ihrer jeweils für die Automobilbranche relevanten Ausprägung unterschieden. In der Literatur wird eine unüberschaubare Fülle an zahlreichen Kriterien zur Abgrenzung der mannigfaltigen Ausprägungen von Markteintrittsstrategien dargeboten.35 Um in der vorliegenden Arbeit eine gewisse Überschaubarkeit über die relevanten Ausprägungen zu gewährleisten, wird fortfol- gend zu deren Abgrenzung ausschließlich nach folgenden Kriterien systematisiert: Kapitalein- satz im Ausland, Risiko, Kontrollmöglichkeiten der Auslandsaktivitäten, Zeit, Internationali- sierungsgrad. Eine detaillierte Betrachtung aller sich potentiell bietenden Gestaltungsmög- lichkeiten internationaler Markteintritte und damit zugleich alternativer Absatzwege kann an dieser Stelle nicht erfolgen.36
2.2.1 Markteintritt über indirekte Vertriebskanäle
Indirekte Vertriebskanäle gehören organisatorisch und rechtlich nicht zum Unternehmen selbst, sondern zeichnen sich durch ein vertragliches Zusammenwirken über verschiedene Stufen der Distributionskette hinweg aus. Hierbei existiert am Ende der Distributionskette ein zwischengeschaltetes Vertriebsmedium, das sich wirtschaftlich autonom an potentielle Ab- nehmer wendet.37 Es werden drei Hauptformen indirekter Vertriebskanäle unterschieden: Ex- port, Lizensierung und Franchising, wobei in der Automobilbranche erstere als Marktein- trittsform Anwendung findet.
Exporte sind als marktkoordinierter, grenzüberschreitender (physischer) Transfer fertiger (End- oder Zwischen-) Produkte zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen zu verstehen. Die Fertigung erfolgt dabei im Stammland des internationalisierenden Unternehmens.38 Es kann zwischen direktem und indirektem Export differenziert werden, nachfolgend wird ausschließlich erste Variante dargestellt.39
Beim direkten Export wickeln Unternehmen ihre Außenhandelsaktivitäten - im Gegensatz zum indirekten Export - ohne die Einschaltung von Handelsmittlern im Inland ab. Hierbei existiert also eine direkte beziehungsweise unmittelbare Beziehung zwischen dem internatio- nalisierendem Unternehmen (Exporteur) im Inland und mindestens einem ausländischen Ge- schäftspartner. Für den direkten Export kommen diverse Arten der Zusammenarbeit mit Ge- schäftspartnern im Ausland in Frage, jeweils mit oder ohne Mittler im Gastland.40
[...]
1 o.V. (2010) (China ist); Auswärtiges Amt (2010).
2 Jerger (2006), S.15.
3 Vgl. Audretsch (1996), S. 179.
4 Aus dem Englischen: Structure-Conduct-Performance Paradigm (SCP).
5 Vgl. Scherer/Ross (1990), S. 4.
6 Vgl. Lisanti (1998), S. 130.
7 Vgl. Porter (1981), S. 615 f.
8 Vgl. Porter (2008), S. 24.
9 Eine Branche ist eine Gruppe von Unternehmen, die Produkte herstellen, welche das gleiche Kundenbedürfnis befriedigen und sich daher gegenseitig nahezu ersetzen können. Vgl. Porter (2008), S. 37.
10 Fünf Wettbewerbskräfte nach Porter: Der Grad der Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern, die Gefahr des Markteintritts, Druck durch Substitutionsprodukte, die Verhandlungsstärke der Abnehmer, die Verhandlungsstärke von Lieferanten. Vgl. Porter (2008), S. 35 ff.
11 Vgl. Porter (2008), S. 35.
12 Vgl. Porter (2008), S. 39.
13 Vgl. Hungenberg (2001), S. 85.
14 Vgl. Hungenberg (2001), S. 39 f.
15 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Homburg/Krohmer (2009), S. 577 ff.
16 Vgl. Porter (2008), S. 42.
17 Vgl. Homburg/Krohmer (2009), S. 591 f.
18 Vgl. Hungenberg (2001), S. 86.
19 Vgl. Porter (2008), S. 42.
20 Vgl. Porter (2008), S. 43 f.
21 Vgl. Camphausen (2003), S. 44.
22 Vgl. Porter (2008), S. 42.
23 Vgl. Porter (2008), S. 43; Camphausen (2003), S. 44.
24 Vgl. Welge/Al-Laham (2003), S. 201.
25 Vgl. Porter (2008), S. 45 f.
26 Vgl. Porter (2008), S. 46 f.
27 Die Strategietypen sind: Umfassende Kostenführerschaft, Differenzierung, Konzentration auf Schwerpunkte. Vgl. Porter (2008), S. 71 ff.
28 Vgl. Camphausen (2003), S. 49.
29 Vgl. Hungenberg (2001), S. 91.
30 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Lisanti (1998), S. 132 f.
31 Vgl. Diez (2006), S. 269 ff.
32 Vgl. Schierenbeck (2003), S. 45.
33 Vgl. Thiel (2007), S. 15.
34 Vgl. Ebenda.
35 Vgl. Kutschker/Schmid (2004), S. 822 ff.
36 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Kutschker/Schmid (2004), S. 820 ff.
37 Vgl. Thiel (2007), S. 19 f.
38 Vgl. Winkelmann (1997), S. 19.
39 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 627 f.
40 Vgl. Kutschker/Schmid (2004), S. 830 f.