Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, auf Grundlage der Prinzipal-Agent-Theorie die Rolle der EU-Kommission und ihre handlungspolitische Bedeutung im Kontext des Bologna-Prozesses zu untersuchen. Dabei gilt es zunächst den Ansatz der Agenturtheorie zu skizzieren und auf die spezifische Konstellation innerhalb des europäischen Hochschulsektors zu übertragen. Darauffolgend werden anhand der Verlaufsform des Bologna-Prozesses die konkurrierenden Interaktions- und Integrationsorientierungen sowie die sich verändernden Einflussdominanzen im Verhältnis der Bologna-Teilnehmerländer und der EU-Kommission betrachtet. Hierbei werden zwei These vertreten, die es zu überprüfen gilt:
(T1) Die handlungspolitische Rolle der EU-Kommission lässt sich im Verlauf des Bologna-Prozesses, in Anlehnung an die Prinzipal-Agent- bzw. Prinzipal-Supervisor-Agent-Theorie (vgl. Tallberg 1999, 2003), sukzessive als die eines entrepreneurial Supervisors konzeptionalisieren.
(T2) Die informelle und kaum formalisierte Gestalt des Bologna-Prozesses ermöglicht der EU-Kommission, anders als in der Prä-Bologna-Ära, die eigenen hochschulpolitischen Integrations- und Synchronisierungsvorstellungen wirkmächtig in den Prozess einzubringen, zu vermarkten und durchzusetzen.
Die Frage inwieweit diese beiden Thesen miteinander vereinbar sind und ob sich Rolle der EU-Kommission im Bologna-Prozess wirklich als Prinzipal-Agent-Verhältnis charakterisieren lässt oder nur unter der Inkaufnahme gewisser Konzessionen Anwendung findet, soll in der Schlussbetrachtung der Arbeit kritisch erörtert und generalisierend zusammengeführt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Europäische Kommission im Kontext der Prinzipal-Agent-Theorie
- Der Prinzipal-Agent-Ansatz
- Die EU-Kommission als kollektiver Agent, Supervisor und Prinzipal der Europäischen Integration?
- Die Europäische Kommission und der Bologna-Prozess
- Vorgeschichte: Europäische Hochschulpolitik bis 1998
- Die Sorbonne-Erklärung und die Initiierung des Bologna-Prozesses
- Der Wendepunkt: Die Lissabon-Strategie und das Prager Kommuniqué
- Der Bologna-Prozess nach 2001: Die Europäische Kommission als entrepreneurial Supervisor
- Berlin 2003
- Bergen 2005
- London 2007
- Leuven 2009 und Budapest/Wien 2010
- Zwischenfazit: Der Bologna-Prozess 2002-2010
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Rolle der Europäischen Kommission im Kontext des Bologna-Prozesses, einem intergouvernementalen Integrationsprozess, der auf die Schaffung eines europäischen Hochschulraums abzielt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie sich die EU-Kommission, ausgehend von der Prinzipal-Agent-Theorie, als ein "entrepreneurial Supervisor" im Bologna-Prozess agiert.
- Die Delegationsproblematik und das Transaktionskostenverhältnis im Bologna-Prozess.
- Die Europäische Kommission als "entrepreneurial Supervisor" im Bologna-Prozess.
- Die Integration von hochschulpolitischen Ideen der EU-Kommission in den Bologna-Diskurs.
- Die Rolle der EU-Kommission in der Europäischen Hochschulpolitik vor und nach der Einführung der Lissabon-Strategie.
- Die Herausforderungen und Chancen der Europäisierung der Hochschulpolitik im Bologna-Prozess.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Bologna-Prozess als Meilenstein in der europäischen Hochschulpolitik vor und thematisiert die Rolle der Europäischen Kommission. Es werden die theoretischen Grundlagen der Prinzipal-Agent-Theorie erläutert und die spezifische Konstellation im europäischen Hochschulsektor beleuchtet.
Kapitel 2 behandelt die Europäische Kommission im Kontext der Prinzipal-Agent-Theorie und analysiert die Rolle der Kommission als kollektiver Agent, Supervisor und Prinzipal der Europäischen Integration.
Kapitel 3 analysiert die Europäische Kommission und den Bologna-Prozess. Dabei werden die Vorgeschichte der europäischen Hochschulpolitik, die Initiierung des Bologna-Prozesses sowie der Wendepunkt durch die Lissabon-Strategie und das Prager Kommuniqué beleuchtet. Der Bologna-Prozess nach 2001 wird in verschiedenen Phasen untersucht, wobei die EU-Kommission als "entrepreneurial Supervisor" agiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Bologna-Prozess, Europäische Kommission, Prinzipal-Agent-Theorie, Europäisierung, Hochschulpolitik, Integration, Synchronisierung, "entrepreneurial Supervisor", Lissabon-Strategie, EHEA (European Higher Education Area), ERIA (European Research and Innovation Area), ECTS (European Credit Transfer System).
- Citar trabajo
- Torben Fischer (Autor), 2010, Vom Agent ohne Auftrag zum entrepreneurial Supervisor?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164496