Die kulturelle Globalisierung der Arabischen Welt

Auswirkungen und Bewertung aus arabischer Sicht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Globalisierung und ihre kulturelle Dimension
2.1 Begriffsbestimmungen Globalisierung und Kultur
2.2 Kulturelle Dimension der Globalisierung
2.3 Auswirkungen kultureller Globalisierung

3. Ausgangssituation in der Arabischen Welt
3.1 Politische und wirtschaftliche Marginalisierung
3.2 Fukuyamas und Huntingtons Einfluss auf die Globalisierungsdebatte

4. Die kulturelle Globalisierung der Arabischen Welt
4.1 Regionale Unterschiede
4.2 Verbreitung neuer Technologien
4.3 Wandel der Geschlechterrollen

5. Die arabische Debatte über die kulturelle Globalisierung
5.1 Vielfalt an Reaktionen
5.2 Kritik an Imperialismus und Amerikanisierung
5.3 Gefährdung der arabischen Identität und Werte
5.4 Entwurf einer muslimischen „Gegenglobalisierung“
5.5 Selektive Adaption

6. Zusammenfassung und Perspektiven

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

“Although globalization covers a wider range of topics, [...] the majority of Arab intellectuals are primarily addressing the cultural challenges of globalization and the ways in which local identities are affected.” (Hamzawy 2006, 52). Dieses Zitat zeigt, dass nicht nur ökonomische Faktoren der Globalisierung in der Arabischen Welt[1] eine Rolle spielen, sondern besonders ihre kulturelle Dimension stark thematisiert wird.

Prozesse interkulturellen Austauschs sind seit Jahrtausenden Teil der Menschheitsgeschichte. Die Verbreitung neuer Technologien und Transportmittel hat diese Entwicklung intensiviert und zu einer Komprimierung von Zeit und Raum geführt (Heidrich 1999, 27). Häufig ist die Rede davon, dass damit eine kulturelle Homogenisierung bzw. die Entwicklung einer „neuen Weltkultur“ verbunden sei (Beynon/ Dunkerley 2000, 13, 22). Die Beschleunigung der weltweiten Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen führt jedoch auch dazu, dass kulturelle, ethnische und religiöse Identitätsmerkmale an Bedeutung gewinnen (Fürtig 2001, 41).

Die Arabische Welt ist eine Region, die besonders stark von der Globalisierung betroffen ist: “Nowhere are those costs and benefits [of globalization] as evident as in the Arab world” (Hudson 2006, 148). Der Globalisierungsprozess wurde hier von „außen“, d.h. von den USA und Europa initiiert und die arabischen Länder hatten selbst wenig Kontrolle über seinen Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche. Die Perspektive der Globalisierung in der Arabischen Welt ist somit eine ganz andere als im „Westen“. Welche kulturellen Auswirkungen hat die Globalisierung in den arabischen Ländern? Wie werden diese von arabischen Intellektuellen bewertet? Diese Fragen sollen im Folgenden untersucht werden.

Um eine Innenperspektive der arabischen Debatte über die kulturelle Globalisierung zu liefern, wurden möglichst viele übersetzte Werke arabischer Autoren für diese Arbeit herangezogen.[2] Obwohl innerhalb der arabischen Länder Unterschiede bezüglich der Auswirkung und des Umgangs mit der kulturellen Globalisierung bestehen, lassen sich eine gemeinsame Entwicklung und ähnliche Positionen feststellen. Im Folgenden soll somit versucht werden, ein Gesamtbild der Region darzustellen.

Im zweiten Kapitel wird die ihr zu Grunde liegende Definition von Globalisierung und Kultur und die kulturelle Dimension der Globalisierung dargelegt. Danach wird im dritten Kapitel die Ausgangssituation in der Arabischen Welt vorgestellt, die für das Verständnis der Bewertung der Auswirkungen der kulturellen Globalisierung nötig ist. Dabei wird auf die politische und ökonomische Marginalisierung der Arabischen Welt und auf den Einfluss der US-amerikanischen Autoren Fukuyama und Huntington auf die arabische

Globalisierungsdebatte eingegangen. Im vierten Kapitel geht es um die kulturellen Auswirkungen der Globalisierung im Arabischen Raum. Hier sollen exemplarisch der Einfluss der neuen Technologien und die Auswirkung der Globalisierung auf die Veränderung der Geschlechterrollen dargestellt werden. Im Anschluss daran werden im fünften Kapitel die wichtigsten arabischen Positionen gegenüber der kulturellen Globalisierung vorgestellt. Diese reichen von der Kritik an der Amerikanisierung und Gefährdung der arabischen Identität über den Entwurf einer muslimischen

„Gegenglobalisierung“ bis hin zu einer selektiven Aneignung. Die Arbeit wird durch eine Zusammenfassung abgerundet.

2. Globalisierung und ihre kulturelle Dimension

2.1 Begriffsbestimmungen Globalisierung und Kultur

Michael Hudson definiert Globalisierung als “increasing levels of interdependence over vast distances along economic, cultural, environmental, and political dimensions.” (2006, 149). Die Welt wird in einer Zeit, in der alle Lebensbereiche zunehmend weltweit vernetzt werden, als “global village” betrachtet. Die Globalisierung hat somit dazu geführt, das Bewusstsein der Welt als ein Ganzes zu schaffen (Scheffler 1999, 51). Es wird allgemein anerkannt, dass der Globalisierungsprozess weit reichende Auswirkungen für alle Staaten der Welt hat. Der emiratische Politikwissenschaftler Abdulkhaleq Abdulla beschreibt diesen Prozess als “new era in human history” und “mighty and decisive force that is shaping events and creating new social realities on world scale.” (2006, 180).

Es existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, ab welchem Zeitpunkt man von Globalisierung sprechen kann. Manche Autoren setzen ihren Beginn mit der ersten Ölkrise im Jahr 1973 gleich, andere mit dem Ende des Kalten Krieges 1991 (Hengsbach 2000). Die Intensivierung der Globalisierung und die Entstehung einer „neuen Weltordnung“ wird als Folge des Zusammenbruchs des bipolaren Weltsystems und der zunehmenden Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gesehen (Abdulla 2006, 182, 185). Die vorliegende Arbeit befasst sich hauptsächlich mit der Phase ab 1990, in der sich die Globalisierung stark beschleunigt hat (vgl. Hudson 2006, 149). Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Debatte ab 1998, da in diesem Jahr die ersten arabischsprachigen Veröffentlichungen zum Thema Globalisierung erschienen (Hamzawy 2003, 173).[3] Der Globalisierungsprozess und seine Wahrnehmung unterliegen sehr schnellem Wandel. Diese Arbeit deckt den Zeitraum bis 2008 ab, da die arabische Globalisierungsdebatte danach, durch die neue US- Regierung, die stärker auf die Arabische Welt zugeht, und innerarabische Ereignisse,[4] in eine neue Phase eintritt.

Aus kultureller Sicht kann die Globalisierung als “the growth and enactment of world culture” definiert werden (Boli/ Thomas zit. n. Ayish 2003, 20). Es existiert eine Vielzahl an Definitionen des Begriffes „Kultur“. Für diese Arbeit relevant ist einerseits ihr Verständnis als System von Werten und Normen, die die Mitglieder einer Gesellschaft im Laufe ihrer Sozialisation erwerben und die für alle verbindlich gelten. Andererseits sind die damit verbundenen kulturellen Praktiken, die über den Konsum kultureller Güter wie Musik und Filme bis hin zu sozialen Geschlechterrollen reichen, von Bedeutung.

2.2 Kulturelle Dimension der Globalisierung

Immer mehr Menschen kommen heute in den direkten Kontakt mit anderen Kulturen und kaum eine Gegend der Welt bleibt heute von der globalen Konsum- und Medienkultur unberührt. David Held stellt fest, “[that] there is no historical equivalent of the global reach and volume of cultural traffic through contemporary telecommunication, broadcasting and transport infrastructures” (zit. n. Beynon/ Dunkerley 2000, 17). Die globale Mobilität von Personen, Gütern und Ideen führt dazu, dass kulturelle Grenzen zunehmend brüchig werden (Scheffler 1999, 44). Gesellschaften, die früher weitgehend isoliert voneinander existierten, stehen jetzt gezwungenermaßen in ständigem Kontakt miteinander (Fürtig 2001, 36). Die kulturellen Effekte der Globalisierung wirken sich bis in unseren persönlichen Alltag hinein aus, indem sie unsere Wertvorstellungen und unser Handeln beeinflussen (Ayish 2003, 21).

2.3 Auswirkungen kultureller Globalisierung

Es gibt unterschiedliche Sichtweisen darüber, wie sich die kulturelle Globalisierung auswirkt. Die einen sehen sie als fortschrittlich und befreiend an, die anderen dagegen als bedrohlich, und lokale Kulturen zerstörend (Beynon/ Dunkerley 2000, 22). Viele Autoren vertreten die These, dass die Globalisierung zu einer kulturellen Homogenisierung und zur Entstehung einer einheitlichen Weltgesellschaft führt (Scheffler 1999, 45). Sie gehen davon aus, dass kulturelle Unterschiede durch globale Güter, Ideen und Institutionen verdrängt werden: “Cultural identities are transformed [...] and are, in part, superseded by the developement of a transnational ‘world culture’.” (Scheffler 1999, 44) Dieser Prozess der kulturellen Konvergenz wird häufig mit Verwestlichung bzw. Amerikanisierung gleichgesetzt. Vertreter dieser Position kritisieren, dass weltweit eine Verbreitung und Idealisierung des US- amerikanischen Lebensstils stattfindet, der zur Zerstörung lokaler Kulturen und Traditionen führt (Beynon/ Dunkerley 2000, 22). Wie verbreitet die Furcht vor dieser Entwicklung ist, zeigt sich daran, dass in allen arabischen Ländern Bemühungen existieren, die eigene religiöse Identität und Kultur zu stärken, um kultureller Entfremdung entgegenzuwirken (Doumato/ Pripstein Posusney 2003, 5).

Die Gegenposition dazu ist die Theorie, dass die Globalisierung eine kulturelle Heterogenisierung mit sich bringt. Es wird argumentiert, dass sie zur Zunahme von kulturellen Unterschieden auf lokalem Niveau führen kann (Randeria 1999, 20). Amr Hamzawy betont, dass der Fluss globalisierter Kulturgüter nie einseitig ist, sondern diese ständig dekonstruiert und in multiplen lokalen Kontexten rekonstruiert werden (1999, 208). Ihre vielfältige Verbreitung führt somit zu heterogenen sozialen und kulturellen Einflüssen. Lokale Diskurse über globale kulturelle Symbole und Botschaften können den Weg für eine kreative Interaktion mit den Globalisierungskräften führen (ebd., 208). Andere Vertreter der Heterogenisierungstheorie wie Samuel Huntington sehen als Folge der Globalisierung eine kulturelle Spaltung der Weltgesellschaft, die mit interkulturellem Konflikt verbunden ist (Ayish 2003, 21).

Eine dritte Gruppe von Autoren kommt zu dem Schluss, dass die kulturelle Globalisierung weder zu einer vollkommenen Homogenisierung noch zu einer gänzlichen Heterogenisierung führt. Sie sind der Ansicht, dass dies vielmehr ein dialektischer Prozess ist, der beide Elemente beinhaltet (ebd., 21). John Beynon und David Dunkerley heben die wechselseitige Dynamik zwischen dem Globalen und dem Lokalen und die Komplexität ihrer Interaktion hervor (2000, 24). Einerseits werden globale Produkte wie Hollywood-, Bollywoodfilme und Popmusik weltweit konsumiert. Andererseits werden diese in der

Aufnahmekultur jedoch „indigenisiert“ und verändern ihre Bedeutung entsprechend den lokalen Werten (ebd., 24). Der Globalisierungsforscher Roland Robertson führte für diesen Prozess den Begriff „Glokalisierung“ ein und setzte dadurch einen Gegenpol zum gängigen Homogenisierungsdiskurs (Robertson 1994). Ulf Hannerz zufolge dominiert zwar der Fluss kultureller Güter vom Zentrum zur Peripherie,[5] die Beziehungen zwischen den verschiedenen Regionen sind jedoch komplexer und der Kulturaustausch findet in verschiedenen Richtungen statt (zit. n. Ayish 2003, 20f.). Das Ergebnis dieser beiden Prozesse wird somit gleichzeitig als kulturelle Vereinheitlichung und Ausdifferenzierung interpretiert.

Die dargestellten Positionen dominieren den öffentlichen Diskurs über die kulturellen Auswirkungen der Globalisierung. Im Verlauf dieser Arbeit wird sich zeigen, dass auch die Reaktionen arabischer Intellektueller von diesen Erklärungsmustern geprägt sind.

3. Ausgangssituation in der Arabischen Welt

Um die Situation, in der der jetzige Globalisierungsprozess und die arabische Debatte darüber stattfinden, besser einordnen zu können, ist eine Darstellung der Ausgangssituation in der Arabischen Welt hilfreich. Dazu wird im Folgenden kurz auf den politischen und wirtschaftlichen Hintergrund und den Einfluss der amerikanischen Autoren Fukuyama und Huntington auf die arabische Globalisierungsdebatte eingegangen.

3.1 Politische und wirtschaftliche Marginalisierung

Die Beziehung zwischen der Arabischen Welt und Europa in der jüngsten Vergangenheit ist durch die Kolonialisierung der meisten arabischen Länder durch europäische Mächte geprägt.[6] Erst in den 1970er Jahren erlangten die letzten arabischen Staaten, nach über 100 Jahren wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Unterdrückung, ihre Unabhängigkeit.[7] Auch nach dem Ende der Kolonialzeit blieb der Einfluss der europäischen Mächte groß und in der Arabischen Welt bestand weiterhin die Auffassung, keine gleichberechtigte Rolle in der internationalen Politik zu spielen (Fürtig 2001, 30).

[...]


[1] In dieser Arbeit werden damit die Mitgliedsländer der Arabischen Liga bezeichnet, in denen mehrheitlich arabisch gesprochen wird. Sie umfassen die nordafrikanischen Maghrebstaaten, die Maschrekländer und die Golfstaaten. Der Begriff „Naher Osten“, der häufig für die Arabische Halbinsel und den Maschrek gebraucht wird, ist ein eurozentrisch geprägter Begriff und wird deshalb im Folgenden nicht verwendet (vgl. Hanafi 2000, 1).

[2] Die Autorin dieser Arbeit hat selbst ein dreiviertel Jahr in Syrien gelebt und verfügt somit über grundlegende Arabischkenntnisse. Um aus Originalquellen zitieren zu können, wäre jedoch ein längeres Studium nötig gewesen. Im Folgenden werden somit nur die wichtigsten arabischen Begriffe gemäß dem Internationalen Phonetischen Alphabet angegeben.

[3] Vor allem der vom Beiruter “Center For Arab Unity Studies” herausgegebene Sammelband, „Die Araber und die Globalisierung“, hatte einen großen Einfluss auf die arabische Globalisierungsdebatte (Al-Hûlî 1998).

[4] Im März 2008 wurde in Dubai mit dem Burj Khalifa das momentan höchste Gebäude der Welt fertig gestellt. Damit ist der Anspruch der arabischen Golfstaaten verbunden, selbst eine Führungsrolle im modernen Globalisierungszeitalter zu übernehmen und den Westen sogar zu überholen.

[5] Arabische Intellektuelle kritisieren an diesem Konzept, dass der Westen sich für das „Zentrum“ der Welt hält und alle nichtwestlichen Kulturen der „Peripherie“ zuordnet (Fürtig 2001, 38).

[6] Auch die Türken beherrschten Jahrhunderte lang die Arabische Welt, für die aktuelle Bewertung der Globalisierung ist dagegen der koloniale Einfluss des Westens von größerer Bedeutung.

[7] Zwischen den einzelnen Staaten existieren deutliche Unterschiede, bezüglich Dauer und Ausmaß des europäischen Einflusses. Saudi-Arabien konnte erfolgreich seine Souveränität wahren, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Katar wurden dagegen erst 1971 unabhängig.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die kulturelle Globalisierung der Arabischen Welt
Untertitel
Auswirkungen und Bewertung aus arabischer Sicht
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Veranstaltung
Globalisierung
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
24
Katalognummer
V164536
ISBN (eBook)
9783640795697
ISBN (Buch)
9783640795963
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Globalisierung, Arabische Welt, Kulturelle Globalisierung
Arbeit zitieren
Susanne Held (Autor:in), 2010, Die kulturelle Globalisierung der Arabischen Welt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164536

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