Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Wer waren die Ritter?
1.2 Herleitung des Begriffes
1.3 Entwicklung des Rittertums
2. Wie wurde man zum Ritter?
3. Was versteht man unter dem höfisch-ritterlichen Ethos?
4. Wie zeigt sich der ritterlich-höfische Ethos im Erec?
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Einleitung
Diese Arbeit befasst sich mit dem Rittertum. Es wird der Frage nachgegangen, wer die Ritter waren, Dies wird, wie in der Forschung üblich, erstens anhand der begrifflichen Entwicklung des Wortfelds „Ritter“ dargestellt und anschließend kulturhistorisch anhand der spätantiken bis mittelalterlichen Fortentwicklung vom Krieger zum Ritter. Anschließend wird dargelegt, wie man als junger Adliger zum Ritter wurde, das heißt welche Ausbildungsschritte man durchlaufen musste, um ein Ritter zu werden. Ein ganzes Kapitel wird den Tugenden der Ritter gewidmet. Insbesondere interessiert hierbei die Frage, was man unter dem höfisch-ritterlichen Ethos versteht. Das Hauptaugenmerk liegt schließlich auf dem höfisch-ritterlichen Ideal in der Literatur des Mittelalters und zwar im Erec. Anhand von Textausschnitten aus Erec wird das literarische Ritterideal aufgezeigt.
1. Wer waren die Ritter?
Im Folgenden wird das Rittertum zweigeteilt betrachtet. Zuerst wird der Begriff erläutert, anschließend die historische Entwicklung hin zum Rittertum.
1.2 Herleitung des Begriffes.
Josef Fleckenstein, der Althistoriker, hat in seinem grundlegenden Aufsatz „Über den engeren und weiteren Begriff von Ritter und Rittertum (miles und militia)“ dargelegt, wie sich mit dem Begriff auch das Bild des Ritters wandelte. Sein Ansatz ist dabei philologischer Natur. Miles bezeichnete zuerst nur den einfachen Krieger und war als Begriff auch dieser Schicht vorbehalten. Ab dem 9. Jahrhundert wird dem Begriff miles der Begriff vassus und vasallus zugeordnet, was eine Abgrenzung zu miles und rusticus, Krieger und Bauer, bedeutet. Seit dem 11. Jahrhundert gibt es neben miles auch ministerialis (vor allem im deutschsprachigen Gebiet). Ministeriales bilden zusammen mit den nobiles die militia. Nobiles gehören dabei dem niederen und mittleren Adel an, nicht der höchsten Schicht den principes. Milita sind also kleiner und mittlerer Adel und ministeriales zusammen - das versteht man unter dem engeren Ritterbegriff. Beide Gruppen haben im wesentlichen die gleichen Funktionen. Beide sind zu Dienst verpflichtet. Wenn man die principes noch dazurechnet, gelangt man zum erweiterten Ritterbegriff, der ab der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts Gültigkeit besitzt. Die Akzeptanz der Bezeichnung miles für die principes führt Fleckenstein auf das in der Kreuzzugsbewegung enstandene Bild des miles Christi zurück. Das bedeutet eine Aufwertung des Kriegers. Es entsteht eine Standesethik der Ritter (miles), dahinter steht das christliche Leitbild. Dazu gehört der Schutz der Witwen und Waisen und der Dienst für Gott.Der mittelhochdeutsche Begriff ritter korrespondiert mit dem engeren miles Begriff.
1.3 Entwicklung des Rittertums
Das Rittertum entwickelte sich aus Vorstufen, diese Vorgeschichte, die nicht geradlinig verlief, soll hier erläutert werden. Vorgänger des Ritters ist in jedem Fall der Krieger, wobei Ritter ein umfassenderer Begriff ist und nicht nur die Tätigkeiten des Kriegers beinhaltet. Fleckenstein nimmt in seiner Herleitung der Entwicklung des Rittertums Bezug auf ethnologische Forschung und stellt fest, dass in der Frühzeit der Krieger nur zeitweise ein Krieger war, da er gleichzeitig ein Bauer war. Zur Zeit der Völkerwanderung entstand kurzzeitig eine Gruppe von reinen Kriegern, die aber nach der Landnahme wieder zu Bauern wurden.[1] Fleckenstein hält es für legitim, die Betrachtung des Rittertums eng an die Entwicklung im Reich der Franken anzulehnen, da dieses Reich bestimmend für alle übrigen in Europa wurde.[2] Die Zuordung der Krieger wurde verändert. Der Rahmen wird durch den Herrschaft des Königs gesteckt und nicht mehr durch den Stamm (gens ). Fleckenstein hierzu: „Für die Zuordnung ist wesentlich, dass die älteren, kleineren Einheiten zwar fortbestehen, aber den jüngeren, größeren untergeordnet sind, nämlich die Sippe der gens (dem „Stamm“), die gens dem Volk, das seinerseits der Idee nach zusammen mit dem König das Reich verkörpert.“[3] Eine wichtige Stellung nahm in jedem Fall der Adel ein, der zusammen mit den freien Bauern das Heer bildete; ausgeschlossen waren die Unfreien, die nicht nur dem Sachrecht unterlagen.
Allerdings ist zu beachten, dass noch unter Karl dem Großen die Adligen kein eigener Stand waren, Karl selbst erklärte, dass es nur Freie und Unfreie gebe und sonst nichts. Damit werden die Adligen zu den Freien gezählt und stehen damit auf einer Stufe mit den freien Bauern.[4] Allerdings haben gerade zu seiner Zeit die Adligen einen enormen Machtzuwachs erzielt, der diese Auskunft Karls des Großen erst nötig machte. Aus der Sicht der Heeresentwicklung betrachtet, ist der Zuwachs der Reiterei ein wichtiges Faktum der Entwicklung. In der Zeit Karls des Großen wurde die Belastungen im Heeresdienst immer größer, da die Entfernungen Zunahmen. Die Freien, die ihre Felder zu bestellen hatten, konnten durch die längere Abwesenheit in wirtschaftliche Bedrängnis geraten. Der Abstand zwischen Adel und Freien wurde größer, gleichzeitig entstand innerhalb der Freien die Gruppe der Armen.[5] Durch die Heeresreform Karls des Großen entstand eine neue Gruppe: die Besitzer eines Lehens. Diese waren wirtschaftlich durch das Lehen gut gestellt und mussten in jedem Kriegsfall ausrücken. Die allgemeine Wehrpflicht der Freien blieb zwar erhalten, allerdings mit speziellen Regeln für die Armen, die teilweise davon entbunden wurden. Aus den Inhabern von Lehen entstand eine neue spezialisierte Gruppe - die schweren Panzerreiter - die Vorläufer der Ritter. Noch unter Karl dem Großen entstand die Gruppe der Vasallen, die sich durch den Besitz von Lehen und kriegerische Verpflichtungen auszeichneten. Da die Adligen auch Vasallen an sich banden, entwickelte sich eine Gruppe von Vasallen und Untervasallen, die sich gegenseitig verpflichtet waren; selbst die Kirche wurde in dieses System integriert.[6] Fleckenstein schreibt über das moderne Heer Karls des Großen:
„Die Schlagkraft des Heeres bestimmte nicht mehr die große Schar der leichten Reiterei, also die freien Gefolgsleute (ingenui in obsequio), die drei oder vier Hufe besaßen und zum berittenen Kriegsdienst verpflichtet waren, sondern die Inhaber von mindestens zwölf Hufen, zu deren voller Bewaffnung als kostbarstes Ausrüstungsstück die Brünne gehörte. Es handelte sich also um die Panzerreiter, die bereits seit Karl dem Großen sozusagen als „Vollkrieger“ den Kern des karolingischen Heeres repräsentierten.“
Wichtig für die Entwicklung des Rittertums ist die Übernahme des Lehnswesens durch die Normannen, die England eroberten und sich auch in der Normandie und weiten Teilen Europas niederließen. Sie sind diejenigen, die dafür sorgen, dass die Burg Zentrum des Ritterwesen wird. Sie steht für „den Übergang vom Krieger- zum Rittertum“[7]
Fleckenstein datiert den Wandel vom Krieger- zum Rittertum auf das 10. Jahrhundert und macht den Wandel an Rüstung und Burg fest. Er betont aber, dass es keinen präzise bestimmbaren Zeitpunkt dafür gibt. Bedeutend für den Wandel ist auch das Selbstverständnis der Ritter.[8] Im 10. und 11. Jahrhundert sorgte die Kirche für einen Wandel im Selbstverständnis. Sie sorgte für das Ende von Plünderungen und Verwüstungen sowie die Verpflichtung zum Schutz der Schutzbedürftigen.
„Denn in dem Moment, als die Schutzpflicht in ihr Selbstverständnis einging, ließen sie die Stufe der bloßen Krieger hinter sich und traten, indem sie als Frucht der Gottesfriedensbewegung ihre eigensüchtigen Interessen mit den kirchlichen Forderungen in Einklang zu bringen suchten, immer eindeutiger als Ritter hervor.“[9]
Dass Ritter mehr waren als bloße Krieger, zeigt sich auch am höfisch-ritterlichen Ethos, der Mittelpunkt dieser Betrachtung sein soll. Doch vorab interessiert die Frage, wie man zum Ritter wurde.
2. Wie wurde man zum Ritter?
An die Aufgaben des Rittertums wurden die Knaben schon in ihrer frühen Kindheit herangeführt. Ein Ritter zu werden, bedeutete eine Ausbildung zu durchlaufen. Die erste Einübung ritterlicher Fähigkeiten begann bereits in der Kindheit durch das Spielen mit dazu geeignetem Spielzeug sowie eine Grundunterweisung in geistigen Fähigkeiten durch einen Lehrmeister, einen magister litterae. Die jungen Söhne der Adligen wurden im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren an einen fremden Hof oder den Hof eines Verwandten geschickt, um dort sowohl körperlich zu trainieren als auch die höfisch-ritterliche Kultur zu erlernen. Ein Knabe, der Ritter werden wollte, wurde zuerst zum Knappen. Dabei hat der Begriff mehrere Bedeutungen und kann sowohl einen Adligen als auch einen Bediensteten bezeichnen. Im Folgenden wird damit der in der meist mehrjährigen Ausbildung befindliche Knabe bezeichnet. Zur Ausbildung zum Ritter gehörte neben dem Umgang mit Waffen und Pferden, auch das Erlernen von Jagdtechniken, zum Beispiel der Umgang mit Beizvögeln und Hunden. Das Erlernen sozialer Tugenden, der so genannten curiales disciplinae, mittelhochdeutsch hövescheit, zählte auch hinzu. Wichtige soziale Tugenden sind: Freigebigkeit (milte), Heiterkeit (hilaritas), Liebenswürdigkeit (iucunditas) Leutseligkeit (affabilitas) Schönheit (elegantia), rechtes Maß (mâze), Beständigkeit (staete) und Sanftmut (manusetudo).[10]
Durch die so genannte Schwertleite, d.h. die feierliche Umgürtung mit dem Schwert als Zeichen der erlangten Ritterwürde, wurde ein Knappe zum Ritter. Joachim Ehlers beschreibt eine solche Zeremonie, die vorzugsweise zu besonderen kirchlichen Hochfesten wie Pfingsten, Ostern und Weihnachten oder Heiligentagen, wie die von Johannes dem Täufer oder dem heiligen Michael, stattfanden:
„Als der fünfzehnjährige Graf Gottfried von Plantagenêt von Anjou im Jahre 1128 am Vorabend seiner Hochzeit mit Mathilde, der Tochter König Heinrich I. von England, in Rouen zum Ritter erhoben wurde, nahm er zunächst ein Bad, danach bekleidete man ihn mit einer Tunika aus weißem, golddurchwirkten Stoff, einem purpurnen Obergewand und seidenen Schuhen, die mit goldenen Löwen verziert waren. So ausgestattet, geleitete man ihn vor den König. Dort wurde ihm ein Pferd zugeführt, man legte ihm eine Rüstung und goldene Sporen an, hängte einen mit Löwen bemalten Schild über seine Schulter und versah ihn mit Helm, Lanze und einem Schwert aus der Schatzkammer des Königs.“[11]
Ehlers geht dabei auch auf den symbolischen Gehalt dieses Initiationsritus ein. Die Deutung hat er von dem katalanischen Dichter, Philosophen und Theologen Ramon Lull, auch bekannt als Raymundus Lullus (verstorben circa 1316), übernommen:
„Demnach stand das Bad für die reinigende Kraft der Taufe, das weiße Gewand für die Forderung nach Reinheit des Körpers, das rote für die Pflicht, zum Schutz der Kirche notfalls sein Blut zu vergießen, die goldenen Sporen für die Bereitschaft, schnell wie ein angesporntes Schlachtroß den Geboten Gottes zu folgen; das Schwert mit den zwei Schneiden sollte zur Verbindung von Gerechtigkeit und Treue mahnen. Wie in den Krönungsliturgien hatten alle Gegenstände zeichenhaften Charakter, und sie waren mit Pflichten verbunden.“[12]
3. Was versteht man unter dem höfisch-ritterlichen Ethos?
In dem Kapitel über die Ausbildung der jungen Ritter wurde bereits auf das höfisch-ritterliche Ethos, welches Teil der Ausbildung war, verwiesen. Hier soll nun detailiert darauf eingegangen werden. Dabei hilft die Betrachtung des Begriffs „höfisch“. Der Begriff war selbst Frucht der höfischen Gesellschaft im 12. Jahrhundert, dort kommt er zum ersten Mal vor. Der älteste Beleg für die mittelhochdeutschen Wörter hövesch und kubisch steht in der Kaiserchronik. Dort ist von höfischen Damen die Rede. Das Abstraktum hövescheit erscheint um 1170 in König Rother. Auch an dieser Stelle geht es um den Umgang mit Damen. Im 13. Jahrhundert werden die Begriff zum, so Joachim Bumke, „Programmwort“. Er schreibt:
„„Höfisch“ wurde zum Programmwort für ein Gesellschaftsideal, in dem äußerer Glanz, körperliche Schönheit, vornehme Abstammung, Reichtum und Ansehen mit edler Gesinnung, feinem Benehmen, ritterlichen Tugenden und Förmmigkeit verbunden waren.“[13]
Zentraler Mittelpunkt dieser höfischen Kultur war der höfische Ritter, der neben höfischer Kleidung und Umgangsformen auch eine höfische Gesinnung an den Tag legte. Bumke betont den ideologischen Charakter des Wortes.[14]
Zum höfisch-ritterlichen Ethos gehören die folgenden Eigenschaften: êre (Ehre), hövescheit (Höflichkeit), milte (Freigebigkeit), zuht (Zucht), vreude (Freude), staete (Beständigkeit), triuwe (Treue), vuoge (Erzogensein, feine Bildung), dienstbarkeit (seinen Dienst angemessen erfüllen), mâze (das rechte Maß halten), hilaritas (Heiterkeit), iucunditas (Liebenswürdigkeit), affabilitas (Leutseligkeit), elegantia (Schönheit) und manusetudo (Sanftmut).
[...]
[1] Vgl. dazu: Josef Fleckenstein: Rittertum und ritterliche Welt, Berlin 2002, S. 26ff.
[2] Vgl. dazu: ebd., S. 28.
[3] Ebd., S. 29.
[4] Vgl. dazu: Ebd, S. 32.
[5] Vgl. dazu: Ebd., S. 34f.
[6] Vgl. dazu: Ebd,, S. 40ff.
[7] Ebd., S. 77.
[8] Vgl. dazu: Ebd., S. 108.
[9] Ebd., S. 109f.
[10] Vgl. dazu: Thomas Zotz: Ritterliche Welt und höfische Lebensformen, in: Josef Fleckenstein: Rittertum und ritterliche Welt, Berlin 2002, S. 190ff.
[11] Joachim Ehlers: Die Ritter, München 2006, S. 59.
[12] Ebd., S. 59f.
[13] Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 1986, S. 80.
[14] Vgl. dazu Bumke: Höfische Kultur, S. 81.