Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2 Problemstellung
1.3 Forschungsfragen
2 Qualitätsmanagement und Dienstleistungen
2.1 Dienstleistungen
2.2 Qualitätsmanagement
2.3 Qualität
2.4 Dienstleistungen und Sachgüter
3 Qualitätsmanagement für Dienstleistungen
3.1 Konzepte
3.2 Strategische Überlegungen
3.3 Dienstleistungsspezifische Anforderungen
3.4 Optimierungsmöglichkeiten
3.5 Umsetzung und Controlling
4 Fazit
1 Einleitung
Diese Arbeit behandelt das Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Obwohl Qualitätsbewusstsein schon immer ein Teil von Zivilisation gewesen ist und auch die jüngste Geschichte des Qualitätsmanagements weit in das Zeitalter der industriellen Revolution zurückreicht (vgl. Masing/Pfeifer/Schmitt 2007: S. 16), ist es aufgrund nachfolgend aufgeführter Gründe sinnvoll zu untersuchen, ob die aktuellen qualitätsbezogenen Überlegungen und Systeme in Theorie und Praxis den Besonderheiten des Dienstleistungsbereichs gerecht werden.
1.1 Aufbau der Arbeit
Im Sinne einer wissenschaftlichen Vorgehensweise wird dazu zuerst in diesem einführenden Kapitel die zugrunde liegende Problematik erläutert und in zentralen Forschungsfragen ausge- drückt. Diese dienen als Grundlage für eine zielgerichtete Verarbeitung der Aufgabenstellung und werden im weiteren Vorgehen schrittweise untersucht. Dabei wird der Theorieteil der Arbeit im zweiten Kapitel Qualitätsmanagement und Dienstleistungen zunächst einen Überblick über die Begrifflichkeiten und die geschichtliche Entwicklung geben, sowie die Besonderheiten von Dienstleistungen explizit hervorheben. Im praktischen Teil des dritten Kapitels Qualitätsmana- gement für Dienstleistungen werden anhand der festgestellten Besonderheiten die veränderten und zusätzlichen Anforderungen an entsprechende Qualitätsmanagementsysteme aufgestellt. Diese dienen hingegen als Basis für die anschließenden konzeptionellen Überlegungen, wie ein Qualitätskonzept demnach ausgestaltet werden sollte bzw. welche wesentlichen Bausteine da- für notwendig sind. Die Arbeit soll demnach nicht nur dem Anspruch einer wissenschaftlichen Vorgehensweise der zu untersuchenden Thematik und Fragestellung genügen, sondern schließ- lich auch konkrete und logisch nachvollziehbare Schwerpunkte beim Umgang mit Dienstleis- tungsprodukten definieren und - zumindest im Ansatz - Lösungsvorschläge für eine sinnvolle Ausgestaltung dieser bieten. Im Fazit werden die Ergebnisse der Untersuchung kurz resümiert.
1.2 Problemstellung
Dienstleistungen wurden lange Zeit in der volks- und betriebswirtschaftlichen Theorie vernach- lässigt. Dies ist auf die lange Zeit vorherrschende Meinung zurückzuführen, dass ausschließlich materielle Güter die Bedürfnisse der Subjekte in einer Marktwirtschaft befriedigen können bzw. ausschließlich bei materiellen Endprodukten überhaupt von produktiver Arbeit gesprochen wer- den könne (vgl. Corsten 2007: S. 19). Der Fokus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre wur- de so auf Unternehmungen der physischen Produktion gelegt und die Erforschung der analog existierenden Dienstleistungsproduktion zeitweise und - angesichts der auffälligen Heterogeni- tät dieses Wirtschaftssektors - spezifisch versäumt, sodass bis heute nicht einmal einheitliche Begriffsbestimmungen existieren (vgl. Maleri/Frietzsche 2008: S. 4 u. Haller 2001: S. 5).
Der Dienstleistungssektor erlebt außerdem seit mehreren Jahrzehnten einen deutlichen Auf- schwung in der zunehmend globalisierten und ökonomischen Welt (vgl. Haller 2001: S. 1 u. Corsten 2007: S. 1ff.). Es wurde also nicht nur ein Wirtschaftssektor in der Forschung weit- gehend ausgeklammert, welcher in der Regel den Höhepunkt seiner individuellen Betrachtung in den Standardwerken während der einleitenden Unterteilungen der Wirtschaftszweige erfährt (vgl. Wöhe 2002: S. 15 u. Maleri/Frietzsche 2008: S. 1), sondern eine ganze Entwicklung mit ihren Auswirkungen übersehen. Im Bereich der Produktqualität führte dies zur offensichtlichen Konsequenz, dass angesichts Diskussionen um Servicewüsten in Dienstleistungsunternehmen ein Nachholbedarf im Bereich des Qualitätsmanagements vorliegt (vgl. Bruhn 2009: S. 6).
Die Entwicklung und Anpassung von grundlegenden und weiterführenden Theorien und Konzepten im Bereich der Dienstleistungen entspricht also nicht einem äquivalenten Niveau wie bei den klassischen Produktionszweigen. Der Bedarf ergibt sich hierbei jedoch aufgrund der teilweise deutlich zunehmenden Bedeutung der betroffenen Wirtschaftszweige (i.e. Handel, Banken, Versicherungsgesellschaften, Verkehr, Gaststättengewerbe, Beratungs- und Gesundheitswesen, Unterricht, Kunst, Unterhaltung und Sport (vgl. Maleri/Frietzsche 2008: S. 11)) wie von selbst, sodass die Forschung in diesem Bereich intensiviert werden muss.
Ein Beispiel hierfür ist mit Sicherheit die nach den Paragraphen §135a und §136 im Sozial- gesetzbuch Teil V ab 01.01.2010 geltende neue Verpflichtung zum Qualitätsmanagement nun- mehr sogar in Arztpraxen, welche so den bereits verpflichteten Kliniken und Versorgungszen- tren nachziehen müssen. Die Stiftung Warentest bemängelt hierbei in einem Test von vier bun- desweit in Arztpraxen eingesetzten Systemen die nur rudimentäre Anpassung an die entspre- chenden Anforderungen vor Ort, sodass z.B. die Aufklärung der Patienten über ihren gesund- heitlichen Zustand und die darauf aufbauenden möglichen Behandlungsmethoden mit Vor- und Nachteilen bei allen Systemen unberücksichtigt bleibt (vgl. Stiftung Warentest 2009: S. 87).
Eine deutliche Vorstellung der eigentlichen Qualität eines Wirtschaftsguts ist die zwingende Voraussetzung, um ein folgerichtiges Qualitätsmanagement davon ableiten zu können. Demnach ist die Untersuchung der veränderten und neuen Qualitätsdimensionen eines Dienstleistungsprodukts im Vergleich zu einem materiellen Produkt der Ausgangspunkt der Untersuchungen. Der genaue Verlauf ist den nachfolgenden Forschungsfragen zu entnehmen.
1.3 Forschungsfragen
Um dem Anspruch eines adäquaten Qualitätsmanagementsystems für Dienstleistungsunternehmen gerecht zu werden, bedarf es der Lösung folgender zentraler Forschungfragen, die in den weiteren Kapiteln schrittweise ausgewertet werden und logisch aufeinander aufbauen:
1. Was unterscheidet Dienstleistungen von klassischen Produkten?
2. Welche Unterschiede sind für das Qualitätsmanagement von Bedeutung?
3. Welche neuen Qualitätsdimensionen bei Dienstleistungen sind zu beachten?
4. Wie sind sämtliche Anforderungen an das Qualitätsmanagement zu priorisieren?
5. Ist es möglich ein bestehendes Qualitätsmanagementsystem an die neuen Anforderungen anzupassen oder bedarf es einer Neukonzeption speziell für Dienstleistungsunternehmen?
2 Qualitätsmanagement und Dienstleistungen
In diesem Kapitel werden die wesentlichen theoretischen Grundlagen der Thematik eingeführt, erklärt und voneinander abgegrenzt. Die Absicht ist dabei dem Leser die ausschlaggebenden Unterschiede zum Dienstleistungsprodukt aufzuzeigen und ihn so in Vorbereitung auf das an- schließende Kapitel zu sensibilisieren. Ebenfalls wird Qualitätsmanagement insofern einge- führt, indem die bisherige Entwicklung und moderne Methoden vorgestellt werden, und zuletzt auch die Notwendigkeit einer dienstleistungsspezifischen Anpassung verdeutlicht wird.
Obgleich es bei der Thematik an Literatur nicht mangelt und gleichzeitig die Erforschung in den Bereichen mittlerweile sehr aktiv ist, bergen diese Umstände auch Erschwernisse. Aufgrund der teilweise rasanten Entwicklung ohne bereits fest etabliertes Vokabular, ist es zu Beginn sehr mühsam einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu gewinnen. Ähnliche und gleiche Begriffe, welche aber aufgrund unterschiedlicher Erscheinungsjahre und Autoren semantisch differieren oder auch verschiedene Methoden und Konzepte, deren Alleinstellungs- merkmale sich erst nach intensiverer Recherche offenbaren, erschweren das Verständnis. Der Schwerpunkt im folgenden Theorieteil liegt deswegen auf dem aktuellen Stand der Wissen- schaft, während der geschichtliche Abriss nur als Hilfestellung für den Leser gedacht ist.
Folgende Auflistung der einzelnen Unterkapitel, welche Inhalt und logische Abfolge verdeut- licht, soll der Übersichtlichkeit der Struktur und Gegenstand des aktuellen Kapitels dienen.
- Dienstleistungen
In diesem Unterkapitel wird der Begriff Dienstleistung mit Inhalt gefüllt, i.e. eine Defini- tion, die wesentlichen Charakteristika und Unterschiede zu anderen Wirtschaftsgütern.
- Qualitätsmanagement
Die Entwicklung des Qualitätsmanagements von Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute sowie die verschiedenen Tendenzen des Qualitätsbewusstseins werden vorgestellt.
KAPITEL 2. QUALITÄTSMANAGEMENT UND DIENSTLEISTUNGEN
- Qualität
Verschiedene Sichtweisen und Dimensionen der in der heutigen Zeit gebräuchlichen und somit aktuellen Qualitätsbegriffen werden kurz vorgestellt und verglichen.
- Dienstleistungen und Sachgüter
Der vorherige Qualitätsbegriff für Sachgüter wird auf die Anwendbarkeit bei Dienstleistungsprodukten hin überprüft und dementsprechend ergänzt bzw. gekürzt.
2.1 Dienstleistungen
Dienstleistungen sind unter Einsatz externer Produktionsfaktoren für den fremden Bedarf pro- duzierte immaterielle Wirtschaftsgüter. Bei der in der Volkswirtschaftslehre gängigen sektora- len Gliederung stellen Dienstleistungen die tertiäre Art der Produktion dar, welche sich von der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft sowie Jagd und Fischerei) im primären Sektor und der ver- und bearbeitenden Sachgüterproduktion im sekundären Sektor im Wesentlichen durch den Einsatz der Produktionsfaktoren unterscheiden, da es nicht zum Einsatz eines betriebsinternen Produktionsfaktors Rohstoff kommt (vgl. Maleri/Frietzsche 2008: S. 5, 11ff.).
Diese weit gefasste Definition von Dienstleistungen vereint Wirtschaftsgüter aus den unter- schiedlichsten Wirschaftsbereichen und Branchen, welche vom einfachen Haarschnitt bis hin zur lebensbegleitenden Berufsunfähigkeitsversicherung reichen, wie der Aufzählung auf Seite 6 zu entnehmen ist. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass dienstleistungsangepasste Theorien und Konzepte nur sehr allgemein und abstrakt gehalten werden können, da die Vielfältigkeit von Dienstleistungen eine detaillierte Sicht ohne vorherige gegenseitige Abgrenzung und Systematisierung einzelner Merkmale nicht zulässt (vgl. Corsten 2007: S. 31ff.).
Obgleich Dienstleistungen wie Handel oder Transport als Begleiterscheinung anderer Produkti- onsformen sowie auch andere reine Dienstleistungsgewerbe schon immer ein Teil der geschicht- lichen Entwicklung der Produktionswissenschaften gewesen sind, ist eine Anerkennung dieser Leistungen als wertschöpfender Beitrag erst sehr spät erfolgt. Erst zu Beginn des 19. Jahrhun- derts wurde der Mehrwert einer Sache von der nutzenstiftenden Eigenschaft für den jeweiligen Anwender und dessen Bedürfnisbefriedigung abhängig gemacht und so von der klassischen Be- trachtung eines materiellen Zuwachses des Eigentums auf die Leistungen immaterieller Natur ausgeweitet. Somit wurde der Produktionsbegriff entmaterialisiert (vgl. Rück 2000: S. 72).
Neben der Immaterialität gibt es jedoch noch weitere ausschlaggebende Kriterien, die für eine Dienstleistung gleichwohl charakterisierend wie auch erforderlich sind. So muss eine Dienst- leistung im wirtschaftswissenschaftlichen Sinne zwingend für den fremden Bedarf produziert werden, um so ein Dienstleistungsprodukt von anderen unternehmensinternen Leistungen und Abläufen abgrenzen zu können. Durch diese bedarfsbezogene Produktion wird ebenfalls deut- lich, dass Dienstleistungen nicht wie andere Güter auf Vorrat produziert werden können. Noch deutlicher wird der Unterschied zur Sachgüterproduktion bei Betrachtung der eigentlichen Leis- tungspflicht des Dienstleistungsunternehmens. Die vorwiegend rechtliche Regelung betrachtet als Dienstleistung die Verrichtung und nicht das Ergebnis einer Arbeit. Das Eintreten des er- hofften Erfolgs beim Kunden als Absicht für den Vertragsabschluss ist damit jedoch unabhängig vom eigentlichen Produkt zu betrachten (vgl. Maleri/Frietzsche 2008: S. 5ff.).
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass aufgrund dieser Mehrdimensionalität von Dienst- leistungen die bereits angesprochene sektorale Unterteilung der Volkswirtschaft nicht immer eindeutig ist. Zwar hat sich mittlerweile die Anschauung nahezu durchgesetzt, dass sämtliche immateriellen Wirtschaftsgüter dem dritten Sektor zuzusprechen sind, doch gibt es besonders infolge neuerer Entwicklungen ebenfalls Leistungsformen, welche zwar der immateriellen aber nicht der kundenbezogenen Eigenschaft von Dienstleistungen genüge tun, wie z.B. Software- Produkte. Ob die Einführung eines quartären Sektors dieses Problem hinreichend lösen könnte, ist Gegenstand aktueller Überlegungen in der Forschung (vgl. Maleri/Frietzsche 2008: S. 13).
Damit sind die wesentlichen Charakteristika von Dienstleistungen benannt und erläutert. Als für diese Arbeit wesentlichen Teil bedarf es jedoch noch der Feststellung und Erläuterung der qualitativen Aspekte von Dienstleistungen, die nach dem folgenden Kapitel im direkten Ver- gleich mit materiellen Produkten vorgestellt werden. Aus didaktischen Gründen erfolgt jedoch zunächst die Einführung der Begriffe Qualitätsmanagement und Qualität im Allgemeinen.
2.2 Qualitätsmanagement
Qualität ist ein Wettbewerbsfaktor. Neben Kosten und Zeit ist Qualität heutzutage von hoher Bedeutung, um langfristige Kundenbeziehungen aufbauen und halten zu können (vgl. Pfeifer 2001: S. XXV). Die Qualität eines Produktes ist von mehreren Dimensionen abhängig, die an Ausprägung und Bedeutung zwischen verschiedenen Wirtschaftsgütern variieren können. Die- se Definition ist sehr knapp gehalten, doch reicht sie an dieser Stelle aus, um die Anfänge des Qualitätsmanagements verstehen zu können. Denn unabhängig von der detaillierten Interpretation des Qualitätsbegriffs, ist die für den Unternehmer wesentliche Eigenschaft die des Wettbewerbfaktors. Dieser Umstand hat sich auch in der geschichtlichen Entwicklung nicht geändert. Inwieweit jedoch das Konstrukt Qualität im letzten Jahrhundert im Laufe dieser Entwicklungsstufen mit Inhalt gefüllt wurde, wird im nächsten Kapitel genauer dargestellt.
Qualitätsmanagement ist der Oberbegriff aller Maßnahmen und Bestrebungen, um die Qualität der produzierten Waren eines Unternehmens zu verbessern (vgl. Pfeifer 2001: S. 50). In vie- len Branchen ist Qualitätsmanagement bereits seit vielen Jahren gesetzlich vorgeschrieben und ein Fortschreiten dieser Entwicklung ist zu erwarten. Beispielhaft sollen nun die wesentlichen Meilensteine in der Geschichte des Qualitätsmanagements dem Leser näher gebracht werden.
Als logischer Beginn der Betrachtung sei hier die Zeitspanne der Industrialisierung gewählt. Es ist anzunehmen, dass in den vorangegangen gesellschaftlichen Epochen das notwendige Qua- litätsbewusstsein für eine bestimmte Art der Produktion stets mit der Weitergabe des entspre- chenden Handwerks fest verbunden war und erst durch die Einbindung von ungelernten Fabrik- arbeitern in den Produktionsprozess eine unabhängige Qualitätssicherung notwendig wurde.
Das Verständnis um die Qualität eines Produkts fehlte zu dieser Zeit jedoch nicht nur im Produktionsprozess selbst, sondern war auch in der Betriebsführung nur sehr rudimentär ausgebildet. Im Glauben der Nachfrage des Marktes zu entsprechen, wurden die Produktionen ausschließlich auf Quantität ausgerichtet, während der Qualitätsaspekt eines Produktes nahezu unbeachtet blieb. Eine nähere Differenzierung der eigentlichen Kundenbedürfnisse fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts deswegen noch nicht statt (vgl. Zollondz 2006: S. 85).
Trotzdem wird der Anfang des Qualitätsmanagements im Taylorismus gesehen, welcher bereits während der Jahrhundertwende in den Farbikhallen etabliert wurde. Frederick Winslow Taylor hatte keine direkten Absichten die Qualität der Produkte zu erhöhen, sondern versuchte Leis- tungssteigerungen in der Produktion zu erzielen. Taylor ging es dabei nicht um einzelne punk- tuelle Verbesserungen, sondern um die Reform des Unternehmens in seiner Gesamtheit. Durch die systematische Analyse der bestehenden Fertigungsstufen, gezielte Planung und Schulung der Mitarbeiter für kleine Teilaufgaben davon, sowie mit der anschließenden Umsetzung mit notwendigen Anreizsystemen sorgte er jedoch neben einer effizienteren Produktion nach quan- titativen Maßstäben auch ganz automatisch für eine geringere Fehlerhäufigkeit. Obwohl aus heutiger Sicht der Begriff Taylorismus negativ konnotiert ist, darf man angesichts der jeweils sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht verkennen, dass die theoretischen Grundla- gen des Scientific-Managements von Taylor auch für moderne Qualitätsmanagementsysteme
2.2. QUALITÄTSMANAGEMENT
weiterhin von Bedeutung sind. (vgl. Zollondz 2006: S. 60ff.). Man erkennt an diesem Beispiel ebenfalls gut, dass Qualität und Quantität keine konkurrierenden Größen sein müssen.
Auch die darauf folgenden nach den Firmengründern benannten Produktionsverfahren Fordis- mus und Toyotismus waren nicht aufgrund innovativer Erfindungen oder neuer Verfahren so bemerkenswert erfolgreich, sondern haben ihre neue Effizienz aus der zweckmäßigen Kombi- nation und Verbesserung verfügbarer Technologien gewinnen können. Während jedoch im Tay- lorismus durch die genaue Einteilung der Arbeitsschritte die Produktion selbst beeinflußt wur- de, haben die Autobauer Ford und speziell Toyota (Kaizen) bewiesen, dass auch die Anpassung von Verfahren rund um die Produktion zu Effizienzsteigerungen und geringeren Fehlerhäufig- keiten führen kann; dass ein gutes Qualitätsmanagement also wesentlich weiter reichen kann und muss, als nur auf das jeweilige Produkt bezogen. Eine funktionierende Sozialpartnerschaft zu den Arbeitnehmern für Umsetzung und vor allem auch Mitgestaltung der Qualitätsbestre- bungen, sowie Kostenreduktionen ohne Qualitätseinbußen im Produktionsablauf sind ebenfalls erstrebenswerte Bestandteile im Qualitätsmanagement (vgl. Zollondz 2006: S. 71ff.).
Einen mathematischen Beitrag zur Qualitätssicherung lieferte Walter A. Shewhart im Jahr 1931. Durch das Erheben von Stichproben über den gesamten Produktionsprozess verteilt, war es erstmals möglich bereits einzelne Fertigungsstufen statt ausschließlich das fertige Endprodukt qualitativ auszuwerten. Technische Erzeugnisse sind in den seltensten Fällen genau gleich, son- dern streuen in einem gewissen Bereich. Die Ursachen dafür werden unter der Bezeichnung 5 M zusammengefasst, die für Mensch, Maschine, Methode, Material und Milieu steht (vgl. Timischl 2007: S. 31). Durch die Erhebung von Stichproben innerhalb der Produktion kön- nen die beobachteten Mittelwerte mit den Sollwerten verglichen und der Produktionsprozess bei Bedarf direkt korrigiert werden. Erzeugnisse außerhalb der zulässigen Bereiche werden da- bei sofort aus der Produktionslinie entfernt; dazu wird die obere bzw. untere Eingriffsgrenze überlicherweise durch die zulässige Standardabweichung Sigma (σ) definiert. Diese Statisti- sche Prozessregelung ist heute eine weltweit eingesetzte Methode bei der Überwachung von Fertigungsprozessen zur Qualitätsprüfung und -sicherung (vgl. Zollondz 2006: S. 77f.).
Fortgeführt wurde diese Entwicklung von William Edwards Deming, einem Schüler Shewharts. Er erlangte nicht nur Popularität durch die Verbreitung der Lehren Shewharts, welche nach dem zweiten Weltkrieg durch ihn besonders in Japan auf eine breite Resonanz gestoßen sind, son- dern wurde durch seine eigenen Theorien selbst zum Wirtschaftspionier. Deming entwickelte die prozessorientierte Sicht einer Unternehmung, setzte die Bedürfnisbefriedigung des Kunden an die Spitze des Qualitätsbegriffs und vertrat darüber hinaus noch völlig neue Grundsätze im Managementverständnis. Ergebnisse seiner Arbeit waren die Demingsche Reaktionskette, der Demingkreis und die 14 Managementregeln (mit Ergänzungen) (vgl. Zollondz 2006: S. 84ff.). Während die Statistische Prozessregelung Shewharts also auf eine gezielte Verbesserung der einzelnen Teilerzeugnisse in der Produktion abzielte, hat Deming eine Umorientierung des Managements gefordert und den Qualitätsbegriff eines Produkts allgemein erweitert.
Auch die Gleichsetzung von Qualität und Perfektion ist oftmals erfolgt. Die Statistische Pro- zessregelung wurde als Basis mehrerer Null-Fehler-Strategien übernommen und darin ausge- baut. Unabhängig vom Kostenaspekt - da die finanziellen Auswirkung von unerkannten Feh- lern exponentiell im Entwicklungs- und Produktionsprozess ansteigen - sind diese Programme besonders für sicherheitsrelevante Branchen von besonderer Bedeutung. Nach den ersten Be- strebungen in dieser Richtung vom US-Verteidigungsministerium in den 60er Jahren, folgte in den 80er Jahren die Methodik Six Sigma (6σ) und wurde nach ersten Erfolgen im Konzern Ge- neral Electric weltweit populär. Erneut steht hier das Sigma für die Standardabweichung und definiert hier eine zulässige Fehlerwahrscheinlichkeit von 3, 4ppm (vgl. Pfeifer 2001: S. 30ff.). Herkunft und Bezeichnung der Methode Six Sigma dürfen jedoch nicht darüber täuschen, dass die Möglichkeiten der enthaltenen Toolbox weit über die Qualitätssicherung in der Produktion hinaus läuft. Stattdessen wurden hier in einer der ersten Lösungen die Aspekte Verbesserung in Produktqualität und im Management sinnvoll vereint, so dass dieses Qualitätsmanagementsys- tem bis heute eingesetzt und weiterentwickelt wird; darunter auch im Dienstleistungssektor.
Dieser geschichtliche Abriss hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird jedoch deutlich, wie das Bewusstsein der Produktqualität und das dazugehörige Management teilweise unab- hängig voneinander entwickelt und erst in jüngerer Geschichte zusammengeführt wurden.
Diese unterschiedlichen Perspektiven der Qualität in einem Unternehmen sind auch noch heute auszumachen. Bereits gegen Ende der 80er Jahre wurden auf Grundlage verschiedener nationa- ler Standards die ersten europäischen Normen für Qualitätssicherung von der Internationalen Organisation für Normung herausgegeben. Das Erfüllen der ISO-9000-Normenreihe ist heutzu- tage für Zulieferbetriebe in vielen Branchen nahezu eine Pflicht, um auf dem Markt anerkannt zu werden, und Zertifizierungen werden dementsprechend oft vorgenommen. Obgleich in die- sen allgemeingültigen Normen keine branchen- oder produktbezogene Wegweiser stehen (kön- nen), sondern lediglich Gestaltungshinweise und allgemeine Forderungen an Qualitätsmanage- mentsysteme, ist die Ausrichtung des Qualitätsbegriffs hier trotzdem auf das fertige Produkt zu sehen. Da die Zertifizierungen als Aushängeschild des Unternehmens vermarktet werden, sind die inneren Zustände im Unternehmen deswegen nicht zwingend optimal, und die Bedeutung für den jeweiligen Kunden oft höher als für den Mitarbeiter. Die Vielfalt an zu beachtenden Forderungen kann dabei sogar zu Effizienzminderungen führen, die im Sinne der Zertifizierung jedoch billigend in Kauf genommen werden (vgl. Pfeifer 2001: S. 70f.).
Im Kontrast dazu steht die Auffassung des Qualitätsmanagementsbegriffs als Unternehmensphi- losophie, wie sie durch intern ausgerichtete Methoden und Lösungen verfolgt wird und dadurch einen deutlichen Schritt weiter als die ISO-Normen geht. Neben Six Sigma ist hier der Ober- begriff Total-Quality-Management zu benennen. Unter dieser Überschrift finden sich sehr viele Beispiele für solche Konzepte wieder und eine genaue Abgrenzung untereinander ist oft auch gar nicht möglich. Übergreifend bleibt einzig der Anspruch zur Qualitätsorientierung des Ma- nagements, welcher schon aus Demings 14 Punkte-Programm beispielhaft deutlich wird (vgl. Bruhn 2009: S. 70f.). Aufgrund dieser Tatsache findet beim TQM auch keine externe Zertifizie- rung, sondern lediglich eine interne Selbstbewertung als Erfolgskontrolle statt.
Die Auswahl an solchen Qualitätsmanagementsystemen ist sehr groß und eine entsprechende Entscheidung sollte auf Basis einer bestmöglichen Anpassung an die vorherrschenden Bedürfnisse der jeweiligen Produktion getroffen werden. Welche Bedürfnisse und Anfordernisse dies bei Dienstleistungen im Allgemeinen und Speziellen sind und ob diese durch gängige Konzepte und Normen abgebildet werden, ist Gegenstand von Kapitel 3.
Qualität ist in der ISO-Norm 9000 wie folgt definiert: „Vermögen einer Gesamtheit inhärenter Merkmale eines Produktes, Systems oder Prozesses, zur Erfüllung von Forderungen von Kun- den und anderen interessierten Parteien.“ (DIN 2005). Es wurde bereits festgestellt, dass diese Definition besonders den Qualitätsanspruch aus Kundensicht unterstreicht, dementsprechend produktbezogen und zuletzt auch sehr eindimensional ist. Unabhängig von den weiteren An- forderungen an ein Qualitätsmanagement im Sinne einer Unternehmensphilosophie, benötigen wir auch an dieser Stelle für den nachfolgenden Vergleich von Produkten und Dienstleistungen einen expliziteren Qualitätsbegriff als er durch die ISO-Norm bereitgestellt wird. Verschiede- ne Spezifizierungen sind in der Literatur vorzufinden. Nach Thomas Perfi wäre eine Untertei- lung nach Protective Quality und Perceived Quality möglich, welche wieder eine Unterteilung in objektive Merkmale und subjektive Empfindung verfolgt (vgl. Masing/Pfeifer/Schmitt 2007:
S. 378ff.) und somit die ISO-Definition immerhin um eine rein technische Größe ergänzt.
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