Betrachtet man die politische Kommunikation in einer Demokratie, stößt man auf die Rolle der Medien. Diese prägen wesentlich den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, da sie von der Bevölkerung als zentrale Informationsquelle genutzt werden. Wenn man davon ausgeht, dass eine Funktion der Medien in einer Demokratie darin besteht, den Bürgern Informationen in Form von Nachrichten zur Verfügung zu stellen, ergeben sich grundlegende Fragen. Zum einen, wie wirklichkeitsgetreu Nachrichten sind und sein können. Und zum anderen, wie ein Ereignis seinen Weg in die Nachrichten findet. Diese Fragen sowie Untersuchungen zum Thema sollen im Folgenden beleuchtet werden.
Essay:
Nachrichtenfaktoren
Betrachtet man die politische Kommunikation in einer Demokratie, stößt man auf die Rolle der Medien. Diese prägen wesentlich den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, da sie von der Bevölkerung als zentrale Informationsquelle genutzt werden. Wenn man davon ausgeht, dass eine Funktion der Medien in einer Demokratie darin besteht, den Bürgern Informationen in Form von Nachrichten zur Verfügung zu stellen, ergeben sich grundlegende Fragen. Zum einen, wie wirklichkeitsgetreu Nachrichten sind und sein können. Und zum anderen, wie ein Ereignis seinen Weg in die Nachrichten findet. Diese Fragen sowie Untersuchungen zum Thema sollen im Folgenden beleuchtet werden.
Grundlegende Überlegungen zur Wahrnehmung von Ereignissen
Erstmals weist der amerikanische Journalist Walter Lippmann 1922 in seinem Buch „public opinion“ darauf hin, dass es dem Menschen nicht möglich ist, die Wirklichkeit vollständig zu erfassen. Der Mensch nimmt Ereignisse daher selektiv wahr und kann auch nur Ausschnitte der Wirklichkeit wiedergeben. Diese Erkenntnis überträgt Lippmann auf Journalisten und journalistische Publikationen. Bei der Produktion und Publikation von Nachrichten erfolgt ein Auswahlprozess, welcher für eine Veröffentlichung oder ein Nichterscheinen der Nachricht verantwortlich ist. Da es nicht möglich ist, alle Ereignisse des Tages zu publizieren und zu vermitteln, findet eine Selektion statt. Lippmann führt den Begriff „news value“, Nachrichtenwert, ein. Darunter versteht er Ereignismerkmale, die die Publikationswahrscheinlichkeit eines Ereignisses bestimmen.
Beginn der Nachrichtenwertforschung
Eine erste empirische Untersuchung zur Nachrichtenselektion führt 1925 Charles Merz durch. Er untersucht die zehn wichtigsten Nachrichten (front page stories) der USA des Jahres auf ihre Eigenschaften und erkennt gemeinsame Elemente, die er als journalistische Auswahlkriterien interpretiert: Konflikt, Personalisierung, Prominenz und Spannung. Ein konfliktreiches oder persönliches Ereignis wurde also in allen oder mehreren Zeitungen veröffentlicht, ebenso ein Ereignis, in welches ein Prominenter involviert war oder das besonders spannend schien. Merz veröffentlicht seine Ergebnisse zwar, legt jedoch keine theoretische Fundierung vor.
1965 beginnt die europäische Tradition der Nachrichtenwertforschung. Einar Östgaard, ein norwegischer Friedensforscher, erklärt, dass im internationalen Nachrichtenfluss Verzerrungen bestehen und beschäftigt sich mit den Ursachen und Folgen dieser Verzerrungen. Dafür fasst er zum ersten Mal Ergebnisse verschiedener empirischer Untersuchungen zum Thema zusammen. Er stellt fest, dass neben wirtschaftlichen und politischen noch weitere Faktoren den internationalen Nachrichtenfluss systematisch beeinflussen: Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus.[1] Östgaard erklärt, dass dies kein rein journalistisches Problem darstellt, sondern diese Auswahlkriterien generell im kognitiven System des Menschen angesiedelt sind. Einen einfachen Sachverhalt verstehen Menschen schneller als einen komplizierten, ein Ereignis, mit dem man sich identifizieren kann, ist interessanter als andere und eine Sensation zieht automatisch die Aufmerksamkeit auf sich.
Aufbauend auf den Thesen Östgaards führen die norwegischen Friedensforscher Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge 1965 eine Studie durch. Grundlage dieser Studie sind die Überlegungen, die sowohl Walter Lippmann als auch Einar Östgaard formuliert haben: Der Mensch ist nicht in der Lage, alle Ereignisse wahrzunehmen. Daher benutzt er ein System von Auswahlregeln, um die Informationsflut zu bewältigen. Galtung und Ruge formulieren, aufbauend auf den von Östgaard aufgestellten Kriterien, zwölf Auswahlregeln zur Nachrichtenauswahl, die sie als Nachrichtenfaktoren bezeichnen, zudem fünf Hypothesen, die für die Wirksamkeit der Nachrichtenfaktoren wesentlich sind, also Bedingungen, unter denen diese greifen.[2]
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[1] Vereinfachung: einfache Sachverhalte werden komplexen vorgezogen bzw. komplexe vereinfacht; Identifikation: Nähe des Ereignisse, Status von involvierten Personen, Personalisierung von Nachrichten; Sensationalismus: Unglücke, Konflikte, Klatsch (nach: Michael Kunczik/ Astrid Zipfel: Nachrichtenauswahl. S. 247)
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Essay "Nachrichtenfaktoren"?
Der Essay "Nachrichtenfaktoren" befasst sich mit der Rolle der Medien in der politischen Kommunikation einer Demokratie. Er untersucht, wie Medien die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen, indem sie als zentrale Informationsquelle für die Bevölkerung dienen. Dabei werden grundlegende Fragen aufgeworfen: Wie wirklichkeitsgetreu sind Nachrichten, und wie gelangen Ereignisse überhaupt in die Nachrichten?
Was ist die grundlegende Überlegung zur Wahrnehmung von Ereignissen laut Walter Lippmann?
Walter Lippmann wies bereits 1922 darauf hin, dass es dem Menschen nicht möglich ist, die Wirklichkeit vollständig zu erfassen. Menschen nehmen Ereignisse selektiv wahr und können nur Ausschnitte der Realität wiedergeben. Diesen Auswahlprozess sieht Lippmann auch bei Journalisten und journalistischen Publikationen am Werk.
Was versteht Walter Lippmann unter dem Begriff "news value"?
Lippmann prägte den Begriff "news value" (Nachrichtenwert), womit er Ereignismerkmale bezeichnet, die die Wahrscheinlichkeit einer Veröffentlichung eines Ereignisses bestimmen. Da nicht alle Ereignisse des Tages veröffentlicht werden können, findet eine Selektion statt.
Was hat Charles Merz in seiner Untersuchung zur Nachrichtenselektion herausgefunden?
Charles Merz führte 1925 eine empirische Untersuchung der wichtigsten Nachrichten in den USA durch und erkannte gemeinsame Elemente wie Konflikt, Personalisierung, Prominenz und Spannung als journalistische Auswahlkriterien. Er stellte fest, dass Ereignisse mit diesen Merkmalen häufiger veröffentlicht wurden.
Was trug Einar Östgaard zur Nachrichtenwertforschung bei?
Einar Östgaard begann 1965 die europäische Tradition der Nachrichtenwertforschung. Er erklärte, dass im internationalen Nachrichtenfluss Verzerrungen bestehen und befasste sich mit deren Ursachen und Folgen. Er stellte fest, dass neben wirtschaftlichen und politischen Faktoren auch Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus den Nachrichtenfluss beeinflussen.
Welche Auswahlregeln zur Nachrichtenauswahl formulierten Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge?
Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge formulierten aufbauend auf den Überlegungen von Lippmann und Östgaard zwölf Auswahlregeln zur Nachrichtenauswahl, die sie als Nachrichtenfaktoren bezeichnen. Sie stellten auch fünf Hypothesen auf, die für die Wirksamkeit der Nachrichtenfaktoren wesentlich sind.
Was bedeutet Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus im Kontext der Nachrichtenfaktoren?
Vereinfachung bedeutet, dass einfache Sachverhalte komplexen vorgezogen oder komplexe vereinfacht werden. Identifikation bezieht sich auf die Nähe des Ereignisses, den Status der beteiligten Personen und die Personalisierung von Nachrichten. Sensationalismus umfasst Unglücke, Konflikte und Klatsch.
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- Peggy Zenkner (Author), 2003, Nachrichtenfaktoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165387