Das Bundeskabinett hat am 21.5.2008 den Entwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb beschlossen. Mit diesem wird die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) vom 11.5.2005 (2005/29/EG) ins deutsche Lauterkeitsrecht umgesetzt. Zweck dieser Richtlinie ist nach Art. 1 RL-ULG durch Vollharmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Dieses, in Art. 169 AEUV vorgeschriebene Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus wird in der Richtlinie an mehreren Stellen besonders hervorgehoben und soll durch Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr hinsichtlich Unternehmern und Verbrauchern erreicht werden. Einen Schwerpunkt legt die Richtlinie daher auf den Schutz von Verbrauchergruppen, die aufgrund von geistigen und körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf die Geschäftspraktiken oder die ihnen zugrunde liegenden Produkte besonders schützenswert sind. Wenn durch die Geschäftspraktik voraussichtlich in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das Verhalten nur einer solchen identifizierbaren Gruppe wesentlich beeinflusst wird, wird sie nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP aus der Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe beurteilt. Die vorliegende Abhandlung soll ausgehend vom herrschenden europäischen Verbraucherleitbild und der Funktion des Verbrauchers im Wettbewerb die einzelnen Fallgruppen der schutzbedürftigen Verbraucher interpretieren. In diesem Zusammenhang wird herausgearbeitet, wie deren besonderer Schutz zu rechtfertigen ist, damit bestimmte Verbrauchergruppen nicht nur als schutzbedürftig, sondern auch als schutzwürdig anzusehen sind. Des Weiteren befasst dich die Arbeit mit der Ausgestaltung des Schutzes dieser Verbraucher, wie ihn die Richtlinie in Art. 5 Abs. 3 vorsieht. Abschließend wird auf die materiell-rechtliche Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 der RL-UGP in das deutsche Lauterkeitsgesetz näher eingegangen, wobei besonderes Augenmerk auf die europarechtskonforme Umsetzung vor dem Hintergrund des Zwecks der Richtlinie und der Intention des europäischen Gesetzgebers gelegt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Das (europäische) Verbraucherleitbild
- 1. Begriffsbestimmung
- 2. Die Funktion des Verbrauchers im Wettbewerb
- 3. Anforderungen an den Verbraucher
- 4. Notwendigkeit des Schutzes
- II. Die besonders schutzbedürftigen Verbraucher nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP
- 1. Die besondere Schutzbedürftigkeit
- a. Der durchschnittliche Verbraucher als Maßstab
- b. Differenzierte Ansichten im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der Verbrauchergruppen
- c. Lösungsansätze
- aa. Enge Auslegung des Merkmals der „besonderen Schutzbedürftigkeit“
- bb. Persönliche Defizite als einschränkendes Merkmal
- cc. Die „eindeutige Identifizierbarkeit“ der Verbrauchergruppen
- 2. Fallgruppen schutzbedürftiger Verbraucher
- a. Geistige Gebrechen
- aa. Geistig behinderte Menschen
- bb. Psychische Störungen
- cc. Analphabetismus
- dd. Sprachunkundigkeit
- b. Körperliche Gebrechen
- c. Alter
- aa. Kinder und Jugendliche
- bb. Hohes Alter
- (1) Menschen im Alters- und Pflegeheim
- (2) Unter Betreuung stehende Personen
- d. Leichtgläubigkeit
- aa. Differenzierte Begriffsbestimmungen in der Literatur
- bb. Stellungnahme
- (1) Rentner und Hausfrauen
- (2) Rechtsunkenntnis
- (3) Glaube, Aberglaube und Sektenangehörigkeit
- (4) Übersteigertes Wunschdenken
- (5) Lange Abgeschiedenheit
- a. Geistige Gebrechen
- III. Ausgestaltung des Schutzes besonders schutzbedürftiger Verbraucher nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP
- 1. Der Durchschnittsverbraucher als Maßstab
- 2. Die Abweichung vom Maßstab des Durchschnittsverbrauchers
- a. Die „vernünftige Vorhersehbarkeit“
- aa. Wörtliche Anwendung der Vorschrift
- bb. Verschiedene Interpretationsansätze im Hinblick auf die „Vorhersehbarkeit“
- cc. Stellungnahme
- dd. Zusammenfassung
- b. Die Beeinflussbarkeit des wirtschaftlichen Verhaltens „nur“ einer eindeutig identifizierbaren Gruppe
- a. Die „vernünftige Vorhersehbarkeit“
- IV. Materiell-rechtliche Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 RL-UGP in das deutsche Lauterkeitsrecht
- 1. Die Umsetzung in § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG-E
- 2. Die Umsetzung in § 4 Nr. 2 UWG-E
- a. Weitere Anpassung erforderlich?
- b. Stellungnahme
- 3. Nr. 28 des Anhangs I UWG-E
- a. Regelungszweck der Vorschrift
- b. Regelungsinhalt
- aa. Divergierende Auslegung des Begriffs „Kindes“
- bb. Stellungnahme
- c. Kritik an Nr. 28 des Anhangs I UWG-E
- V. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) in das deutsche Lauterkeitsrecht, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von „besonders schutzbedürftigen Verbrauchern“ nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP.
- Das europäische Verbraucherleitbild und seine Funktion im Wettbewerb
- Definition und Rechtfertigung des besonderen Schutzes für besonders schutzbedürftige Verbrauchergruppen
- Die Auslegung des Begriffs „besondere Schutzbedürftigkeit“ im Kontext von Art. 5 Abs. 3 RL-UGP und dessen Umsetzung in das deutsche Lauterkeitsrecht
- Die Interpretation der einzelnen Fallgruppen von besonders schutzbedürftigen Verbrauchern nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP
- Die materiell-rechtliche Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 RL-UGP in das deutsche Lauterkeitsgesetz, insbesondere in § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG-E und § 4 Nr. 2 UWG-E, sowie die Diskussion um Nr. 28 des Anhangs I des UWG-E.
Zusammenfassung der Kapitel
- **Einleitung:** Die Arbeit stellt den Hintergrund der RL-UGP und ihre Bedeutung für den Verbraucherschutz dar. Zudem wird die Zielsetzung und Struktur der Arbeit erläutert.
- **I. Das (europäische) Verbraucherleitbild:** Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung des Verbraucherleitbildes im deutschen und europäischen Recht, insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Verbrauchers im Wettbewerb und die Notwendigkeit seines Schutzes.
- **II. Die besonders schutzbedürftigen Verbraucher nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP:** In diesem Kapitel wird die besondere Schutzbedürftigkeit von bestimmten Verbrauchergruppen, die aufgrund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf bestimmte Geschäftspraktiken oder Produkte besonders anfällig sind, erörtert. Dabei wird die Auslegung des Begriffs der „besonderen Schutzbedürftigkeit“ im Kontext von Art. 5 Abs. 3 RL-UGP genauer betrachtet und anhand verschiedener Fallgruppen (geistige und körperliche Gebrechen, Alter, Leichtgläubigkeit) verdeutlicht.
- **III. Ausgestaltung des Schutzes besonders schutzbedürftiger Verbraucher nach Art. 5 Abs. 3 RL-UGP:** Dieses Kapitel behandelt die konkreten Schutzmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Verbrauchergruppen, die in Art. 5 Abs. 3 RL-UGP festgelegt sind, insbesondere im Hinblick auf die „vernünftige Vorhersehbarkeit“ der Beeinflussung und die Bedeutung des Merkmals der „eindeutigen Identifizierbarkeit“ der betroffenen Gruppe.
- **IV. Materiell-rechtliche Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 RL-UGP in das deutsche Lauterkeitsrecht:** In diesem Kapitel werden die konkreten Umsetzungsschritte von Art. 5 Abs. 3 RL-UGP in das deutsche Lauterkeitsrecht analysiert, insbesondere in § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG-E und § 4 Nr. 2 UWG-E. Außerdem wird Nr. 28 des Anhangs I des UWG-E, der sich mit dem besonderen Schutz von Kindern beschäftigt, ausführlich diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen des Verbraucherschutzes, des Wettbewerbsrechts, des Lauterkeitsrechts, der RL-UGP, dem Art. 5 Abs. 3 RL-UGP, dem deutschen Lauterkeitsgesetz, dem UWG, besonders schutzbedürftigen Verbrauchern, geistigen und körperlichen Gebrechen, Alter, Leichtgläubigkeit, „vernünftiger Vorhersehbarkeit“, „eindeutiger Identifizierbarkeit“ und dem Schutz von Kindern.
- 1. Die besondere Schutzbedürftigkeit
- Quote paper
- Elisa May (Author), 2008, Die Umsetzung der RL-UGP in das UWG, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165737