Die 'Nicht-Opferung' Isaaks

Genesis 22, 1-19


Dossier / Travail de Séminaire, 2009

11 Pages, Note: 2


Extrait


Uberblick:

Kurzzusammenfassung

In Genesis 22, 1-19 wird Abraham von Gott auf die Probe gestellt. Ziel ist die Prufung der Gottes- furcht Abrahams, sowie dessen Gehorsams und Gottvertrauens - es handelt sich also um eine Glaubensprobe. Abraham befindet sich im Zwiespalt, ist allerdings dazu bereit, Gottes Willen zu folgen und seinen Sohn zu opfern. Da Gott jedoch keine Menschenopfer verlangt, schickt er ei- nen Engel, der Abraham von der Opferung seines Sohnes abhalt und diesen rettet.

Auslegung:

1. Erster Leseeindruck

Bereits am Anfang erfahrt der Leser, dass Gott Abraham auf die Probe stellt. Es lasst sich daher vermuten, dass Abraham seinen Sohn Isaak nicht opfern wird. Dennoch wird Spannung bis ins Unertragliche aufgebaut - opfert Abraham aufgrund seiner Gottesfurcht tatsachlich seinen Sohn, die VerheiRung Gottes? Die Exposition im Bibeltext und die Losung (die ,spate‘ Rettung Isaaks) machen diesen Text zu einem der spannendsten, interessantesten aber auch fragwurdigsten Texte des Alten Testaments.

2. Synchrone Zugangsweise

2.1 Gliederung des Textes Gen 22, 1-3: Gottes Auftrag an Abraham

Gott tritt mit Abraham in Kontakt und beauftragt ihn, ihm seinen Sohn Isaak zu opfern. Im Bibel­text wird das Wort „versuchen“ verwendet. Dies ist ein Anzeichen dafur, dass Gott Abraham auf eine Probe stellt, um dessen Glauben und Gottvertrauen zu prufen. Die Prufung kann jedoch auch so verstanden werden, dass Gott Abraham zeigen will, wie stark dessen Glauben und Got- tesliebe sind.

Gen 22, 3-10: Abraham und Isaak auf dem Weg nach Morijah

Abraham spaltet Holz, das er fur das Brandopfer benotigt und macht sich anschlieRend mit sei- nem Sohn Isaak und zwei Knechten auf den Weg, den Gott ihm befohlen hat. Das letzte Stuck des Weges will er allerdings mit seinem Sohn allein gehen. Isaak wird skeptisch, da sie zwar Holz und Feuer, jedoch kein Brandopfer dabei haben. Vers 7 ist die einzige Tetxstelle, an der Isaak spricht und aktiv wird. Abraham vertraut Gott, was in Vers 8 deutlich wird (Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer). Im weiteren Verlauf des Bibeltextes bleibt der Leser uber die Gefuhle Isaaks im Ungewissen, da er sich passiv verhalt. In Vers 9 und 10 fesselt Abra­ham seinen Sohn und ist bereit, diesen fur Gott zu opfern.

Gen 22, 11-14: Die Rettung Isaaks

Gott schickt einen Engel, der Abraham von der Opferung seines Sohnes abhalten soll, denn Ab­raham hat gezeigt, dass er dazu bereit ist, seinen einzigen Sohn fur Gott zu opfern und hat somit seinen Glauben und seine Gottesfurcht - auch sich selbst - bewiesen. Gott greift nach Abrahams Sohn, seiner Zukunft, und will damit erproben, ob Abraham auch sich selbst preisgeben wurde, so wie er es mit Sara und Hagar getan hat (Vgl. Fischer, 2004, 48). Auch hier bleibt Isaak passiv, denn er halt still, als er geopfert werden soll. Abraham liebt Gott und furchtet ihn und hatte ihm aus diesem Grund seinen Sohn gegeben - innerlich hat er ihn fur Gott bereits geopfert. Anstelle seines Sohnes opfert Abraham dem Herrn dann einen Widder.

Gen 22, 15-18: Die Segnung Abrahams

Da Abraham den Willen Gottes erhorte und diesem gefolgt ist, wird er von Gott als Lohn fur sei­nen Gehorsam und sein Vertrauen gesegnet. Der Engel des Herrn verspricht Abraham Nach- kommen wie Sterne am Himmel und Sand am Meer. Gottes VerheiRung wird in diesen Versen wiederholt und erneuert.

Gen 22, 19: Der Weg nach Beerseba

Abraham kehrt mit Isaak zu den Knechten zuruck. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Beerseba, wo sich Abraham niederlasst.

2.2 Stellung im Kanon

Die Erzahlung von Gen 22, 1-19 ist in die Erzelternerzahlung eingebettet. Ihr voran steht die Ge- burt Isaaks und die Austreibung Ismaels mit seiner Mutter Hagar. Auf Gen 22, 1-19 folgen der Tod Saras und die Hochzeit von Isaak und Rebekka. Gen 22, 1-19 lasst sich so in die Verhei- Rungshorizonte der Erzelternerzahlungen einordnen und befindet sich in etwa in der Mitte des ersten Buch Moses (Vgl. Hardmeier, 2006, 61). Dennoch eroffnet ,,der erste Satz in Gen 22 [...] das Kapitel mit einer unbestimmten Zeitmarke und setzt damit das im Folgenden erzahlte Ge- schehen von den zuvor entfalteten Erzahlzusammenhangen ab“ (Hardmeier, 2006, 6). Mit Gen 22, 1-19 wird also eine neue Erzahlsequenz eingeleitet. Daraus lasst sich schlussfolgern, dass Gen 22, 1-19 im Kanon einen eigenstandigen Erzahlzusammenhang einnimmt und somit eine Texteinheit ist (Vgl. Hardmeier, 2006, 6).

Auffallig ist, dass Vers 12 und 16 einen ahnlichen Wortlaut haben. Hier lasst sich vermuten, dass Vers 12 zu der literarischen Bearbeitung von Gen 22 gehort (Vgl. Hardmeier, 2006, 61f.).

Ebenfalls auffallig sind die vielen Parallelen, die Gen 22, 1-19 zu Gen 21 aufweist. Gott sorgt fur beide Sohne Abrahams: er rettet Isaak und Ismael vor dem Tod und sorgt dafur, dass beide Stammesvater werden. Beide Sohne befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation (Wuste und Opferung), in der ein Elternteil an ihrer Seite ist (Hagar beziehungsweise Abraham), und jedes Mal ist es Gott, der die Sohne rettet (Vgl. Hardmeier, 2006, 67f.).

2.3. Opfer

Die Erzahlung von Gen 22, 1-19 thematisiert den Opferkult. Minha (hebr.) meint eine Gabe, um Gott Verehrung, Dank und Abhangigkeit auszudrucken. Das Opfer ist das Bindeglied zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, also zwischen den Menschen und Gott. Das Opfern ist auch ein heidnischer Kult, um die Gotter zu verehren und sie positiv zu stimmen.

In unserer heutigen Sprache bedeutet Opfer meist Verlust oder Verzicht. Dies trifft auch auf Ab­rahams Situation zu: durch die Opferung verliert er das, was ihm lieb ist - seinen Sohn Isaak. In Gen 22, 1-19 handelt es sich um ein Brandopfer (Vers 6), das Abraham Gott bereiten will. Das Brandopfer wird der Tradition zufolge zunachst gehautet und in seine Teile zerlegt. Das Blut, als Trager des Lebens, wird an den Altar gespritzt und schlieRlich wird das Opfer auf dem Altar ver- brannt. Im Unterschied zum Schlachtopfer wird nicht nur das Blut und das Fett, sondern das gan- ze Tier Gott geopfert. Das Opfertier musste makellos und mannlich sein. Es gab auch Schuld- und Suhneopfer. Bei dieser Art der Opferung legt der Opferherr seine Hand auf das Opfer um symbolisch die Schuld zu ubertragen. Das Opfertier, meist ein Bock (=Sundenbock), wurde an- schlieRend in der Wuste ausgesetzt (Vgl. Zwickel, 2006, 990-993). Gen 22, 1-19 behandelt den Konflikt, dass Gott dazu berechtigt ist, Menschenopfer zu verlangen - es entspricht allerdings nicht seinem Willen (er schickt einen Engel und rettet Isaak). Die Erzahlung zeigt somit, dass Gott keine Menschenopfer verlangt!

2.4 Sprachliche Gestaltung

Gen 22, 1-19 zahlt zu den „formvollendetsten und abgrundigsten [Erzahlungen] der Vatergeschichten" (von Rad, 1981, 189).

Es gibt eine Mehrdeutigkeit in dieser Erzahlung: Die Doppeldeutigkeit des Gottesauftrags, die Aussage Abrahams gegenuber den Knechten, dass er gemeinsam mit Isaak zuruckkommen wird und die Antwort Abrahams auf die Frage Isaaks nach dem Opfertier. Diese Mehrdeutigkeit kann den Leser irritieren: Verlangt Gott ein Menschenopfer, weiR Gott, wie Abraham handeln wird, pruft Gott Abrahams Gehorsam, ist Abraham bereit, Isaak zu opfern oder hat er das gar nicht vor?

Dass Gott keine Menschenopfer verlangt, erfahrt der Leser bereits im ersten Vers von Gen 22, 1­19. Somit kann der Leser darauf hoffen, dass Isaaks Opferung verhindert wird, auch wenn Abra­ham den Auftrag Gottes erfullen wurde. Die potenzielle Spannung der Erzahlung wird bereits im ersten Vers durch die Information, dass Gott Abraham versucht, aufgelost und so hebt der Erzah- ler die eigentliche Spannung - opfert Abraham seinen Sohn? - auf. Allerdings liegt die Spannung nun darin, wie sich Abraham verhalt, wie er mit dem Auftrag seines Herrn umgeht, was letztend- lich mit Isaak geschehen wird und wie sich Isaak verhalt. Fur Gott ist es ein Experiment, denn er will Abrahams Gehorsam und sein Vertrauen prufen. Die Gefuhle und das Innere von Abraham, seine qualenden Gedanken, seine Sorgen und der Zwiespalt, in dem er sich befindet, aber auch Isaaks Gedanken und Gefuhle bleiben dem Leser verborgen - diese Leerstellen konnen vom Leser mit Fantasie gefullt werden, indem er die Situation von Abraham und Isaak nachempfindet, und sie ermoglichen somit unterschiedliche Interpretationen. Bemerkenswert ist in dieser Erzah- lung, dass die Aufmerksamkeit des Lesers eigentlich der Bedrohung und der Rettung Isaaks gel- ten sollte. Da dieser jedoch sehr passiv ist und die Erzahlung damit beginnt, dass Gott Abraham prufen will, wird die Aufmerksamkeit auf Abraham gelenkt um zu erfahren, ob Abraham die Pru- fung bestehen und Gottes Willen folgen wird.

Auffallig ist die Namensanrufung „Abraham!“ und die Antwort ,,Hier bin ich“. Auch auf Isaaks An- rufung ,,Mein Vater!“ antwortet Abraham mit ,,Hier bin ich“ (Gen 22, 7). Abraham antwortet auf seine Namensanrufung stets mit ,,Hier bin ich“ und zeigt damit seine Aufmerksamkeit. Die sich wiederholende Namensanrufung und die Reaktion Abrahams charakterisieren in Gen 22, 1-19 die Gesprachseroffnung. Ebenfalls auffallig sind die Verben sehen und furchten, die oft wieder- holt werden (Vgl. V 7, V 8, V 13, V 14).

Interessant ware fur den Leser gewesen, zu erfahren, wie sich Sara fuhlt, als ihr Sohn mit seinem Vater auf dem Weg zur Opferstatte ist. Der Leser erfahrt nichts uber Saras Gefuhle und er weiR auch nicht, ob Sara von Gottes Auftrag an Abraham wusste - vielleicht hatte sie Abraham an seinem Vorhaben gehindert. Erst in Gen 23 kommt Sara wieder vor, allerdings erfahrt der Leser hier von ihrem Tod.

3. Diachrone Beobachtungen

3.1 Verfasserfrage

Die Verfasserfrage bezuglich Gen 22, 1-19 ist umstritten. Aufgrund der Gottesbezeichnung Elohim, aber auch durch das Rufen des Engels und den sprachlichen Eigentumlichkeiten wird Gen 22, 1-19 der Quelle E (Elohist) zugeschrieben (Vgl. Reventlow, 1968, 21). Auch die „gemuts- tiefe, empfindsame Stimmung der Erzahlung", sowie die „religibse Eigenart mit ihrer Verherrli- chung der hochsten Gottesfurcht und des unbedingtesten Vertrauens in die gottliche Leitung" weisen auf die Quelle E hin (Reventlow, 1968, 21). AuRerdem ist das Motiv der Gottesfurcht ein Argument fur die Elohisten-Zuweisung (Vgl. Steins, 1999, 110).

Allerdings gibt es auch Merkmale des Erzahlstils, die typisch fur die Quelle J (Jahwist) sind. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass es sich bei Genesis 22, 1-19 um eine Quellenmischung von E und J handelt (Reventlow, 1968, 23).

[...]

Fin de l'extrait de 11 pages

Résumé des informations

Titre
Die 'Nicht-Opferung' Isaaks
Sous-titre
Genesis 22, 1-19
Université
University of Kassel
Note
2
Auteur
Année
2009
Pages
11
N° de catalogue
V165944
ISBN (ebook)
9783640817313
ISBN (Livre)
9783640820450
Taille d'un fichier
432 KB
Langue
allemand
Mots clés
Opferung, Isaak, Gottesfurcht, Abraham, Glaubensprobe
Citation du texte
Magdalena Rode (Auteur), 2009, Die 'Nicht-Opferung' Isaaks, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165944

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