Warum Leibniz diese Welt für die beste aller möglichen hielt


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Freiheit und Notwendigkeit menschlichen Handelns

3. Zwei Arten von Vernunftwahrheiten

4. Die beste aller möglichen Welten und das mit ihr verbundene Übel

5. Die Verteidigung

6. Fazit

1. Einleitung

Die folgende Arbeit hat die Beantwortung der Frage zur Aufgabe, wie Leibniz zu der Überzeugung kam, dass diese Welt die beste aller möglichen darstellt - zugrunde liegen Leibniz‘ Theodicée und der der Theodicée angehängte Kurze Abriss der Streitfrage. Die Essays der Theodicée haben die Verteidigung Gottes angesichts des auf der Welt existierenden Elends zum Ziel. Der sich auftuende Widerspruch zwischen der Annahme, dass es einen Gott gebe, der allgütig, allmächtig und allwissend ist und der Beobachtung, dass es Übel, Elend und Sünde auf der Welt gibt, beschäftigte vor Leibniz unter anderem die skeptischen Philosophen. Diese konnten den Widerspruch nicht auflösen und machten ihn zum Argument für einen Agnostizismus. Pierre Bayle, der mit Leibniz in regem Austausch in Bezug auf das Theodicée-Problem stand, ließ Vernunft und Religion in einem Kampf gegeneinander antreten. Nachdem Bayle der Vernunft zunächst die Führung verleiht, sie dann aber schweigen lässt, kann die Religion diesen Kampf für sich entscheiden. Diesen bis dato herrschenden Streit zwischen Religion und Vernunft versucht Leibniz beizulegen und beide in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen. Er zeigt, „daß Gott die Sünde und das Elend hat zulassen und selbst dabei mitwirken und beitragen können, ohne Schaden für seine Heiligkeit und höchste Güte, wenngleich er, absolut gesprochen, alle diese Übel hätte vermeiden können.“[1]

Die Abhandlungen der Theodicée sollen beweisen, dass Gott allwissend, allmächtig und allgütig ist und dennoch mit gutem Grund und vollkommener Vernunft gestattet, dass es das Übel auf der Welt gibt. Einige religiöse Verfechter, die sich vorher diesem Widerspruch widmeten, hatten Gott seine Allwissenheit abgesprochen[2], während andere ihm dermaßen bösartige Absichten unterstellten, dass von einem allgütigen Gott nicht mehr zu sprechen wäre. An einen solchen Gott zu glauben, hat gravierende Auswirkungen, da er nicht nachahmenswert sei. Die der Argumentation zugrunde liegende Logik mutet platonisch an: Auch Platon verbietet es in der Politeia, den Göttern oder Helden tugendloses Verhalten zu unterstellen. Durch derlei Erzählungen sieht er die Tugendhaftigkeit der einfachen Leute in Gefahr, was verheerende Folgen für die Polis nach sich ziehen würde Der Aufbau der vorliegenden Arbeit ist angelehnt an das Fortschreiten des Argumentationsganges in der Theodicée. Sie vereinigt Essays „über die Güte Gottes, über die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Bösen“

2. Freiheit und Notwendigkeit menschlichen Handelns

Leibniz beginnt damit, dass Religion - ausschließlich in Äußerlichkeiten gelebt - ihren Gehalt zu verlieren droht und dass die Frömmigkeit in Gefahr ist, falls die religiösen Zeremonien nicht auf Verinnerlichung abzielen. Die Juden, die Gott als „Quelle des Guten, den Urheber aller Dinge“ betrachten und Urheber des Monotheismus sind, sind „aufgeklärter [...] als alle übrigen Völker“[3]. Durch Jesus ist Gott zum Objekt „unserer Liebe und seelischen Hingabe“[4] geworden, was den Christen einen Ausblick auf die himmlische Seligkeit gegeben hat, da es „doch nichts angenehmeres [gibt], als das zu lieben, was Liebe verdient.“[5] Daraus ergibt sich für Leibniz, dass Gott vollkommen ist, da die Liebe zu etwas oder jemandem gleichbedeutend ist, mit dem sich Erfreuen an dessen Vollkommenheiten Als Denker der frühen Aufklärung spricht Leibniz dem Menschen die Fähigkeit zu ein vernünftiges Leben zu führen und nimmt ihn so in die Verantwortung, sich eben dieser Begabung zu bedienen. Diese Verpflichtung ist begründet durch drei verschieden definierte Schicksalsauffassungen:yatum mohametanum, fatum stoicum und fatum christianum. Anhänger des fatum mohametanum sind der Ansicht, das Vorherbestimmte werde ungeachtet der eigenen Handlungen eintreten. Leibniz bezeichnet diese Auffassung auch als faule Vernunft, da sie den Menschen davon entbindet, sich seiner Vernunft zu bedienen und ihn ausschließlich seinen Neigungen folgen lässt. Das fatum stoicum unterscheidet sich vom fatum mohametanum insofern, als dass es dem Menschen zwar vorschreibt, seinen Pflichten nachzukommen, ihm aber Gelassenheit hinsichtlich der Folgen und der Zukunft gibt. Er hat sich dem zu fügen, was die Notwendigkeit vorschreibt. Ähnlich verhält es sich mit dem fatum christianum, das allerdings einen Schritt weiter geht als das fatum stoicum : Der Mensch muss seinen Pflichten Folge leisten und sich seiner Vernunft bedienen, und darf mit Ruhe und Gelassenheit erwarten was folgt. Denn er weiß, dass er sich der Vorsehung zu fügen hat und ist darüber hinaus zufrieden, weil er weiß, dass sein Gott ein guter Gott ist und die göttliche Vorsehung dem besten Plan folgt. Den Grund dafür, sich einen nachahmens- und liebenswerten Gott vorzustellen, sieht Leibniz darin, dass das Gegenteil bedenkliche Folgen hat, „denn es ist von der größten Bedeutung, daß die Quelle der Frömmigkeit nicht vergiftet wird.“[6]

Wird angenommen, dass es nutzlos ist, nach einem Leben in Tugend zu streben und das Laster zu vermeiden, da ja ohnehin eintritt, was Gott für uns geplant hat, entsteht eine Verwirrung von Ursache und Wirkung. Diese Verkehrung illustriert Leibniz mit einem einfachen Beispiel: Ein vergifteter Trank ist nicht deshalb und dann tödlich, wenn im Vorfeld in einem Buch des Schicksals festgeschrieben wurde, dass es sich so verhält, sondern wenn er Gift enthält und man ihn trinkt. Nimmt man ihn nicht zu sich, dann kann er einen auch nicht töten.[7] Zwar hat Gott die Entscheidung des Menschen vorhergesehen, doch ist die Ursache der Vergiftung die Willensentscheidung des Menschen.[8]

Mit dieser Festlegung entzieht Leibniz der Faulheit ihre Rechtfertigung: Wenn die Ursache für alles auf der Welt darin bestände, dass es im Vorfeld so bestimmt worden ist, dann könnte der Mensch sich ausruhen und ausschließlich seinen Neigungen folgen, ohne selbst Anstrengungen zu unternehmen. Er stände weder in der Verantwortung das Gute und Richtige ausfindig zu machen, noch müsste er es umsetzen. Der Mensch muss jedoch Anstrengungen auf sich nehmen, da seine Entscheidungen das Buch des Schicksals schreiben und nicht das Buch des Schicksals seine Entscheidungen determiniert. Wie das einfache Beispiel des vergifteten Trankes zeigt, führt eine ausschließliche Rückführung alles Geschehenden auf das Schicksal in Absurditäten. Das fatum mohametanum erweist sich als nicht haltbar: „Denn es ist falsch, daß das betreffende Ereignis eintreffen wird, was man auch tun mag; es wird eintreffen, sofern man das tut, was dazu führt, und, wenn das Ereignis in einem Buch des Schicksals verzeichnet steht, so die es bedingende Ursache ebenfalls.“[9]

Diese unterschiedlichen Verknüpfungen von Ursache und Wirkung gehen also in den unterschiedlichen Auffassungen von fatum christianum (das fatum stoicum geht in dieser Hinsicht konform mit dem fatum christianum) und fatum mohametanum auf. Anhänger des ersteren würden aus ihrem Fatalismus heraus daher auch Orte an denen die Pest oder andere existentielle Gefahren herrschen nicht verlassen oder meiden, da sie sich durch ihre falsche Auffassung von Notwendigkeit ganz und gar aus der Sorge für ihre Angelegenheiten entbunden sehen.[10] Während Christen diese offenbaren, nahe liegenden Gefahren meiden, unterwerfen sie sich der faulen Vernunft, wenn es um kompliziertere, weiter in der Zukunft liegende Folgen ihres Handelns geht. Dabei muss die einmal erlangte Einsicht, dass die Anwendung der Vernunft von Nutzen ist, sowohl in einfachen als auch in schwierigen Fällen zum Tragen kommen.[11]

Gott wählt zwar immer das Beste, handelt aber nicht vermöge einer unbedingten Notwendigkeit. Die Naturgesetze halten die Mitte zwischen notwendigen Wahrheiten und willkürlichen Beschlüssen.[12] In letzteren, die der Freiheit angehören und geschuldet sind, gibt es immer auch eine Unentschlossenheit im Sinne einer Kontingenz, wobei der Vergleich der zur Auswahl stehenden Möglichkeiten notwendig zur Favorisierung der besseren Möglichkeit führt. Gott wählt aus mehreren Möglichkeiten nicht willkürlich, sondern immer die eindeutig beste aus Diese Überzeugung untermauert Leibniz‘ Annahme einer im Voraus von Gott angelegten Harmonie und den Gedanken, dass alles einer göttlichen Ordnung folgt, die der Mensch nicht in ihrer Allweisheit zu überblicken im Stande ist. Diese Harmonie entspringt dem freien Willen Gottes, der sie aufgrund seiner eigenen Vollkommenheit nur bestmöglich hat anlegen können. Sie folgt somit nicht der unbedingten Notwendigkeit.[13] Sie bezieht sich auf die Abstimmung der Substanzen untereinander: Zum einen sind durch die göttliche Planung die Seelen und die Körper bereits im Vorfeld perfekt aufeinander abgestimmt. Daraus jedoch zu schließen, es gebe eine wechselseitige Beeinflussungen der Substanzen ist Leibniz zufolge ein Trugschluss:[14]

Es gibt nicht Ödes, nichts Unfruchtbares, nichts Totes in der Welt, kein Chaos, keine Verwirrung, außer einer Scheinbaren, ungefähr wie sie in einem Teiche zu herrschen schiene wenn man aus einiger Entfernung eine verworrene Bewegung und sozusagen ein Gewimmel von Fischen sähe, ohne die Fische selbst zu unterscheiden.[15]

3. Zwei Arten von Vernunftwahrheiten

Leibniz unterscheidet Vernunftwahrheiten von denen, die der Erfahrung bzw. dem Glauben entspringen, indem er zunächst die Vernunft einteilt in die verkettende und die reine Vernunft: „Die in der Verkettung der Wahrheiten bestehende Vernunft hat ein Recht, auch die Wahrheiten zu verknüpfen, welche ihr die Erfahrung geliefert hat, um daraus gemischte Schlüsse zu ziehen, aber die reine und bloße Vernunft, die von der Erfahrung deutlich unterschieden ist, hat es nur mit den Wahrheiten zu tun, die von den Sinnen unabhängig sind.“[16]

[...]


[1] Gottfried Wilhelm Leibniz: Philosophische Werke in vier Bänden, Bd. 4: Versuche in der Theodicée über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels. Übers. v. Artur Buchenau. Hamburg 1996, S.18

[2] Ebd., S.14: „Die Sozinianer und Konrad Vorstius neigen nach dieser Seite hin, und Thomas Bonartes“

[3] Ebd., S. 4

[4] Ebd., S. 5

[5] Ebd

[6] Ebd., S. 8

[7] Vgl. ebd., S. 12

[8] Gott weiß zwar im Vorfeld, ob man sich für oder gegen das Getränk entscheidet und so ist also vorhergesehen, was eintreten wird. Die Kausalität für die Tod durch das Getränk ist dennoch das zu sich nehmen und nicht die Vorhersehung

[9] Theodicée, S. 12f

[10] Vgl. ebd., S. 8

[11] Vgl. ebd., S.11

[12] Vgl. ebd., S. 18

[13] Vgl. ebd., S. 34

[14] Vgl. ebd., S. 24

[15] Schriftzug in leuchtenden Lettern am Historischen Museum in Hannover

[16] Theodicée, S. 33f

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Warum Leibniz diese Welt für die beste aller möglichen hielt
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V166509
ISBN (eBook)
9783640826308
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
warum, leibniz, welt
Arbeit zitieren
Veronika Harder (Autor:in), 2010, Warum Leibniz diese Welt für die beste aller möglichen hielt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166509

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