Die 68er-Bewegung gilt bis heute als Inbegriff studentischer Auflehnung und gesellschaftlicher Erneuerung. Häufig wird angenommen, der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) habe durch seine Proteste maßgeblich zur Demokratisierung der Hochschulen beigetragen. Die vorliegende Studie hinterfragt diese verbreitete Annahme, indem sie den Einfluss des SDS auf die Hamburger Hochschulgesetzgebung zwischen 1967 und 1969 untersucht. Hamburg bildet dabei ein besonders aufschlussreiches Untersuchungsfeld, da die dortige Reform als erste umfassende Hochschulgesetzgebung der Bundesrepublik gilt und zugleich von einem Spannungsfeld aus Protest, Dialog und Radikalisierung geprägt war. Methodisch folgt die Arbeit einem quellen- und diskursanalytischen Ansatz. Auf Grundlage authentischer Originalzeugnisse – darunter Flugblätter, Senatsprotokolle, AStA-Schriften, SDS-Denkschriften und zeitgenössische Presseberichte – wird die Wirkmacht des SDS entlang einer eigens entwickelten analytischen Tetrade operationalisiert: mediale Sichtbarkeit, interne Handlungsfähigkeit, institutionelle Kooperation und Gestaltungsmacht. Ergänzend erfasst die Kategorie der passiven Wirkmacht die ideelle und diskursive Einflussdimension. Sekundärliteratur aus Zeit-, Bildungs- und Ideengeschichte bildet den theoretischen Rahmen der Untersuchung. Die Ergebnisse zeigen, dass der SDS in Hamburg zwar eine hohe symbolische Präsenz erreichte, seine reale politische Wirkung jedoch begrenzt blieb. Interne Fragmentierung, ideologische Abschottung und der Bruch mit gemäßigten Akteuren verhinderten eine aktive Mitgestaltung der Gesetzgebung. Gleichwohl wirkten Reformideen aus der Frühphase des SDS, insbesondere das Modell der Drittelparität, in abgewandelter Form fort: Sie wurden von moderaten Studierenden, Gewerkschaften und politischen Kräften aufgegriffen, entideologisiert und in das Hamburger Hochschulgesetz von 1969 integriert. Insgesamt zeigt sich, dass die Bedeutung des SDS weniger in seiner realpolitischen Durchsetzungskraft als vielmehr in seiner diskursiven Wirkmacht lag. Als ideeller Impulsgeber rahmte er hochschulpolitische Debatten, popularisierte Reformbegriffe und beschleunigte den gesellschaftlichen Modernisierungsdiskurs, ohne selbst maßgeblich an legislativen Entscheidungen beteiligt zu sein. [...]
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- F. Stasiak (Autor:in), 2025, Welche Wirkmacht hatte der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) auf die Hochschulgesetzgebung? Eine Analyse am Beispiel Hamburgs 1967-1969, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1665605