Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Zusammenhang zwischen Kultur und heuristischer Definition
2.1. Definitionen der Kultur
2.1.1. Die Definition aus den empirischen Kulturwissenschaften
2.1.2.Die Definition aus der Soziologie
2.1.3.Die Definition aus dem Bereich Kulturanthropologie
2.2. Kultur im Kontext der interkulturellen Erziehung und Bildung
3.Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Der Versuch den Begriff „Kultur“ ganz konkret zu bestimmen ist ein schwieriges Unterfangen. Durch die Betrachtung einer alltäglichen Lebensgewohnheit1 wird deutlich, dass dieser Begriff als wesentlicher Bestandteil der menschlichen Identität anzusehen ist. Wer an einem bestimmten Ort oder in einer besonderen sozialen Umgebung2 geboren wird, dem werden bestimmte Denkweisen, Handlungen, Wahrnehmungen, Normen und Werte im Laufe des Lebens vermittelt. Befindet man sich beispielsweise in einem fremden Land, so wird man mit anderem Denken, anderen Wahrnehmungen und anderen Sitten oder Bräuchen konfrontiert. Wenn ich mich an meine ersten Tage meines Aufenthaltes in Deutschland zurückerinnere, kann ich sagen, dass ich nicht nur einer anderen Kultur gegenüber stand, sondern auch ein anderes Klima antraf. Die ersten Schwierigkeiten machten sich durch das Wetter bemerkbar. Obwohl ich mich warm und dem Wetter entsprechend angezogen hatte, konnte ich mich dennoch nicht problemlos an das fremde Klima gewöhnen. Ich zitterte buchstäblich vor Kälte. Wenn ich ausging und Menschen mit dicken Jacken sah, dann assoziierte ich dies mit einem besonderen Lebensstil oder einer Modeerscheinung. Aber mir war sofort klar, dass ich mir die notwendigsten Sachen besorgen müsste, wie eine dicke Jacke, feste Schuhe, Handschuhe, eine Mütze usw. um mich vor der Kälte zu schützen. In meinem Heimatland Togo habe ich nie den Winter und eine so kalte Zeit erlebt, da es dort fast das ganze Jahr sehr warm ist. Dieses simple Beispiel schildert teilweise, was mit Kultur verbunden werden kann. In der Tat kann auch im Hinblick auf die Kultur das soziale Milieu berücksichtigt werden. Demzufolge kann Deutschland als eine Gesellschaft betrachtet werden, in der viele Menschen3 aus unterschiedlichen Herkunftsländern zusammenleben. Auf diese Weise treffen auch Menschen mit kulturellen Unterschieden aufeinander.
Die Komplexität des Begriffes Kultur kann hier nicht ausführlich dargestellt werden. Es besteht die Möglichkeit durch die Konfliktproblematik, die durch die Kultur in einer Gesellschaft hervorgerufen wird, den Begriff „Kultur“ genauer zu bestimmen und zu verdeutlichen. Die Eingrenzung der Definition der Kultur wird unter anderem als eine Fragestellung der Pädagogik angesehen. Nachdem die Rückkehr der Migranten und deren Kinder in die Heimat scheiterte (vgl. Spiegel Nr.37), gewann die Diskussionüber interkulturelle4 Erziehung in Deutschland an Bedeutung. Bezüglich der Aufgabe der interkulturellen Erziehung und Bildung, bedarf es einer konkreten Definition, um mit kulturbedingten Wertkonflikten umzugehen (vgl. Nieke 2000,S. 46). Um den Begriff besser greifen zu können, bedienen sich einige Theoretiker der heuristischen Definition5. Angesichts der Zielsetzungen der interkulturellen Erziehung wird der Gebrauch dieser heuristischen Definition notwendig, insofern, dass eine Lösung für Konflikte, die sich aus dem Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Kulturen ergeben, gefunden werden könnte. Bevor der Kulturbegriff in dieser Hausarbeit unter verschiedenen Gesichtpunkten im Hinblick auf die interkulturelle Erziehung und Bildung diskutiert wird, wird zunächst erläuternd auf den heuristischen Ansatzes eingegangen.
2. Zusammenhang zwischen Kultur und heuristischer Definition
Um eine Entscheidung bezüglich der Komplexität der Definition des Kulturbegriffes zu treffen, scheint es notwendig zu sein die Bemühungen an das heuristische Verfahren zu knüpfen. Nieke (2008) macht darauf aufmerksam, dass viele Theoretiker den Begriff für so problematisch halten, dass sie ihn nicht definieren oder eingrenzen wollen. Die Eingrenzung dieser Definition wäre möglich mit Hilfe des heuristischen Verfahrens. Die Definition des Begriffes Kultur scheint derart kompliziert zu sein, dass es leicht zur Verwirrung führen kann.
In seiner weitesten Verwendung, wie die Enzyklopädie Brockhaus definiert, kann mit dem Begriff Kultur alles bezeichnet werden, was der Mensch geschaffen hat. Was also nicht naturgegeben ist (vgl. online Enzyklopädie Brockhaus 2010). In diesem Sinne wird Kultur als Gegensatz zur Natur betrachtet. Dabei könnte alles, was der Mensch aus seiner ihn umgebenden Natur macht, zur Kultur gehören, wie beispielsweise Ackerbau und Religion. Folglich ergibt sich eine Unterscheidung zwischen Kultur und Natur, bei der bestimmte Normen und Vorstellungen, die zum Beispiel mit dem alltäglichen Leben verbunden sind, durch die Herstellung bedeutungstragender Unterschiede für eine bestimmte Menschgruppe in kultureller Hinsicht eingestuft werden können. In anderen Worten bezeichnet Kultur sowohl den Prozess als auch das Ergebnis aller menschlichen Gestaltung der Natur (vgl. Nieke 2000,S. 41). Kulturelle Unterschiede könnten eine mögliche Ursache für kulturelle Konflikte sein. Bei dieser Unterscheidung hinsichtlich der kulturellen Vorstellungen handelt es sich um eine heuristische Entscheidung.
Dennoch das allgemeine heuristische Verfahren ist ein Verfahren, bei dem durch sinnvolle Annahmen und Schätzungen ein schnellerer Weg zu einer Problemlösung gefunden werden soll (vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2010). Heuristische Verfahren werden beispielsweise dann eingesetzt, wenn dieüberprüfung aller möglichen Lösungen eines Problems zu zeitaufwendig ist. Stattdessen schätzt man eine Lösung und vergleicht diese mit anderen Lösungen, um noch genauere Schätzungen zu erhalten. Die Heuristik6 bezeichnet die Kunst mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu gelangen. Die Heuristiken können also adäquate Hilfsmittel sein, um eine Entscheidung zeitnah zu treffen. Beispielsweise werden Menschen oft in Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale, die uns willkürlich erscheinen, eingeteilt. Diese Einteilung kann aufgrund ihrer Kultur, ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder an Hand äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße, Haartracht oder Kleidung erfolgen. Oft geht diese Gruppeneinteilung mit der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften einher, bei der die jeweiligen Gruppen mit bestimmten Bildern verbunden werden. Wenn diese Bilder dermaßenübertrieben sind, dass sie kaum noch der Wirklichkeit entsprechen, sprechen wir von Stereotypen. Das heuristische Verfahren lenkt unter diesem Aspekt den Blick darauf, den Begriff Kultur besser zu verstehen. Denn es gibt eine große Anzahl von möglichen Lösungsvarianten (vgl.Grünig/Kühn 2004,11ff), wenn wir jedes einzelne Individuum gemäß seiner Gruppenzugehörigkeit analysieren wollen. Der Begriff Kultur stellt somit ein komplexes Entscheidungsproblem dar, das mit Hilfe des heuristischen Ansatzes gelöst werden kann. Grünig & Kühn heben drei wesentliche Vorteile mit dem Nutzen eines allgemeinen heuristischen Entscheidungsverfahrens folgendermaßen hervor:
- Das Verfahren erleichtert eine konsequente Ausrichtung aller Problemlösungsüberlegungen auf dasübergeordnete Ziel und senkt damit die Wahrscheinlichkeit, dass mangelnde Zielorientierung zu Fehlentscheidungen führt.
- Das Verfahren ermöglicht durch die Trennung von Analyse, Erarbeitung von Lösungsalternativen und Lösungsbeurteilung ein bewussteres Auseinanderhalten von Faktenwissen und subjektiver Wertung. Die daraus resultierende Objektivierung und Transparenz des Entscheidungsprozesses sollte sich im Allgemeinen in einer höheren Entscheidungsqualität niederschlagen.
- Die verfahrensinhärente systematische Vorgehensweise erlaubt es, das vorhandene Faktenwissen besser zu nutzen. Dies sollte sich neben einer besseren Entscheidungsqualität insbesondere auch in einer erhöhten Entscheidungseffizienz niederschlagen, da Fehlüberlegungen und Widersprüche rascher als solche erkannt werden (2004, S. 79f).
Die neue Definition der Kultur, die im Rahmen der interkulturellen Erziehung und Bildung zum Ausdruck kommen sollte, basiert auf unterschiedlichenüberlegungen. In Deutschland gingen dieseüberlegungen auf die Konsequenzen der Gastarbeit7 zurück. Dollinger u.a. (2007, S. 253) schreiben: „Erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wird die migrationsspezifische Thematik in Form von Ausländerpädagogik8 diskutiert“. Angesichts dieses Trends im Hinblick auf den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund von Menschen, die in einem Land zusammen leben, bedarf es einer pädagogischen Antwort. Darüber hinaus wurde in den verschiedenen Ansätzen, die die interkulturelle Pädagogik9 betreffen, die erforderliche Anerkennung gegenüber kulturellen und ethnischen ]Differenzen betont.
[...]
1 z.B.: Essen, Kleidung, Musik, Sprache, Verhalten, etc.
2 Ort kann Gruppe, Volk, Nation, Gesellschaft, Stamm, Familie o.ä. sein
3 19,2% der Gesamtbevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund (vgl. der Spiegel 2010 Nr.37 vom 13.09.2010,S. 31)
4 seit Anfang der 1980er Jahre findet das Wort „interkulturell“ im Zusammenhang mit Bildung, Erziehung und Pädagogik Verwendung (vgl. Dollinger u.a.2007,253)
5 Aufgrund der Weite und Vieldeutigkeit des Begriffes Kultur trauen sich nicht viele Theoretiker eine allgemeine Definition zu geben.übrigens trägt die Aufstellung einer heuristischen Definition dazu bei, den Begriff im Kontext der interkulturellen Erziehung und Bildung zielgemäß zu definieren und zu konkretisieren. Allerdings ist diese Definition vorläufig und jederzeit veränderbar, sobald sich neue Aspekte ergeben (vgl.Nieke,S.37)
6 [zu griechisch heurískein »finden«, »entdecken«] die, -, Lehre von den Verfahren, wahre Aussagen zu finden (vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG 2010)
7 Im Jahre 1955 wurde die Anwerbung von 100 000 Italienern vereinbart, Arbeitskräfte für die Industrie, die man dringend in Deutschland brauchte. 1964 wurde der millionste Gastarbeiter begrüßt. 1973 lebten 2,6 Millionen ausländische Arbeitskräfte in der Bundesrepublik (vgl.der Spiegel 37/2010,S.31)
8 Ziel der Ausländerpädagogik ist die Förderung der Kinder und Jugendlichen ausländischer Herkunft (vgl. Dollinger u.a.2007,S. 259).
9 Interkulturelle Pädagogik zielt darauf ab, ein Leben in einer dauerhaften multikulturellen Gesellschaft vorzubereiten (vgl. Dollinger u.a. 2007,S. 259).