Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verbreitung von Better Regulation in Europa
2.1. Wellen von Regulierungsreformen seit den 1980er Jahren
2.2. Definition Better Regulation
2.3. Better Regulation als Meta-Policy
2.4. Regulierungspolitische Ebenen
2.5. Rolle der OECD und der Europäische Union im Prozess der Etablierung von Better Regulation
3. Better Regulation - ein etabliertes Politikfeld?
3.1. Akteure
3.2. Werkzeuge
3.3. Auswirkungen
4. Zusammenfassung
Literatur
1. Einleitung
Better Regulation ist seit einigen Jahren ein prominentes Thema in wissenschaftlichen Publikationen und auf der politischen Agenda der OECD, der Europäischen Union sowie derer Mitgliedsstaaten. Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung von Better Regulation als ein eigenständiges Politikfeld im Prozess der Etablierung, welches eigene Akteure, Werkzeuge und Auswirkungen auf die gesellschaftliche Umwelt aufweisen kann.
Better Regulation ist eine Ausprägung von Regulierungsreformen, die in aufeinanderfolgenden Wellen beschrieben werden können. Diese werden zunächst dargestellt und Better Regulation als dritte Welle von Regulierungsreformen in Europa vorgestellt. Darauf folgend wird Better Regulation definiert, als Meta-Policy charakterisiert sowie in die regulierungspolitischen Ebenen der operativen, sektoralen und politikfeldübergreifenden eingeordnet. Weiterhin wird der Prozess der Promotion von Better Regulation durch die Akteure EU und OECD dargestellt und bewertet. Abschließend wird anhand der Akteure, Werkzeuge und Auswirkungen von Better Regulation argumentiert, dass von einem sich entwickelnden Politikfeld gesprochen werden kann.
2. Verbreitung von Better Regulation in Europa
Im Folgenden werden die Wellen der Regulierungsreformen in Europa vorgestellt, Better Regulation als Ausprägung der dritten Welle sowie als Meta-Policy vorgestellt und definiert, sowie die Rolle der OECD und EU bei der Promotion des Better Regulation Ansatzes dargestellt und bewertet.
2.1. Wellen von Regulierungsreformen seit den 1980er Jahren
Die Regulierungsdebatte ist alles andere als neu. In Deutschland sind Schlagworte wie Deregulierung, Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung bereits aus den 1970er Jahren bekannt. Seit den 1980er Jahren findet sich in jedem Koalitionsvertrag ein Abschnitt zum Bürokratieabbau und zu Verwaltungsreformen. In einer Evaluation stellt selbst der Schwedische Rechnungshof 2004 fest, dass sämtliche wesentliche Konzepte der Diskussion um Deregulierung bereits seit den 1970er und 1980er Jahren bekannt sind (vgl. Mayntz 1979; Jann/Wegrich/Veit 2005: 48; Jann 2008: 50).
Die internationalen Regulierungsreformen werden von Radaelli in drei Wellen unterteilt. Die erste Welle begann Anfang der 1980er Jahre und war durch Privatisierung und Liberalisierung sowie der damit entstandenen Notwendigkeit, die neuen Märkte im Sinne der Aufrechterhaltung funktionierender Marktmechanismen und des Prinzips „more markets, more rules“ durch frühe regulatory agencies zu regulieren, gekennzeichnet. Diese Entwicklung war sowohl vom Aufstieg des neoliberalen Paradigmas und sich verändernder Staatsbilder in den 1970 er, als auch durch Gerichtsentscheidungen auf nationaler sowie europäischer Ebene, der Anpassung an wahrgenommenen internationalen Wettbewerbsdruck und technologische Veränderungen begünstigt. Der Fokus lag auf der Verbesserung der ökonomischen Bedingungen und der Wettbewerbsfähigkeit. Die zweite Welle begann mit der Implementation des Europäischen Einheitsgesetzes (Single European Act) 1986 zur Vorbereitung des Vertrages von Maastricht und Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes in Europa. Ziel war es, nationale und internationale Steuerungsstrukturen aufzubauen bzw. zu konsolidieren und einen europäischen Wettbewerb zu ermöglichen. Die dritte Welle, gemäß Radaelli der Start der Better Regulation -Politik, entfernte sich von spezifischen Sektoren wie etwa Telekommunikation oder Energieerzeugung, sondern wandte sich einem ganzheitlichem - whole-of-government - Ansatz zu, der den gesamten Lebenszyklus einer Norm abdeckt (Radaelli 2009: 641; OECD 2002: 23). Der Schwerpunkt liegt auf Meta-Regulierung, also der Festlegung von Regeln darüber, wie Normen generiert, bewertet, adaptiert und implementiert werden sollen. Better Regulation meint in Deutschland auch Better Legislation bzw. bessere Rechtssetzuung und ist ein Teilbereich größerer administrativer Reformprogramme unter dem Motto des „schlanken Staates“ und der Verwaltungsmodernisierung (Radaelli 2009: 641). Die dritte Regulierungswelle betreffend, können insbesondere die OECD und die Europäische Union als maßgebliche internationale Promotoren von Better Regulation gelten.
2.2. Definition Better Regulation
In diesem Abschnitt werden zunächst die unterschiedlichen Ebenen von Bürokratiekritik dargestellt und dann eine Definition von Better Regulation vorgenommen.
Bürokratieabbau, Entbürokratisierung und Bürokratisierung sind Schlagwörter der öffentlichen Debatte, die so unterschiedliche Sachverhalte wieüberkommende Vorschriften, unverständliche Sprache, Unfreundlichkeit der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder auch undurchschaubare Strukturen von Organisationen meinen (vgl. Jann 2005). Bürokratieprobleme werden grundsätzlich auf fünf Ebenen verortet: Der Aufgabenebene („zuviel Staat“), der politischen Regulierungsebene („unnötige Vorschriften und Gesetze“), der administrativen Regulierungsebene („komplizierte und widersprüchliche Vorschriften“), der Implementations- und Organisationsebene („mangelhafte und langsame Umsetzung von Normen in bürokratischen Organisationen“), die unterteilt werden kann in Prozesse innerhalb (intra-organisatorische Ebene) und zwischen (inter- organisatorische) öffentlichen Organisationen (vgl. Jann 2005).
Better Regulation soll hier in Bezug auf ein Bündel von Instrumenten definiert werden. Diese werden im folgenden kurz vorgestellt. Gesetzesfolgenabschätzung (Regulatory Impact Assessement) ist ein Ansatz, evidenzbasiertere Politikgestaltung zum Ziel hat. Ideell werden für ein gegebenes kollektives Probleme verschiedene Lösungsmöglichkeiten gegeneinander abgewogen und die voraussichtlichen Auswirkungen bewertet.
Konsultationen während des Regulierungsprozesses sollen Meinungen und Perspektiven relevanter Experten und von der Regulierung Betroffenen einholen, abbilden und in den Entscheidungsprozess einfließen lassen.
Vereinfachung umfasst sowohl durch Bürokratie verursachte Kosten (beispielsweise Informationskosten für Unternehmen, die mittels StandardKosten-Modell gemessen bzw. verringert werden sollen) als auch durch die Befolgung einer bestimmten Rechtsnorm verursachte Kosten bei beispielsweise Unternehmen.
Verbesserung des Zugangs zu Rechtsnormen und Erhöhung der Transparenz im Regulierungsprozess soll durch verständlichere Rechtstexte mit dem Zweck erreicht werden, Kohärenz und Klarheit von Regulatierungen zu erhöhen. (Wegrich 2009: 37; Radaelli/De Francesco 2007: 31). Sunset legislation bzw. Befristung von Gesetzen stellt ideell eine Möglichkeit dar, Gesetze nach einer gewissen Zeit einer Evaluation zu unterziehen und möglicherweise zu terminieren bzw. zu reformulieren.
2.3. Better Regulation als Meta-Policy
Wichtig für das Verständnis von Better Regulation ist die Einordnung als Meta-Regulierung und Meta-Policy. Der Begriff Meta-Regulierung beschreibt den Umstand, dass festgelegt wird, wie Konsultationen durchzuführen sind, wie Folgenabschätzung von Gesetzen aussehen soll, wie Kosten-Nutzen- Relationen ermittelt werden und nach welchen Kriterien eine Entbürokratisierung des Bestandes an Regulierung erfolgen soll. Sie kann somit als „a set of centrally imposed rules designed to structure key stages of the regulatory process“ betrachtet werden (Wegrich 2009: 38; Radaelli 2007: 196). Charakteristisch für Better Regulation als Meta-Policy ist die Entfernung von einem speziellen Politikfeld, wie etwa der Energiepolitik, sondern der Vermeidung oder Verbesserung wiederkehrender Defizite in allen Politikfeldern und die Disziplinierung von Regulierungsprozessen innerhalb des politisch-administrativen Systems (Wegrich 2009: 41; Radaelli 2007: 196). Adressat dieser Art von Regulierung ist also nicht der Markt mit gegebenenfalls unerwünschten Ergebnissen, sondern regulierende öffentliche Organisationen selbst (Radaelli/De Francesco 2007: 184). Im Mittelpunkt steht somit die Suche nach regulierungspolitischen Grundsätzen, Methoden u]nd Instrumenten, die den politischen Problemlösungs- und Entscheidungsprozess hinsichtlich der Wahl und Implementation von staatlichen und nicht-staatlichen Steuerungsinstrumenten optimieren sollen (Wegrich 2009: 44). Standards für Konsultation restrukturieren den Prozess der gesamten allgemeinen Politikformulierung, während Befristungen von Gesetzesnormen (sunset legislation) Standards für die Evaluation etablieren (Radaelli 2007: 196). Somit ist die Wirkungslogik von Better Regulation- Instrumenten als indirekt zu bezeichnen. Notwendig ist, eine Veränderung von Entscheidungsgrundlagen und -prozessen innerhalb einzelner Regulierungsfelder und den spezifisch verantwortlichen Organisationen, wie etwa der Ministerialbürokratie, herzustellen. Infolge dessen sind an die Better Regulation -Agenda spezielle Anforderungen hinsichtlich der Umsetzungsstrategien und Institutionalisierung gestellt (vgl. Generalisten/Spezialisten-These in Jann/Wegrich 2008). Die Indirektheit dieser Art von Wirkungslogik führt zu noch komplexeren Anforderungen an Evaluation und Erfolgskontrollen als im Bereich von direkten, substantiellen Politiken mit klareren Wirkungslogiken (Wegrich 2009: 56).
2.4. Regulierungspolitische Ebenen
Better Regulation als Querschnittspolitik verfolgt das Ziel, Prozesse, also die Form der Entwicklung und Umsetzung von Regulierungen in spezifischen Politikfeldern zu beeinflussen. Sie steht dabei in einem komplexen Austauschverhältnis mit Regulierungsprozessen und deren Reform auf sektoraler Ebene (Wegrich 2009: 43). Dieser Austausch umfasst drei Ebenen:
Die erste Ebene, die operative Regulierung, umfasst Formulierung und Implementation einzelner Regulierungen und Programme in spezifischen Sektoren. Als politisch wahrgenommene kollektive Probleme führen zu inhaltlichen Reaktionen, denen Programmformulierung und Regulierung mit entsprechenden intendierten bzw. nicht-intendierten Auswirkungen folgen (Wegrich 2009: 43).
Die zweite Ebene, die sektorale Regulierungspolitik, befasst sich mit institutionellen Arrangements und instrumentellen Grundlagen innerhalb eines Sektors oder eines weiten Bereichs eng verbundener Sektoren. Regulierungsprozesse sollen also innerhalb eines abgrenzbaren Sektors, beispielsweise im Bereich der Netzwerkindustrien, gesteuert werden und verändert somit die konkreten Regulierungen der ersten Ebene (Wegrich 2009: 43).
[...]