Sind Platons „Demiurg“ und der „Unbewegte Beweger“ des Aristoteles antike Modelle der Naturphilosophie oder der Theologie?

Vergleich der transzendentalen und immanenten Ursache


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

21 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das platonische Konzept

3. Der Demiurg

4. Das aristotelische Konzept

5. Der unbewegte Beweger

6. Die wesentlichen Merkmale der Konzepte im Vergleich

7. Die Finalursachen im Vergleich

8. Fazit

9. Quellen

10. Literatur

1. Einleitung

In der antiken Naturphilosophie wird die Welt „entgöttert“ und Naturphänomene anhand von Beobachtungen und theoretischen Annahmen erklärt.

Schon vor Platon (428 – 348 v. Chr.) und Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) haben sich Philosophen wie Demokrit, Anaxagoras, Pythagoras und Thales – um nur einige der so genannten Vorsokratiker (ca. 600 – 400 v. Chr.) zu nennen – Fragen über die Beschaffenheit der Natur, der Seele und deren Zusammenwirken gestellt.[1] Sie versuchten mit unterschiedlichen Methoden, einerseits durch Beobachtungen, andererseits durch antike Experimente und Theorien, herauszufinden, wie die Bestandteile der Natur geformt sind und in welcher Art und Weise diese einzelnen Bausteine aufeinander wirken.

Erst Platon entwickelt eine allumfassende Theorie der Welt und deren Schöpfung, die in seinem Dialog „Timaios“[2] als Schöpfungsgeschichte dargestellt wird. In dieser teleologischen Theorie verknüpft er die Kosmologie mit seiner Ideenlehre und sucht eine transzendentale Ursache für die Entstehung des Kosmos, der durch den Demiurgen – der letzten Ursache als ethisches Element – geschaffen worden ist.

Auch Aristoteles – ein Schüler Platons – entwickelt eine teleologische Theorie, die universell die Natur und deren Ziel erklären soll. In seiner Schrift mit dem Titel „Metaphysik“[3], besonders im Buch XII, wird als logische Konsequenz aller Bewegungen und Entwicklungsprozesse der unbewegten Beweger als immanente Ursache bestimmt, auf die er bereits in seinem Werk „Physik“[4], in dem er die belebte Natur beschreibt, deutlich hinweist. Ebenso lässt sich in seinem Modell des Kosmos, der die unbelebte Natur darstellt und in der Schrift „Vom Himmel“[5] dargelegt ist, der unbewegte Beweger finden, da seine Existenz sich außerhalb des materiellen Kosmos befindet.

Um zu klären ob es sich bei den Theorien des Platons und des Aristoteles´ um antike Modelle der Naturphilosophie oder der Theologie handelt, werden zunächst die grundlegenden Konzepte des Kosmos dargestellt. Dies ist notwendig, um einerseits in einem weiteren Abschnitt den Demiurgen Platons als transzendentale Ursache näher zu betrachten, und andererseits den unbewegten Beweger Aristoteles´ als immanente Ursache zu erläutern.

Nachfolgend werden die wesentlichen Unterschiede der beiden Konzepte dargestellt, um die daraus resultierenden Bedeutungen der letzten Ursachen gegenüberzustellen.

Im Fazit wird die Frage geklärt, ob es sich bei Platons Theorie beziehungsweise bei Aristoteles´ Theorie um ein Modell der Naturphilosophie oder ein Modell der Theologie handelt.

2. Das platonische Konzept

Die platonische Naturphilosophie steht in engem Kontext mit der Ideenlehre, die in der „Politeia“[6] entwickelt wurde. Zu Beginn des Dialoges wird explizit auf das vorangegangene Gespräch hingewiesen, dessen Gegenstand der Aufbau des Staates und die bestmögliche Besetzung der Regierung war.[7] Auch wenn die gesamte Darstellung, durch die Anwendung mathematischer Abstraktionen und theoretischer Annahmen eher den Eindruck erweckt, dass es sich um eine rein naturphilosophische Darlegung handelt, sollte man dem ethischen Argument, dass sich hinter ihr verbirgt ausreichend Aufmerksamkeit zukommen lassen.[8]

Platon bettet seine dreigeteilte naturphilosophische Untersuchung[9] in einen Prolog, der sich – wie erwähnt – als Resümee der Politeia deuten lässt und einen daran anschließenden Exkurs zum Atlantismythos – Platons Staatsidee als verwirklichte Form darstellend – ein.

Im ersten Abschnitt befasst Platon sich mit der Schöpfung, die „notwendigerweise aus irgendeiner Ursache“[10], nämlich durch die Vernunft Gottes, geschaffen wird.

Es wird zwischen dem Seienden, „das kein Werden besitzt“[11], und dem Werdenden, „das niemals war“[12] unterschieden. Diese Gegenüberstellung wird benötigt, um die Ideenwelt, das immer Seiende, von der Wahrnehmung ihrer Abbilder, das immer Werdende, zu unterscheiden, wie dies bereits in Platons Staatsphilosophie vorgenommen wurde.

Im Timaios wird dementsprechend die wahrnehmbare Natur dem Bereich des Werdens zugeordnet, da sie sichtbar und greifbar ist.[13] Die Ideenwelt hingegen wird dem Bereich des ewig Seienden zugewiesen und dient als Vorlage zur Erschaffung dieser Natur durch den Demiurgen[14], da der Kosmos eine vernünftige Ordnung besitzt und schön ist. Denn „wovon nun immer der Demiurg Form und Eigenart mit Blick auf das stets mit sich selbst Identische gestaltet, indem er sich eines Derartigen als Muster bedient, dass muss so als Ganzes gelingen“[15].

Der Kosmos wird von ihm aus der bereits vorhandenen, sich im Chaos befindenden Materie geformt und darum „führte er alles, was sichtbar war und was er nicht in Ruhe, sondern in verworrener und ungeordneter Bewegung übernahm, aus der Unordnung in eine Ordnung – im Glauben, dass dieses in jeder Hinsicht besser sein als jenes“[16]. Aus den Überlegungen des Demiurgen, die Welt so schön und vernünftig wie möglich zu gestalten, ergibt sich, dass es eine Seele geben muss, da nur mit ihrer Hilfe Vernunft möglich ist. Diese Seele muss konsequenter Weise Teil des neu erschaffenen Kosmos sein, damit dieser vernünftig ist.[17] Das Resultat dieses Schöpfungsprozesses ist „ein beseeltes und vernunftbegabtes Wesen“[18].

Weiterhin ist dieses Wesen, welches die Form einer Kugel[19] hat, aus vier Elementen, nämlich Feuer, Wasser, Erde und Luft, die in bestimmten Proportionen zueinander stehen[20], zusammengesetzt. Materie und Seele des Kosmos liegen auf zwei unterschiedlichen Kreisbahnen innerhalb des Gesamtgebildes. Entscheidend für Sätze, sei es für Meinungen und Überzeugungen oder für Vernunft und Wissen, ist, auf welche Richtung, ob auf das Denkbare oder das Wahrnehmbare, sie sich beziehen und in welchem Verhältnis sie dazu stehen.[21]

Der gesamte Kosmos ist durch besondere Proportionen der einzelnen Schnittmengen, die der Demiurg vorgenommen hat, zerteilt und angeordnet. Die Fixsterne, die sich auf der Kreisbahn des Anderen – des bewegliche Seins also des Werdenden – bewegen, symbolisieren die Zeit, die ein Abbild der Ewigkeit ist, und sorgen dafür, dass sie messbar ist.[22]

Nachdem der Kosmos geformt und bearbeitet wurde, erschafft der Demiurg die Götter[23], damit diese die noch übrigen „drei Gattungen sterblicher Lebewesen“[24] erschaffen, damit der Himmel „einen hinreichenden Vollkommenheitsgrad“[25] hat.

Er kann dies nicht selber durchführen, da die Lebewesen nicht sterblich wären und den Göttern zu sehr glichen.[26] Außerdem wird die so erschaffene Welt als immer während und in Zukunft ewig dargestellt, da der Demiurg sie – obwohl es in seiner Macht liegt – wieder zerstören könnte, dies aber nicht tun wird, da sie ja den ewigen Ideen so ähnlich wie möglich sein soll.[27]

Der folgende Abschnitt wendet sich der Notwendigkeit zu, die als „Mitursache“[28] bereits kurz erwähnt wird. Diese Ursache kann man als die Notwendigkeit verstehen, dass die Urformen der Materie nicht verändert werden können und verschiedene Phänomene wie „Abkühlung, Erwärmung, Verdichtung und Verflüssigung und alles derartige“[29] bewirken. Außerdem ermöglichen sie dem Demiurgen nur eine bestimmte Gestaltung des Kosmos, die durch „eine Vermischung durch das Zusammentreten von Notwendigkeit und Vernunft zustande“[30] kommt. Notwendigkeit und Vernunft sind aber keineswegs gleichberechtigt, sondern die Vernunft dominiert die Notwendigkeit, indem „sie sie überzeugte, das meiste des Werdenden zum Besten zu führen“[31].

Der im ersten Abschnitt vorgenommenen Unterteilung in Ideenwelt und wahrnehmbarer Natur wir nun ein weiteres Element – „die Amme des Werdens“[32] – hinzugefügt, die mit dem Raum gleichzusetzen ist. Platon verwendet eine weitere Metapher, nämlich das Bild „Vater, Mutter und Kind“, wobei der Vater die Idee ist, die Mutter „das worin es wird“[33] und das Kind das Abbild des Vaters.[34]

Ein weiterer bedeutenden Punkt in Platons Naturphilosophie ist seine Lehre der vier Elemente, die alle aus einem Substrat bestehen, das in verschiedenen Formen sichtbar wird und demnach nur als das „So-Beschaffene“[35] bezeichnet werden darf. Erst durch die Ordnung Gottes werden die Elemente ausgebildet und bekommen ihre geometrischen Formen.[36]

Im letzen Abschnitt beschreibt Platon wie nun Notwendigkeit und Vernunft
in Bezug zueinander wirken, wie bereits erwähnt immer unter dem Aspekt,
dass die Notwendigkeit das durch die Vernunft bestmögliche hervorbringt.
Darüber hinaus werden die Merkmale der Menschen in Form ihrer Funktionen und Eigenschaften beschrieben, um nur einige Beisiele zu nennen „die Funktionsweise unseres Mundes“[37], „Sehnen und Fleisch“[38] und „den Kopf“[39]. Auch des Kreislaufsystem und die Atmung und einige Krankheitsursachen und deren Behandlungsmethoden werden dargestellt.[40]

[...]


[1] Vgl. Capelle, Wilhelm (Hrsg.), Die Vorsokratiker, Die Fragmente und Quellenberichte, Stuttgart 2008.

[2] Platon, Timaios, griechisch-deutsch, Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Thomas Paulsen und Rudolf Rehn, Stuttgart 2003.

[3] Aristoteles, Metaphysik, übersetzt und kommentiert von Hans G. Zekl, Würzburg 2003.

[4] Aristoteles, Physik, griechisch-deutsch, übersetzt, mit einer Einleitung und mit Anmerkungen herausgegeben von Hans G. Zekl, Halbband 1, Hamburg 1987 und Halbband 2, Hamburg 1988.

[5] Aristoteles, Vom Himmel, eingeleitet und übersetzt von Olof Gigon, Zürich 1983.

[6] Platon, Politeia.

[7] Platon, Timaios 17c.

[8] Schäfer, Lothar, Das Paradigma am Himmel, Platon über Natur und Staat, München 2005, S. 18.

[9] Platon, Timaios 27a-b.

[10] Ebd. 28a.

[11] Ebd. 27d.

[12] Ebd. 27d.

[13] Ebd. 28b.

[14] Ebd. 29a.

[15] Ebd. 28a.

[16] Ebd. 30a.

[17] Ebd. 30b.

[18] Ebd. 30b.

[19] Ebd. 34b.

[20] Ebd. 33c.

[21] Ebd. 37b-c.

[22] Ebd. 38c.

[23] Ebd. 40a-d.

[24] Ebd. 41b.

[25] Ebd., 41b.

[26] Ebd. 41c.

[27] Ebd. 41b.

[28] Ebd. 46d.

[29] Ebd. 46d.

[30] Ebd. 48a.

[31] Ebd. 48a.

[32] Ebd. 52d.

[33] Ebd. 50d.

[34] Ebd. 50d.

[35] Ebd. 50b.

[36] Ebd. 53b-55b.

[37] Ebd. 75d.

[38] Ebd. 74b.

[39] Ebd. 75e ff..

[40] Ebd. 77c-90d.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Sind Platons „Demiurg“ und der „Unbewegte Beweger“ des Aristoteles antike Modelle der Naturphilosophie oder der Theologie?
Untertitel
Vergleich der transzendentalen und immanenten Ursache
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar: Antike Naturphilosophie
Note
2,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V167001
ISBN (eBook)
9783640832675
ISBN (Buch)
9783640833061
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platon, Aristoteles, Demiurg, Unbewegter Beweger, Naturphilosophie, Timaios, Vom Himmel, Modelle der Naturphilosophie, Konzept des Kosmos, Kosmos, immanente Ursache, transzendentale Ursache
Arbeit zitieren
Rita Hering (Autor:in), 2010, Sind Platons „Demiurg“ und der „Unbewegte Beweger“ des Aristoteles antike Modelle der Naturphilosophie oder der Theologie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167001

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