Wie sprechen Grundschulkinder über Erinnern – und was hat das mit historischem Lernen zu tun?
Diese Masterarbeit untersucht, welche Vorstellungen Drittklässler zum Erinnern im Zusammenhang mit Stolpersteinen äußern und inwiefern sich daran erste historische Sinnbildungsprozesse erkennen lassen. Ausgangspunkt ist eine Unterrichtsreihe im Sachunterricht an einer Hamburger Grundschule, in der die Klasse Stolpersteine im Stadtteil entdeckt und biografische Opfergeschichten kennengelernt hat. Die Datengrundlage bildet ein 45-minütiges Kreisgespräch mit 23 Kindern, das mithilfe der zusammenfassenden Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet wird.
Die Ergebnisse zeigen: Kinder verstehen Erinnern nicht als bloßes „Speichern“ von Fakten. Sie beschreiben es emotional (was uns berührt, bleibt), moralisch (bestimmte Erfahrungen dürfen „nie vergessen“ werden) und sozial (Erinnerungen werden in Familie, Schule und Gesellschaft geteilt). Zugleich reflektieren sie Formen von Gedenkpraxis, insbesondere die Stolpersteine im Stadtteil, und verknüpfen persönliche Erlebnisse mit biografischen und historischen Bezügen. So werden Einsichten in Selektivität, Perspektivität und Konstruktivität von Geschichte sichtbar – zentrale Metakonzepte historischen Denkens.
Die Studie macht deutlich, welches Potenzial in lebensweltlich verankerten erinnerungskulturellen Lernanlässen liegt: Stolpersteine eröffnen im Sachunterricht Zugänge zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein bereits vor dem ersten Fachunterricht Geschichte. Die Arbeit richtet sich an Lehrkräfte, Studierende und Forschende der (geschichtsbezogenen) Sachunterrichtsdidaktik sowie an alle, die Erinnerungskultur mit Kindern im Primarbereich gestalten möchten.
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- Julius Dröge (Auteur), 2025, Lernen an Erinnerung im Stadtteil, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1673245