„Erst der erlösten Menschheit ist ihre Vergangenheit in jedem ihrer Momente zitierbar geworden“, heißt es bei Walter Benjamin. Die Unentscheidbarkeit und Offenheit der Geschichte ist Programm in Heiner Müllers kontroversem Deutschland-Drama „Germania. Tod in Berlin“. Dass er mit seinem provokanten Stück den Nerv der Zeit und den der Zeitgenossen traf, belegen die heftigen und höchst unterschiedlichen Reaktionen: Von den einen geschmäht als offensichtliche DDR-Verherrlichung, wurde das Drama von der SED selbst als harsche Kritik am ‚real existierenden Sozialismus‘ beargwöhnt. Die deutsche Teilung ist mittlerweile vorüber, mit der Berliner Mauer fiel in den Wendejahren 1989-1991 zugleich der gesamte Ostblock – doch ist damit auch der Fall „Germania“ erledigt? Aus dem Aufbau der „Germania“ leitet der Autor verschiedene Deutungsansätze ab, die er im Interpretationsteil der Arbeit auf ihre Aussagekraft und Stichhaltigkeit überprüft. Welche Schlussfolgerungen zu Müllers Wahrnehmung der DDR und zu seinem Geschichtsbild ergeben sich aus den textanalytischen Befunden?
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Die Entstehungsgeschichte der Germania
- Das parteioffizielle Geschichtsparadigma der DDR
- Der Wandel des Geschichtsparadigmas unter Honecker
- Die Struktur der Germania und interpretatorische Schlussfolgerungen
- Der Aufbau des Stücks
- Uneindeutigkeit Heiner Müllers und gewollte Interaktion mit dem Publikum
- Deutung der Germania und korrespondierende Perspektive auf die DDR
- Germania – Wiedergabe einer „linientreuen Parteiansicht“?
- Die Heilige Familie
- Hommage à Stalin 2
- Germania – ein geschichtspessimistisches Stück?
- Brandenburgisches Konzert 2
- Die Möglichkeit von Fortschritt
- Nachtstück: Ausdruck barocker Melancholie?
- Die Unentscheidbarkeit des Stücks
- Die Offenheit der Germania
- Der Gestus des nichtmelancholischen Allegorikers
- Schlusskommentar
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Interpretation von Heiner Müllers Drama "Germania. Tod in Berlin" im Kontext der DDR-Geschichte. Sie analysiert die geschichtsphilosophische Auffassung des Werks und dessen Beziehung zur DDR-Geschichte und Gegenwart. Die Arbeit untersucht, wie die Interpretation der Germania eine bestimmte Sichtweise auf die DDR und die Geschichte impliziert und gleichzeitig selbst aus einer bestimmten historischen Perspektive entsteht.
- Analyse der geschichtsphilosophischen Perspektive in Heiner Müllers Germania
- Untersuchung des Verhältnisses zwischen Germania und der DDR-Geschichte
- Interpretation der Germania im Hinblick auf ihre Aussagekraft für die Wahrnehmung der DDR und des Geschichtsbildes
- Bewertung des Wirkungspotentials des Dramas auf die Zukunft
- Beurteilung der Unentscheidbarkeit des Stücks und seiner Offenheit für verschiedene Interpretationen
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Thematik der Hausarbeit erläutert und die Methode der Analyse vorstellt. Anschließend wird die Entstehungsgeschichte der Germania beleuchtet, indem das parteioffizielle Geschichtsparadigma der DDR und dessen Wandel unter Erich Honecker erörtert werden. In einem weiteren Kapitel wird die Struktur des Stücks analysiert, um Deutungsansätze für die anschließende Interpretation zu gewinnen. Die Arbeit untersucht dann, ob Germania eine „linientreue Parteiansicht“ wiedergibt und welche Aussagekraft das Stück in Bezug auf die DDR-Geschichte hat. Weiterhin werden die Themen des Geschichtspessimismus und der Möglichkeit von Fortschritt im Stück behandelt, wobei insbesondere die einzelnen Szenen "Brandenburgisches Konzert 2", "Die Möglichkeit von Fortschritt" und "Nachtstück" beleuchtet werden. Schließlich wird die Unentscheidbarkeit des Stücks und seine Offenheit für verschiedene Interpretationen diskutiert, wobei die Bedeutung des Gestus des nichtmelancholischen Allegorikers für die Interpretation von Germania hervorgehoben wird.
Schlüsselwörter (Keywords)
Heiner Müller, Germania, Tod in Berlin, DDR-Geschichte, Geschichtsphilosophie, Geschichtsparadigma, Geschichtspessimismus, Interpretation, Allegorie, Unentscheidbarkeit, Offenheit, Gestus des nichtmelancholischen Allegorikers.
- Arbeit zitieren
- Andreas Mohr (Autor:in), 2005, Lesbarkeit der Germania – Lesbarkeit der Geschichte. Heiner Müllers Drama und die (DDR-) Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168844