Das Spiel der Allianzen: Erbfeindschaft, Freundschaft, Partnerschaft und Komplizität


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2011

13 Seiten


Leseprobe


So lautet die Bilanz der deutsch-französischen Beziehungen über die letzten Jahrhunderte. Es ist kein gut nachbarschaftliches Verhältnis, auch nicht unter dem Blickwinkel der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit, die Frankreich auf seine Fahnen geschrieben hat, soweit sie auf andere Anwendung finden sollen. Nichts liegt mir ferner, als ein Spielverderber zu sein, es sei denn, eines bösen Spiels, denn ich habe in Paris studiert und wünsche nichts mehr als eine konstruktive und gute Beziehung zwischen diesen beiden Kernländern Westeuropas. Das Ziel besteht vielmehr in der Etablierung einer nachhaltigen, echten, auf gemeinsamen Zivilisationswerten gründenden Einvernehmlichkeit bei gleichzeitigem Respekt der Diversität in jeder Hinsicht.

Mangels effektiver deutscher Emanzipation – vom Wirtschaftlichen abgesehen – steht Deutschland immer noch unter der Fuchtel Frankreichs, da es seine wahre Identität nicht erlangen konnte. Deshalb tut sich unsere Regierung immer noch zu schwer, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und zu vertreten. Insbesondere eine Dame an der Staatsspitze läßt sich allzu leicht, aus diversen Gründen, an der Nase herumführen. Freundschaft lebt aber sowohl vom Einfühlungsvermögen als auch von komplementären Standpunkten. Sind sie nicht komplementär, so herrscht ein Machtverhältnis, das Freundschaft negiert. Es wird dann bestenfalls zur Komplizität, um wiederum andere an der Nase herumzuführen.

Und solange man unter der Fuchtel von anderen steht, gibt es dann wieder welche, die diese Schwäche auszunutzen suchen. Die mangelnde Identität und die geistige Unterjochung laden andere regelrecht ein, das geschwächte deutsche Haus zu infestieren, es auszunutzen und zu plündern und es schließlich mehr und mehr zu beherrschen. Das erklärt einige Schwachpunkte der Immigrationsdebatte, deren Problematik also tiefer liegt und ganzheitlicher kausal erklärt werden muss, als sich in oberflächlichen Schuldzuweisungen zu ergehen.

Doch solange die Deutschen ihr Haus nicht in Ordnung bringen können, sind sie selbst verantwortlich für ihre Situation. Letztendlich hängt alles an ihrem eigenen Bewusstseinsentwicklungsstand ab, der Fähigkeit, endlich eine zivilisierte, kultivierte eigene unabhängige Identität zu entwickeln, sowie es Briten, Spanier, Italiener und Franzosen, alle älteren Nachbarnationen vorgemacht haben. Es geht um die Emanzipation. Mit einem emanzipierten Volk springt man dann nicht respektlos um. Es flößt Achtung ein, nicht Furcht vor strotzender materieller Macht als Kompensierung nichtvorhandener geistiger Macht.

Tausend Jahre Geschichte seit der Teilung des Fränkischen Reichs Karls des Großen sind eine Geschichte des Bruderkriegs, der sich zu einer Erbfeindschaft um die Vorherrschaft in Europa entwickelt hat. Unter diesem Machtkampf scheint jedoch ein tieferliegender Konflikt zu schwelen, der bisweilen die grundsätzliche gegenseitige Ablehnung postulierte. Dies gilt es zu beleuchten und zu beheben, um die Weichen für einen nachhaltigen und keinen Schönwetterfrieden und -freundschaft, die keinen Bestand haben, zu stellen. Die Erbfeindschaft ist in den letzen Jahrhunderten eskaliert und hat zu drei epochalen Konflikten mit großem Kollateralschaden für die beiden Länder, sowie Europa und die ganze Welt geführt.

Deshalb ist es im Interesse all dieser Akteure weltweit, dass dieses Verhältnis nachhaltig und zum Vorteil und nicht zum Nachteil aller geordnet wird.

Diese Erkenntnis hat sich allmählich durchgesetzt und die Partner mussten sich, trotz ihrer scheinbaren Inkompatibilität, die wir hier etwas durchleuchten möchten, zu einer Zweckpartnerschaft gegen ihren eigenen tieferen Willen durchringen, um diesen verheerenden Kreislauf zumindest versuchsweise zu unterbrechen. Deshalb hat man versucht, nach dem zweiten Weltkrieg unter der Ägide der sogenannten Architekten Europas, wie z. B. Maurice Schumann in Frankreich, die Situation eines geschwächten Deutschlands zu nutzen, um seine potentielle materielle Macht in Gestalt der Bergbauindustrie (Kohle und Stahl) in die zu schaffende Montanunion einzubinden und sie als Grundlage klassischer Kriegsindustrie mitzubeherrschen. Es ist eine Zwangsmaßnahme unter historischem Druck gegen den tieferen Willen der Akteure gewesen, die jedoch beiden entgegenkam, Deutschland in der Gestalt einer beginnenden Rehabilitierung in der Folge der von ihm verursachten Kriegsgreuel und Frankreich konnte dadurch auf die Welle der deutschen Wirtschaftskraft aufspringen und sie mitreiten und gleichzeitig in einem strategisch maßgeblichen Sektor mitbestimmen.

So ist ein Zweckrapport entstanden, den man in der Folge in der Gestalt der Romverträge vertieft hat, um die beiden psychologischen Motive unter dem zusätzlichen Druck des Zwanges der ideologischen Bipolarisierung der Welt und mit der Absegnung der USA, die einen möglichst starken europäischen Partner gegen die kommunistische Bedrohung schätzten, voranzutreiben. Im Zuge der alten und neuen historischen Zwänge ist eine Zwangspartnerschaft entstanden, die insbesondere von französischer Seite ein reiner rationaler Willensakt ohne Beteiligung des Herzens gewesen zu sein scheint. Und Deutschland konnte auf Grund der neuen historischen Situation der ideologisch bipolarisierten Welt die politische Reemanzipation und Rehabilitierung betreiben, denn eine Ausklammerung Westdeutschlands aus dem westlichen Verbund, der auch über die NATO gefördert wurde und die Veränderung der strategischen Balance durch das Entgleiten Westdeutschlands aus der Einflusssphäre des Westen in das ideologisch antagonistische Camp wäre zu riskant gewesen für geopolitische Gleichgewicht.

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Details

Titel
Das Spiel der Allianzen: Erbfeindschaft, Freundschaft, Partnerschaft und Komplizität
Autor
Jahr
2011
Seiten
13
Katalognummer
V169237
ISBN (eBook)
9783640875375
ISBN (Buch)
9783640875528
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
International Politics, Politique Internationale, Internationale Politik, Intercultural psychophysiology, Psychophysiologie interculturelle, interkulturelle Psychophysiologie, relations franco-allemandes, deutsch-französische Beziehungen
Arbeit zitieren
D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Autor:in), 2011, Das Spiel der Allianzen: Erbfeindschaft, Freundschaft, Partnerschaft und Komplizität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169237

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