Die Bedeutung intrareligiöser Konflikte zwischen den Juden in Judäa und ihrem Selbstverständnis als Ursache des 1. Jüdischen Krieges


Seminararbeit, 2011

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das jüdische Selbstverständnis

3. Die Ausdifferenzierung der jüdischen Gesellschaft

4. Gegensatz zwischen politischer und kulturelle Isolation und Assimilation in der hellenisch – römischen Zeit

5. Bedeutende religiöse Strömungen im Judentum

6. Judäa und seine Herrscher – religiös definierte Bedingungen der Akzeptanz

7. Betrachtung der römischen Herrschaft in Judäa unter religiösen Gesichtspunkten

8. Wertung zur Vorbetrachtung des Josephus über den Jüdischen Krieg

9. Zusammenfassung

10. Quellen – und Literaturverzeichnis
10.1. Quellenverzeichnis
10.2. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Jüdisch – Sein bedingt fast von selbst, dass man sich auf sich selbst besinnen, zu den ererbten Traditionen und Werten stehen, eben partikular sein (und entsprechende Anfeindungen in Kauf nehmen) muss. Die Alternative wäre Anpassung, Assimilation an die Umwelt, gegebenenfalls bis zur Ununterscheidbarkeit.“[1] So beschreibt W. Dietrich die beiden maßgeblichen Richtungen, in die sich die jüdische Religion seit der Fremdbeherrschung durch die Perser differenzierte. Sie sind das Ergebnis einer Entwicklung, welche sowohl mit intrareligiösen Konflikten, als auch der Selbstbetrachtung der Juden in Verbindung steht.

Die vorliegende Hausarbeit untersucht das Zusammenwirken dieser Faktoren mit Blick auf die dadurch resultierenden innen – und außenpolitischen Folgen zwischen Römern und Juden in Judäa vor Beginn des Ersten Jüdischen Krieges. So sollen die in dieser Hausarbeit gewonnenen Erkenntnisse eine Antwort auf die Frage leisten, ob und inwieweit die jüdische Religion mit ihrer Selbstbetrachtung und den internen Konflikten als Ursache für jenen Krieg genannt werden kann.

Die Bedeutung der jüdischen Religion für politische Ereignisse wurde 1989 von J. Maier in seinem Werk „Geschichte des Judentums im Altertum“ hervorgehoben:

„Wer das Judentum als Gesamterscheinung nicht gründlich missdeuten will, kann sich mit einer Darstellung der politischen Geschichte nicht begnügen, er muss die religiöse und im weitesten Sinn kulturelle Geschichte mitbeachten.“[2]

Im Jahre 2002 ergänzt E. Baltrusch in seinem Buch „Die Juden und das Römische Reich“ die Betrachtung dieser wechselseitigen Beziehung um eine zweite Komponente, nach der nicht nur die Religion die Politik, sondern auch die Politik die Religion beeinflusst:

„Ob also das Leben der Juden unter Babyloniern, Persern und Griechen unter einem ähnlichen 'Diktat' der Religion stand, oder ob nicht gerade politische Wandlungen diese Religion selbst verändern konnten, […] .“[3]

W. Dietrichs Beitrag „Israel und die Völker in der Hebräischen Bibel“ für den Sammelband „Juden in ihrer Umwelt. Akkulturation des Judentums in Antike und Mittelalter“, welcher 2009 herausgegeben wurde, greift die Beziehung nochmals auf. So beschreibt er die Entwicklung der Religion vom polytheistischen zum monotheistischen Glauben und benennt deren „Schnittfeld von Partikularität und Universalität“[4], welches wie die Religion selbst einem Wandel unterliegt.

Neben einigen Büchern des Alten Testaments wie den Makkabäerbüchern oder dem Buch Daniel wird die Quellenlage von Flavius Josephus dominiert, worin auch die Quellenproblematik für die Untersuchung der jüdischen Geschichte liegt.

Die für die Betrachtung dieser Geschichte wichtigsten Werke, die „Antiquitates Judaicae“ sowie „De Bellum Judaico“, wurden geschrieben, nachdem Josephus von den Flaviern adoptiert wurde. Sie verlangen daher eine Lesart, die mögliche römerfreundliche Tendenzen kritisch hinterfragt. Weiterhin fand die Betrachtung der Werke des Josephus für diese Hausarbeit in dem Wissen statt, dass Josephus als Jude und Römer in dem Fehlverhalten von Einzelnen oder kleineren Gruppierungen auf beiden Seiten die Ursachen für den Ausbruch des Krieges suchte und daher komplexere Zusammenhänge politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Natur nicht in seine Betrachtungen miteinbezog. Neben diesen Umständen muss ebenso die subjektive Sichtweise des Josephus berücksichtigt werden, die er als Zeit – bzw. Augenzeuge[5] in seine Werke trägt. So ist die Darstellung des Josephus (der von den Sadduzäern zu den Pharisäern übertrat), dass „die Sadduzäer sich sogar untereinander ziemlich schroff begegnen und im Verkehre mit anderen Leuten ihres Volkes ebenso abstoßend sind, wie gegen Ausländer“[6], wohl eher eine persönliche Deutung als ein allgemeingültiges Faktum.

Die Hausarbeit verschafft zunächst einen Überblick über wesentliche Elemente des jüdischen Glaubens und damit ebenso über das Selbstverständnis der Juden. Im Folgenden wird die Ausdifferenzierung der jüdischen Gesellschaft (wobei hier der Schwerpunkt auf die Entwicklungen während der persischen Herrschaft gelegt wurde) und deren gegensätzlichen Auswirkungen auf die jüdische Gesellschaft in Form von Isolation und Assimilation in der hellenistisch – römischen Zeit betrachtet. Als eine Folge wird dabei die Herausbildung verschiedener religiöser Strömungen benannt, welche anschließend überblicksartig betrachtet werden. Im weiteren Verlauf werden die aus der Ausdifferenzierung resultierenden Ansprüche dieser Strömungen betrachtet und deren Auswirkungen für die römisch – jüdischen Beziehungen untersucht. Abschließend werden die aus der Betrachtung gewonnenen Erkenntnisse zur kritischen Hinterfragung der Darstellung des Josephus angewendet.

2. Das jüdische Selbstverständnis

Durch die Betrachtung der jüdischen Geschichtsauffassung wird erkennbar, dass eine Fremdbeherrschung Judäas nicht mit dem jüdischen Selbstverständnis vereinbar ist. Dieses zeichnet sich durch den Erwählungsglauben Israels sowie den Endzeitglauben aus, wobei beide Elemente im Zusammenhang eines „gottgewollten Geschichtsverlaufs“[7] zu betrachten sind. Das von Gott erwählte jüdische Volk sollte seinen durch die Mosetora definierten Willen ausführen bzw. nach seinen Gesetzen leben, damit am Ende aller weltlichen Entwicklungen die Herrschaft Gottes erreicht werden würde.

Das geographische Größenverhältnis Judäas erschwerte jedoch die Durchsetzung der Mosetora, man musste sogar den Einfluss benachbarter Kulturen auf die eigenen Bräuche fürchten. Aus dem Bewusstsein der Gefährdung von Außen[8] (nicht nur religiös, sondern auch politisch – militärisch) resultierte die weitgehende Zentralisierung und Isolation des Judentums. Durch die Reformen der Könige Hiskija (727/6 – 700 v. Chr.) und Josija (639/8 – 609 v. Chr.)[9] wurden die Götzen in ländlichen Teilen Judäas zerstört und der Kult auf den Tempel von Jerusalem konzentriert, wodurch die Verehrung Jahwes sowie die Einhaltung der Mosetora sichergestellt und der jüdische Monotheismus gefestigt wurde. Die Isolation, die sich erst unter der Fremdbeherrschung durch die Perser zu lockern begann, betraf vor allem den Ausschluss Fremder von religiösen Kulten. So wissen wir durch Josephus, dass ein Erlass des Seleukidenkönigs Antiochos III. das Betreten des Tempels von Jerusalem durch Fremde unter Todesstrafe stellte und dass nach diesem Erlass die Zucht von Tieren sowie die Einfuhr von Fleisch nur nach jüdischem Gesetz erfolgen durfte[10]. Die jüdische Isolation führte zu negativen Interpretationsansätzen durch ihre Umwelt, die sie als „andersartig, gemeinschafts – und integrationsfeindlich“ ansah[11].

Diese Spannungen existierten jedoch nicht nur zu den Nachbarn Judäas, sondern auch zu den über Judäa herrschenden Staaten. Die Vergabe des Rechts auf Autonomie, welche je nach (Fremd – )Herrscher in unterschiedlicher Qualität beschnitten wurde, sahen die Juden als Recht Gottes an, weshalb eine Festlegung durch weltliche Herrscher abgelehnt wurde. Nach Maier ließ die Fremdbeherrschung jüdischerseits 2 Interpretationen zu: Einerseits sah man die Fremdbeherrschung als eine Bestrafung Gottes an, die aufgrund mangelnder oder falscher Verehrung Jahwes folgte, andererseits wurde diese auch als Prüfung[12] auf dem Pfad des „gottgewollten Geschichtsverlaufs“ wahrgenommen. Diese Interpretationsansätze sind kennzeichnend für das jüdische Weltbild, nach dem die eigene Geschichte die „einzig wirklich relevante Geschichte“ ist und jene der anderen „Völker und Mächte höchstens Randerscheinungen darstellen.“[13] Obwohl die politische Realität diesem religiösen Ordnungsbewusstsein widersprach, hielten die Juden an ihrem Selbstverständnis fest. Die Differenz zwischen Idealbild und Realität führte keineswegs dazu, dass die eigene Geschichtsauffassung hinterfragt wurde, vielmehr wurde sie als noch zu überwindende Distanz zur Realisierung der Gottesherrschaft interpretiert. Aus dem fest verankerten Selbstverständnis ergibt sich die von Maier beschriebene Tatsache, dass die Juden den Konflikt mit der Vormacht nicht scheuten, da dieser zur Erfüllung des historischen Auftrags unausweichlich schien. So wird im zweiten und siebten Kapitel des Buchs Daniel das Eintreffen der erhofften Endzeit in Form der Gottesherrschaft nach dem Überwinden von vier Weltreichen, den Babyloniern, Medern, Persern und Griechen vorhergesagt. Mit dem Aufkommen des Römischen Reiches wurde die Abfolge der Weltreiche neu ausgelegt, indem entweder die Meder und Perser oder Griechenland und Rom (als dessen Fortsetzung) zusammengefasst wurden.[14] Sie steht daher exemplarisch für die bereits beschriebene Tendenz der Juden, nicht die Geschichtsauffassung an sich, sondern eher die Modalitäten jener Geschichtsauffassung zu hinterfragen.

3. Die Ausdifferenzierung der jüdischen Gesellschaft

Die Differenzierung der religiösen Deutung der Mosetora und deren Auswirkungen auf das Praktizieren des jüdischen Glaubens bzw. des jüdischen Lebens ist hinreichend für die innerjüdischen Auseinandersetzungen seit der Zeit der Fremdbeherrschung durch die Perser.

Nach Baltrusch achteten die Juden im babylonischen Exil zwar weiterhin die „Gesetze der Väter“, jedoch „wurden jüdische Sitten und Gebräuche ebenso 'babylonisiert', wie sie später unter griechischem Einfluss 'hellenisiert' wurden“[15], sodass sich in der babylonischen Diaspora eine erste Differenzierung (abgesehen von den durch die Zentralisierung des Judentums auf den Tempel von Jerusalem und die Jahwe – Verehrung unter Hiskija / Josija aufkommenden Spannungen) gegenüber der religiösen Ausrichtung in Judäa herausbildete.

[...]


[1] Dietrich, S.8.

[2] Maier, S. XI.

[3] Baltrusch, S.13.

[4] Dietrich, S.9.

[5] Bell. I, Vorwort, 1 § 3.

[6] Bell. II, 8, 14 § 166.

[7] Maier, S.2.

[8] Dietrich S.8.

[9] Baltrusch, S.21.

[10] Ant. XII,3,4 §145.

[11] Baltrusch, S. 56.

[12] 2 Makk 6,12: „Sie mögen bedenken, dass die Strafen unser Volk nicht vernichten, sondern erziehen sollen.“

[13] Maier, S. 3.

[14] Maier, S. 7.

[15] Baltrusch, S. 29.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung intrareligiöser Konflikte zwischen den Juden in Judäa und ihrem Selbstverständnis als Ursache des 1. Jüdischen Krieges
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar: Die Zeit der Flavier
Autor
Jahr
2011
Seiten
21
Katalognummer
V169287
ISBN (eBook)
9783640875016
ISBN (Buch)
9783640875122
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, konflikte, juden, judäa, selbstverständnis, ursache, jüdischen, krieges
Arbeit zitieren
Kevin Rimek (Autor:in), 2011, Die Bedeutung intrareligiöser Konflikte zwischen den Juden in Judäa und ihrem Selbstverständnis als Ursache des 1. Jüdischen Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169287

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