Preisbildung am Aktienmarkt - Ein kritischer Vergleich von traditioneller Kapitalmarkttheorie und Behavioral Finance


Hausarbeit, 2010

36 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung

1 Preisbildung am Aktienmarkt anhand der traditionellen Kapitalmarkttheorie
1.1 Idealistische Prämissen zur Abbildung des Aktienmarktes
1.2 Preisbildung auf der Grundlage der Kapitalmarkteffizienzhypothese
1.3 Grundzüge der Kapitalmarktmodelle

2 Preisbildung am Aktienmarkt anhand der Behavioral Finance
2.1 Verhaltenspsychologische Prämissen zur Abbildung des Aktienmarktes
2.2 Marktanomalien induziert durch Verhaltensanomalien
2.3 Grundzüge der Behaviorale Modelle

3 Kritischer Vergleich der traditionellen Kapitalmarkttheorie und der Behavioral Finance
3.1 Theoretische Mindestanforderungen an die Theorien
3.2 Kritik am Abstraktionsgrad
3.3 Finanzwissenschaftlicher Kompromiss zwischen der Behavioral Finance und der Kapitalmarkttheorie

Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anomalien auf der Makro- und Mikroebene

(Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Roßbach (2001):8,13f.)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Theorien (In Anlehnung an Rapp (2000): 92.)

Tabelle 2: Typologien individueller Anomalien (In Anlehnung an Scheufele/Haas (2008): 54.)

Tabelle 3: Ergebnisse der Untersuchung (Eigene Darstellung)

Einleitung

Die Finanzmärkte haben im Laufe des gegenwärtigen und vergangenen Jahrhun- derts immer mehr an Bedeutung gewonnen. Charakteristisch für die Finanzwirt- schaft in der jüngeren Vergangenheit scheint dabei eine zunehmende Unabhän- gigkeit von der Realwirtschaft zu sein. Vermehrt setzt sich sogar die Erkenntnis durch, dass die Realwirtschaft sich den Aktivitäten auf den Finanzmärkten fügt.1 Das Auftreten von Finanzkrisen wird hierbei nicht selten als Beleg für solche These angeführt. Wie auf dem Realmarkt, setzt sich auf den Finanzmärkten der Marktpreis aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zusammen. Je- doch unterliegen Angebot und Nachfrage aufgrund des computergestützten, dy- namischen Handelns und des abstrakten Handelsobjektes anderen Rahmenbedin- gungen.

Um die komplexe Zusammenhangsstruktur zwischen dem Anlegerverhalten und der Preisbildung, sowie ihre Ausprägungen zu erklären, werden im 21. Jahrhun- dert zwei unterschiedliche, gerade zu gegensätzliche Theorien herangezogen. Zum einen ist es die Kapitalmarkttheorie und zum anderen die Behavioral Finance, die versuchen, die Beziehung zwischen den betrachteten Größen aufzuzeigen und erkenntnisreiche Erklärungsansätze für die Praxis abzuleiten. Inwiefern welche der beiden genannten Theorien bessere Erkenntnisse liefert, ist zu untersuchen.

Die vorliegende Arbeit unterteilt sich in drei Hauptkapitel. In Kapitel 1 wird die Kapitalmarkttheorie vorgestellt, indem sowohl die Eigenschaften des Marktes gekennzeichnet durch das Verhalten der Marktteilnehmer, als auch die daraus folgenden Probleme in der Preisbildung herausgegriffen werden. Kapitel 2 wid- met sich im gleichen Ausmaß dem Konzept der Behavioral Finance. Der kritische Vergleich zwischen der Kapitalmarkttheorie und der Behavioral Finance erfolgt in Kapitel 3. Die aufgestellten Prämissen, sowie ihre abgeleiteten Modelle unter- liegen einer kritischen Würdigung in Bezug auf die Mindestanforderungen und ihrem Wahrheitsgehalt in der Praxis. Das Fazit fasst die Erkenntnisse aus den bei- den Theorien zusammen und liefert einen Ausblick auf die zukünftige Entwick- lung hinsichtlich Beurteilung und Verwendung dieser Theorien.

1 Preisbildung am Aktienmarkt anhand der traditionellen Ka- pitalmarkttheorie

1.1 Idealistische Prämissen zur Abbildung des Aktienmarktes

Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre gilt Kapital als ein essentielles Instru- ment dem Konsum und der Investition. Insbesondere Unternehmen benötigen hohe Summen finanzieller Mittel, um den Betrieb aufzunehmen, fortzuführen oder um zu wachsen. Um diese Finanzierung aufzubringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Alternative ist die Beteiligungsfinanzierung, bei der ein bör- sennotiertes Unternehmen Eigenkapital von seinen Aktionären zugeführt be- kommt.2 Die Existenz des Aktienmarktes ist folglich darin bergründet, dass ein Transfer von Kapital zwischen Anbietern und Nachfragern ermöglicht wird.

Der Aktienmarkt ordnet sich dem Kapitalmarkt unter, in dem im Gegensatz zum Geldmarkt mit längerfristigen Finanzkontrakten gehandelt wird. In diesem Sinne bilden Geld- und Kapitalmarkt den Finanzmarkt.3

Die Kapitalmarkttheorie untersucht auf den Finanzmarkt4 bezogen, die Beziehun- gen zwischen den Kapitalgebern und Kapitalnehmern, um dadurch Aussagen über die Preisstrukturen und -entwicklungen der Finanzprodukte abzuleiten.5 Hierzu stellt der kapitalmarkttheoretische Ansatz Erklärungshypothesen über die am Markt herrschenden Bedingungen auf, um anschließend durch geeignete Modelle Investitionsentscheidungen abzuwägen und Finanzierungsmaßnahmen zu ermit- teln. Zur Darstellung eines vollkommenen Kapital- bzw. Aktienmarktes wird ein allgemeingültiges Axiomensystem verwendet. Es folgt die Auflistung zentraler Prämissen der traditionellen Kapitalmarkttheorie, aus denen wiederum weitere Annahmen ableitbar sind:6

- Vollständige Information steht allen Marktteilnehmern kostenlos und gleichzeitig zur Verfügung. (Markteffizienz im engeren Sinne)
- Marktakteure verhalten sich gemäß dem Wirtschaftssubjekt Homo Oecono- micus.
- Die Erwartungen der Investoren sind homogen.
- Es findet ein Ausgleich individueller Fehler auf Marktebene statt bzw. die Kursbewegungen unterliegen einer Normalverteilung.

Die Kauf- oder Verkaufsentscheidung der gesamten Marktakteure beeinflussen den Kurs einer Aktie. Durch Angebot und Nachfrage entsteht ein Gleichgewicht auf dem Markt, welches in Form eines Preises abgebildet wird. Vor dem Hinter- grund der Kapitalmarkttheorie agieren sowohl die Kapitalnachfrager, als auch die Kapitalanbieter gemäß dem Prinzip des Homo Oeconomicus.7 Unter den abgelei- teten Prämissen der Nichtsättigung und der Risikoaversion versucht der Homo Oeconomicus seinen Nutzen zu maximieren.8 Demnach trifft der Marktakteur seine Entscheidungen hinsichtlich des Aktienkaufs und -verkaufs derart, dass er sein zukünftiges Vermögen dadurch maximal steigert. In Anbetracht der vielen in Konflikt zueinander stehenden Ziele und unter Berücksichtigung der Unsicherhei- ten in der Zukunft, verwendet die Wissenschaft die Erwartungsnutzentheorie. Sie wird zur Darstellung des rationalen Verhaltens in Entscheidungssituationen ge- nutzt.9 Hierzu wird gemäß dem Bernoulli-Prinzip eine Risikonutzenfunktion10 verwendet, sodass der rationale Anleger seine konkreten Präferenzen hierarchisch strukturieren kann.11 Da sowohl das Handlungsmotiv, als auch der Informations- stand der Investoren identisch sind, agieren sie auf dem Markt homogen.

Das Vorliegen vollständiger und kostenloser Information für die Marktteil-u nehmer impliziert, dass vollkommener Wettbewerb herrscht, sodass kein einzelner Marktakteur aufgrund eines bestimmten Informationsvorsprungs einen Vorteil in Form einer Überrendite erzielen kann. Die Marktteilnehmer agieren somit als Mengenanpasser.12

Gemäß dem Wiener-Prozess unterliegen Aktienkurse einer Lognormalvertei- lung.13 Die Lognormalverteilung des Aktienkurses impliziert, dass die relativen Kursveränderungen - also die Aktienrenditen14 - normalverteilt sind.15 Somit ist bei stetigen Aktienkursveränderungen die Abweichung des Durchschnittswertes nach oben oder nach unten gleichverteilt, sodass geringe Kursänderungen möglich und wahrscheinlich, erhebliche Kurssprünge jedoch auf dem Aktienmarkt sehr unwahrscheinlich bzw. fast ausgeschlossen sind.16 Das Vorliegen starker Unre- gelmäßigkeiten und Schwankungen im Verhalten der Marktakteure, welches die Normalverteilungshypothese gefährdet, wird durch das Gesetz der großen Zah- len17 negiert. Das bedeutet, dass die fehlerhaften Handlungen der Individuen auf Marktebene eliminiert werden, wodurch die Normalverteilungshypothese verifi- ziert wird.

Auf diesen grundlegenden Prämissen der Kapitalmarkttheorie beruhen die Kapitalmarkteffizienzhypothese und die Kapitalmarktmodelle, die die Preisbildung auf Aktienmärkten darstellen.

1.2 Preisbildung auf der Grundlage der Kapitalmarkteffizienzhypothese

Die Markteffizienzhypothese im weiteren Sinne unterstellt nicht nur die Annah- me, dass effiziente Märkte existieren, sondern beschäftigt sich mi]t der Frage wel- cher Grad der Effizienz auf dem Aktienmarkt vorherrscht. Ein effizienter Markt18 umfasst die operationale Effizienz, die Allokations-19 und Informationseffizienz.20 Der Preis einer Aktie darf demnach nicht von Steuern oder Transaktionskosten verzerrt sein (operationale Effizienz), sondern muss dem fundamentalen Wert des Unternehmens entsprechen (Allokationseffizienz). Der Unternehmenswert be- rechnet sich nach allgemeiner Auffassung aus den diskontierten erwarteten Zah- lungsüberschüssen.21 Diese erzielbaren Erträge sind durch den aktuellen und zu- künftigen Erfolg des Unternehmens determiniert. Um den aktuellen und erwarte- ten Unternehmenserfolg zu bestimmen, bedarf es der Informationseffizienz.

Die Informationseffizienz bedingt nicht nur, dass vollkommene Information zur Verfügung steht, sondern dass diese auf den Aktienmärkten auch effizient verar- beitet wird.22 Die Aktienpreise reflektieren somit ohne Verzerrung zu jeder Zeit alle vergangenen und zukunftsgerichteten Informationen.23 Warum Information für die Preisbildung auf dem Aktienmarkt ein relevanter Bestandteil ist, erklärt sich im Folgenden.

Die Aktionäre und somit die Anbieter von Kapital verfolgen mit dem Kauf einer Aktie keine altruistische Absichten, sondern beanspruchen für sich einen Anteil des Unternehmenserfolges, der ihnen in Form einer Dividende ausgeschüttet wird, für sich.24 Zudem beabsichtigt der Anleger die Aktie zu einem günstigen Preis zu kaufen, um sie in der Zukunft zu einem höheren Preis zu verkaufen und dadurch einen Gewinn zu erzielen. Den Versuch, zeitliche Preisdifferenzen auszunutzen, bezeichnet man als Spekulation.25 Der Aktionär kauft demzufolge das Produkt nicht wegen seines Eigenwertes, sondern hat das Bedürfnis sein finanzielles Vermögen zukünftig zu mehren.26 Dieses Verhalten führt dazu, dass der Preis der Aktie nicht die materielle Beschaffenheit oder den aktuellen Nutzen der Anlage widerspiegelt, sondern einen in der Zukunft erwarteten Wert.

Folglich reflektieren Aktienkurse gemäß der Kapitalmarkteffizienz zukünftige Erwartungen über Gewinn oder Verlust eines börsennotierten Unternehmens.27 Information ist die Haupteinflussgröße der Erwartungen und somit der Preisbildung auf dem Aktienmarkt.

Da die Prämissen eines vollkommenen Kapitalmarktes in der Realität nur unzu- reichend gegeben sind, erfolgt eine Abstufung der Informationseffizienz in drei aufeinander aufbauenden Grade. Die schwache Informationseffizienz beinhaltet im aktuellen Aktienkurs alle Informationen über historische Kursverläufe.28 Die halbstrenge Informationseffizienz liegt vor, wenn der Marktpreis vergangene und gegenwärtige, öffentlich verfügbare Informationen berücksichtigt.29 Die halb- strenge Effizienz schließt damit die schwache Effizienz in ihre Definition mit ein und erweitert diese um die Eigenschaft der allgemeinen Zugänglichkeit der In- formation.30 Wenn der Kurs neben den veröffentlichten alle unveröffentlichten Informationen (Insiderwissen) enthält, dann handelt es sich um die strenge Infor- mationseffizienz. Bei einem streng informationseffizienten Kapitalmarkt besteht keine Möglichkeit der Erzielung von Überrenditen. In diesem Fall entspricht die Rendite dem Risiko der Anlage, sodass sich ein Gleichgewichtspreis einstellt.31

1.3 Grundzüge der Kapitalmarktmodelle

Die Preisbildungsmodelle versuchen auf der Grundlage der Kapitalmarkttheorie durch erkenntnistheoretische und statistische Parameter den Preisbildungsprozess auf dem gesamten Markt zu erklären. Hierzu zählen das Capital-Asset-Pricing- Model (CAPM), die Arbitragepreistheorie, die Optionspreispreistheorie, sowie das Random-Walk-Modell mit seinen Modellerweiterungen.32 Somit unterschei- den sich diese Modelle wesentlich von den Preisprognosemodellen, die auf der Basis beobachteter Werte Prognosen über zukünftige Kurstrends bieten.33

Mit der Hypothese, dass Aktienkurse einem Zufallspfad folgen, belegt das Ran- dom-Walk-Modell die schwache Informationseffizienz auf dem Aktienmarkt. Als Begründung wird aufgeführt, dass bei Berücksichtigung aller historischen Daten durch den aktuellen Aktienkurs, der Preis der Aktie durch den inneren Wert be- stimmt wird. Folglich haben lediglich zukünftige Informationen Einfluss auf die Erhöhung oder Verringerung des Aktienpreises. Da es unbekannt ist, wann die

Information eintritt und welche Auswirkungen sie auf den Aktienkurs hat, können keine Kursvorhersagen gemacht werden.34 Somit sind die zeitlich aufeinanderfol- genden Preisänderungen voneinander unabhängig. Das bedeutet, dass die Aktien- kursänderung in einer Periode keine Information über die Preisbildung in der Fol- geperiode vermittelt.35 Eine Erweiterung des Random-Walk-Modells bildet das Martingale- und das Submartingale-Modell, welche in der formalen Präzisierung des Preises geringere restriktive Annahmen enthalten.36

In dem Capital Asset Pricing Modell wird die erwartet Rendite formal in Abhän- gigkeit des systematischen Risikos beschrieben. Unter der Bedingung des Kapi- talmarktgleichgewichts zeigt sie damit den Preis für die Übernahme von Risiko auf.37 Das Modell unterliegt den in Kapitel 1.1 aufgestellten Prämissen eines voll- kommenen Kapitalmarktes, sodass das risikoaverse Verhalten sich anhand des (μ , σ )- Prinzips beschreiben lässt.38 Das CAPM dient als Entscheidungshilfe für Inves- titionen bei Ungewissheit und findet in der Praxis in unterschiedlichen Bereichen Anwendung. Neben der internen Investitionsrechnung wird sie auch zur Ermitt- lung des Unternehmenswertes in der Discounted-Cashflow-Methode herangezo- gen, die im Rahmen eines Unternehmenskaufs durchgeführt wird.39 Das CAPM genießt als Bewertungsmodell ein hohes Ansehen und ist folglich weit verbreitet.

Die Arbitragepreistheorie geht ebenfalls wie das CAPM von dem Grundsatz aus, dass zwischen der erwarteten Rendite und dem Risikoparameter des Wertpapiers eine lineare Korrelation besteht. Die Arbitragepreistheorie stellt jedoch weniger restriktive Annahmen. In diesem Sinne entfällt die Prämisse eines risikoaversen Investors.40 Zudem fordert die Theorie kein Marktgleichgewicht, sondern einen arbitragefreien Aktienmarkt.41

Die Kapitalmarkttheorie und die aus ihr hervorgegangenen Modelle haben einen wesentlichen Beitrag für die Finanzmärkte geleistet. Neben dem modernen Portfoliomanagement sind sie aus der Risikomessung von Kapitalanlagen und der Performance-Beurteilung nicht mehr wegzudenken.42

2 Preisbildung am Aktienmarkt anhand der Behavioral Finance

2.1 Verhaltenspsychologische Prämissen zur Abbildung des Aktienmarktes

Neben den Fundamentalfaktoren (Unternehmenserfolg, Dividende, Konjunktur, etc.), den Kapitalmarktaspekten (Geldmenge und Zins) und den markttechnischen Faktoren, fließen auch psychodynamischen Komponenten, wie z. B. Emotionen oder Motivationen der Investoren, in den Aktienkurs mit ein.43 Der erfolgreiche Börsenspekulant André Kostolany geht sogar davon aus, dass kurz- und mittelfris- tig die Psychologie 90% des Kurses ausmacht.44 Die Behavioral Finance hat es zu ihrer Aufgabe gemacht verhaltenspsychologische Aspekte und ihren Einfluss auf die Börse hin zu untersuchen.

Demnach stellt sie unter psychologischen Rahmenbedingungen fundamental menschliche Verhaltensaxiome auf, um die Funktionsweise des Aktienmarktes zu erklären. Der Fokus liegt auf den Reaktionen und Aktionen der Marktakteure. Das Ziel ist das Aufzeigen des tatsächlichen Verhaltens der Investoren, um Erklärungsansätze für die induzierte Preisbildung auf dem Aktienmarkt zu liefern. Folgende Ansätze sind hierbei zu beachten:45

- Unvollständige Informationsverfügbarkeit und -verarbeitung der Markteil- nehmer.
- Heterogene Erwartungen der Marktteilnehmer.
- Abhängige irrationale Verhaltensmuster der Marktteilnehmer.
- Aggregation von Verhaltensfehlern auf Marktebene.

Die Erwartungsbildung und der Entscheidungsprozess eines Anlegers sind durch die Informationsverfügbarkeit, sowie durch seine individuellen Informati- onswahrnehmung und -verarbeitung geprägt.46 Information ist mit zunehmen- der Zeit unbegrenzt vorhanden. Elektronische Medien ermöglichen heutzutage den schnellen und umfangreichen Zutritt zu fundamentalen Daten auf den Märk- ten. Dennoch ist der Zugang zu wichtigen Informationen entweder mit hohen Kosten verbunden oder für bestimmte Investoren nicht möglich.47 Selbst wenn kursrelevante Informationen über bestimmte Ereignisse auf den Ak- tienmärkten vorliegen, ist die Wahrnehmung und Verarbeitung bei jedem Indivi- duum selektiv und unterschiedlich.48 Das bedeutet, dass jeder Mensch Nachrich- ten subjektiv interpretiert und dementsprechend darauf differierend reagiert. Die Entscheidungsfindung ist durch den begrenzten Erkenntnisapparat49 der Men- schen gekennzeichnet. In dieser Hinsicht geht die Behavioral Finance nicht von homogenen, sondern von heterogenen Erwartungen der Marktteilnehmer aus.

Desweiteren stellt die Behavioral Finance gemäß der Theory of Bounded Rationality von Simon50 das eingeschränkte rationale Verhaltensmuster der Men- schen in den Vordergrund. Demzufolge kann der Investor aufgrund der kompli- zierten wirtschaftlichen Prozesse, der Unsicherheit und der mangelhafte Transpa- renz nur beschränkt die Information zur Entscheidungsfindung verarbeiten.51 Zu- dem schließt die begrenzte Rationalität Gefühle und Emotionen, wie Angst, Gier und Panik nicht aus. Somit haben mentale, psychische und neuronale Aspekte Einfluss auf die Kauf- oder Verkaufsentscheidung der Marktakteure und letztend- lich auf die Preisbildung auf den Aktienmärkten.52 Jedoch entfallen mit der Irrati- onalität die Voraussetzungen der Nutzenmaximierung und der eindeutigen Präfe- renzbildung, die in den bisherigen wirtschaftstheoretischen Modellanalysen Ver- wendung fanden.53 Stattdessen gilt entweder die Annahme einer Satisficing- Strategie54, indem von einer angemessenen Bedürfnisbefriedigung ausgegangen wird, oder, entsprechend der Austauschtheorie55, beabsichtigen die Anleger die Maximierung der Nettobelohnungen. Bei den Belohnungen handelt es sich in die- sem Fall nicht nur um materielle oder monetäre Güter, sondern um soziale Be- dürfnisse, wie z. B. Anerkennung, Respekt und Würde.56

[...]


1 Vgl. Spremann/Gantenbein (2005): vii.

2 Vgl. Wöhe/Döring (2008): 590f.

3 Bei den längerfristigen Finanzkontrakten handelt es sich um Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr. Vgl. Spremann/Gantenbein (2005): 37.

4 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem Aktienmarkt, sodass die Begriff- lichkeiten Kapital- und Finanzmarkt sich nur auf diese Handelsplattform beziehen. Vgl. Spremann/Gantenbein (2005): 33ff.

5 Vgl. Rudolph (1993): 2113.

6 Für weitere ableitbare Annahmen vgl. Steiner/Bruns (2007): 3; Laux/Schabel (2009): 156; Rapp (2000): 92.

7 Das Einschränken des menschlichen Verhaltens auf ein emotionsloses Wirtschaftssubjekt wird nicht nur in der Kapitalmarkttheorie verwendet, sondern findet allgemein in der Disziplin Wirt- schaftswissenschaften als Grundannahme für wirtschaftstheoretische Modellanalysen regelmä- ßig Verwendung. Vgl. Wöhe/Döring (2008): 46.

8 Vgl. Garz/Günther/Moriabadi (2006): 47; Wöhe/Döring (2008): 46.

9 Die Erwartungsnutzentheorie gilt als Grundpfeiler der normativen Entscheidungstheorie. Vgl. Oehler (1991): 4; Kottke (2005): 8.

10 Die Risikonutzenfunktion ermittelt auf Grundlage des risikoaversen Verhaltens des Anlegers den zugehörigen Nutzenwert. Vgl. Laux (2005): 182; Bamberg/Coenenberg (2006): 91f.

11 Vgl. Kottke (2005): 8ff; Laux (2005): xxii.

12 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 3.

13 Der Wiener Prozess ist ein stochastischer Prozess, der zur Beschreibung von Aktienkursen herangezogen wird. In der Literatur wird dieser Prozess auch als geometrisch Brownsche Be- wegung bezeichnet. Vgl. Specht/Gohout (2009): 11f; Hull (2009): 340.

14 Die Rendite der Aktie ergibt sich formal aus der relativen Preisveränderung.

15 Die Normalverteilung ist auch unter dem Begriff Gaußsche Glockenkurve bekannt. Vgl. Spremann (2008): 84, 422.

16 Vgl. Faber (2007): 115.

17 Vgl. Averbeck (2010): 12.

18 In diesem Verlauf bezeichnet die Markeffizienz nicht nur die Informationseffizienz, wie es Steiner/Bruns (2007): 39ff. Spremann/Gantenbein (2005): 65ff. Specht/Gohout (2009): 87ff. Copeland/Weston/Shastri(2008): 448ff. in ihrer Literatur verwenden, sondern dient im weite- ren Sinne als Oberbegriff gemäß Garz/Günther/Moriabadia (2006): 81ff. Erweiterte Formen der Markteffizienz befinden sich in Loistl (1990): 63ff.

19 Die Allokationseffizienz wird auch als Bewertungseffizienz bezeichnet und wird daher in die- ser Studienarbeit synonym verwendet.

20 Vgl. Garz/Günther/Moriabadi (2006): 81ff.

21 Vgl. Schulz (2010): 48.

22 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 39.

23 Vgl. Fama (1970): 383.

24 Vgl. Beike/Schlütz (2005): 46.

25 Vgl. Averbeck (2010): 3.

26 Vgl. Burda/Wyplosz (1994): 584.

27 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 39.

28 Vgl. Herrmann (2005): 54f.

29 Vgl. Hauser (2003): 40.

30 Vgl. Graw (1984): 40f.

31 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 42.

32 Die Optionspreistheorie wird in diesem Rahmen nicht behandelt. Vgl. Braun (2007): 2.

33 Hierzu gehören die Fundamentalanalyse und technische Analyse. Vgl. Häcker (2003): 7f.

34 Vgl. Steiner/Bruns: 230.

35 Folglich kann auch mit der technischen Aktienanalyse, deren Preisentwicklungsprognosen auf vergangenen Kursverläufen basieren, keine Überrendite realisiert werden. Vgl. Garz/Günther/ Moriabadi (2006): 87; Vgl. Bruns/Meyer-Bullerdiek (2008): 74.

36 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 230.

37 Vgl. Schierenbeck (2003): 402; Wöhe/Döring (2008): 680; Mathesius (2003): 112.

38 Gemäß dem (μ , σ )- Prinzip entscheidet sich der Investor für das Portfolio, welches im Vergleich zu den anderen Portfolios bei gleichem Risiko eine höhere Rendite oder bei gleicher Rendite ein niedrigeres Risiko aufweist. Vgl. Steiner/Bruns (2007): 3.

39 Vgl. Wöhe/Döring (2008): 573f.

40 Vgl. Copeland/Weston/Shastri (2008): 244.

41 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 4f.

42 Vgl. Steiner/Bruns (2007): 34; Steiner/Kölsch (1989): 487f.

43 Vgl. Bruns/Meyer-Bullerdiek (2008): 80; Schleis (1993): 13.

44 Vgl. Kostolany (1991): 19.

45 Vgl. Rapp (2000): 92.

46 Vgl. Reifschneider (2006): 9ff.

47 Bei unzugänglichen Informationen handelt es sich z. B. um Insiderwissen.

48 Vgl. Rapp (2000): 95.

49 Der Erkenntnisapparat definiert die individuelle Art und Weise der räumlichen und zeitlichen Wahrnehmung der Information. Vgl. Gölz (2008): 21.

50 Vgl. Simon (1957).

51 Vgl. Pinner (1997): 16.

52 Vgl. Rapp (2000): 93.

53 Vgl. Wiswede (2007): 27.

54 Vgl. Winkler von Mohrenfels (2010): 7.

55 Vgl. Raab/Unger (2005): 329ff.

56 Vgl. Wiswede (2007): 98; Foa/Foa (1980): 77ff.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Preisbildung am Aktienmarkt - Ein kritischer Vergleich von traditioneller Kapitalmarkttheorie und Behavioral Finance
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
36
Katalognummer
V169608
ISBN (eBook)
9783640879762
ISBN (Buch)
9783640880003
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Investition und Finanzierung, Kapitalmarkt, BWL, Aktienmarkt, Kapitalmarkttheorie, Behavioral Finance
Arbeit zitieren
Aylin Dogan (Autor:in), 2010, Preisbildung am Aktienmarkt - Ein kritischer Vergleich von traditioneller Kapitalmarkttheorie und Behavioral Finance, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169608

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